Synthesizer gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Gerade seit der digitalen Revolution in den achtziger Jahren kann sich der Markt kaum vor neuen Produkten halten. Viele haben heutzutage einen Legendenstatus erreicht, jedoch gab es auch einige Synths, die unter dem Radar flogen. Hier sind sieben unterschätzte Synthesizer, die definitiv mehr Aufmerksamkeit verdient hätten.

Yamaha AN1x – Virtuell analoger Underdog
Der 1997 veröffentlichte virtuell analoge Synthesizer war damals Yamahas Versuch, mit Geräten wie dem Nord Lead oder der Roland JP8000 mitzuhalten. Das vergleichsweise unauffällige – um nicht zu sagen langweilige – Design des Synths in Verbindung mit sehr unauffälligem Marketing ließ den Verkaufserfolg aus. Der AN1x blieb der einzige VA-Synth von Yamaha, und sie stellten die Produktion recht schnell ein.
Dabei braucht sich der AN1x mit seinen Funktionen nicht zu verstecken: zehnstimmige Polyphonie mit jeweils zwei Oszillatoren pro Voice, drei verschiedene Filtermodelle und acht frei belegbare Potis sind nur einige Specs des VA-Powerhouses. Ein besonderes Merkmal ist der Arpeggiator, der mit Funktionen daherkommt, die eher an einen Step-Sequencer erinnern.
Die oft übersehene Klangqualität macht diesen unterschätzten Synthesizer zu einem echten Geheimtipp. Die extrem schnellen Envelopes und druckvollen Filtersweeps laden besonders zu cinematischen Lead- und Pad-Sounds ein. Mit ein paar Tricks lassen sich dem AN1x sogar modular-ähnliche Klänge entlocken.
Korg DSS-1 – Ein unterschätzter Hybrid
Mitten in den achtziger Jahren, während das DX7 den Markt dominierte, veröffentlichte Korg ein Gerät, welches seiner Zeit weit voraus war. Der DSS-1 ist eine Fusion aus Sampler und Synthesizer in einem massiven Gehäuse, dessen Bedienung von Menüdigging und fehlenden Live-Parametern geprägt ist.
Das Fundament des achtstimmig polyphonen Synthesizers ist 12-Bit-Sampling mit 256 kB RAM-Speicher, was für die damalige Zeit eine echte Kampfansage war. Dazu kommt eine additive Synth-Engine, welche sogar das „Zeichnen“ von eigenen Wellenformen ermöglicht. Pro Stimme gibt es einen analogen Filter auf SSM2045-Basis, welche klanglich mehr als überzeugend sind. All dies lässt sich natürlich über diverse Parameter modulieren. Eine FX-Sektion sucht man leider vergebens.
Doch warum hat dieses außergewöhnliche Fusion-Instrument den Markt nicht überrannt? Ein ausschlaggebendes Argument dafür ist auf jeden Fall der Formfaktor. Mit seinen 20,5 kg und 44 cm Tiefe ist dieser unterschätzte Synthesizer auf jeden Fall kein Tourbegleiter. Zum Bedienen des DSS-1 sollte man auf jeden Fall sehr menükundig sein, Hands-on-Parameter gibt es nicht. Das Diskettenhandling war auch nicht unbedingt nutzerfreundlich, jedoch hielt es eine Menge Potenzial. Gibt man dem Patch-Design ein wenig Zeit, ist es möglich, unglaublich fette und detaillierte Sounds zu erschaffen.
Roland Alpha Juno – Mehr als nur „Hoover“ Sounds
Roland setzte in den achtziger Jahren mit der Juno-106 und der Juno-60 Produkte auf den Markt, die bis heute die Pop-Musik maßgeblich mitgestalten. Schwierig, an diesen Erfolg anzuknüpfen. Die Alpha-Juno versucht dieses, enttäuscht aber anfänglich durch das reduzierte und digitale Bedienfeld.
Unter der Haube findet man in der Alpha-Juno einen DCO pro Stimme (sechs Stimmen insgesamt), einen 24 dB Lowpass-Filter, eine Hüllkurve und einen LFO. Dem Aufbau der Vorgängerinnen also sehr ähnlich. Die Oszillatoren sind jedoch um einiges stimmstabiler als bei diesen.
Während die 106/60 mit einem einladenden und warmen Design zum Spielen einladen, muss man sich bei der Alpha-Juno auf Menüdigging durch Knöpfe einstellen. Einzig das damals brandneue „Alpha-Dial“ bietet die Möglichkeit, dynamisch Parameter einzustellen. Nähert man sich der Alpha-Juno jedoch durch einen PC-Editor oder den PG-300-Controller, wird einem erst klar, zu was der Synth fähig ist: fette Poly-Sounds, die sich vor allem die Rave-Community der neunziger Jahre zu eigen machte (Stichwort „What the…?“ Preset).
Ensoniq ESQ-1 – Digitale Wavetable mit analogem Filter
Die Underdogs um Ensoniq brachten 1986 ein Gerät auf den Markt, welches bewusst wieder eine Brücke zur „alten“ analogen Architektur schlagen wollte. Der besondere Aufbau machte ihn für Digital-Fans zu analog und für Analog-Puristen zu digital.
Drei digitale Oszillatoren pro Stimme mit jeweils einem CEM3379-basierten Lowpass-Filter schaffen den Charakter dieses polyphonen und multitimbralen (jeweils achtfach) Synths. Umfangreiche Modulationsmöglichkeiten und ein integrierter Achtspur-Sequencer machen den ESQ-1 zu einem unglaublich flexiblen Gerät, dessen Möglichkeiten der Klangmanipulation scheinbar endlos sind. Durch die Kombination aus digitalen und analogen Komponenten hat der Synth einen ziemlichen Signature-Sound, der bis heute schwer zu finden bleibt.
Die Synth-Community tat sich schwer mit der grauen Box voller Möglichkeiten. Ensoniq war kein großer Player in der Industrie, weswegen alle Produkte erst einmal einem kritischen Blick unterzogen wurden. Jedoch lohnt sich – wie bei fast allen Synths dieser Liste – ein Blick hinter die Kulissen. Der ESQ-1 bietet einzigartige Features mit einem analogen Kern, aber einem digitalen Hirn. Wer es schafft, sich beiden Welten gleichzeitig zu öffnen, wird reich belohnt.
Waldorf Blofeld – Ein günstiger aber unterschätzter Synthesizer
Der Blofeld gehört zu den meist unterschätzten Synthesizern der modernen Zeit. Während das Serum-VST mittlerweile zum Industriestandard gehört, gerät dieser multitimbrale Wavetable-Synth immer mehr in Vergessenheit. Der günstige Preis ist für viele ein Ausschlusskriterium für ein High-End-Gerät.
Drei Oszillatoren, welche mit VA-Waveforms oder Wavetables bespielt werden können, bilden den Kern des Synths. Zwei variable Filter pro Stimme (bis zu fünfundzwanzig Stimmen möglich!) runden alles ab, während man durch eine riesige Modulationsmatrix alles wieder verkanten kann. Eine große Auswahl an Effekten sorgt für den Feinschliff.
Viele Synth-Nerds sind an simple subtraktive, analoge Synthese gewöhnt. Deshalb mag der Blofeld mit komplexen Funktionen wie Wavetables abschreckend wirken. Die Modulationsmatrix ist goldwert, jedoch ist das Bedienfeld mit lediglich vier Encodern ziemlich unzugänglich. Mit seinen rund fünfhundert Euro hohen Anschaffungskosten ist der Synth vergleichsweise günstig, und ihm wird daher nicht so viel Vertrauen in die komplexen Funktionen gegeben. All dies resultiert vor allem in einer Beliebtheit in der Industrial-Szene, aber noch fehlendem Erfolg im Mainstream-Markt.
Casio CZ-Serie – Neue Synthese mit billigem Image
Oft als Spielzeug-Synth verkannt, kommt die CZ-Serie von Casio mit einer ganz eigenen Synthesetechnik daher. Die „Phase Distortion Synthesis“ ist exklusiv von Casio und gibt der Reihe ein Gefühl zwischen FM-Synthese und Wavetables, jedoch um einiges aggressiver.
Fünf Modelle kamen zwischen 1984 und 1986 auf den Markt. Das Flaggschiff CZ-1 beendete die Reihe. Sie lieferten je nach Modell vier- bis sechzehnstimmige Polyphonie mit jeweils maximal zwei Oszillatoren. Diese spielen klassische Wellen, aber auch komplexe „PD-Waveforms“. Die Synths kommen ohne analogen Filter aus, und der Klang wird primär über Envelopes, Ringmodulation und DCW (Digitally Controlled Waveforms) geformt.
Das Design aus Plastik erinnert eher an ein billiges Keyboard für Kinder, jedoch wurde hier an genau den richtigen Enden gespart. Casio lieferte hier zu einem relativ niedrigen Preis (knapp 1200 Dollar) eine Fülle an Sound und eine neue Syntheseart – Features, für die sich auch Großmeister wie Jean-Michel Jarre nicht zu schade sind.
Kawai K4 – Lo-Fi-Charme und Digitalromantik
Die Klavierhersteller um Kawai wollten mit dem K4 ein Konkurrenzprodukt zu Geräten wie dem Korg M1 oder Roland D-50 bieten. Dabei wollten sie nicht auf einen individuellen Charakter verzichten. Was herauskam, war ein ungewöhnlicher Lo-Fi-Synth.
Der multitimbrale (achtfach) und polyphone (sechzehn Stimmen) Synth baut auf Synthese durch PCM-Wellenformen auf. Bei diesen kann man aus insgesamt 256 Stück auswählen. Die Bänke unterteilen sich in 96 Synth-Samples und 96 Instrumentensamples; 64 Drum-Samples runden den Allrounder ab. Zwei digitale Lowpass-Filter (12/24 dB) formen die Wellen, drei Hüllkurven und zwei LFOs laden zum Modulieren ein. Effekte mit Lo-Fi-Charakter lassen sich über zwei Slots zuweisen.
Der K4 versteht sich nicht als klassischer Rompler, sondern als in sich schlüssige Synth-Engine. Mit ein wenig Kreativität lässt sich hier einiges an Sound herauslocken. Durch die PCM-basierte Technik bleibt jedoch ein Qualitätsverlust (heute nennt man das Lo-Fi!) im Klang nicht aus. Und ähnlich wie Casio wurde Kawai von der Synth-Community nie ganz ernst genommen. Dies erschwerte den Weg des K4, obwohl er klanglich locker mit einem Korg M1 mithalten kann.
Unterschätzte Synthesizer – Ein Formproblem?
Schaut man sich die Geräte dieser Liste an, findet sich fast immer ein gemeinsamer Nenner: Der Formfaktor bzw. das Interface wird dem Funktionsumfang des Instruments nicht gerecht. Die Synth-Community liebt zugängliche Parameter und Button-per-Function-Interfaces. Wenn jedoch die interne Architektur des Synths so umfangreich ist, dass sie nicht mehr auf ein Frontpanel passt, müssen Hersteller neue Wege gehen. Diese kommen mal besser, mal schlechter an – jedoch bleibt eins sicher: Unter die Haube schauen lohnt sich nicht nur bei Autos!