Die 90er Jahre haben etliche spannende Synths hervorgebracht. Virtuell-analoge Klangerzeugung und Physical Modeling bleiben bis heute aktuell. Wir stellen die wichtigsten Synthesizer zwischen 1990 und 1999 vor. Zudem nennen wir aktuelle Alternativen.
Die 90er Jahre waren für Synthesizer-Fans gute Zeiten. Sie bauten musikalisch auf den Innovationen der 80er auf und führten diese immer weiter. Viele der Presets kennt man noch heute von erfolgreichen Hits. Mit diesem Feature möchten wir die Synthesizer der 90er Jahre stärker in den Fokus rücken.
90er Synthesizer sind meistens digital
Ein wesentliches Merkmal: Analoge und hybride Synthesizer hatten als Neuware wenig Chancen. Alle führenden Hersteller setzten während der 90er Jahre vor allem auf digitale Synthesizer. Es kamen Physical Modeling- und neue Performing-Konzepte auf den Markt. Auch bis dahin kleineren Unternehmen wie Access oder Clavia erschlossen sich völlig neue Marktpotentiale. Für VST-Instrumente war es aber noch zu früh, auf dem Musikrechner liefen MIDI-Sequenzer und Editoren, obwohl Steinberg bereits 1996 die VST-Spezifikationen veröffentlichte.
Eine Chronik der 90er Synthesizer
Wir treffen eine Auswahl mit Vintage-Synthesizern aus den 90er Jahren, die heute in aktualisierter Form als Neuware gekauft werden können. Es sind Neuvorstellungen zwischen 1990 und 1999. Anders gesagt: Synthesizer, die wie beispielsweise der erste Waldorf Microwave früher (1989) erschienen, aber in den 1990er Jahren sehr beliebt waren, bleiben in der folgenden Chronik unberücksichtigt. Bis auf wenige Ausnahmen sind es Keyboard-Modelle. Anders als heute üblich gab es damals so gut wie noch keine Miniaturisierungen der Tastatur.
Teil 1 – Synthesizer von 1990 bis 1995
Korg Wavestation (1990) – Motion-Synthesizer der 90er
Mit der Korg Wavestation brachte Korg im Jahr 1990 das Wave Sequencing als neue erweiterte Syntheseform. Dieses Instrument bietet zudem Vektorsynthese sowie umfangreiche Layer-Möglichkeiten. Tatsächlich waren die Performances der Korg Wavestation seinerzeit innovativ. Gerade für Filmmusik, Ambient oder Meditationsmusik und auch für Fans von bewegten elektronischen Klängen bleiben sie ein großes Kino.
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Von der Korg Wavestation gibt es einige Versionen und Produktvarianten (EX, AD, SR). Heute sind all diese Keyboard- und Rackmodelle der 90er nur für Liebhaber interessant. Viel praktischer und klanglich noch ergiebiger ist die 2020 erschienene Korg Wavestate, die es ebenso in einigen Versionen (MKII, SE, native) zu kaufen gibt. Für DAW-Producer ist die Korg Wavestate native ein Budget-Tipp.
Emulation für PC/Mac: Korg Wavestate native
Vergleichbare Neuware: Korg Wavestate
Der Korg Wavestate Synthesizer bringt das klassische Wave Sequencing auf einen neuen Level. Wir haben die digitale Klangmaschine ausführlich angespielt und viel Potenzial entdecken können.
Roland JD-800 (1991) – Rompler zum Anfassen
Der Roland JD-800 fällt mit seiner griffigen Benutzer-Oberfläche positiv auf. Anders als verschlossene Synthesizer der 90er Jahre bietet er zahlreiche Bedienelemente für den haptischen Spaß. Im Grunde ist der JD-800 ein Rompler mit dem Panel eines analogen Synthesizers. Er liefert einen breiten schillernden Sound für fantasievolle bis komplexe Flächen. Seine werkseitigen Presets sind in einigen Tracks der frühen 90er zu hören. Als Rackversion gibt es den Roland JD-990.
Der Gebrauchtkauf eines JD-800 ist sicherlich verlockend, man sollte aber ein technisch einwandfreies Exemplar (Stichwort: Red Glue Keyboard) erwischen. Geht es ausschließlich um den Sound des JD-800, findet sich in der Roland-Cloud eine gelungene Alternative oder man freundet sich mit dem seit 2021 erhältlichen Modul Roland JD-08 an.
Emulation für PC/Mac: Roland Cloud JD-800
Roland JD-800, der klassische digitale Synthesizer von 1991, ist jetzt als Model Expansion für die Jupiter-X/-Xm Hardware-Synths und in virtueller Form in der Cloud verfügbar.
Korg 01/WFD (1991) Workstation-Synthesizer der 90er Jahre
Korg präsentierte mit der Korg M1 die erste Synthesizer-Workstation und landete damit Ende der 80er Jahre einen Riesenerfolg. Natürlich sollte es Nachfolger geben: Der 1991 erschienene Korg 01/W avancierte ebenso zum Bestseller. Er bietet mehr Multisamples, eine doppelte so große Polyfonie und mehr Effekte als die Korg M1. Das Besondere ist das Waveshaping in der Oszillator-Sektion.
Vom Korg 01/W gibt es einige Varianten (FD, Pro, ProX, W und 03/W). Als Software-Instrument bekommt man ihn aber (noch) nicht, den Nachfolger Triton von 1999 allerdings schon. Die Synthesizer-Qualitäten und der Klang sind nicht so markant, dass man sich heute einen betagten Synthesizer der 90er wie den Korg 01/W unbedingt ins Studio oder auf die Bühne holen müsste. Korg Kronos oder Nautilus sind besser.
Emulation für PC/Mac: n/a
Vergleichbare Neuware: Korg Kronos oder Nautilus
Novation Bass Station (1993): inoffizielle TB-303-Alternative
Eine der wenigen echten analogen Synthesizer der 90er entwickelte die damals junge britische Firma Novation. Die Bass Station war inoffiziell so etwas wie eine Alternative zur Roland TB-303 Bass Line. Ein satter druckvoller Sound, die einfache Bedienung und auch ein günstiger Preis machten die Novation Bass Station von 1993 zu einem Verkaufsschlager.
Im Jahr 1997 folgte die Super Bass Station, eine Rackversion mit einer Höheneinheit. Die erste Bass Station ist 2013 durch eine neue Version abgelöst worden. Die Novation Bass Station II mit Multimode-Filter und tempo-synchronisierbarem LFO gibt es noch immer als Neuware. So lohnt es sich also kaum, nach einem gebrauchten Modell aus den 90ern zu schauen.
Emulation für PC/Mac: Novation B-Station (Freeware)
Vergleichbare Neuware: Novation Bass Station II
Mit der Bass Station II beschert uns Novation die überarbeitete Wiederauflage des legendären Synthesizers von 1993. Wie das Teil klingt, erfahrt ihr hier.
Teil 2 – Synthesizer von 1995 bis 1999
Clavia Nord Lead (1995) – Trendsetter ab Mitte der 90er
Der erste Clavia Nord Lead läutete 1995 die Ära der VA-Synthesizer ein. Wir haben es hier mit einem kompakten, robusten und insbesondere vierstimmigen Instrument zu tun, das sich auf 12 Stimmen aufrüsten lässt. Der Klang dieses Synthesizers der 90er ist exzellent und rückt in die Nähe der analogen Flaggschiffe der 70er und 80er Jahre. Natürlich hat der Nord Lead seinen eigenen Sound. Er klingt präziser und kühler als die meisten Analogsynthesizer.
Mit dem Nord Lead konnte Clavia wohl erstmalig viele Musiker und auch konkurrierende Hersteller davon überzeugen, dass in der virtuell-analogen Synthese die Zukunft steckt. Der erste rote Schwede ist ersetzbar. Heutzutage fährt man mit einem Clavia Nord Lead 4 oder Nord Lead A1 besser.
Emulation für PC/Mac: DiscoDSP Discovery (orientiert sich am Nord Lead 2)
Vergleichbare Neuware: Clavia Nord Lead A1
Waldorf Pulse (1996) – Klassischer Analogsynth der 90er
Die Idee eines erschwinglichen Minimoog im Rack-Format könnte Waldorf zur Entwicklung des ersten Pulse veranlasst haben. Der 1996 erschienene Waldorf Pulse erzeugt mit drei analogen Oszillatoren und Filter ordentlich Druck. Per Modulationsmatrix ist dieser Synthesizer der 90er Jahre auch recht flexibel programmierbar. Interne Effekte hat er nicht, einen Arpeggiator aber schon. Die Bedienung des ersten Pulse läuft eher spröde, beim 2013 vorgestellten Pulse 2 hat man diesbezüglich mehr Spaß.
Wie schaut es heute aus? Nun, wer sich nicht an der Gehäusefarbe stört, bekommt mit dem Waldorf Pulse 2 Limited Edition seit 2024 einen tollen analogen Desktop-Synthesizer neuwertig zum günstigen Preis. Das Risiko beim Gebrauchtkauf muss man also nicht unbedingt eingehen.
Emulation für PC/Mac: n/a
Vergleichbare Neuware: Waldorf Pulse 2 Limited Edition
Trägt der monophone Analogsynthesizer Waldorf Pulse 2 seinen großen Namen zu Recht? Wir haben seine Oszillatoren ausführlich gekitzelt!
Roland JP-8000 (1996) – Die Trance-Legende
Der Synthesizer für Trance der späten 90er Jahre kommt von Roland. Im Grunde hat der Roland JP-8000 ein Stück Musik- und Synthesizer-Geschichte mitgeschrieben. Sein „Supersaw“-Oszillator ist auf etlichen Produktionen zu hören und von einigen Entwicklern für neue Synthesizer oder Plugins kopiert worden. Insgesamt weckt der sehr angenehm bedienbare JP-8000 viel Lust aufs Klangschrauben. Dabei entwickelt er seinen eigenen fetten und schillernenden Sound im Layer- oder Split-Mode und inklusive automatisierter Parameter (Motion Control). Mit dem Jupiter-8 oder JX-8P ist er klanglich jedenfalls nicht vergleichbar.
Sicherlich wird es den JP-8000 irgendwann in der Roland Cloud geben. Das attraktive Panel wird die Emulation aber keinesfalls ersetzen. So ist der JP-8000 ein empfehlenswerter Kandidat für den Gebrauchtkauf.
Emulation für PC/Mac: n/a
Vergleichbare Neuware: n/a
Der Roland JP-8000 zählt zur ersten Generation der VA-Synthesizer. Mit wegweisendem Super-Saw-Oszillator prägte er den Trance der 90er Jahre. Alles darüber in unserem Vintage Synth Special.
Waldorf Microwave XT (1998) – Digitale Wavetable-Synthese der 90er
Während der 90er war der Microwave ein klarer Erfolg für die deutsche Firma Waldorf. Er versteht sich als ein Wavetable-Synthesizer mit klassischen PPG-Wellensätzen und analoger Filtersektion. Natürlich gab es einige Varianten. Ins Auge sticht vor allem der 1998 erschienene Waldorf Microwave XT. Dieses Desktop-Modell kombiniert die Engine des Microwave II mit einem Panel in Orange, das mit über 40 Knöpfen einen haptischen Spaß beim Soundprogrammieren bereitet. Alle Knöpfe senden auch MIDI-Daten, sodass der Microwave XT auch als Controller einen guten Job im Studio macht. Für Schnäppchenjäger ist er aber nicht das beste Objekt, denn die Gebrauchtpreise sind nicht viel niedriger für diesen Synthesizer der 90er als für einen neuen Waldorf M.
Emulation für PC/Mac: n/a
Vergleichbare Neuware: Waldorf M
Willkommen zu einer kleinen Zeitreise! Der Waldorf M packt best of PPG und Microwave in ein schickes blaues, neues Gewand – macht das noch Sinn?
Yamaha CS6x (1999) – Montage-Vorreiter der 90er Jahre
Der Yamaha CS6x und die tastaturlose Version CS6R bilden zusammen mit dem verwandten Yamaha S30/80 historisch betrachtet die Vorstufe zu den über viele Jahre erfolgreichen Produktserien Yamaha Motif und Yamaha Montage. Seine 64-stimmige Klangerzeugung mit über einem Dutzend an guten Filtertypen zielt auf die elektronische Musik von damals ab. Zu den Besonderheiten dieses Synthesizers der 90er Jahre zählen ein Phrase Sampler, der bis zu 256 Audio-Clips als Loops abspielen kann, sowie zwei Slots für die Expansionboards der PLG-Serie (AN, PF, VL, DX, VH, XG). Somit leistet er deutlich mehr als ein Yamaha CS1x und ist heute als Control-Synthesizer für Retro Fans durchaus attraktiv, sofern man ihn für maximal 500 Euro ergattern kann.
Emulation für PC/Mac: n/a
Vergleichbare Neuware: Yamaha MODX6+
Weitere Synthesizer der 90er Jahre mit bleibendem Wert
Mit einem Kawai K5000 (1996) kann man sich mit additiver Synthese eindecken. Der Korg Z1 (1997) und Prophecy (1995) werden auch weiterhin ein experimentelles Spielfeld bieten. Mit dem Roland JP-8000 bekommt man den originalen Supersaw-Oszillator kombiniert mit einer haptisch angenehmen Bedienung. Für den Anhänger der FM-Synthese bleibt der Yamaha FS1R (1999) eine außergewöhnliche Erscheinung im Rackformat. Nicht zuletzt ist der Ensoniq TS-10/12 (1993) nicht so einfach durch aktuelle Synthesizer austauschbar.
Im Auge behalten sollte man auch folgende Synthesizer der 90er Jahre: Kurzweil K2000 und Yamaha SY99 (1991), Yamaha SY35 (1992), Yamaha VL1 (1994), Roland XP-80 und Yamaha CS1x (1996), Access Virus und Yamaha AN1x (1997) sowie Korg Triton (1999).
Kurzweil K2000 (1991)
Der elegante Kurzweil K2000 mit guter 61er Tastatur inklusive Aftertouch basiert auf der Variable Architecture Synthesis Technology (VAST). Neben dem mit zwei Boards (Orchestral und Contemporary Expansion) erweiterbaren Sample-ROM können bis zu 64 MB Samples erstellt (optionales SMP-K-Board) oder importiert (per SCSI) werden. Mit 31 Shaping-Algorithmen und gutem Effektsystem ist ein kreatives Sounddesign möglich. Die 24-stimmige Klangerzeugung kann multimodal mit dem internen Sequenzer benutzt werden. Insgesamt besticht Kurzweil mit großem Sample/Synthese-Potenzial.
Unter der Bezeichnung K2000rs gab es noch eine Rackversion. Bis heute hält sich der amerikanische Hersteller mit wenigstens einem K-Modell am Markt. Heute mögen überwiegend traditionelle Live-Keyboarder diesen Sound und bekommen mit dem Kurzweil K2700 ein Top-Performance-Instrument mit 88er Hammermechanik-Tastatur.
Emulation für PC/Mac: n/a
Vergleichbare Neuware: Kurzweil K2700
Yamaha SY99 (1991)
Das Yamaha Synthesizer-Workstation-Flaggschiff der frühen 90er lautete SY99. Dieses Schwergewicht mit 76er Tastatur kombiniert eine erweiterte FM-Synthese mit der AWM-Tonerzeugung mit bis zu 32 Stimmen. Es können Samples in einem nichtflüchtigen Speicher (bis maximal drei MB) gehalten werden. Allein Yamaha produzierte viele Soundbibliotheken. Ein 16 Spur-Sequenzer und zwei Effekt-Prozessoren unterstützen das autarke Songproduzieren. Der SY99 ist aber eigentlich als Live-Instrument oder als zentrales Studio-Keyboard verwendet worden. Anders als beim Vorgänger SY77 gab es keine tastaturlose Version. Trotz Respekt vor diesem beachtlichen Instrument sind ein Yamaha Montage oder MOD-X heute die bessere Wahl.
Emulation für PC/Mac: n/a
Vergleichbare Neuware: Yamaha Montage
Yamaha SY35 (1992)
Die Vektorsynthese kombiniert mit Sample-ROM und FM-Synthese zeichnet den Yamaha S35 aus. Er geht 1992 als Nachfolger des Yamaha SY22 mit deutlichen Verbesserungen (mehr Samples, mehr Stimmen) hervor. Die entsprechende Desktop-Variante ist der Yamaha TG33. Die Soundprogrammierung dieser Geräte kann den User ziemlich lange beschäftigen.
Es lohnt sich aber, denn beim SY35 entstehen epische Pads und fantasiereiche Synthesizerklänge. Die 61er Tastatur des Yamaha SY35 verarbeitet Velocity und Aftertouch. Neben den beiden Handrädern bekommt man natürlich auch einen Joystick beziehungsweise Vector Wheel fürs spontane Mischen der vier Soundquellen. Zurecht hat der SY35 noch immer seinen Fankreis. Bei aktuellen Preisen von unter 200 Euro ist er ein Schnäppchen.
Wave Sequencing und Vector Synthese morphen zwischen Synthesizer-Wellenformen: Diese faszinierenden Modi existieren seit über 30 Jahren und versprechen noch heute ein kreatives Sounddesign.
Ensoniq TS-10 / TS-12 (1993)
Die TS-Serie baut auf frühere Ensoniq-Synthesizer wie ESQ-1, SQ-80 oder VFX. Tatsächlich bietet der TS-10 und der größere TS-12 eine vierfache Klangerzeugung: Wavetable, Transwaves (Wellensätze mit tonalen Veränderungen), Hyperwave (ähnlich wie Wave Sequening) und Sampling. Die Effekte nutzen 73 Algorithmen des beliebten Ensoniq DP-4. Zusammen mit dem 24-Spur-Sequenzer lassen sich bei 32 Stimmen und 12 Multimode-Parts durchaus Songs produzieren.
Man bekommt viel Hardware. Der TS-12 bietet eine gewichtete 76er Fatar-Tastatur mit Aftertouch. Auf polyfonen Aftertouch reagiert der Ensoniq TS-10. Rackmodelle gab es nicht. Klanglich sind diese US-Synthesizer noch immer interessant. Für ähnliche Synthesizer-Sounds sollte man einmal bei der Arturia V-Collection nachschauen. Der SQ 80 V emuliert ESQ-1, SQ-80 und VFX – und dies sehr gut.
Emulation für PC/Mac: Arturia SQ 80 V
Seinerzeit kein Bestseller, aber mit viel Charme gesegnet schafft es der Ensoniq SQ-80 heute in der Emulation von Arturia, Synthesizer-Fans zu begeistern!
Yamaha VL1 (1994)
Der erste prominente Hardware-Synthesizer mit Physical Modeling zur Simulation akustischer Bläser und Streicher kam 1994 von Yamaha. Für eine bläserähnliche Performance ist ein Breath-Controller sinnvoll. Nur so kann die zweistimmige Klangerzeugung des optisch gediegenen Yamaha VL1 überzeugend gespielt werden.
Als Varianten bot Yamaha das Modul VL1-m, den kleineren und monofonen VL7 samt Rackvariante VL70-m. Zudem lässt sich das entsprechende Plugin-Board PLG150-VL in damalige Synthesizer wie Yamaha CS6x, S30 oder Motif ES einbauen. Unterm Strich ist der VL1 für Yamaha kein großer wirtschaftlicher Erfolg gewesen. Gründe dafür sind die Komplexität der Synthese, der höhere Preis und auch der Fokus auf Bläsersounds, die während des Techno-Booms nur wenige Musiker lockten.
Korg Prophecy (1995)
Genau Mitte der 90er Jahre traf der Korg Prophecy als Solo-Synthesizer mit einer flexiblen Physical Modeling-Engine alias MOSS (Multi Oscillator Synthesis System) ein. Im Vergleich mit dem Yamaha VL1 schwächelt er bei den Natursounds (vor allem Bläser), bietet aber mehr Synthesizer-Potenzial und gute Spielhilfen samt Ribbon-Controller wie auch eine Aftertouch-fähige Tastatur.
Erfreulicherweise hat Korg den monofonen Prophecy nun emuliert. Er ist Bestandteil der aktuellen Korg Collection und kann ebenso als einzelnes Plugin erworben werden. Somit ist man kaum noch auf die Hardware von 1995 angewiesen. Eine Demo-Version kann via Korg Software Pass heruntergeladen und probiert werden.
Emulation für PC/Mac: Korg Collection Prophecy
Kawai K5000 (1996)
Die additive Synthese ist bei Hardware-Synthesizern selten anzutreffen. Zu den wenigen Ausnahmen zählt der Kawai K5000 S. Seine 32-stimmige Klangerzeugung kombiniert die additive Synthese mit 123 PCM-Wellenformen. Hervorzuheben sind das 128-Band-Formantfilter mit Loop-Hüllkurven, ein flexibel nutzbarer Arpeggiator, die Modulationsmatrix sowie bis zu vier Multimode-Parts. Gut ist auch die Hardware: Auf der Oberfläche gibt es eine Reihe von Macro-Control-Regler, auf der 61er Tastatur samt Aftertouch spielt man gern.
Ergänzend zum Kawai K5000 S gibt es das umfangreichere Workstation-Modell K5000 W sowie die Rackversion K5000 R. Wer individuelle Sounds jenseits der virtuell-analogen Synthese sucht, sollte einmal Kleinanzeigen studieren. Mit etwas Glück ist ein gut erhaltener Kawai K5000 noch relativ preiswert zu bekommen.
Yamaha CS1x (1996)
Der Yamaha CS1x ist ein Bestseller und wurde als Techno/Dance-Maschine vermarktet. Eigentlich handelt es sich um einen gewöhnlichen 32-stimmigen Synthesizer mit einem 4,5 MB kleinem Sample-ROM. Beim Anspielen der 930 Sounds wird man weder Naturklänge noch elektronische Sounds in Perfektion erleben. Für LoFi- und Retro-Projekte ist der CS1x aber willkommen. Die Hardware selbst ist kaum verlockend. Leider generieren die sechs Drehregler keine MIDI-Daten und die durchschnittliche Tastatur ist ohne Aftertouch.
Heute kann man sich den Yamaha CS1x ziemlich einfach gebraucht kaufen und mit dem „Blue Book“ (ein Tutorial mit Klang- und Sequenzerdaten) in die Materie der Soundprogrammierung einsteigen – so der pädagogische Tipp. Mehr Substanz haben allerdings die Nachfolger CS2x und vor allem der Yamaha CS6x.
Roland XP-80 (1996)
Einer der angesagten Soundlieferanten für das MIDI-Sequenzer-Arrangement waren Rolands Rompler der JV/XP-Serie. In vielen Studios arbeitete man während der 90er mit einem JV-1080/2080 im Rack. Mit einer Reihe an hochwertigen Expansionboards konnte man das Soundaufgebot individuell aufrüsten. Natürlich gab es ein Spitzenmodell als Keyboard. Es war der Roland XP-80 mit 76 Tasten inklusive Druckdynamik, 64 Stimmen, 16 Multimode-Parts und großem Effektsystem. Er nimmt bis zu vier Boards auf und ist maximal bis 1664 Patches erweiterbar.
Aus heutiger Sicht ist ein solcher Allrounder wie der XP-80 überholt. Mit einer aktuellen Synthesizer-Workstation ist man für Live-Gigs deutlich besser aufgestellt und für die DAW gibt es entsprechende Plugins aus der Roland Cloud.
Emulation für PC/Mac: Roland Cloud JV-1080
Vergleichbare Neuware: Roland Juno-X
Yamaha AN1x (1997)
Nach beachtlichem Erfolg des CS1x in Europa setzte Yamaha ein Jahr später mit dem AN1x nach. Er steckt quasi in der gleichen blauen Schale, ist aber mit seiner virtuell-analogen Klangerzeugung viel ausführlicher programmierbar. Der Yamaha AN1x bietet Scenes, Morphing, freie Hüllkurven für eine Automation und weitere interessante Features.
Kurz und gut: Es ist ein Underdog mit sehr vielseitigem und überzeugenden Klang. Leider gestaltet sich die Bedienung am Gerät nicht so angenehm wie bei einem Roland JP-8000 oder Clavia Nord Lead. Angesichts der günstigen Preise für gebrauchte Exemplare ist der Yamaha AN1x so etwas wie ein Budget-Tipp unter den ersten VA-Synthesizern.
Emulation für PC/Mac: n/a
Vergleichbare Neuware: Yamaha Reface CS und MODX+
Der Yamaha AN1x ist ein virtuell-analoger Synthesizer aus dem Jahr 1997, der die Entwicklungsgeschichte des Analog-Modelings entscheidend mitprägte. Alles darüber in unserem Vintage Synth Special.
Access Virus (1997)
Bekannterweise gibt es einige erfolgreiche Synthesizer „Made in Germany“. Mit dem ersten Access Virus begann eine beachtliche Produktserie, die mit dem Virus TI 2 ihren finalen Höhepunkt erreichte. Der Access Virus war mit seiner überzeugenden Oszillator- und Filtersektion seit Ende der 90er sehr beliebt bei Produzenten elektronischer Musik. Sein Klang ist breit, warm und fett. Insbesondere für Trance konnte der Access Virus klanglich begeistern. Er ist definitiv ein Klassiker und hat sehr viele treue Fans auf der ganzen Welt.
Access Virus der ersten Generationen A, B und C sind nicht total integrierbar als Plugin in der DAW. Wer darauf Wert legt, nimmt am besten heute einen Virus TI oder TI 2 als Desktop- oder Keyboardmodell.
Emulation für PC/Mac: n/a
Vergleichbare Neuware: Access Virus TI
Korg Z1 (1997)
Eine polyfone Alternative zum Korg Prophecy mit etwas unterschiedlichem Grundsound stellt der Korg Z1 aus dem Jahr 1997 dar. Die zwölfstimmige Tonerzeugung mit zwei Oszillatoren basiert wie beim Prophecy auf dem Multi-Oscillator Synthesis System (MOSS). Seine silberne Oberfläche fühlt sich samt XY-Pad gut an und die individuellen digitalen Sounds ergänzen das Spektrum der virtuellen-analogen Synthesizer wunderbar. Bei Live-Gigs könnte ein langsames Umschalten der Programs stören.
Die Presets des Korg Z1 deuten sein Potenzial nur an. Man sollte selber editieren wollen und sich dafür Zeit lassen. Für speziellere Sessions ist dieses Instrument sicherlich noch heute ein rentabler wie auch spannender Tastatur-Synthesizer. Auch eine vielleicht kommende native Version innerhalb Korgs Software Collection wird daran nichts ändern.
Yamaha FS1R (1998)
Kurz vor der Jahrtausendwende wollte es Yamaha offenbar noch einmal wissen. Der FS1R offeriert eine sehr komplexe FM-Synthese mit bis zu 16 Operatoren und 88 Algorithmen. Hinzu kommt die damals neue Formant Shaping Synthese für vokal-geprägte Sounds. Die Klangerzeugung erschließt sich maximal 32-stimmig bei vierfachem Multimode.
So gut dies alles klingt, es gibt aber einen gravierenden Nachteil beim Yamaha FS1R: Dieser kompakte Racksynthesizer mit nur einer Höheneinheit ist extrem differenziert strukturiert und höchstens mit einer Editor-Software zu bändigen. Entschädigt wird man mit wirklich beeindruckenden Digitalsounds, die sich noch heute hören lassen. Die bei Kleinanzeigen aufgerufenen Preise liegen erstaunlich hoch. Mit über 1.000 Euro muss man jedenfalls rechnen, wenn man sich einen Yamaha FS1R gönnen möchte.
Vergleichbare Neuware: Yamaha MODX6+
Korg Triton (1999)
Der Korg Triton ist eine klassische Synthesizer-Workstation mit der HI-Synthese (Hyper Integrated), einem Sampler inklusive WAV/S1000-Import, einem 16-Spur-Sequenzer, Dual-Arpeggiator und umfangreichen Effekten. Zusätzlich kann ein MOSS-Board (ähnlich Korg Prophecy) eingebaut werden. Der gut bespielbare Synthesizer kam Ende der 90er auf den Markt und verbreitete sich in den folgenden Jahren auf vielen Bühnen und in Studios.
Der 62-stimmige Triton ist in mehreren Ausführungen erhältlich (Rack, LE, Extreme, TR). Heute spielt man allerdings besser einen Korg Kronos und installiert die kostengünstige native Version des Korg Triton (im Korg Shop erhältlich) inklusive Sounds der Erweiterungsboards für den Einsatz als VST-Instrument mit einer DAW.
Emulation für PC/Mac: Korg Collection Triton Extreme
Vergleichbare Neuware: Korg Kronos
Korg aktualisiert ihre Software-Kollektion: In Version 4 landen gleich drei Klassiker sehr effizient auf dem Studiorechner. Unseren Spaß mit microKorg, Electribe-R und Kaoss-Pad möchten wir weitergeben.
Fazit: Synthesizer der 90er, die man kennen sollte
Während der 90er Jahre kamen einige innovative Synthesizer. Wer sich für sie interessiert, ist aktuell in einer glücklichen Situation: Entweder bekommt man sie emuliert als Plugin und als modernisierte Hardware vom selben Hersteller kosten auf dem Gebrauchtmarkt derzeit noch relativ wenig.
Es könnte sich die eine oder andere Chance für Schnäppchenjäger ergeben. Ein bisschen spekulieren darf man. Vielleicht ist ein Roland JP-8000 in zehn Jahren doppelt so viel wert? Digital Vintage ist sicherlich im Kommen und gepflegte Synthesizer der 90er werden ihren Sammlerwert haben.
Peter Schieritz sagt:
#1 - 19.08.2024 um 12:15 Uhr
Hallo, der Technics WSA1 (R) war zwar kein großer Wurf, wird heute aber wieder gesucht und sollte Erwähnung finden.
Stefan sagt:
#1.1 - 19.08.2024 um 12:42 Uhr
Absolut! Meiner Meinung nach ein sehr unterschätzter Synth
Antwort auf #1 von Peter Schieritz
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenMatthias Sauer sagt:
#1.2 - 19.08.2024 um 15:37 Uhr
Hallo Peter, Danke für Feedback! Der Fokus liegt auf Synthesizer, die es heute als neue Hardware oder als Plugin zu kaufen gibt. Daher sind nicht alle Geräte aus den 90er Jahren, so auch nicht der Physical Modeling Synth von Technics, berücksichtigst worden. LG, Matthias
Antwort auf #1 von Peter Schieritz
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenKiro sagt:
#2 - 04.10.2024 um 12:06 Uhr
Hallo Mathias, vielen Dank für die tolle Liste, möchte noch ergänzen: - Yamaha Cs1x - gibt die Potiwerte mWn doch als Midi aus, jedoch nicht die Arp Midi Daten, das hatte mich immer sehr gestört. -TG 33 entspricht nicht dem TG 35, sondern liegt irgendwo zwischen TG22 und Tg35. weniger Wellenformen z.B.. - Yamaha An1x - hat auch Yamaha Cs80 Sounds als Factory Presets drin, viele andere mehr online erhältlich. Ich habe noch keine bessere Yamaha CS80 Emulation unter den Fingern gehabt, insbesondere wenn man noch den Ribbon Controller, die Wheels und die Knobs dazu hat! Wirklich Vangelis pur! - Ensoniq: Hier würde ich noch den Ensoniq MR nennen, mit dem nachrüstbaren Dance Board hat man nämlich alle Transwave /Wavetables des overpriced Ensoniq Fizmo, die Struktur ist auch fast gleich. - Waldorf Pulse: Ich habe beide und selber den Vergleich Pulse 1 vs. Pulse 2 gemacht. Der Pulse 1 hat im A/B Vergleich wirklich mehr "Wumms" und der Pulse 2 klingt zwar auf das erste Anspielen gleich, im Vergleich ist der Sound aber irgendwie "indirekt". Die Bauteile müssen aufgrund des geringeren Platzes auch völlig andere sein. Der Paraphone Modus vom Pulse 2 hat mir nichts gebracht. Interessanter ist ein Polychain von zwei Pulse 1, das kann man auch erweitern bis (8?) Pulse 1, den man dann polyphon zu einem überschaubaren Preis pro Voice hat. Die Voices kann man sich dann schön mit nem kleinen Mixer verteilt ins Stereo Panorama legen.