Superstereo DN78ADB Test

Rotary-Mixer sind sexy und Röhrensound auch. So werden wohl auch die Entwickler der englischen Audiohardware-Manufaktur „Superstereo“ gedacht haben und löten auf Kundenwunsch in Einzelanfertigung einen ziemlich luxuriösen Mixer. Die Rede ist vom DN78ADB, einem der exklusivsten derzeit erhältlichen Kommandopulte für Discjockeys mit großem Qualitäts- und Designanspruch und nicht minder großem Geldbeutel. Denn das Prachtstück englischer Ingenieurskunst kostet knapp 3000,- Euro. Ob die gut angelegt sind, haben wir getestet.

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Details

Auspacken

Mein Testgerät erreicht mich in einem Standard-Industriekoffer. Die modularen Schaumstoffklötze sind entsprechend der Abmessungen des Mixers entfernt, so dass er sich zusammen mit dem Netzteil sicher in das Behältnis schmiegt. Das Netzteil unseres Testgeräts hat allerdings eine lockere Zuleitung. Der deutsche Vertrieb versichert jedoch, dass es sich hier um einen Fehler der Demo-Unit handelt, die zur Begutachtung schon um die halbe Welt gereist und entsprechend mitgenommen ist (eine Aussage, der ich aufgrund des Gesamtzustandes gerne Glauben schenke).

Fotostrecke: 3 Bilder Der DN78 wird in einem schicken Köfferchen geliefert

Erster Eindruck

Es gibt nicht viele Geräte, die einem routinierten Tester noch ein aufrichtiges „Wow“ entlocken können. Der Superstereo DN78 jedoch tut das. Denn er sieht aus, als ob ihn ein BBC-Techniker im London der späten 1950er Jahre in der „TARDIS“ von „Doctor Who“ vergessen hätte und das Teil ins nächste Jahrtausend zeitgesprungen wäre: dunkle Seitenteile aus Holz, ein undefinierbar dunkelblaues und mattiert gebürstetes Stahlgehäuse, eine bezaubernd sachliche Typo und darauf dann ein Ensemble aus wunderschönen Retro-Potiköpfen, in deren Zentrum zwei klassische VU-Meter den Pegel visualisieren – hübscher geht nimmer.
Dieses Bild bietet sich auch an der Vorderseite, wo sich nach dem Einschalten zeigt, dass es aus dem Kopfhörerausgang heraus violett leuchtet – mega. Die Rückseite mit ihren vergoldeten Buchsen und den charmanten Kippschaltern für Phono/Line-Umschaltung offenbart dann ein nicht minder stimmiges Bild. Der hervorragende erste optische Eindruck findet seine Entsprechung in der haptischen Kontrolle: Alle Potis sitzen felsenfest an ihrem Platz und lassen sich mit unterschiedlichem, immer angenehmen Drehwiderstand bewegen (Kanal-Potis beispielsweise etwas „öliger“, Crossfader und Master-EQ etwas leichtgängiger).
Liebe auf den ersten Klick auch bei den Cue-Tastern, denn sie verfügen über einen wunderbar definierten Schaltpunkt und quittieren das Betätigen mit einer dezent leuchtenden LED. Apropos Leuchten: Die gesamte Illumination des DN78 kann in Bezug auf Farbigkeit, Platzierung und Gestaltung gefallen. Das beginnt beim bereits erwähnten Kopfhörerausgang, geht weiter mit den warmweiß hintergrundbeleuchteten VU-Metern bis hin zu den bündig mit dem Gehäuse abschließenden LED-Bögen über den Kanal-Potis, die den anliegenden Pegel visualisieren.

Fotostrecke: 4 Bilder Sicher kein Dachbodenfund: Der DN78 steht hier einfach nur für die Bildstimmung

Anschlüsse

Der rückseitige Anschlussreigen lässt keine Wünsche offen: Neben den Standards wie Strombuchse, Master/Booth-Out (jeweils XLR symmetrisch und Cinch unsymmetrisch), einer Mikro-XLR-Klinke-Kombibuchse mit Gain-Regler und den vier Ports für Phono/Line-Signale nebst entsprechenden Kippschaltern, finden sich auch Besonderheiten. Da ist zum einen die Stereo-Send- und Return-Effektschleife zu nennen, ein zusätzlicher Record-Out in Form einer Stereo-Miniklinkenbuchse (sehr gut!) und – erstaunlicherweise – eine USB-Buchse mit einer Wortbreite von bis zu 32 Bit bei 384 kHz (!) Samplingrate. Diese Werte hat selbst die SC-78 Soundkarte aus gleichem Hause nicht. Erfreulich auch, dass der USB-Chipsatz auf MacOS-Rechnern class-compliant ist und ohne Treiber funktioniert. Windows Anwender müssen die Treiber allerdings installieren.

Fotostrecke: 4 Bilder Die rückseitigen Anschlüsse

Praxis

Nach dem Einschalten wechselt die Hintergrundbeleuchtung der VU-Meter zunächst einmal nach rot und signalisiert damit, dass die Röhre aufheizt. Nach einigen Sekunden ist dann die Betriebstemperatur erreicht und man kann mit der Arbeit am Mischer beginnen. Aber was heißt schon Arbeit, wenn man so ein „Traumschiff“ von einem Mixer vor sich hat. Zunächst gilt es, mit dem gerasterten Eingangswahlschalter, die gewünschte Quelle zu wählen.

Das Aufwärmen der Röhre dauert wenige Sekunden und wird durch eine rote Hintergrundbeleuchtung signalisiert
Das Aufwärmen der Röhre dauert wenige Sekunden und wird durch eine rote Hintergrundbeleuchtung signalisiert

Dreiband-Equalizer pro Kanal

Und auch hier setzen Superstereo auf echten Vintage-Charme. Denn es kommt die klassische Baxandall-Schaltung zum Einsatz. Jenem, schon in den 1950er Jahren von Peter Baxandall entwickelten Filterdesign, das über Jahrzehnte der Standard in jedem Hi-Fi-Verstärker war. Es zeichnet sich durch eine sehr flache Flanke und eine dynamische Grenzfrequenz aus, was im Ergebnis zu einem sehr weichen und musikalischen Regelverhalten führt. Das trifft auch im Fall des DN78 zu. 

Alle drei Bänder des DN78-Kanal-EQs mit vollem Boost und Cut: Gut zu erkennen, wie flach die Kurven über den Frequenzgang auslaufen und dass sich der Scheitelpunkt des Mittenbandes im Boost und Cut verschiebt
Alle drei Bänder des DN78-Kanal-EQs mit vollem Boost und Cut: Gut zu erkennen, wie flach die Kurven über den Frequenzgang auslaufen und dass sich der Scheitelpunkt des Mittenbandes im Boost und Cut verschiebt

Tatsächlich ist es zunächst einmal ungewohnt, wie „breit“ ein einzelnes Band (besonders der Bass) in das gesamte Frequenzspektrum eingreift. Man ist da von neuzeitlichen, sehr steilflankigen EQs einfach anders konditioniert. Harte „Bass raus-Bass-rein-Effekte“ sind nicht unbedingt seine Stärke, da beim Rausdrehen des Basses die Gesamtlautheit schon stark in den Keller geht. Doch nach kurzer Zeit gewöhnt man sich daran und arbeitet eher linear und organisch, beziehungsweise kurbelt ein Stück weit feinfühliger am EQ-Rad.
Sanftes Agieren ist auch deshalb klug, weil man mit den Bändern – insbesondere dem Bass – mächtige Stromreserven befehligt (Bass +/-15 dB, Mitten und Höhen +/-12 dB). Dennoch hätte ich mir im Grunde eine Kill-Funktion auch auf der Kanalebene (wie beispielsweise beim Rane MP 2015) und nicht nur in der Summe gewünscht. Aber das ist natürlich auch eine Frage des persönlichen Mixing-Stils.

Audio Samples
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Master-Equalizer

Mit acht Dezibel Boost (Cut: unendlich) agieren die Bänder des Master-EQs etwas milder. Das ist sinnvoll, geht es hier bei der Anhebung eher darum, die Summe ein bisschen knackiger zu machen und beim Cut, Peaktime-Momente zu erzeugen. Eine Besonderheit ist das im Bereich von 300 bis 1.500 Herz durchstimmbare Mittenband. Mit seinem sehr sanften Q-Faktor ist es ebenso geeignet, der Saal-PA bei „Nöligkeit“ in den Tiefmitten, wie auch „Stressigkeit“ in den hohen Mitten zu begegnen. Dreht man den Frequenzregler ganz nach links, deaktiviert das den Master-EQ komplett.

Fotostrecke: 2 Bilder Linksanschlag des ISO-Frequenz-Potis deaktiviert den Master-EQ
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Bässe, Mitten, Höhen, erst voller Cut, danach Boost.

Drumherum

Anschluss- und regeltechnisch bleiben beim DN78 wenig Wünsche offen: Das Cue-Signal kann stufenlos zwischen Master überblendet werden, getrennte Regler für FX-Send/Return helfen eine externe (Stereo-) Effektschleife zu befehligen, die Potis für Kopfhörer- und Booth-Lautstärke sind sehr gut platziert und auch der Mikrofoneinang überzeugt mit ordentlichem Klang und mächtig Pegelreserven. Sehr gut gefallen hat mir das Vorhandensein eines zusätzliche Record-Outs im Miniklinken-Format. Es ist mir völlig unverständlich, dass manche Mixer diese Option nicht bieten, obwohl der Mitschnitt des DJ-Sets heutzutage eigentlich eine Standard-Anwendung ist. Ergonomisch nicht ganz so schön ist die Platzierung des Potis für den Mikro-Gain an der Rückseite. Falls man den Mischer fest verbaut hat, dürfte es ganz schön fummelig sein, da ranzukommen.

Ein ziemlich exklusives Bedienfeld
Ein ziemlich exklusives Bedienfeld

Klang

Der Sound des DN78 ist wirklich ausgezeichnet: Kraftvoll, rund und – fährt man ihn in die Übersteuerung – mit einer schönen, trocken-bröseligen Zerre. Das funktioniert besonders gut in Verbindung mit dem integrierten Vierkanal-DA-Interface. Tatsächlich klang das vom DN78 ausgespielte Signal eines iPads im Direktvergleich mit dem integrierten Line-Ausgang um einiges lebendiger und druckvoller.   Wer einen DN78 sein Eigen nennt, darf ihn also ruhig auch zum Summieren von Signalen aus der DAW nutzen. Dass der Klang so einen Spaß macht, liegt aber auch an den Lautstärkereserven – beginnend beim Input-Gain, über die Kanal-EQs bis hin zur Kopfhörer- und Master-Out-Verstärkung: So lässt sich – egal welchen Zuspieler und welche Medien man auch verwendet – ein konsistenter Pegel halten.

Audio Samples
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Verzerrung des DN78 (Höhen und Mitten): erst neutral, dann leicht, dann stärker

Wo ich mich im vorherigen Absatz so positiv über den Klang geäußert habe, gilt es auf der anderen Seite auch einige Nachteile des Röhrenkonzepts zu beleuchten. Vornehmlich ist das die Betriebsdauer. Denn es hatte ja seinen Grund, warum die Industrie im letzten Jahrhundert auf breiter Front zum Transistor gewechselt ist: Er hält einfach länger – auch und gerade, wenn man ihn stark belastet. Superstereo geben die Lebensdauer der Röhre mit 8.000 bis 12.000 Stunden an. Eine Ersatzröhre schlägt mit gut 10,- Euro zu buche. Das ist entsprechend weniger ein preisliches Problem, sondern mehr ein organisatorisches. Wer den DN78 zum Einsatz bringt, sollte also einfach darauf achten, Ersatz in Reserve zu haben. Der Austausch selbst ist zwar etwas fummelig, da insgesamt neun Schrauben gelöst werden müssen, stellt aber ansonsten keine größeren Anforderungen an die motorischen Fähigkeiten.
Ein zweiter Punkt ist das minimalistische Konzept ohne Kanalfilter (Low/Highpass) und die robuste Klanglichkeit der EQs: Es braucht schon ein bisschen „Einspielen“, um mit ihnen den richtigen musikalischen „Flow“ zu finden. In Festinstallationen sehe ich den Mischer also eher unter der Prämisse, dass er etwas Besonderes ist und weniger als universellen Mixer, mit dem jeder DJ dieses Planeten gut zurechtkommt. Hierzu ein anschaulicher Testmix:

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Mehr Informationen

Fazit

Der Superstereo DN78ADB ist optisch und technisch ein Statement für Individualisten. Fast möchte man sich angesichts der hier gebotenen Röhrentechnik und der wirklich ungemein attraktiven Optik den Manufaktum-Slogan ausleihen: „Es gibt sie noch, die guten Dinge.“ Gar nicht mal unangemessen ist dann auch der Preis – handgefertigte Einzelstücke sind nun einmal deutlich teurer als chinesische Großserien. Dafür bekommt man dann auch einen ausgezeichneten Sound, eine hervorragende Verarbeitung und eine herrliche Haptik. Individuell ist allerdings auch das weiche, breitwandige EQ-Verhalten (besonders vom Bass), das sich merklich von modernen, steilflankigen EQs unterscheidet und eine unmittelbare Auswirkung auf die Art und Weise hat, wie und was man mit dem DN78 auflegt.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • großartiges Design
  • ausgezeichnete Verarbeitung
  • hervorragender Klang
  • Qualität des Audiointerfaces
  • gute Haptik
Contra
  • klangliche Ausrichtung der EQs gewöhnungsbedürftig
  • keine Kanal-Filter
  • Mikrofon-Gain auf der Rückseite
Artikelbild
Superstereo DN78ADB Test
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Superstereo DN78 Phantom Valve, hier die audiophile ADB-Version
Superstereo DN78 Phantom Valve, hier die audiophile ADB-Version
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