Stanton DS4 Test

Praxis

Gleich mal vorweg: Dieser Pickup hat „cojones“. Nicht nur äußerlich kommt er äußerst machomäßig rüber. Vor allem klingt er laut und fett! Die hohe Ausgangsspannung von 6 mV verspricht ja schon starken Output. An meinem Vestax PMC-580 pro Mischpult konnte ich ihn tatsächlich mit einer niedrigen Gain-Einstellung auf 9-Uhr-Position betreiben, um eine ausgewogene Aussteuerung zu erhalten. Meine diversen Ortofon Concordes laufen bei mir auf Mittelstellung.

Auf die Plätze fertig und los geht der Test
Auf die Plätze fertig und los geht der Test

Scratchability

Bei sauber eingestelltem Antiskating beweist der Stanton hohe Tracking-Qualitäten und lässt sich sowohl beim Cueing als auch beim Scratching nicht aus der Ruhe bringen.
Ich bin kein Scratch-DJ, aber schnell genervt, wenn hypersensible Pickups schon beim Cueing ständig aus der Spur springen.
Der Stanton hingegen gab mir ein sicheres Gefühl, dass die Nadel vor dem eingescratchten Cue nicht noch mal wegspringt und den Mix verdirbt. Er liegt satt in der Rille und erlaubt sorgenfreies Auflegen. Trotz des relativ hohen Gewichts gibt Stanton an, dass der DS4 nur einen geringen Plattenverschleiß erzeugt, was sich natürlich in einem solch kurzen Test nicht ausreichend testen lässt.
Weiterhin verspricht der Hersteller eine gegenüber dem Vorgänger verbesserte Wiedergabetreue mit vollem Frequenzgang von 20-20.000 Hz und eine nominale Kanaltrennung von 28 dB an, wichtig vor allem für DVS-Aufgaben.

Der Stanton DS4 liegt mit hoher Laufruhe in der Rille
Der Stanton DS4 liegt mit hoher Laufruhe in der Rille

DVS

Hier gibt es nichts Außergewöhnliches zu berichten: guter satter Ausschlag – läuft! Als Testsetup diente eine Native Instruments Audio 8 DJ-Soundcard und Traktor Scratch MK2-Timecode-Vinyl.

Der Stanton DS4 verhielt sich im DVS-Test völlig unproblematisch
Der Stanton DS4 verhielt sich im DVS-Test völlig unproblematisch

Sound

Als erstes zog ich ein paar Techno-12-Inches vergangener Tage hervor. Die tiefe dronige Bassline von Joey Beltrams „Energy Flash“ drückt wie Hölle und die nervösen HiHats perlen herrlich über dem Groove. Meine Inner City „Big Fun”-Pressung von 1988 klingt wie nach einem neuen Mastering: Die Bassdrum kickt, der Bass drückt und die Höhen zischeln schon leicht angezerrt aus dem ausgelutschten, weil häufig eingesetzten Vinyl.
Beeindruckend, was der Stanton aus der Maxiversion von Sister Sledges „Lost In Music“ an Dynamik rausholt. Die Snare knallt unglaublich und der Groove wird regelrecht in den Vordergrund geschoben.
Aber Maxi-Singles haben ja auch breite Rillen. Als nächstes kam daher eine Motown-Compilation auf den Teller, wo sich auf jeder Plattenseite fünf bis acht Titel drängeln. Auch hier wieder dieser Aha-Effekt: schon das Drum-Intro von Marvin Gayes „Let’s Get It On“ klingt so frisch und knackig, dass es einfach nur Spaß macht.
Um herauszufinden, wie der Stanton mit zarteren Stücken zurechtkommt, legte ich als nächstes „Don’t Give Up“ von Peter Gabriel und Kate Bush auf. Ganz wunderbar zu hören, wie muskulös der Fretless-Bass unter der ätherischen Fairlight-Fläche seine Akzente setzt.
Für das Endgame kramte ich zu guter Letzt noch eine völlig ausgenudelte, steinalte K-Tel Disco-Compilation mit 20 Titeln raus. Bei Tina Charles „I Love To Love“ bringt mein alter Concorde Pro S nur einen akzeptabel floatenden Groove aus den engen Rillen hervor. Der Stanton dagegen holt nie vermutete Transienten zum Vorschein.

Die rote Nadelspitze ist enorm hilfreich beim Needledrop
Die rote Nadelspitze ist enorm hilfreich beim Needledrop

Taruya, ick hör dir trapsen
Diesen muskulösen Effekt kannte ich bislang so extrem nur von den japanischen Taruya Boutique-Pickups aus Tokyo-Shibuya. Also zog ich meinen Taruya 01-M Red aus der Schublade, den günstigsten der von Tsuyoshi Abe designten Tonabnehmer.
Ich wurde sofort stutzig: Der dicke Body des Taruya ähnelt dem Stanton DS4 fast aufs Haar. Und tatsächlich: Man kann sogar die Nadeln der Systeme austauschen: Sie passen mechanisch und akustisch. Daher habe ich im folgenden Test nicht nur den Stanton gegen meinen guten alten Ortofon Concorde Pro-S, den aktuellen Ortofon Concorde MK2 Digital und den Taruya 01-M Red antreten lassen, sondern bei Audiobeispiel 5 und 6 jeweils die Nadeln ausgetauscht.

Wie gut, dass pünktlich zum Test auch das frische 2021 Reissue der Berlin EP von meinem Projekt Marmion mit Marcos Lopez eintraf. Zum Testeinsatz kam also eine neu geschnittene Version des Stücks „Schöneberg“.
Hier die Ergebnisse (Musik: Marmion – Schöneberg – mit freundlicher Genehmigung von Superstition Records und Ed.Babelfisch/Freibank)

Audio Samples
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Stanton DS4 spielt Marmion – Schöneberg Ortofon Concorde Pro-S spielt Marmion – Schöneberg Taruya 01-M Red spielt Marmion – Schöneberg Ortofon Concorde MK2 Digital spielt Marmion – Schöneberg Taruya 01-M Red System spielt Marmion – Schöneberg mit Stanton-Nadel Stanton DS4-System spielt Marmion – Schöneberg mit Taruya-Nadel 07_TEST_Stanton_DS4.wav

Zum Überprüfen der Lautstärke habe ich jedes File konsolidiert, was eine Normalisierung zur Folge hat. Da Ableton das konsolidierte File im Clip auf gleicher Lautstärke belässt, können wir dadurch im Clip ablesen, um wie viel dB die ursprüngliche Aufnahme verstärkt wurde. Die Ergebnisse sind verblüffend und bestätigen den Höreindruck:

  • Stanton DS4: 0,43 dB Headroom bei der Aufnahme
  • Ortofon Concorde Pro-S: 9,53 dB Headroom bei der Aufnahme
  • Taruya 01-M Red: 3,49 dB Headroom bei der Aufnahme
  • Ortofon Concorde MK2 Digital: 7,82 dB Headroom bei der Aufnahme

Natürlich sind das keine absoluten Zahlen, weil ein Knackser immer mal einen unkontrolliert lauten Ausschlag produziert, aber generell kann man sagen, dass der DS4 die Konkurrenz lautstärkemäßig aus dem Wasser bläst. Der wirklich laute Taruya kann gerade noch so mithalten, während die Ortofons deutlich leiser durch die Ziellinie gehen.
Auch hier bestätigt sich der Höreindruck der ersten Listening-Session: satter Bass, knackige Transienten, frische Höhen, fast wie ein gehyptes Mastering. Gegen Ende des Audiofiles überrascht der Stanton dann noch mal mit hellen, fast schon schneidenden HiHats. Der Taruya gibt sich im Vergleich ein klein wenig runder und mittiger. 

Der Stanton DS4 liegt mit hoher Laufruhe in der Rille
Der Stanton DS4 liegt mit hoher Laufruhe in der Rille

Für wen ist das?

Ich habe den Stanton DS4 in diesem Test für alle möglichen Aufgaben genutzt und alle hat er mit Bravour bestanden. Beim Cuen und Scratchen bleibt er treu in der Spur. Beim Mixen hatte mein Taruya-Einzelkind endlich einen ebenbürtigen Partner auf dem anderen 1200. Und beim Digitalisieren von Schallplatten bringt er richtig Druck in den Computer.
Diese starke Präsenz in den Transienten erkauft man sich aber mit leicht zirpenden Höhen bei abgenutztem Vinyl. Wer am Vinyl vor allem einen warmen, mittigen Sound schätzt, wird mit dem DS4 mitunter nicht glücklich werden. Ich empfehle ihn für alle beatlastige Musik, wo maximale Power angesagt ist. Dafür gibt’s kaum was Besseres.

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Profilbild von Chris

Chris sagt:

#1 - 02.06.2022 um 01:30 Uhr

0

Kann es sein, dass die Audio Samples hier falsch zugeordnet sind?

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