Imke Machura und ihre RAKETEREI gehören zu den renommierten Anlaufstellen für Musikerinnen in Deutschland. Die Hamburgerin gab bei ihrer Reception auf dem Reeperbahn Festival praktische Tipps für Artists – inklusive einer Schritt-für-Schritt-Anleitung, die zeigt, wie Musikerinnen ihre Prioritäten setzen können. Ein gelungener Auftakt am Mittwochmittag für das Konferenzprogramm des viertägigen Festivals.

Wie kann ich mit meiner Musik Geld verdienen?
Eine wichtige Frage, die zu Beginn des Vortrages auf der Präsentation erscheint. Eine Frage, die Imke Machura immer wieder gestellt bekommen hat. Am Mittwoch erhielten die Teilnehmenden einen Einblick in den Fünf-Schritte-Plan, den sie „Räuberleiter“ nennt. Ihr Ziel: möglichst viele Musikerinnen auf dem Weg in die finanzielle Unabhängigkeit zu unterstützen.
Die Räuberleiter – Der Fünf-Schritte-Plan der RAKETEREI
1. Künstlerinnen-Identität
„Von der eigenen Musik leben ist ein Marathon“, eklärt Imke Machura. Bevor Zahlen oder Bookinglisten relevant werden, braucht es Klarheit: Wer bin ich künstlerisch? Welche Werte und Alleinstellungsmerkmale machen meine Musik unverwechselbar? Dazu gehören Stärken, aktuelle Trends, oder auch die eigene Band.
2. Positionierung
Erst nachdem die Identität klar ist, kann eine Mission, Vision und ein Geschäftsmodell geklärt werden. Welche Nische vertrete ich? Wer ist mein Fan? Wie verdiene ich konkret Geld? Fragen, die unbequem sein können, aber entscheidend sind für den nächsten Schritt.
3. Arbeitsinfrastruktur
Website, Newsletter, Social Media: Für Machura ist das Fundament klar. „Die Website ist euer Wohnzimmer, der Newsletter der Hinterhof“, erklärt sie. Fans sollen vom „Garten“ (Socials) ins „Wohnzimmer“ geführt werden. Dazu gehören ein persönlicher „Über-mich“-Text in Heldenreise-Form, nicht nur ein Pressetext.
4. Sichtbarkeit
Releases, Booking, Promotion, Netzwerken – Sichtbarkeit entsteht nicht von allein. Wer sich nur auf einen glücklichen Zufall verlässt, bleibt meist unsichtbar. Ein klarer Release-Plan, ein Booking-Video und strukturierte Promotion gehören für Machura zum Pflichtprogramm.
5. Wachstum
Sind Angebot und Infrastruktur da, geht es um Prozesse: Booking-Datenbank, PR-Verteiler, automatisierte Workflows und Content-Strategien. Die Mail jetzt zu schreiben ist wichtiger als erstmal die Geschirrspülmaschine auszuräumen, viele leiden „unter Aufschieberitis.“ Auch der Fokus geht verloren, wenn du zu viele Schritte auf einmal gehen willst. „Du bist ein Hans Dampf in allen Gassen“, sagt Machura mit einem zwinkern und mahnt zugleich: „Lerne Nein zu sagen.“
Klarheit, Wille, Zahlen
Ob eine Bookingquote von 1 Zusage auf 40 Anfragen gut oder schlecht ist? „Kommt auf den Plan an“, so Machura. Wichtig sei, sich von der „Ich-muss-erst-noch“-Krankheit zu befreien: „Machen statt warten!“
Imke Machura im Interview mit Bonedo:
Wann hast du gemerkt, dass du andere Künstlerinnen unterstützen willst?
“Die Musikbranche befindet sich in einem Umbruch. Die Streamingdienste und die freien Vertriebe haben den Musikmarkt geöffnet. Folge: Jede*r kann heute Musik veröffentlichen. Das finde ich ist eine gute Entwicklung.
Was ich mich aber immer gefragt habe ist: Warum sind Musikerinnen *dann nicht sichtbar? Und hier stößt man auf unterschiedliche Probleme, die einen Erklärungsansatz darstellen.
Problem 1: Sichtbarkeit kostet Geld und die Gender-Pay-Gap (Lohnlücke) liegt bei 24 %.
Ergebnis: Musikerinnen fehlt daher oft die Möglichkeit, im gleichen Maße in sich zu investieren wie ihre männlichen Kollegen.
Problem 2: Musikerinnen leisten 9 Stunden mehr unbezahlte Sorgearbeit pro Woche als Musiker.
Ergebnis: Musikerinnen haben also deutlich weniger Zeit zur Verfügung, um sich weiterzubilden oder zu netzwerken.
Problem 3: Die »Old-Boys-Networks« verstärken sich, weil Musikerinnen unsichtbar bleiben.
Ergebnis: Das Leben eines Musikers gilt daher als Norm dafür, wie eine Karriere in der Musikbranche aufgebaut wird.
Musikerinnen sind daher in nahezu allen Bereichen der Musikbranche unterrepräsentiert.
Und das möchte ich verändern. Ich möchte Vorbilder schaffen, die sichtbar sind und für die nachfolgende Generation ein Zeichen setzen, nämlich: Du kannst es auch schaffen.”
Wie reagierst du auf das Argument: „CDs kauft doch niemand mehr“?
“Das stimmt so nicht. Richtig ist: Ja, die Umsätze mit CDs gehen zurück. Aber sie sind immer noch der zweitstärkste Umsatzbringer – gleich nach den Streaming-Einnahmen. Natürlich gilt das nicht für jedes Genre, hier muss man differenzieren. Was ich jedoch beobachte: Die Rolle der CD hat sich stark verändert. Im Handel wird sie unsichtbarer, am Merch-Tisch hingegen hat sie einen sehr wichtigen Platz eingenommen. Das sehe ich in meiner RAKETEREI-Community: Sobald Merch mit einer klaren Strategie angeboten wird, entstehen am Merch-Tisch vierstellige Umsätze. Es wäre daher dumm, auf einen Tonträger, wie eine CD oder eine LP zu verzichten.”
RAKETEREI ist bisher auf Musikerinnen ausgerichtet. Haben männlich gelesene Menschen gar keine Chance, mit dir zu arbeiten?
“Genau, RAKETEREI ist eine Community für Musikerinnen. Arbeite ich auch mit Musikern zusammen? Ja, gelegentlich. Denn es ist wichtig, auch sie für dieses Thema zu sensibilisieren. Sie sind unsere male allies, wenn es darum geht, auf die Herausforderungen aufmerksam zu machen, denen Musikerinnen häufiger begegnen als ihre männlich gelesenen Kollegen.”