Make Noise 0-Coast Test

Der Make Noise 0-Coast ist ein patchbarer, semi-modularer Analogsynthesizer. Der kleine Desktop-Synth lässt sich über MIDI oder CV/Gate stand-alone spielen oder mit einem Modularsystem kombinieren. Wir haben getestet, welche Sounds man dem kompakten Neuling entlocken kann.

East Coast, West Coast – 0-Coast!
Der Make Noise 0-Coast hat jede Menge klangliche Persönlichkeit.


Der eigenwillige Name 0-Coast (Zero-Coast) soll symbolisieren, dass hier Elemente der beiden Synthese-Philosophien “East Coast” (Moog) und “West Coast” (Buchla) miteinander verbunden werden. Der 0-Coast steht also quasi zwischen den Stühlen bzw. Küsten. Dazu ist vielleicht auch erwähnenswert, dass die Firma Make Noise zwar mit ihren erfolgreichen Eurorack-Modulen wie Maths eine große Anhängerschaft unter West-Coast-Fans hat, gleichzeitig aber in Asheville (North Carolina) ansässig ist – derselben Stadt, in der mit Moog Music auch jene Firma ihren Sitz hat, die der Inbegriff der East-Coast-Schule schlechthin ist. Aber lassen wir diese geografischen Nichtigkeiten – schließlich will der 0-Coast ja gerade nicht einer der beiden Küsten zugeordnet werden!

Details

Konzept

Die Begriffe “East Coast” und “West Coast” tauchen im Zuge des Modular-Booms in letzter Zeit wieder vermehrt auf. Sehr vereinfacht gesagt steht “East Coast” für die Synthese-Philosophie, wie sie von Bob Moog entwickelt wurde. Die charakteristischen Elemente dieser subtraktiven Synthese sind Oszillatoren mit vielen Obertönen (Sägezahn- und Pulsschwingungen) und Filter, die Anteile des Obertonspektrums entfernen und so den Klang formen. Auch das Spielen eines Synthesizers über eine traditionelle Klaviatur gilt als Konzept der East Coast. Im Gegensatz dazu steht der Begriff “West Coast” für die Herangehensweise Tom Buchlas. Hier wird meist von relativ obertonarmen Schwingungen ausgegangen (z.B. Dreieck), die dann mit Hilfe von Waveshapern ihr endgültiges Obertonspektrum bekommen.
Der Make Noise 0-Coast vereint Komponenten beider “Schulen”. Sein Oszillator produziert sowohl eine Dreieck- als auch eine Rechteckschwingung. Die Lautstärkehüllkurve heißt nicht nur wie bei Moog “Contour”, sondern verhält sich auch so. Gleichzeitig fehlt aber ein klassisches East-Coast-Filter. Stattdessen gibt es mit “Overtone” und “Multiply” zwei Module, die Obertöne hinzufügen und damit nach Art der West Coast arbeiten. Die zweite Hüllkurve, “Slope” genannt, arbeitet im an der West Coast beliebten AD-Schema und lässt sich loopen, wodurch sie auch als LFO und im hohen Frequenzbereich zur Frequenzmodulation eingesetzt werden kann. Schließlich gibt es mit “Dynamics” eine Schaltung nach Art eines Lowpass Gates – ein weiterer wichtiger Baustein der West-Coast-Synthese. Ein einfacher Arpeggiator ist ebenfalls an Bord.
Der 0-Coast ist ein semi-modularer Synthesizer. Das bedeutet, dass man nicht unbedingt Patchkabel verwenden muss, um Töne aus dem kleinen Kasten heraus zu bekommen. Viele Verbindungen sind vorverdrahtet (normalisiert), was durch goldene Linien auf dem Bedienfeld veranschaulicht wird. Indem man ein Patchkabel in die betreffende Input-Buchse steckt, wird eine normalisierte Verbindung unterbrochen und kann durch eine andere Quelle oder ein externes Steuersignal ersetzt werden. Das ist das gleiche Prinzip, wie es zum Beispiel auch beim Korg MS20 Anwendung findet. Ein Tütchen mit sechs Patchkabeln in verschiedenen Längen und Farben liegt dem 0-Coast bei.

Fotostrecke: 2 Bilder Der Make Noise 0-Coast vereint Elemente der East Coast- und West Coast-Philosophien.

Gehäuse und Verarbeitung

Der kompakte Make Noise 0-Coast nimmt etwa die Fläche eines halben DIN-A4-Blattes ein. Dabei ist das Gehäuse mit rund 2 cm (ohne Potis) sehr flach. Die Verarbeitungsqualität ist exzellent. Das Metallgehäuse wirkt stabil und hochwertig und die Buchsen und Potis machen einen langlebigen Eindruck. Bei unserem Testgerät gab es einen Wackelkontakt am Line-Ausgang zu beklagen, aber das würde ich angesichts der ansonsten soliden Verarbeitung als Einzelfall einstufen.
Im besten Make-Noise-Stil ist das Bedienfeld des 0-Coast etwas verspielt gestaltet und erschließt sich – auch wegen der unkonventionellen Klangerzeugung – möglicherweise nicht sofort. Vor allem jene, die bisher nur mit East-Coast-Synthesizern mit ihren Oszillatoren und Filtern in Kontakt gekommen sind, dürften hier zunächst etwas ratlos den Blick schweifen lassen und nach Vertrautem suchen. Sobald man sich aber etwas mit der Struktur des 0-Coast beschäftigt hat – und so kompliziert ist das gar nicht – wirkt alles logisch und sogar regelrecht aufgeräumt.

MIDI und Program Mode

Ganz links befindet sich der MIDI-Input. Als Schnittstelle kommt nicht die traditionelle DIN-Buchse zum Einsatz, sondern eine Miniklinkenbuchse. Das hat den angenehmen Nebeneffekt, dass sich der 0-Coast über ein Stereo-Miniklinkenkabel direkt mit dem MIDI-Output des enorm erfolgreichen Korg SQ-1 Sequencers verbinden lässt, der ebenfalls auf die Miniklinke als MIDI-Schnittstelle setzt. Das Pärchen 0-Coast und SQ-1 ergibt so viel Sinn, dass sogar Make Noise selbst den SQ-1 in der Anleitung zum 0-Coast explizit erwähnen und die Verbindung mit einer Grafik illustrieren. Aber auch für die Anbindung anderer MIDI-Geräte ist gesorgt, denn ein kurzer Adapter auf 5-Pol DIN liegt dem Synthesizer bei. USB sucht man hingegen vergeblich.
Neben der Möglichkeit, die interne Clock zu einer MIDI Clock zu synchronisieren, kann der 0-Coast aus eingehenden MIDI-Daten zwei CV/Gate-Pärchen generieren: MIDI A und MIDI B. MIDI A CV wird aus der ankommenden Notennummer erzeugt und ist mit der Oszillatorfrequenz verbunden. MIDI A Gate reagiert auf Note On/Off und ist auf den Gate-Input der Lautstärkenhüllkurve Contour normalisiert. Steckt man ein Patchkabel in den Contour Gate Input, so wird diese Verbindung unterbrochen und ein anderes Signal kann zur Auslösung der Hüllkurve zum Einsatz kommen.
Zusätzlich stehen die Outputs MIDI B CV und Gate bereit, deren Signale aus verschiedenen ankommenden MIDI-Daten generiert werden können. Dies lässt sich über die etwas hakeligen Konfigurations-“Menüs” (dazu gleich mehr) einstellen. MIDI B CV kann aus Notennummer, Modulationsrad oder Velocity erzeugt werden oder alternativ als LFO mit einer Dreieckschwingung eingesetzt werden. MIDI B Gate gibt ein Gate-Signal aus, wenn eine MIDI-Note gespielt wird oder das Modulationsrad oder die Velocity 50% übersteigen. Alternativ lässt sich hier ein Rechteck-LFO mit einstellbarer Frequenz abgreifen.
Die Buttons PGM A und PGM B übernehmen vielfältige Aufgaben. Sie dienen zur Aktivierung des internen Arpeggiators, als Tap-Button und zur Konfiguration der MIDI-Einstellungen. Letzteres ist ein nicht gerade komfortabler Prozess, bei dem man auf insgesamt sieben “Seiten” Einstellungen vornehmen kann. Auf welcher “Seite” man sich gerade befindet, wird durch das Blinken, Pulsieren oder Leuchten verschiedener LEDs angezeigt. Das ist – höflich ausgedrückt – nicht gerade übersichtlich. Ich glaube kaum, dass sich irgendjemand alle Kombinationen von Blinken, Pulsieren und Leuchten wird merken können – ohne Blick in die Anleitung wird man zur Programmierung der MIDI-Settings auch nach längerer Benutzung des 0-Coast nicht immer auskommen. Glücklicherweise ist die Kurzübersicht über diese Funktionen nicht nur im Handbuch zu finden, sondern zusätzlich auf der Gehäuseunterseite aufgedruckt.

Fotostrecke: 2 Bilder Das Bedienfeld wirkt zunächst ungewöhnlich, ist aber sehr gut durchdacht.

Control

Rechts von der MIDI-Sektion ist die Abteilung CTRL für “Control” zu finden. Hier gibt es einen Tempo-Input, über den die Frequenz der internen Clock von einer externen, analogen Quelle gesteuert werden kann. Außerdem besteht die Möglichkeit, die Clock zur MIDI-Clock zu synchronisieren. Das Tempo wird durch Blinken angezeigt und das Trigger-Signal der Clock lässt sich an einem Output abgreifen. Darunter ist der Stepped Random Output platziert, ein wichtiges Instrument der West-Coast-Synthese. Er liefert eine gestufte Steuerspannung, deren Pegel im Tempo der internen Clock zufällig wechselt. Eine grüne LED visualisiert diese Spannung.
Die untere Hälfte dieses Abschnitts wird von der Abteilung “Voltage Math” eingenommen. Sie enthält Inputs für zwei (Steuer-)Signale, die hier auf verschiedene Arten bearbeitet, kombiniert und verteilt werden können. Input A ist ein einfacher Eingang. Input B verfügt im Gegensatz dazu über einen Attenuverter, der das ankommende Signal abschwächen und/oder umkehren kann. Außerdem wird Input B zu einem Offset normalisiert, wenn nichts angeschlossen ist, sodass sich hier auch eine statische Steuerspannung generieren lässt, die mit dem Plus-Minus-Poti händisch geregelt werden kann. Die Sektion hat zwei Outputs, die das summierte Signal aus Input A und Input B (hinter dem Attenuverter) ausgeben. Dadurch ergeben sich vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Die einfachsten Anwendungen sind das Abschwächen bzw. Umkehren eines an Input B ankommenden Signals und die Aufteilung eines Signals auf zwei Ziele (Multiples). Darüber hinaus finden Klangbastler hier eine Vielzahl von Möglichkeiten vor, zwei Steuerspannungen kreativ zu kombinieren.

Oszillator

Der Oszillator erzeugt die Schwingungsformen Dreieck und Rechteck. Beide fließen über normalisierte Verbindungen in die Overtone-Sektion (dazu gleich mehr) und können darüber hinaus über Buchsen abgegriffen und an beliebigen Stellen wieder eingeschleift werden. Für die Regelung des Tunings gibt es einen großen Coarse- und einen kleinen Fine-Regler. Zwei CV-Eingänge stehen bereit: einer im Format 1V/Okt. und einer zur linearen Frequenzmodulation, der von einem Poti zur Regelung der Intensität begleitet wird.

Die Control-Sektion enthält Clock, Stepped Random Voltage und den CV Prozessor "Voltage Math".
Die Control-Sektion enthält Clock, Stepped Random Voltage und den CV Prozessor “Voltage Math”.

Overtone und Multiply

Eine Abteilung weiter rechts haben wir die Rocky Mountains erklommen und betreten endgültig West-Coast-Gelände. Das Modul “Overtone” erzeugt aus Dreieck und Rechteck zusätzliche Obertöne. Welche das sind, kann mit einem Poti stufenlos eingestellt werden. Der Regelbereich reicht von “odd” (ungerade Obertöne) über “even” (gerade Obertöne) bis hin zu “!!”, wo der Output der Slope-Schaltung dem Audiosignal beigemischt wird. Wie stark “Overtone” aktiv wird, lässt sich mit einem Poti regeln und/oder über eine Patchverbindung mit einer Spannung steuern.
Darunter wird es mit “Multiply” noch verwegener. Dieses Modul multipliziert die bei “Overtone” hinzugefügten Obertöne mit einem stufenlos einstellbaren Wert, wodurch sich weitere Möglichkeiten zur Klanggestaltung ergeben. Auch hier gibt es die Möglichkeit, die Stärke zu regeln und/oder per Spannung zu modulieren. Hier liegt ohne anderslautende Patchverbindung der Slope Output an.

Audio Samples
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Overtone Multiply (Overtone auf even) Multiply (Overtone auf odd) Overtone via Stepped Random Voltage, später mit Multiply

Slope

Wenn keine andere Patchverbindung vorgenommen wurden, stammt das Steuersignal für “Multiply” vom Slope-Modul. Dahinter verbirgt sich eine AD-Hüllkurve mit einstellbaren Zeiten für “Rise” und “Fall” und der Möglichkeit, zwischen linearem und exponentiellem Verlauf zu überblenden. Durch Druck auf “Cycle” kann “Slope” geloopt werden, wodurch sich ein LFO mit sehr flexibel formbarer Schwingungsform ergibt, der auch mit sehr hoher Frequenz im Audiobereich schwingen kann. “Slope” hat Inputs zur Auslösung (Trig) und Modulation der Zeiten, einen CV-Output und einen End-of-Cycle-Gate Output (EOC).

Audio Samples
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Multiply via Slope Multiply via Slope (Cycle on)
"Slope" ist eine loopbare AD Hüllkurve, während "Contour" dem Schema des Minimoog folgt.
“Slope” ist eine loopbare AD Hüllkurve, während “Contour” dem Schema des Minimoog folgt.

Contour

Die zweite Hüllkurve heißt wie beim Minimoog “Contour” und verhält sich auch so. Sie steuert normalerweise die “Dynamics”-Schaltung und damit in erster Linie die Lautstärke, kann über eine Patchverbindung aber auch anderen Zielen zugewiesen werden. Wenn nichts anderes gepatcht ist, wird sie vom MIDI A Gate ausgelöst. Es gibt Regler für “Onset” (Attack), Sustain und Decay/Release, außerdem steht ein Poti bereit, mit dem der Verlauf stufenlos von linear bis exponentiell geregelt werden kann. Neben dem Gate Input gibt es noch einen CV-Eingang zur Steuerung des Decays, einen CV Output und den Ausgang EON (End of Onset). Er gibt ein Gate-Signal aus, wenn die Hüllkurve die Attackphase (Onset) durchlaufen hat. Dieses Gate-Signal bleibt bis zum Ende des Decays geöffnet.

Balance

Mit dem Regler “Balance” kann das Verhältnis zwischen “Fundamental” (Dreieckschwingung) und “Overtone” (Overtone- und Multiply-Schaltungen) eingestellt werden und lässt sich über einen Patch Input modulieren. Ein weiterer Input ermöglicht es, ein anderes Signal statt der reinen Dreieckschwingung einzuspeisen, zum Beispiel das Rechteck aus dem Oszillator oder ein beliebiges anderes (auch externes) Signal.

Dynamics

Am Ende des Signalwegs steht die Dynamics-Schaltung, die mehr als ein reiner Lautstärkeregler ist. Dynamics verhält sich ähnlich wie ein Low Pass Gate und beeinflusst neben der Lautstärke auch das Frequenzspektrum des Signals. Im Gegensatz zum Buchla 292 Low Pass Gate – einer wesentlichen West-Coast-Komponente – ist Dynamics aber nicht Vactrol-basiert, sondern aus Transistoren aufgebaut. In der Bedienungsanleitung geben Make Noise der Schaltung daher das schöne Etikett “Low Pass Voltage Controlled Filter-Amplifier”. Je weiter der Regler aufgedreht ist, desto lauter wird das Signal, und desto mehr hohe Frequenzen enthält es. Dies wird normalerweise von der Contour-Hüllkurve gesteuert, aber es gibt auch einen Patch-Eingang für alternative Verbindungen.  

Audio Samples
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Dynamics

Ausgänge

Der 0-Coast hat einen Line- bzw. Kopfhörerausgang im Miniklinkenformat, an dem das Signal hinter der Dynamics-Schaltung anliegt. Zur Regelung des Pegels steht ein kleines Poti bereit. Außerdem gibt es einen Dynamics-Output, der das Signal mit 10V Modular Level ausgibt. Er ist zur Verbindung mit anderen modularen Komponenten gedacht, die diesen hohen Pegel vertragen können, und sollte nicht zum Anschluss an ein Mischpult o.ä. verwendet werden.

Praxis

Sound

Die ersten Schritte mit dem 0-Coast gestalteten sich bei mir etwas anders als bei den meisten anderen Synthesizern, wo ich zunächst oft versuche, ein paar bewährte Basics zusammenzuschrauben. Nicht so beim 0-Coast, der mich von Anfang an mit seiner ausgeprägten Persönlichkeit zu klanglichen Experimenten inspirierte. Und obwohl die Anleitung einige Beispielpatches enthält, ist das meiner Ansicht nach der beste Weg, sich diesem sympathischen, kleinen Synthesizer zu nähern: sich leiten lassen, Unerwartetes zu schätzen lernen und dem Spieltrieb freien Lauf lassen. Wenn man von der East-Coast-Synthese à la Moog kommt, bleibt einem fast nichts anderes übrig als einfach auszuprobieren, welche klanglichen Türen sich hinter dem nächsten Poti oder der nächsten Patchverbindung öffnen. Man werfe also den Arpeggiator an, schicke dem 0-Coast ein paar MIDI-Noten und lasse sich inspirieren!
Ein weiteres praktisches Werkzeug für die Klangbastelei ist der sogenannte „Drone Mode“, der im Handbuch als eine Basis-Konfiguration beschrieben ist. Dazu verbindet man einen Ausgang des CV Processors (Voltage Math) mit dem Dynamics CV Input. Da der Voltage Math Input B zu einem Offset normalisiert wird, wenn nichts im Eingang steckt, liegt hier in diesem Fall eine mit dem Plus-Minus-Poti regelbare Steuerspannung an. Mit dieser lässt sich die Dynamics-Schaltung öffnen, ohne dass die Contour Envelope dafür getriggert werden muss. So gibt der 0-Coast einen Dauerton von sich und man kann in Ruhe schrauben, was nicht selten vielschichtige, spannende und lebendige Drone Sounds ergibt. Die gehören meiner Ansicht nach dann auch zu den ganz besonderen Stärken des 0-Coast!
Doch genug der vielen Worte, lassen wir Klänge sprechen! Im folgenden Video seht und hört ihr ein paar Beispielsounds. Am Anfang habe ich auf Patchverbindungen verzichtet und zeige kurz die Auswirkungen von Contour, Overtone, Multiply und Slope. Danach folgen ein paar Patches, die mir im Verlauf des Tests begegnet sind.

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Als besonders inspirierend empfand ich die Slope-Schaltung mit ihrer flexiblen Formbarkeit. Im Cycle Mode ist sie die Quelle eines unglaublich reichhaltigen und vielschichtigen Signals zur Frequenzmodulation von Overtone, Multiply oder auch des Oszillators. Schon kleine Berührungen der Potis können drastische Klangveränderungen bewirken. Aber auch die Stepped Random Voltage, der Linear FM Input und die Voltage Math Sektion sind mächtige Werkzeuge, die in ihrer Einfachheit bestechen und doch so viele klangliche Möglichkeiten bieten.
Auch der Arpeggiator erweist sich als einfach, aber effektiv. Die üblichen Patterns (Up, Down, Up&Down etc.) sucht man vergeblich. Stattdessen spielt der Arpeggiator die Noten in der Reihenfolge ab, in der sie gespielt wurden. Ein Latch-Modus steht bereit, in dem fast ein kleiner Sequencer daraus wird. Er lässt den Arpeggiator weiterspielen, wenn die Tasten eines angeschlossenen MIDI-Keyboards losgelassen werden. Noten können hinzugefügt und auch wieder aus dem Pattern entfernt werden. Das Pattern kann bis zu 20 Noten umfassen. Zum vollwertigen Sequencer fehlen dann aber doch ein paar Features, wie etwa Möglichkeiten zum Einbauen von Pausen oder zum Transponieren des Patterns. Umso sinnvoller erscheint die Kombination des 0-Coast mit einem Sequencer wie dem Korg SQ-1, der auch CV Outputs zur Steuerung beliebiger Parameter des Synthesizers durch eine Sequenz bereit hält.

Audio Samples
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Hard Sequence Organics Lin FM Hypno Big Drone Fieps Arp Lin FM Junkyard Fluttering Arps

Der klangliche Reichtum des kleinen 0-Coast ist groß und auch nach einer ausgiebigen Testphase bin ich mir sicher, noch längst nicht alle klanglichen Facetten entdeckt zu haben. Durch die Kombination mit externen Komponenten wie etwa einem Eurorack-System lassen sich die Möglichkeiten nahezu unendlich erweitern. Eines dürfte jedoch bereits klar geworden sein: Ein „normaler“ Synthesizer für klassische Bässe, Leads und andere typische „East-Coast-Sounds“ ist der 0-Coast eher nicht. Stattdessen ist er irgendetwas zwischen Experimentierlabor und klanglichem Bauspielplatz und man tut gut daran, sich ihm mit Offenheit, Experimentierfreude und einem gesunden Spieltrieb zu nähern. Nebenbei erzeugt er mit die fettesten und interessantesten Drones, die mir seit langem begegnet sind.

Bedienung

Zur Bedienung gibt es nicht mehr viel zu sagen, denn das Wort „Spieltrieb“ ist ja schon gefallen. Hier steht ganz klar das Ausprobieren im Vordergrund; und wenn man an den Reglern dreht und ein paar Patchkabel steckt, dann dauert es nie lange, bis der 0-Coast mit einem inspirierenden Sound um die Ecke kommt. Sobald man mit der zunächst vielleicht ungewöhnlichen, aber dann recht einfachen Struktur vertraut ist, wirkt das Bedienfeld sehr übersichtlich und hilft mit Details wie Linien zur Darstellung der normalisierten Verbindungen. Auch die vielen Leuchten, von denen einige mit interessanten Formen die Make-Noise-Designsprache sprechen, helfen sehr, indem sie zum Beispiel die Verläufe der Hüllkurven oder der Stepped Random Voltage durch ihre Helligkeit anzeigen.
Einzig die bereits erwähnte Programmierung der MIDI-Einstellungen über die Buttons PGM A und B ist unpraktisch und könnte besser gelöst sein. Allein um zu erfahren, auf welcher „Seite“ man sich gerade befindet und welche Einstellung gerade zur Bearbeitung aktiv ist, muss man einen Code aus Blinken, Pulsieren und Leuchten mehrerer LEDs entschlüsseln und mit der Tabelle im Handbuch oder auf der Gehäuseunterseite vergleichen. Zwar bleibt dem 0-Coast auf diese Weise ein Display erspart, das die Kosten sicherlich drastisch erhöht hätte, nur für die MIDI-Settings Overkill wäre und auch gar nicht zum spielerischen Ansatz des Synthesizers passt. Dennoch bin ich überzeugt, dass sich das auch übersichtlicher hätte lösen lassen, zum Beispiel mit einer einfachen LED-Kette, die Auskunft über die gewählte Program-Seite gibt. Da man diese Settings aber in der Praxis nicht häufig braucht, tut das der Inspiration keinen Abbruch.
Die ausführliche und gut geschriebene, allerdings bislang nur auf englisch verfügbare Anleitung soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Sie ist als PDF-Datei auf der Website von Make Noise erhältlich. Kein Detail bleibt darin unerwähnt, sodass auch West-Coast-Neulinge nicht allein gelassen werden und eine gründliche Einführung in die vielleicht zunächst ungewöhnlichen Bausteine des 0-Coast bekommen. 

Fazit

Der Make Noise 0-Coast vereint Elemente der East-Coast- und West-Coast-Philosophien in einem kompakten Desktop Synthesizer. Statt eines Filters stehen typische West-Coast-Komponenten wie Overtone, Multiply und die einem Low Pass Gate ähnliche Dynamic-Schaltung zur Klangformung bereit. Durch vielfältige Patchmöglichkeiten eignet sich der 0-Coast für ausgedehnte Klangexperimente und lässt sich nahtlos in ein Modularsystem integrieren. Der vielschichtige Sound reicht von zart und zerbrechlich bis druckvoll-aggressiv und ist manchmal überraschend, aber immer inspirierend. Mit dem einfachen, aber effektiven Arpeggiator und dem integierten MIDI-CV-Interface kann der 0-Coast auf verschiedene Weisen gespielt und in ein Setup integriert werden – oder man wirft einfach den Drone Mode an und begibt sich standalone auf eine klangliche Entdeckungsreise. Ein ungewöhnlicher, spannender und nebenbei sehr ansprechend gestalteter und verarbeiteter Synthesizer, der so manchem Interessierten die Tür zum West-Coast-Kosmos öffnen dürfte!

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • vielschichtiger, inspirierender Sound
  • einfache, aber sehr gut durchdachte Struktur
  • flexibel formbare Shape-Hüllkurve (auch als LFO nutzbar)
  • vielseitige Patchmöglichkeiten
  • MIDI-to-CV Interface mit 2x CV/Gate
  • simpler, aber effektiver Arpeggiator
  • sehr gute Bedienungsanleitung
Contra
  • komplizierte Programmierung der MIDI Settings
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Make Noise 0-Coast Test
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Der Make Noise 0-Coast hat jede Menge klangliche Persönlichkeit.
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