Kurzweil brachte 1984 mit dem K250 einen der ersten Synthesizer auf den Markt, dessen Sounds auf gesampelten, im ROM gespeicherten Wellenformen basierten und begründete damit eine neue Keyboardgattung, den sogenannten „ROMpler“. Einige von Kurzweils ROM-Sounds wurden Klassiker, wie z.B. das Streichquartett aus dem K250 oder das Piano der PC-Serie. Kurzweil erwarb sich über die Jahre einen Ruf als Hersteller von besonders innovativen und hochwertigen Synthesizern. Und obwohl die Nachfolger des K250 nicht mehr ganz so teuer verkauft wurden wie ihr 10000$ Urahn, waren Kurzweil Produkte eines nie: billig.
Das Kurzweil SP4-8 ist ein 64-stimmiges Masterkeyboard und Stage Piano mit einer 88er Hammermechaniktastatur und 128 Sounds, die aus Kurzweils K-(2000, 2500, 2600) und PC-Serie stammen. Und jetzt kommt das Erstaunliche: Es ist mit 999 Euro Straßenpreis für ein Produkt dieser Marke sehr günstig. Das SP4-7 mit 76 Tasten kostet sogar nur 799 Euro. Sind diese Keyboards nun billiger verarbeitet als seine Kurzweil-Kollegen oder wo wurde sonst gespart? Und was bringt die neue Software Version 2.0? Wir werden es gleich wissen.
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DETAILS
Tastatur
Einer der wichtigsten Aspekte bei einem Masterkeyboard/Stage Piano ist sicherlich die Tastatur, deshalb betrachten wir sie hier zuerst. Im SP4-8 finden wir eine Fatar TP100 88er mit Hammermechanik, die sich dadurch auszeichnet, dass sie deutlich leichter ist als die im PC3 verbaute TP40. Aber trotz der geringeren Masse vermittelt sie erstaunlicherweise den Eindruck, als sei sie wirklich schwer gewichtet. Auf jeden Fall ist das Spielgefühl und auch die Dynamikumsetzung top. Durch das geringere Gewicht kommt das SP4-8 nur auf 17,7 kg gegenüber dem 24,5 kg schweren PC3. Das möchte ich an dieser Stelle schon mal als eindeutigen Pluspunkt verbuchen. Anschlüsse
Auf der Rückseite finden wir folgende Anschlüsse:MIDI In und Out, Audio L/R, Foot Switch, Foot Controller, USB, Kopfhörer und die Buchse für das externe Netzteil.
An dieser Stelle sehen wir die ersten Sparmaßnahmen gegenüber den teureren Kurzweil Keyboards, die auch MIDI Thru, ein oder zwei Paar Extra-Audioausgänge und interne Netzteile besitzen. Aber alles Wichtige ist beim SP4-8 vorhanden und genauso solide verarbeitet wie bei den Kollegen. Von daher gibt es auch an dieser Stelle nichts zu meckern.Außer vielleicht, dass das externe Netzteil einen sehr seltenen dreipoligen Netzstecker vom Typ „Rasierapparat“ hat, der im Verlustfall nicht mal so eben zu ersetzen ist. Bedienelemente
Das Bedienfeld erscheint im Vergleich zum PC3 und zu den K-Modellen sehr aufgeräumt. Hier gibt es auf jeden Fall deutlich weniger Elemente, die aber alle hochwertig verarbeitet sind. Wer Kurzweil Produkte kennt und über Jahre benutzt hat weiß, dass hier eigentlich nie irgendwas kaputt geht. Auf der linken Seite des Panels gibt es neben dem Volumefader und den beiden Rädern (Modulation und Pitch) nur einen Controller, der aber mit Hilfe eines Umschaltknopfes immerhin fünf verschiedene Funktionen steuern kann. In der Mitte sitzt das Display, das mit 16 Zeichen deutlich kleiner ist als die (auch nicht besonders großen) Displays der K- und PC-Serie. Allerdings gibt es, wie wir noch sehen werden, beim SP4-8 auch nicht so viel zu editieren, von daher ist das kleine Display sicherlich ausreichend. Mit Hilfe der vier Knöpfe neben dem Display kann man durch die Menüs navigieren. Auf der rechten Seite finden wir die Bank- und Programmanwahl-Taster, über die wir die 128 Presets bzw. Setups erreichen. Übrigens bleiben gehaltene Noten beim Umschalten liegen und reißen nicht ab. Dies ist eine alte Kurzweil-Tugend und mir als Live-Keyboarder immer wieder ein Lob wert. Komischerweise funktioniert das nicht bei den Orgelsounds, diese bleiben beim Umschalten nicht stehen.
Programme und Setups
Das SP4-8 verfügt über 128 Programme, die in 16 Kategorien zu je 8 Sounds organisiert sind. Und nun kommen wir zur wohl gravierendsten Einschränkung des SP4-8 gegenüber den Kurzweil Workstations: Die Presets lassen sich nicht editieren. Während z.B. K2600 oder PC3 gerade durch die ausgefuchsten Soundprogramming-Möglichkeiten begeistern, muss man hier mit den Werkssounds leben. Nur ganz wenig lässt sich über den Control-Knopf einstellen. Hier gibt es 5 Parameter mit den Bezeichnungen Timbre, Mod, Envelope, Effect und Reverb. Timbre bedeutet bei allen Sounds „Filter Cutoff“ und Reverb bezieht sich logischerweise immer auf den Hallanteil. Die anderen Parameter sind von Sound zu Sound verschieden. Was „Mod“ genau bedeutet, lässt sich weder aus der Bedienungsanleitung entnehmen noch hören, denn bei den meisten Sounds bewirkt dieser Parameter gar nichts. „Envelope“ bezieht sich manchmal auf die Attack-Zeit und manchmal auf das Release. Bei manchen Sounds passiert hier auch gar nichts. „Effect“ ist manchmal ein Delay und manchmal Distortion. Leider gibt es in der Anleitung keine Übersicht, was wo und wie belegt ist, und all diese Verknüpfungen sind nicht veränderbar, man muss einfach mit dem leben, was vorgegeben ist. Hat man an einem dieser fünf Parameter eines Programms etwas verändert, so kann man das Ergebnis benennen und auf einen der 64 freien Anwender-Speicherplätze schreiben. Setup Mode
Im Setup Mode gibt es deutlich mehr Einstellmöglichkeiten. Hier lassen sich Setups bauen, die aus bis zu vier Zonen bestehen. Jeder Zone kann man einen internen Sound zuordnen, ebenso MIDI-Kanal, Splitbereich, Volume, Transpose und alles, was für den Betrieb des SP4-8 als Masterkeyboard wichtig ist. Das Modulationsrad kann in jeder Zone mit einer beliebigen MIDI-Controller-Nummer belegt werden, und das Control-Poti lässt sich mit fünf verschiedenen MIDI-Controller-Nummern belegen, die dann mittels Switch-Button anwählbar sind. Im Setup Mode gibt es auch einen frei wählbaren Mastereffekt. Hier stehen 81 Effekte zur Verfügung. In jeder Zone kann per Effekt Send eingestellt werden, wie viel Effektanteil der Sound der jeweiligen Zone bekommen soll. Da man sich im Setup Mode, anders als im Program Mode, den Effekt aussuchen kann, macht es unter Umständen Sinn, auch dann im Setup Mode zu arbeiten, wenn man nur einzelne Sounds spielen möchte. Für Setups gibt es ebenfalls 64 Anwender-Speicherplätze. Insgesamt würde ich das SP4-8 als vollwertiges Masterkeyboard bezeichnen, auch wenn die Programmierung wegen des kleinen Displays manchmal etwas fummelig ist.
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PRAXIS
Nun, da man die 128 internen Sounds des SP4-8 praktisch nicht verändern kann, wollen wir doch mal hoffen, dass diese wenigstens gut sind. Fangen wir mal mit dem Klavier an.
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Standard GrandStudio Grand
Das den Klaviersounds zugrundeliegende Sample „Triple Strike Piano“ wurde schon im K2600 verbaut und ist mindestens schon 12 Jahre alt (ich hatte auf einer Tour im Jahr 2000 mal ein PC2, und da war dieses Sample auf jeden Fall auch schon drin). Es besteht nur aus drei Velocity Layern (wie der Name schon sagt) und ist auch nicht besonders detailreich, verglichen mit dem, was heutzutage eigentlich standard ist. So finden wir hier keine Hammergeräusche, keine Saitenresonanzen und keine Pedalgeräusche, und drei Layer sind heutzutage nicht besonders viel. Doch trotzdem hat dieser Klaviersound immer noch viele Fans, denn viele schwören auf die besonders gute „Durchsetzungsfähigkeit“ der Kurzweil Pianos. Selbst das noch ältere und noch simplere Kurzweil Micro Piano aus den frühen Neunzigern gilt immer noch als besonders Band-kompatibel. Von daher geht der Klaviersound in Ordnung, vor allem angesichts der Preisklasse, in der wir uns hier bewegen. E-Piano
Kurzweil wirbt für das SP4-8 mit dem Argument, dass es die hochwertigen Sounds der K- und der PC-Serie enthält. Und die Synthesizersounds dieser Keyboards sind dank der formidablen V.A.S.T.-Synthese auch wirklich erstklassig. Allerdings gilt das leider gar nicht für die E-Piano Sounds. Dafür war Kurzweil nie besonders berühmt, und der Grund ist einfach: Sie sind nämlich ziemlich schlecht. Die Samples, die hier immer wieder in allen Modellen verbaut werden, sind locker 20 Jahre alt. Das Kurzweil 3-Layer Rhodes muss man schon mit Effekten einlullen, um die Schwächen in der Authentizität zu kaschieren. So wie es bei diesem Preset der Fall ist.
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Rhodes
Auch das Wurlitzer ist dasselbe, was mir schon beim PC3K8 unangenehm aufgefallen ist, und auch dieses Sample scheint schon sehr alt zu sein.
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Wurlitzer
Orgel
Die Orgelsounds stammen aus Kurzweils KB3-Orgelmodus. Hier gibt es eine Besonderheit, die in der Bedienungsanleitung nicht erwähnt wird, denn der 5-fach umschaltbare Controller steuert nämlich nicht Timbre, Mod usw., sondern Zugriegel. So hat man Kontrolle über vier Zugriegel. Nur die Position „Reverb“ steuert weiterhin den Hallanteil. Leider lässt sich die Leslie Geschwindigkeit am SP4-8 nicht umschalten. Das Leslie läuft immer schnell. Das Modulationsrad, das zu diesem Zweck hätte belegt werden können, regelt stattdessen den Overdrive. Und anders belegen kann man ja hier bekanntlich nichts. Das ist sehr schade.
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Orgel
Strings, Brass
Für Strings hat Kurzweil eine gewisse Reputation, waren doch die Streichersamples des K250 mit die ersten überhaupt. Die Strings des SP4-8 sind demnach auch sehr brauchbar, auch wenn die Samples alles andere als frisch sind. Dasselbe gilt für die Bläser.
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StringsBrass
Synths
Die Synths der K-Serie sind dafür bekannt, dass sie sehr gut analoge Sounds nachahmen können. Schon der K2000, der komplett auf digitalen ROM-Waveforms basiert, klang erstaunlich analog. Das aktuelle PC3 hat sogar eine virtuell-analoge Engine an Bord. Diese Engine steht im SP4-8 auch zur Verfügung, und somit sind die Analogsounds hier hervorragend, wenn auch die Auswahl nicht unbedingt meinem Geschmack entspricht. Ich erinnere mich an diverse Analogsounds des PC3, die ich lieber im SP4-8 wiedergefunden hätte als das, was da ist. Aber die Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden. Hier ein paar Beispiele; man achte darauf, wie sauber auch die hohen Lagen dank der VA-Engine klingen.
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Square LeadSaw “Mogue”OBX “Jump”80´s Synth
Sonstige Sounds
Wir finden im Speicher des SP4-8 noch viele andere gute Sounds, darunter Pads, Gitarren, Bässe, Drums und Chöre. Ich freue mich darüber, hier auf einen meiner Lieblingssounds zu treffen, den legendären Mellotron Chor.
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Lush PadMellotron Choir
Software 2.0
Seit kurzem ist ein Software-Update erhältlich, das es ermöglicht, eigene Sounds aus dem PC3 in den Anwender-Speicher des SP4-8 zu laden. Dies vergrößert die Möglichkeiten dieses Keyboards natürlich ungemein. Das zaubert zwar keine besseren E-Piano Samples, denn der den Sounds zugrunde liegende ROM-Waveform-Speicher bleibt natürlich derselbe, aber man kann sich nun an einem PC3 individuelle Patches mit Effekten und Controller-Belegungen nach eigenem Geschmack basteln und diese ins SP4-8 packen. Und wer keinen Zugang zu einem PC3 hat, kann zumindest auf die große Kurzweil Soundbibliothek zugreifen. Laut Hersteller soll das SP4-8 in der Lage sein, fast alle PC3 Patches abzuspielen, allerdings mit halber Stimmenzahl (64 statt 128) und ein paar Einschränkungen bei den Effekten. Vor allem in Sachen Synthesizersounds tun sich damit neue Welten auf. Die Belegung der ersten vier der acht PC3- Fader findet man dann auf dem umschaltbaren Controller wieder. Das erklärt auch das zuvor kritisierte Chaos bei der Belegung dieses Controllers bei den SP4-8 Werkssounds, denn hier wurden offenbar bei vielen Programmen einfach die Einstellungen der ersten vier Fader des PC3 übernommen, und die decken sich nicht immer mit den Bezeichnungen „Timbre“, „Mod“ usw. Die Zugriegelsteuerung ist offenbar auch auf diese Weise ins SP4-8 gelangt, denn diese liegen im KB3-Orgelmodus des PC3 auch auf den Fadern.
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Technische Spezifikationen
88-Tasten Hammermechanik (Fatar TP100)
16 Zeichen Display mit Kontrastregler
64 Stimmen, dynamische Zuordnung
16-fach multitimbral
Split/Layer
128 Werksprogramme aus dem PC3 inkl. KB3 Orgeln und virtuell-analogen Synths
64 Anwender-Speicherplätze
64 Werks-MIDI Setups
64 Anwender-MIDI-Setups mit 4 programmierbaren Zonen für Splits and Layer
Effekte: 81 Effect Chains aus dem PC3, u.a. Hall, Amp Simulation und Leslie Effekt.
Controller: Pitch Wheel, Modulation Wheel, 1 Front Panel Knopf, 1 Stereo-Switch-Pedal (unterstützt zwei Pedale mit Y-Kabel)
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live keyboarder sagt:
#1 - 23.06.2017 um 07:18 Uhr
Es stimmt nicht, dass der Leslie-Effekt bei den Orgelsounds immer schnell läuft. Mann kann die Geschwindigkeit mit dem Sustainpedal umschalten.