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Gewa UP 380 WK Test

Gewa UP 380 WK Test. (Foto: Numinos)
Das Digitalpiano UP 380 WK markiert derzeit die Oberklasse im Segment Digitalpianos im Hause GEWA. (Foto: Numinos)

GEWA dürfte vornehmlich Spielern von Naturinstrumenten bekannt sein, lag das Kernsegment der deutschen Traditionsfirma bislang doch eher im Bereich von Streich- , Blasinstrumenten und Schlagwerk samt Zubehör. In jüngerer Zeit widmen sich die Ingenieure im lauschigen Vogtland aber zunehmend der Verknüpfung elektronischer Klangerzeugung mit mechanischen Komponenten – die Rede ist von Digitalpianos. Und so sind aktuell fünf Modelle in unterschiedlichen Bauformen und Ausstattungsvarianten erhältlich. Das hier getestete UP 380 WK markiert die Oberklasse in der Produktpalette und entsprechend gespannt haben wir uns an den Test gewagt.

Details

Überblick

Alle Digitalpianos von GEWA dürfen sich ein echtes „Made in Germany“ auf das Typenschild schreiben, denn tatsächlich erfolgt die Fertigung im Stammwerk in Adorf. Im Gespräch verrät der Produktmanager, dass – nachdem man jahrelang Pianos aus Fernost importierte – die Kosten, Lieferzeiten und Qualität noch mal auf den Prüfstand gestellt wurden und man zu der Entscheidung kam, dass die Produktion in Deutschland nicht nur machbar, sondern auch effektiver ist. Die erforderlichen Platinen werden nun also bei „Technisat“ gefertigt und der Klangerzeugungs-DSP stammt aus dem benachbarten Frankreich. Denn dort stellt die Firma „Dream“ mit ihrer SAM-Serie überaus leistungsfähige ICs her, die in der Lage sind, die komplexe Klangerzeugung eines Digitalpianos zu übernehmen. Entsprechend kommt im GEWA UP 380 WK das Spitzenmodell „SAM5916B“ zum Einsatz, das unter anderem in der Lage ist 256 polyphone Stimmen zu generieren, 2 Gigabyte Sample-Speicher zu verwalten, USB-Midi zu übermitteln und verschiedenste DSP-Effekte zu erzeugen. Sogar die Samples stammen gewissermaßen aus „Eigenmanufaktur“, denn sie wurde von Frank Plasa in seinem „H.O.M.E.“-Studio in Hamburg mikrofoniert und aufgenommen. Das Ausgangsinstrument war ein selektierter „Steinway & Sons D-274“.

Auspacken

Das UP 380 WK erreicht uns in nicht montiertem Zustand. Das Bruttogewicht liegt bei 65 Kilo weshalb man für den Anlieferungstermin einen Helfer einplanen sollte oder ein Trinkgeld für den Spediteur, damit er beim Hinauftragen in den achtzehnten Stock hilft (wichtig: Ab dem drittem Stock mit Motivationssprüchen wie ‘ist nicht mehr weit’ anfangen’). Aus der Verpackung wuchte ich dann fünf Einzelteile: Die Keyboard-Sektion, zwei Seitenteile, das Pedalbord, sowie die Rückwand. Dazu noch mehrere Tüten mit Schrauben und Kleinteilen. Daneben findet sich noch eine mehrsprachige Anleitung und ein Stromkabel.

Fotostrecke: 5 Bilder 65 Kilo – die bewegt man nur zu zweit oder als Kraftsportler. (Foto: Numinos)

Auch von der Idee, das Instrument alleine aufzubauen sollte man dringend Abstand nehmen, es sei denn man ist aktiver Kraftsportler, denn die Keyboard-Sektion ist wirklich schwer und lässt sich alleine nicht richtig fassen. Zu zweit gestaltet sich der Aufbau weitgehend unproblematisch: Erst komplettiert man den Unterbau, indem man die Seitenteile über das Pedalbord verbindet und anschließend die Rückwand anschraubt, danach senkt man die Klaviatur auf den Unterbau und verschraubt sie ebenfalls.
Hiernach gilt es nur noch das Anschlusskabel des Pedalboards mit der Buchse am Keyboard zu verbinden und mit den mitgelieferten Kabelhaltern an der Rückwand zu befestigen. Ferner sollte man die kleine Entlastungsschraube unterhalb der Pedaleinheit drehen, bis sie auf dem Boden aufsetzt und sich so dem Druck der Füße entgegen stemmt. Die Bedienungsanleitung verrät auch, dass man die Keyboard-Einheit natürlich auch ohne den Unterbau betreiben kann und sie beispielsweise auf einem Standard-Keyboard Ständer befestigt. Der sollte allerdings wirklich stabil sein, um das Gewicht sicher zu tragen.

Erster Eindruck

Ist das Instrument aufgebaut, erweist es sich als durchaus ansehnliches Möbel: Die Holzteile bestehen aus massiven Faserplatten, die im Sichtbereich mit einer tiefschwarzen Kunstoff-Oberfläche überzogen und mit einer Holzmaserungs-ähnlichen Struktur versehen sind. Im Detail ist diese Art der Oberflächenvergütung natürlich Geschmackssache – man kennt es von Türen oder Küchenmöbeln: Robust und widerstandsfähig gegen Stöße zwar, beim Anfassen und gegen das Licht betrachtet, merkt man jedoch den artifiziellen Charakter dieser Sandwichbauweise. In seiner Gesamtheit wirkt das UP 380 WK – auch, und besonders aufgrund der an vielen Stellen gedoppelten Linienführungen – weniger elegant, als vielmehr robust und kompakt.
Den Piano-Deckel klappt man nicht hoch, sondern schiebt ihn ins Instrument. Der Griff zu den Tasten zeigt, dass sie mit einem mattierten Kunststoff überzogen sind, der einen sehr guten Grip liefert. Ein seitlicher Blick verrät, dass hier ein Holzkern zum Einsatz kommt, was das hervorragende Tastengefühl noch unterstützt und für die Namensgebung verantwortlich ist: WK = Wooden Keys. Viel Aufwand hat der Hersteller laut eigenem Bekunden darauf verwendet, die Kalibrierung auf ausgewogene Gleichförmigkeit hin zu optimieren: Dass also jede Taste bei gleicher Anschlagsstärke einen gleich lauten Ton erzeugt. Bei unserem Testinstrument war dies in vorbildlicher Weise der Fall. Sollte es dennoch mit der Zeit zu einer Unausgewogenheit kommen, hat man im Funktionsmenü die Möglichkeit, für jede einzelne Taste eine Neukalibrierung vorzunehmen.

Fotostrecke: 4 Bilder Das Instrument wirkt stattlich und kompakt. (Foto: Numinos)

Anschlüsse

Die Anschlüsse sind – wegen der Optik bei Digitalpianos beliebt – an der Unterseite versteckt, persönlich hätte ich sie lieber an der Rückseite gesehen. Von links nach rechts finden sich hier: Ein Line-In (Miniklinke), Sustain-Pedal (Klinke), Stereo-Line-Out (2x Mono-Klinke), Midi-In/Out (5-Pol DIN), USB-Midi (USB A) und der Netzanschluss. Etwas weiter am Rand findet sich eine Aussparung in der zwei Kopfhörerbuchsen nebst USB-Buchse platziert sind. Die maximale  Kopfhörerlautstärke ist über das Menü begrenzbar, was insbesondere an Musikschulen (für Kinder) von Interesse ist, damit die kleinen Racker ihr empfindliches, junges Gehör nicht überstrapazieren.

Fotostrecke: 2 Bilder Die Anschlusssektion im Detail. (Foto: Numinos)
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Praxis

Bedienelemente & Handhabung

Die elementaren Bedienelemente zur Inbetriebnahme des Instruments, nämlich On/Off-Schalter und Lautstärkeregler, sitzen gut zugänglich auf der rechten Seite. Die linke Flanke ist komplexer aufgebaut mit einem hintergrundbeleuchteten Display, Softbuttons, Cursor- und verschiedenen Funktionstasten. Die Hintergrundbeleuchtung ist in ihrer Intensität glücklicherweise regelbar, denn in ihrer Grundeinstellung leuchtet sie, was für das romantische Privatkonzert bei Kerzenschein etwas störend sein kann.
Das Display ist aber auch den Weg in die Tiefen der Möglichkeiten des Instruments und die sind für ein Digitalpiano ziemlich ausgefuchst: Neben der Auswahl der insgesamt 37 Klänge, lassen sich hier auch Layer und Splits aus zwei Sounds erstellen. Ebenfalls im Zugriff: Das Effektgerät, welches fünf verschiedene Raum-Algorithmen, Chorus, Tremolo, Phaser und Rotary mit verschiedenen Parametern kennt. Ein Metronom mit wählbarem Metrum und Sound ist ebenso an Bord wie ein Midi-Sequenzer mit acht Spuren. Wählt man das „Functions“-Menü kommt man an weitere Interna. Darunter die basale Klanglichkeit – „Brilliance“ genannt mit den Optionen „Mellow, Flat und Bright“. Ebenso mannigfaltige Möglichkeiten zur Anpassung der Reaktion des Instruments auf das Spiel: Von der Velocitykurve, über die Stimmung, die maximale Kopfhörer-Lautstärke, bis hin zum virtuellen Saiten-Resonanzverhalten – „Sympathetic Resonance“ genannt. Hat man einen Lieblingssound samt Effekt- und Parameter-Einstellungen gefunden, lässt sich dieser in einer von insgesamt achtzehn (3 Bänke á sechs Sounds) so genannten „Registrations“ abspeichern.
Designtechnisch nicht ideal ist, dass die Tasten für die Menüpunkte „Reverb, User Settings und Effekt“ optisch und mechanisch völlig identisch mit den darunterliegenden Klang-Kategorie-Tastern sind: Schnell landet man hier im Hall-Menü, obwohl man den Pianosound ändern wollte. Etwas deutlicher hätte auch der Kontrast bei den Recording-Tastern (Play/Stop, Record und Metronom) ausfallen dürfen, denn Beige auf Grau ist in diffusen Lichtverhältnissen einfach schlecht zu entziffern.

Fotostrecke: 3 Bilder Das Bedienfeld sitzt auf der linken Seite. (Foto: Numinos)

Konnektivität

Sowohl über die DIN-, wie auch die USB-Buchse sendet und empfängt das Gewa-Piano das vollständige Arsenal an Midi-Daten: Vom wählbaren Midi-Kanal, Local Control On/Off bis hin zu Programm-Changes. Eine angeschlossene DAW erkennt den USB-Port ohne die Notwendigkeit der Treiberinstallation. Etwas schwer zugänglich liegt die USB-Einbau-Buchse, die zur Zuführung und dem Speichern von Midi-Daten via Stick dient. In den meisten Fällen wird man hier wohl zur DAW greifen. In Unterrichtsszenarien (bspw. Lehrer spielt vor und speichert ab, Schüler übt damit), kann sie sich aber durchaus als nützlich erweisen. Ebenfalls hilfreich beim Üben ist der Audio-Eingang in Form einer Stereo-Miniklinken-Buchse. Auch das Übermitteln von Audiodaten via Bluetooth ist möglich.

Midi-In/Out via USB-Midi funktioniert problemlos. (Foto: Numinos)
Midi-In/Out via USB-Midi funktioniert problemlos. (Foto: Numinos)

Klang

Wie bei allen Digitalpianos gilt es auch beim Gewa UP 380 WK zu unterscheiden, wie die Klangerzeugung für sich genommen klingt und wie sich das dann über die integrierten Lautsprecher überträgt. Diese Unterscheidung ist extrem wichtig, denn es kann durchaus passieren, dass man Instrument vor sich hat, dessen Soundengine zwar überragend ist, das aber vom verbauten Soundsystem nur unzureichend transportiert wird und man zu dem Trugschluss kommt, das Instrument würde schlecht klingen. Um diese Unterscheidung zu treffen, habe ich es mir angewöhnt, Digitalpianos zunächst einmal mit Kopfhörern zu spielen und mir Verstärker und Lautsprecher getrennt davon (im Fall des UP 380 WK praktischerweise über den Line-In) anzuhören. Über Kopfhörer (Beyerdynamik DT1990 Pro) produziert das Instrument und dem gewählten Sound „Concert Grand“ einen homogenen, reichhaltigen Klang mit einer warmen, stabilen Präsenz besonders im Bereich zwischen der ein- und dreigestrichenen Oktave (c’ – c”’).
Ein bisschen weniger opulent geht es dann beim „Upright Piano“ zu, das besonders im Diskant ein bisschen diskreter, dabei aber auch präziser klingt. Unter den insgesamt sechs verschiedenen Samples sollte sich in jedem Fall eine Variation finden, die dem persönlichen Spielgefühl entspricht.
An weiteren, ergänzenden Klängen, stehen fünf Klangruppen bereit, die ein solides Spektrum von E-Pianos, Streichern, Chören, Orgeln, Bässen, Gitarren und anderen Klängen liefern. Diese Sounds möchte ich aber klanglich eher in einem qualitativen Mittelfeld einordnen: Sie erfüllen ihren Zweck, bleiben aber in Bezug auf den Klangcharakter eher unscheinbar. Das ist für den Einsatz in Schul- oder Kirchenensembles durchaus wünschenswert, in Studioproduktionen dagegen sucht man doch eher nach markanteren Klängen.

Audiobeispiele zu GEWA Digitalpiano UP 380 WK

Audio Samples
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Concert Grand Upright Piano Harsichord E.Piano 1 FM Piano Seventy Three Vibraphone Strings Church Organ Choir Bass & Cymbal

Wechselt man vom Kopfhörer-Ausgang zu den integrierten 2 x 20 Watt Lautsprechern ändert sich der Klangeindruck deutlich. Denn die integrierte Verstärkung samt Gehäuseresonanz betont Mitten und Tiefmitten stark und lässt dabei Bässe und Höhen ein kleines bisschen zurückstehen. Die Illusion, dass hier das Instrument selbst klingt, wird damit leider nicht erreicht – man bleibt also im Gefühl ein Digitalpiano zu spielen – was die Freude am Spiel nicht hindern muss.
Auch sollte man vom Versuch Abstand nehmen, den raumfüllenden Klang eines akustischen Instruments dadurch nachzubilden, dass man den Volume-Fader nach oben regelt, denn bei höheren Lautstärken werden leichte Eigenresonanzen des Gehäuses, besonders im Bereich von F3 bis H3, hörbar. Nichts zu bemängeln habe ich in Bezug auf die Pedalausstattung (Piano-, Sostenuto- und Legato-Pedal): Das „Trittgefühl“ ist genau und mit angenehmem Widerstand. Schön auch, dass das Legato-Pedal in unterschiedlichen Stufen auflöst und dadurch das Halbpedal-Spiel möglich ist.

Audiovergleich: Raumklang Gewa UP380WK / Yamaha Transacoustic im Akustik-Modus

Audio Samples
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Raumklang UP380WK Raumklang Yamaha Transacoustic
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Fazit

Das Gewa UP 380 WK ist ein hochwertig verarbeitetes, robustes Instrument mit ansprechendem Sound und vielen Funktionen zu einem nicht billigen, aber vertretbaren Preis. Manch einem dürfte auch das Prädikat „Made in Germany“ gut gefallen – einfach für das Gefühl, kein Instrument aus einer namenlosen Fertigungsstraße in Shenzhen zu haben, wo Montags noch Kühlschränke und Mittwochs Fahrräder verschraubt wurden, sondern eines von einer Traditionsfirma aus dem malerischen Vogtland. Ungeachtet dessen verdient es tatsächlich Respekt, wie Gewa hier in pragmatischer Eigenregie, ein international konkurrenzfähiges Produkt entwickelt haben. Vieles ist dabei gut gelöst:
Etwa die ausgezeichnet spielbare Tastatur, die reichhaltige Funktionsausstattung mit Midi-Player, Rekorder, Bluetooth Audio Einheit und umfangreicher Klangabstimmung und auch – und besonders – die Ausstattung mit dem Multisample eines selektierten Steinway-Flügels, die diesem Digitalpiano einen eigenständigen Charakter gibt. Luft nach oben gibt es noch in Bezug auf die Lautsprecher-Abstimmung: Hier darf die Frequenzkurve noch ein bisschen in Richtung der neuzeitlichen „Badewanne“ – mehr Bässe und Höhen, weniger Mitten – gebogen werden.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Charaktervoller Pianoklang
  • Hochwertige Tastatur
  • Sehr robuste Verarbeitung
  • Großer Funktionsumfang
Contra
  • Mittenresonanz des Gehäuses
  • Kein Abdämpfgeräusch der Saiten
  • Bauchige Tiefmitten der integrierten Lautsprecher
Artikelbild
Gewa UP 380 WK Test
Für 1.749,00€ bei

Das Digitalpiano UP 380 WK markiert derzeit die Oberklasse im Segment Digitalpianos im Hause GEWA. (Foto: Numinos)
Das Digitalpiano UP 380 WK markiert derzeit die Oberklasse im Segment Digitalpianos im Hause GEWA. (Foto: Numinos)

Weitere Informationen zu diesem Produkt gibt es auf der Webseite des Herstellers.

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Profilbild von Gerd

Gerd sagt:

#1 - 31.12.2018 um 10:14 Uhr

0

Ein Bericht ohne dabei im Detail auf die Klaviatur einzugehen finde ich irgendwie überflüssig. Das Wichtigste überhaupt!
Wie ist der Vergleich mit den führenden Anbietern Kawai und Yamaha? Druckpunktsimulation?, Einzelgewichtung der Tasten? Sind die schwarzen Tasten auch aus Holz? Sind die weißen Tasten aus Vollholz oder wie bei yamaha üblich nur seitlich mit Holz bedeckt?
Usw...

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