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Native Instruments B4 II Test

Hammond! Auch im Hightech-Zeitalter ist es nach wie vor der Wunschtraum vieler Organisten und Keyboarder, eine echte Hammond zu besitzen. Doch selbst wenn man in der glücklichen Lage ist, ein Instrument der Edelschmiede sein Eigen zu nennen, gibt es immer noch genügend feine, aber häufig auch entscheidende Unterschiede – denn Hammond klingt nun mal nicht gleich Hammond.

NI_B4II_Packshot


Und dann wäre da ja auch noch die Frage, welches Kabinett man – meist für eine bestimmte Musikstilrichtung – dazu auswählt. Genau aus diesen Gründen ist eine Hammond, neben einem echten Konzertflügel, eines der wenigen Tasteninstrumente, das den direkten Vergleich mit echten Vintage-Gitarren nicht scheuen muss.

Mit den Neuerungen des überarbeiteten Software-Instruments B4 von Native Instruments soll der Traum eines authentischen Hammond-Sounds nun – jedenfalls virtuell – für jeden in Erfüllung gehen können. Native Instrumentsgehören seit ihrer Gründung 1995 in Berlin zu den Pionieren der Software Synthesizer Entwicklung. Der „Generator“ war das erste Werk von Stephan Schmitt und seinem Team, aus dem später die Megamaschine „Reaktor“ hervorging. Bald darauf nahm er sich der Virtualisierung von Vintage-Instrumenten wie zum Beispiel Oberheim an – und eben auch der legendären Hammond. Es gehörte viel Mut und Selbstbewusstsein dazu, sich dieser heiligen Kuh zu nähern. Dem milden Lächeln vieler Puristen zum Trotze entwickelte Schmitt eine Software mit dem Namen B4. Schon die Wahl des Namens war ein cleverer Schachzug, da das Kürzel B3 sicherlich nicht frei benutzbar war –  erst recht nicht für eine Software. Dann eben B4  – und man war wenigstens numerisch der realen Tastenwelt schon mal einen Schritt voraus. Der Erfolg der Simulation ließ nicht lange auf sich warten, und schlappe 10 Jahre später ist die B4 in fast jedem ernst zu nehmenden Studio der Welt fester Bestandteil der PlugIn-Bestückung.
Dieser Test dient weniger dazu, ein weiteres Loblied anzustimmen, als vielmehr herauszufinden, ob die Produktpflege des Hauses Native Instruments das ohnehin hervorragende Software-Instrument zu einem noch ultimativeren Tool gepimpt hat.

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Schon beim ersten Aufrufen der B4 II wird deutlich, dass sich bei der optischen Gestaltung  im Vergleich zum Vorgänger nichts Grundlegendes geändert hat. Warum auch, denn authentischer und schöner konnte man eine Hammond bzw. Orgelsimulation nicht präsentieren. Alle optischen Leckerbissen einer echten Hammond, von der typischen Bedienung der Zugriegel, der Anordnung der Percussion- und Vibrato- Regler bis zum Holzfurnier, sind originalgetreu nachempfunden und lassen einmal mehr das Gefühl aufkommen, Herr über eine waschechte Hammond zu sein. Und das, bevor überhaupt der erste Ton erklungen ist. Die neuen Features sind erst einmal wenig offensichtlich. Für den Neukunden erscheint alles so, als wäre es schon immer da gewesen.
Die Neuerungen „verstecken“ sich in allerlei Fenstern und neuen Reglern: hier ein Modus mehr und da ein überarbeitetes Menü. Wie gut, dass NI auf ihrer Webseite dem User behilflich sind und  die neuen Merkmale auflisten, sonst würde ich an mancher Stelle ein wenig hilflos das alte Spiel mit den zwei vermeintlich gleichen Fotos spielen: „Finde den Unterschied…“
Im Vergleich zur Ur-B4 sind die Unterschiede schon eklatant, obgleich man auch mit diesem Instrument bis heute sehr gut musizieren kann. Der Hammond-Spezi aber kommt erst mit der neuen B4 II so richtig in Wallung, da sich nun alle erdenklichen virtuellen Parameter der Hammond verändern und in Beziehung setzen lassen – Parameter, die es in der Realität gibt und solche, die es bei einer Hammond nicht gibt oder gab. Oder hat jemand schon einmal die Anschlags-Velocity an seiner Hammond justiert? (Wenn man bei einer Hammond überhaupt von einer Velocity sprechen kann, dann ist es das sensible Ansprechverhalten, welches es erlaubt, beim langsamen Anschlag das Einsetzen der verschieden Pitches hörbar zu machen.)

Manualansicht der B4 II
Manualansicht der B4 II

Insgesamt stehen 22 verschiedene Orgeln (Tonewheels) und 13 Kabinetts zur Auswahl bereit. Kein Studio der Welt hatte oder hat ein solch üppiges Angebot zu bieten. Wohl dem, der bei derartigem Soundangebot einen kühlen Kopf behält und schnell und sicher die passenden Klänge für seinen Song findet.
Für manchen User bietet die neue B4 II schon fast wieder zu viel des Guten, aber es liegt in der Natur des Entwicklers, alles technisch Mögliche in seine Entwicklung mit einfließen zu lassen (besonders natürlich bei der Software-Entwicklung).
Manchmal leidet aber gerade die Kreativität und Individualität unter dem Überangebot an virtuellen Möglichkeiten. Wurde einst ein charakteristischer Sound einer Produktion oder Band durch die oft beschränkten Möglichkeiten der Bandmitglieder oder der Studioausstattung geprägt, besitzen heute die meisten Produzenten alle virtuellen Möglichkeiten, und man wundert sich, warum die Produktionen keinen individuellen Sound mehr besitzen. So hat folgender Satz bis heute nichts von seiner Bedeutsamkeit verloren:

Man kann mit Weniger, das man bestens beherrscht, mehr erreichen,
als mit Viel, dessen Eigenschaften man nur oberflächlich kennt.

Für die Betrachtung der Details, setze ich nun voraus, dass der Leser willens ist, sich mit den geballten Features einer B4 II auseinander zu setzen. Beginnen möchte ich mit einem kleinen Drawbar-Tutorial, um das Prinzip der Zugriegel zu verdeutlichen.

Kleine Einführung in das Drawbar Prinzip
Die Bezeichnungen der einzelnen Drawbars (oder zu Deutsch „Zugriegel“) stammen ursprünglich aus dem Instrumentenbau der Pfeifenorgel. Ein Register einer mechanischen Pfeifenorgel wird mit einem Zugriegel aktiviert, “gezogen“ und die Bezeichnungen am Registerzug, Name und Fußmaß beschreiben prinzipiell nichts anderes als die Größe der einzelnen Pfeifengruppen. Je größer die Pfeife, desto tiefer ist der erklingende Ton. Das Häkchen hinter den Bezeichnungen, z.B. 16´ ist eine Kurzform für 16 Fuß, einer alten Längeneinheit, die wir auch heute noch z.B. in der Luftfahrt finden. Die tatsächliche Länge in cm variierte im Mittelalter noch beträchtlich von Region zu Region und wurde bekanntlich erst durch die napoleonischen Kriege in Europa durch die feste Längeneinheit Meter abgelöst. Heute entspricht 1 Fuß exakt 30,48 cm. Jeder kann sich nun selbst ausrechnen, wie gewaltig eine Orgelpfeife ist, die bis zu 64´ groß sein kann (ca. 19m). Da benötigt man schon eine etwas größere „Kapelle“.
Das Drawbar-Prinzip kopiert also diese Größenverhältnisse. Somit klingt ein „C“ 8´ genau eine Oktave höher als ein „C“ 16´usw.
Die Grundregistraturen 16´, 8´, 4´, 2´,1´ fügen dem Klang dementsprechend jeweils Oktaven hinzu. Die restlichen Drawbars 5 1/3´, 2 2/3´, 1 3/5´und 1 1/3´ ergänzen den Klang um Quinten und im Fall von 1 3/5´ um eine Terz und sind als selbstständige Registraturen nur bedingt brauchbar. Sie ergänzen die Grundregistratur vielmehr um  Obertöne.

Die Oberton-Zugriegel machen als Soloregister nur selten wirklich Sinn, da es sich um einen Quint- und einen Terz-Klang handelt. Sie entfalten sich erst in der Kombination mit einem Grundton und machen den Klang obertonreicher. 

Audio Samples
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8′ Fuß + Quinte 5 1/3′ 8′ Fuß + Terz 1 3/5′ 8′ Fuß + Quinte 5 1/3′ + Terz 1 3/5′

Spiele ich eine Melodie oder Akkorde, mischt das menschliche Ohr den Dreiklang
zu einer Soundfarbe, und die einzelnen Intervalle sind nicht mehr direkt auszumachen.

Audio Samples
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8′ Fuß + Quinte 5 1/3′ + Terz 1 3/5′

Die Stärke der Drawbar-Klangreglung liegt also in ihrer Variabilität, und für einen bestimmten Sound müssen längst nicht immer alle Oktavriegel voll gezogen werden. Durch den Dreh am Zugriegelparameter wird das Level des Registers lauter bzw. leiser, und so lassen sich beinahe unendlich viele Registraturen einstellen.

Das Manual-Menü
Das Manual-Menü ist sehr überschaubar und deshalb für den Einsteiger am besten geeignet. Es wird den meisten recht familiär erscheinen, da es die Optik und die Parameter zeigt, die eine echte Hammond zu bieten hat: ein Doppelmanual mit jeweils fünf Oktaven. Die invertiert kolorierten Tasten rechts daneben sind wie beim Original für den Wechsel der Presets zuständig. Und zur Verwaltung von 120 Presets hat man der B4 II ganz rechts neben dem Obermanual noch ein Soundbank-Drehpoti spendiert.
Die zwei Schalter unten links unter dem Manual zeichnen für die Rotation slow/fast und Brake Stop/Run verantwortlich. Die Funktion „Brake“ steht für das abrupte Abbremsen der Leslierotation. Die zwei Potis für Reverb- und  Distortion-Anteil rechts unter dem unteren Manual sind ebenfalls im Corporate-Design der NI-Oberfläche dargestellt. Habe ich am Original aber so noch nie zu Gesicht bekommen.
Die Percussion- und Vibrato-Taster sind ebenfalls an den jeweiligen Originalpositionen untergebracht.

Manual-Menü
Manual-Menü

Das Organ-Menü
Hier wird es nun ein wenig spezieller, und ich persönlich hätte den Namen Cabinet/Amp-Menü fast treffender gefunden, da es sich fast nur um Parameter handelt, die auf den Amplifier- bzw. Cabinet-Sound einwirken. Alle folgenden Fenster haben eine Zweiteilung gemein. Die für die Registratur spezifischen Parameter sind in der unteren Hälfte des Fensters  untergebracht, in der oberen Hälfte parken die für das Menü spezifischen Parameter. Das macht gerade beim Editieren richtig Sinn, da man die Menüs für Veränderungen an der Registratur nicht ständig wechseln muss.
Im Vergleich zur “alten B4” kommen Organ-Menü bei der B4 II zwei für den Sound äußerst wichtige Parameter hinzu. Der Tube-Amplifier, der neben dem Distortion-Anteil nun auch noch eine Klangregelung hat, und eine Kabinett-Sektion, in deren Fensterchen man verschiedene Cabinets auswählen kann. Die jeweilige Mikrofonposition kann hier frei verändert werden. Wer einen speziellen Sound sucht, braucht hier schon etwas Fingerspitzengefühl oder Studio-Erfahrung, um mit der richtigen Positionierung den gewünschten Effekt zu erzielen.

Im Panel rechts oben sind die Regler für den Key-Click, die Velocity sowie Leakage untergebracht. Bei Letztgenanntem handelt es sich um ein elektronisches Übersprechungsproblem der Kondensatoren alter Hammond-Modelle (besonders vor 1964), welches sich durch das meist dissonante Mitklingen benachbarter Tonräder äußert.

Organ-Menü
Organ-Menü

Das Expert-Menü
Hier können die Percussion-Effekte und das Vibrato stufenlos eingestellt und variiert werden. Das kenne ich aus meiner Praxiserfahrung mit einer echten Hammond in dieser Form ebenfalls nicht. Aber die „Virtual Reality“ macht es möglich, und für manchen Song kann es durchaus sinnvoll sein, diese Einstellungen stufenlos regeln zu dürfen. Nicht mit aller Konsequenz durchdacht empfinde ich dann allerdings den Umstand, dass sich ein gewählter Parameter wie beispielsweise „Harmonic Percussion“ nicht mehr durch den „Harmonic Percussions“-Taster aufrufen lässt, wenn er den Wert der Terz über- oder den Wert der Sekunde unterschreitet. Das Original würde hier vielmehr nur zwischen Third und Second hin- und herwechseln. Damit ist ein schneller Wechsel beim Live-Spiel mit diesem Parameter-Feature passé. Dies gilt auch für die Einstellungen für „Percussion Volume“ und „Percussion Delay“. Gehalten werden die Einstellungen lediglich mit Percussion On/Off.

Reverb
In der B4 II ist das Reverb zu einem echten Effektgerät geworden. Man hat die Wahl zwischen zwei Hall-Algorithmen, Spring und Studio-Hall. Beide lassen sich in den Parametern Time, Size, Bright und Pre/Post editieren.

Rotor
Richtig klasse finde ich das neue Panel für die Rotorsteuerung. Hier können auf Wunsch zwei Rotoren, Treble und Bass, verknüpft werden. So lassen sich schöne und unkonventionelle Schwebungen einstellen. Sie machen den Sound richtig breit, und das kann gerade für Orgel-Layer ideal sein!

Orgel Typen
Im Tonewheel-Fenster kann sich der Produzent nun seine spezielle Hammond auswählen,
Alter und Grad des Verschleißes inbegriffen. Neben der Hammond stellt NI noch die Vox Continental mit einigen Variationen und eine Farfisa zur Verfügung. Selbst eine Harmonium-Emulation ist zu finden, die aber meiner Meinung nach nicht so richtig in die Riege der ansonsten auszuwählenden Orgeln passt und vielleicht ein wenig augenzwinkernd dem Spieltrieb der Entwickler Tribut zollt. Vorbei also die Zeiten, in der die Entscheidung für ein Studio nur nach dem Typus der Orgel gefällt wurde.

Expertmenü
Expertmenü

Das Preset-Menü
Die B 4 II von Native Instruments hat, neben den enormen Möglichkeiten, Soundveränderungen vorzunehmen, 120 überschreibbare Preset-Speicherplätze. Hier ist für jeden Musikgeschmack und Stil etwas zu finden, und die Namen der Presets verraten natürlich bereits, wo die Reise klanglich und stilistisch hingeht.
Macht man sich den Spaß und hört die Presets mit Hilfe der Audition-Funktion durch, stellt man fest, dass der User einen bestimmten Sound gar nicht mehr so viel editieren muss, hat er erst einmal sein Wunsch-Preset gefunden. Geordnet in Bänken, sind die Sounds in jedem Menü-Fenster über das Dropdown-Menü im Preset-Namensfensterchen auszuwählen oder zur besseren Übersicht auch in einem eigenen Menü-Fenster, dem Preset-Menü. Mit der Audition-Funktion am unteren linken Fensterrand kann der User das ausgewählte Preset mittels drei verschiedener MIDI-Files vorhören. Das hilft bekanntlich bei der Suche. Hier kann man auch seine Sounds umbenennen und abspeichern.

Preset-Menü
Preset-Menü
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Praxis

Die Soundqualität der B4 II macht dem Ruf der Firma Native Instruments alle Ehre und  bestätigt somit die Poleposition, die sie in der Liste der Orgel-Emulationen einnimmt.
Über Geschmack lässt sich ja bekanntlich trefflich streiten, aber diese Orgelsimulation hat wirklich für jeden Geschmack den passende Sound parat. Mit Hilfe der vielen Parameter kann der Ton der Sounds vom unauffälligen Layer bis hin zum „Screaming“-Solosound editiert werden – und ist zum Teil auch bereits als Preset zu finden.
Das macht echt Laune!

Audio Samples
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Wild Ham (Hammond) Voxy Lady (Vox Continental)

Die digitale Reproduktion einer elektromechanischen Orgel wie der Hammond B3 gehört wirklich zu den Königsdisziplinen. Einfacher gelingt dies natürlich bei so genannten phasenstarren Instrumenten wie einer Transistororgel. „Phasenstarr“ bedeutet, dass die Tonerzeugung im Gegensatz zur elektromechanischen Orgel immer mit einem Nulldurchgang beginnt. Deshalb klingen Farfisa und Vox Continental, zwei Orgeltypen, deren Sounds bei Songs vieler Bands der 60er Jahre (besonders signifikant bei „The Doors“) zum Einsatz kamen, wirklich absolut authentisch. Aber sie sind im Gegensatz zur Hammond auch einfacher zu emulieren.
Die fehlende typische Oberflächengestaltung dieser Orgelvertreter in der Software kann nur als kleiner Wermutstropfen bezeichnet werden und spiegelt auch ein wenig den Stellenwert dieser Sounds wider. In der B4 II geht es eben vornehmlich um Hammond-Sounds. Der Rest ist Beiwerk, das ich für die wenigen Gelegenheiten bei Studio-Produktionen aber trotzdem dankbar annehme.

Für sehr, sehr spezielle Fälle sind die verstimmten Tonewheels gedacht. Hier soll das Alter des Instruments simuliert werden. Von „fabrikneu“ bis „Jahrzehnte lang auf der Bühne eingesetzt“, heißt es auf Natives Internetseite. So variieren 10 Tonewheel-Stimmungen von 436 bis 452 Hz. Die Existenz dieser Stimmung ist zweifelsohne richtig, aber man möge mir einen wohl gesonnenen Kommentar zu diesem Testbericht schreiben, wann und wie ein Sound mit einer Stimmung von 452Hz zum Einsatz kommen soll…
Hätte an dieser Stelle nicht auch eine Möglichkeit zum Fine-Tuning gereicht, da die Stimmung in sich doch recht gleich bleibt?

Das Harmonium-Tonewheel ist meiner Meinung nach eher als Gimmick zu verstehen, da ich nicht so recht verstehe, wie dieses Instrument in dem Zusammenhang mit einer Software Einzug halten konnte, die elektronische Orgeln simuliert. Schließlich bietet die B4 II ja ohnehin die oft vernachlässigte Möglichkeit, die Software als FX-PlugIn zu nutzen. Auf diese Art ist sie als Effekt-Plug für diverse Sounds äußerst dienlich. Aber auch das indische Harmonium versprüht seinen eigenen Reiz und wird gerade in der Kombination mit anderen Parametern Einzug in die ein oder andere Produktion finden.

Audio Samples
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Bombay Nights (Harmonium)

Stück für Stück kommt man den Originalen immer einen Schritt näher.
Das lässt mich aber noch nicht so intensiv ins Schwärmen geraten, dass ich meine Hammond auf den Müll werfen würde. Aber ich muss zugeben, dass ich in mehr als 90% der Fälle im Studio das gute Stück gar nicht mehr anschmeiße, sondern für den gewissen Hammond-Sound in Produktionen gerne auf das PlugIn zurückgreife. Selbstverständlich, und das sei den Sperrmülljägern vor meiner Haustüre gesagt, bleibt das Original bei einer akustischen Produktion unerreicht und wird selbst bei leerem Kühlschrank und kränkelndem Bank-Konto noch in meinem Studio zu finden sein.

NI_B4II_Logo

Speaker Cabinets
Die Sammlung der Speaker-Cabinets ist mit 13 Variationen sehr umfangreich geworden. Man möge mir deshalb verzeihen, dass ich nicht jeden Vergleich zu den Originalen parat habe. Tatsache ist aber, dass die unterschiedlichen Modelle alle einen sehr eigenen Klang besitzen und die gewählte Registratur in Verbindung mit dem Tonewheel enorm bereichern. Hier fließen  sicherlich Native Instruments Erfahrung mit Amp/Speaker-Simulationen des Guitar Rig ein.

Die verfügbaren Cabinets der B4 II
Die verfügbaren Cabinets der B4 II

Video
Im folgenden Video möchte ich den Einfluss der verschiedenen Cabinet/Mikrofon- und Amplifier-Einstellungen verdeutlichen.

Die B4 II als Effektgerät
Wie bereits angesprochen, wird meiner Meinung nach allzu oft vergessen zu erwähnen, dass die B4 im Studioalltag sehr gut als FX-PlugIn genutzt werden kann. In Verbindung mit gänzlich anderen Sound-Genres lassen sich so sehr interessante und schöne Klänge entwickeln.
Im folgenden Beispiel wird die Effektsektion der B4 vom Rhodes angesteuert. Zunächst erklingt das E-Piano clean, dann wird im Verlauf des Beispiels der Rotation Effekt mit den Einstellungen “Slow” und “Fast” eingesetzt. Später kommt noch der Distortion-Effekt dazu. In der FX-Variante der B4 II lassen sich alle vorhandenen Cabinetts und Amps nutzen, damit ist die B4 auch ein Amp-Modeller!

Audio Samples
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B4 als FX

Tube Distortion
Die Reproduktion der analogen Röhrenverzerrung hat mich bis heute noch an keiner Stelle richtig überzeugt. So betrat schon mancher Gitarrist die Bühne, stolz ob seines neuen kleinen Backline-Bestecks, mir versichernd, dass sein Amp die Krone des Modelings darstelle und dass das Schleppen von Röhrenverstärkern nun endgültig der Vergangenheit angehöre. Und so nahm das Unglück seinen Lauf. Wenn auch die Teile bis zu einem gewissen Grad Erstaunliches leisten, nervt die fehlende Wärme, die detaillierte Obertonstruktur sowie der fehlende Druck, der im Laufe des Geschehens dann doch irgendwann durch noch mehr Lautstärke kompensiert wird.

Ampsimulation/Drive
Auch der Drive der Ampsimulationen der B4 klingt bis zu einem gewissen Grad
richtig gut, aber man testet im Studio auch immer mit einer „normalen“ Lautstärke. Wird eine Produktion dann aber mal richtig aufgerissen oder kommt es zum Showdown auf der Bühne, klingt das Drive-Modeling meist aufgesetzt. Eher wie die Hülle eines reproduzierten Verzerrergeräusches, die sich nicht richtig mit den Tönen verbinden mag. Dafür möchte ich ein kleines Beispiel beisteuern. Im Folgenden spiele ich drei Akkorde –  zuerst ohne Drive und danach mit 2/3 Drive-Anteil.

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Clean – Distortion

Die Akkorde klingen durch den Drive-Anteil plötzlich verstimmt und steril, und dabei handelt es sich ausdrücklich um einen Preset-Sound der Software. Ich finde gerade in dieser Sparte gibt es für die Entwickler noch eine Menge Herausforderungen. Wen wundert’s, dass auch Tony Monaco (der nette Mann mit dem schönen Hawaii-Hemd) im  Native Instruments Namm Show Video auf der NI-Webseite in erster Linie auf cleane Hammond-Sounds setzt.
Nun möchte ich hier die Kirche im Dorf lassen und betonen, dass besagter „Drive“ für viele Produktionen prima einsetzbar ist und man für den richtigen „Rumm´s“ auch andere Lösungen finden kann.

Die B4 in meinem Set-Up
Die  B4 II erweist sich im Studio wie auch auf der Bühne als verlässlicher Partner. Sicherlich wird das Tool im Studio-Betrieb häufiger zum Einsatz kommen, da sich die Qualität der konkurrierenden Hardware-Keyboards mit Orgel-Emulationen in den letzten Jahren stark verbessert hat.

In meinem Bühnen-Setup ist die B4 seit Anfang des neuen Jahrtausends ein fester Bestandteil – in Verbindung mit einem normalen iBook im Stand-Alone-Betrieb. Wenn der Keyboarder nicht der Hauptakteur auf der Bühne ist, ist die B4 ein zuverlässiger Lieferant, wenn es um Hammond-Sounds geht. Sei es als Backup für den fehlenden zweiten Gitarristen oder für den ein oder anderen Solo-Moment.
Bekommt das Hammond-Spiel live mehr Gewicht, sollte man in jedem Fall sein Setup so vernetzen, dass man die Sounds ohne digital modulierte Verzerrung programmiert und die Summe anschließend durch einen echten Röhrenamp jagen. Auf diese Weise lassen sich erstaunliche Ergebnisse erzielen, und man umgeht die digitalen Unzulänglichkeiten, ohne auf die Vielfalt der Soundmöglichkeiten verzichten zu müssen. Mit einem geeigneten Controller-Keyboard lassen sich alle Parameter der B4 II ansteuern. So sind zum Beispiel die Controller einer Hammond XK3 MIDI kompatibel mit der B4 II. Aber es muss bei Leibe nicht so ein wertvolles Keyboard sein, welches ohnehin bereits eine eigene Orgel-Emulation besitzt.

Set-Up Menü
Einstellungen zu Anpassungen bezüglich externer Controller sowie Transponierungen und Anordung von Drawbarsektionen nimmt man im Set-Up Menü vor. Hier lassen sich natürlich aich User-Sets abspeichern.

Set-Up Menü
Set-Up Menü
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FAZIT

Erhitzten sich die Gemüter vor wenigen Jahrzehnten noch an der Frage, ob eine CD nun schlechter klingt als die gute, alte Vinylscheibe, jubelt heute jede Radiostation wie selbstverständlich MP3s durch das Kabel, und es werden massenhaft Songs von den einschlägigen Download-Seiten herunter geladen. Und keinen wundert es. Damit meine ich, dass den meisten Lesern und Hörern der Unterschied einer geschickt eingesetzten B4 II und einer echten Hammond gar nicht mehr auffallen dürfte.
Im Gegenteil. Die B4 II hat die Phase des ewigen Vergleichs zwischen Analog und Digital hinter sich gelassen. Was als Hammond-Klon für den Computer begann, ist ein eigenständiges Instrument geworden, mit Möglichkeiten, die weit über die eines analogen Instruments hinausgehen. Für den wirklich anständigen Preis von 189 EUR erhält man eine Software, die universell für die meisten Produktionen einsetzbar ist und vor allem über viele Jahre Freude bereitet – ohne unmodern zu werden. Dabei sind die Sounds  und Effekte absolut hochwertig. In Verbindung mit einer ordentlichen Hardware ist die B4 sogar live gut einsetzbar. Wer allerdings immer noch das Hohelied der analogen Technik singen möchte, kann sich später darüber ärgern, dass sein Lied im Radio dann doch flach klingt.
www.native-instruments.com

Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • Sehr guter Klang
  • Universell einsetzbar
  • Fairer Preis
  • Guter Workflow
  • Software läuft sehr stabil
Contra
  • Gleiche Oberflächengestaltung für alle Orgeltypen
  • Drive klingt nur bis zu einem gewissen Level gut
Artikelbild
Native Instruments B4 II Test
Für 79,00€ bei
System Voraussetzungen
  • Stand-alone, Audio Units™, VST®, RTAS®, DXi™, Core Audio™, DirectSound™, ASIO®

  • Systemvoraussetzungen:
  • Mac OS X 10.4.x, G4 733 MHz or Intel® Core™ Duo 1.66 GHz, 256 MB RAM
  • Windows XP or Windows Vista, Pentium 700 MHz/ Athlon XP 1.3 GHz, 256 MB RAM
NI_B4II_01_Manual
Manualansicht der B4 II
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