Der Preis von €49 für waschechte Hammond Sounds erinnert erst einmal an die penetrierende Werbunge aus dem Hause Media Markt: „Ich bin doch nicht blöd!“ – Oder vielleicht doch! Sollte das Soundpack etwa die bessere und vor allem günstigere Wahl in Sachen Hammond Simulation sein? Native Instruments versprechen mit dem Soundpack „’57 Drawbar Organ“ Exklusivität mit komplett neu gesampelten Sounds, die im Flaggschiff B4 II nicht zu finden seien. Das klingt zunächst einmal nach harmonischer Koexistenz zweier Orgeln aus gleichem Hause.
Die Jahreszahl 1957 im Namen der Klangsammlung steht jedenfalls für den Beginn einer ruhmreichen Zeit im Rock’n’Roll. Und eine Hammond aus diesem Jahr ist natürlich mehr als nur eine schöne Antiquität! Die Produkte von Native Instruments haben allesamt einen guten Ruf zu verlieren, schließlich entwickelte NI die inzwischen unangefochtene Nr. 1 der virtuellen Hammond: die B4 II. Da darf man sich eigentlich keinen Ausrutscher erlauben. Im Folgenden möchten wir herausfinden, wie nahe das Soundpack an den großen Bruder und an die weitere Konkurrenz heran kommt, oder ob gar die Anschaffung des Soundpacks ausreicht. Zusammen mit dem kostenfreien Kore Player scheint sie ein echtes Schnäppchen zu sein!
Native Instruments Soundpack ’57 Drawbar Organ
Anzeige
Details
Das Soundpack „’57 Drawbar Organ“ wird über die universelle Software-Plattform Kore Player, erst zum echten Software PlugIn. Und hier liegt bereits ein entscheidender Unterschied zur Native Instruments B4 II. Erwartet man also eine B3 bzw. B4 ähnliche Oberfläche wird man enttäuscht. Die Oberfläche des Kore Players muss nämlich für viele unterschiedliche Gattungen von Soundpacks herhalten. Daher ist sie unauffällig, schlicht und allgemein gehalten. Je nach Soundpack ändern sich lediglich die Bezeichnungen an den acht zur Verfügung stehenden Reglern und Buttons. Ein multifunktionaler Player also, der in der Tradition der Rompler und Workstations steht. Womit sich ein weiterer Kreis in der Weiterentwicklung von Softwareinstrumenten zu schließen scheint. Möchte der Kunde die einzelnen Parameter von Hand editieren, sollte er sich entweder nach einem entsprechenden Controller-Keyboard umsehen, oder ein weiteres Mal in das NI Regal aufsuchen und sich “Kore2” ansehen. Kore2 ist die „Pro Version“ der Kore Player Software und kommt mit schickem Hardware-Controller, dessen Oberfläche optimal auf den Player abgestimmt ist. Aber bleiben wir heute bei der „Geiz ist geil“ Version und laden das „’57 Drawbar Organ“ Soundpack in den kostenfreien Kore Player.
Ein Test eines Soundpacks ist also logischerweise immer auch ein Test des Kore Players. So liegt es nahe, dass man sich von Test zu Test das ein oder andere Mal wiederholen mag. Die Oberfläche des Kore Players ist angenehm schlicht gestaltet. Sie ist übersichtlichund intuitiv und macht den Blick in ein Tutorial eigentlich überflüssig. Nach dem Herunterladen des Soundpacks wird die neue Soundbank automatisch in die Bibliothek des Kore Players importiert, und beim nächsten Programmstart sind alle neuen Klänge verfügbar. Hier findet man die Sounds unter der Kategorie Organ und dem Soundpacknamen kinderleicht wieder. So einfach kann es sein!Im rechten Browserfenster erscheinen die einzelnen Namen, die Bank, eine Farbspalte und eine Rating-Spalte, in der der User seine Lieblingssounds mit Sternchen versehen darf. Man kommt sich also vor wie bei iTunes.
Browserfenster
Ein Doppelklick auf den Soundnamen lädt den Sound – er ist spielbereit. Oberhalb des Browserfensters befindet sich die Parametereinheit. Hier sind nun die typischen und wichtigsten Parameter eines Orgelsounds auf acht Buttons und acht Regler verteilt. Aus einem Drop-Down-Menü kann der User (je nach Sound) aus bis zu drei unterschiedlichen Kategorien („Drawbar“, „Organ“ und „Expert“) wählen, sodass sich die Parameteranzahl theoretisch auf bis zu 24 erhöht. Die Bedienung ist einfach und intuitiv, da sich bei jedem Dreh oder Tastendruck sofort etwas verändert. Das macht dieses Soundpack für denjenigen interessant, der sich mit den zahlreichen Regeloptionen einer echten Hammondoberfläche à la B4 II nicht so gut auskennt. Der Spezialist, soviel sei vorweggenommen, der den Umgang mit einer Hammond und ihrer Peripherie kennt, kommt allerdings an der B4 II nicht vorbei. Benötigt ein Produzent in seinem Projekt aber nur hier und da mal ein paar gute Hammond Sounds, ist er mit dem Sound Pack bestens ausgerüstet!
Zehn feilgebotene Sounds erscheinen auf den ersten Blick erst einmal recht dürftig. Beginnt man jedoch mit den Parameter zu experimentieren, ändert sich dieser Eindruck recht schnell und die Samples entwickeln ihr Potenzial. Nach und nach kommt man mit recht einfachen Editierungen seiner Soundvorstellung immer näher. Dabei hilft zunächst auch die Namensgebung der einzelnen Grundsounds. Namen wie z.B. „Real Book“, „Seventies“ oder „Reverent“ stehen für voreingestellte und unveränderbare Registraturen, die bereits eine voreingestellte Drawbarmixtur besitzen. Neun der zehn Sounds haben diese feste Registraturen, für einen bestimmten Musikstil zugeschnitten. Bei diesen Registraturen ist die Parameteranzahl nicht so umfangreich wie beim Sound „’57 Drawbar Organ“, dem Sound für uneingeschränktes „Sound köcheln“. Tütensuppe oder selbst gekochtes Safran Risotto, hier kann der Gourmet zeigen, was er auf der Pfanne hat, da sich alle verschiedenen Zugriegel verändern lassen. Und so hat man die Möglichkeit der freien Soundgestaltung. Deshalb verteilt sich die Parameterauswahl hier auf satte drei Menüs. Leider können logischerweise nicht alle neun existierenden Zugriegel auf eine Oberfläche verteilt werden, da diese hier nur mit acht Reglern ausgestattet ist. So findet sich das 1´ Drawbar erst auf der nächsten Menueseite wieder. Das ist ein kleiner Schönheitsfehler bzw. ein Nachteil von universellen Plattformen, wie dem Kore Player, sollte aber den Kreativprozess nicht wirklich stören.
MIDI-Learn
Der Kore Player bietet die Funktion MIDI-Learn, also die einfache Zuweisung eines Hardware Controllers zu einem Software Parameter. Das ist grundsätzlich super! Gestört hat mich allerdings in diesem Fall, dass diese Verknüpfungen mit bestimmten Parametern abhängig vom jeweils geöffneten Menü-Fenster sind. Habe ich beispielsweise im ersten Menüfenster den Parameter “Rotorspeed” auf mein Mod-Wheel geroutet und wechsel danach in ein anderes Fenster, ist Rotorspeed hier nicht mehr mit dem Mod-Wheel verknüpft. Ein anderer Parameter, der sich auf dem aktuell geöffneten Menüfenster an der gleichen Stelle befindet, wird nun von meinem Controller angesteuert. Das finde ich irritierend und unpraktisch.
Kleine Einführung in das Drawbar-Prinzip
Die meisten Musiker kennen meist schon den Begriff „Drawbars“, aber den gewünschten Hammondsound mit den exakten Drawbareinstellungen, mit der richtigen Percussion und nicht zuletzt den effektiven Amp-Einstellungen zu versehen, erfordert oft jahrelange Erfahrung. So kommt die einfachere und beschränktere Parameterauswahl vielen Usern entgegen und die ist für den Normalbetrieb auch völlig ausreichend.
Die Bezeichnungen der einzelnen Drawbars oder zu Deutsch „Zugriegel“ stammt ursprünglich aus dem Instrumentenbau der Pfeifenorgel. Ein Register einer mechanischen Pfeifenorgel wird mit einem Zugriegel aktiviert, “gezogen“ und die Bezeichnungen am Registerzug, Name und Fussmass beschreibt prinzipiell nichts anderes als die Größe der einzelnen Pfeifengruppen. Je größer die Pfeife, desto tiefer ist der erklingende Ton. Das Häkchen hinter den Bezeichnungen, z.B. 16´ ist eine Kurzform für 16 Fuß, einer alten Längeneinheit, die man auch heute immer noch in der Luftfahrt wieder findet. Die tatsächliche Länge in cm variierte im Mittelalter noch beträchtlich von Region zu Region und wurde bekanntlich erst durch die napoleonischen Kriege in Europa, durch die feste Längeneinheit „Meter“ abgelöst. Heute entspricht 1 Fuss exakt 30,48 cm. Jeder kann sich nun selbst ausrechnen, wie gewaltig eine Orgelpfeife ist die bis zu 64´ groß sein kann (ca.19m). Da benötigt man schon eine etwas größere Kapelle.
Das Drawbarprinzip einer Hammond kopiert also diese Größenverhältnisse. Somit klingt ein „C“ 8´ genau eine Oktave höher als ein „C“ 16´usw. Die Grundregistraturen 16´, 8´, 4´, 2´,1´ fügen dem Klang also jeweils Oktaven hinzu. Die restlichen Drawbars 5 1/3´, 2 2/3´, 1 3/5´und 1 1/3´ fügen dem Klang Quinten und im Fall von 1 3/5´eine Terz hinzu und sind als selbstständige Registraturen nur bedingt brauchbar. Sie ergänzen die Grundregistratur vielmehr mit Obertöne.
Details
Um die Wirkungsweise der Zugriegel zu verdeutlichen, habe ich im Folgenden ein kleines Tutorial vorbereitet:
Anzeige
Die Stärke des Drawbar-Prinzips liegt in dessen Variabilität, und für einen bestimmten Sound müssen längst nicht immer alle Oktavriegel voll gezogen werden. Durch Betätigen des Zugriegelparameters wird der Level des Registers lauter bzw. leiser. Auf diese Weise lassen sich beinahe unendlich viele Registraturen einstellen.
Die Obertonzugriegel machen als Soloregister nur selten wirklich Sinn, da es sich um Quint- und einem Terz- Klang handelt. Sie entfalten sich erst in der Kombination mit einem Grundton und machen den Klang obertonreicher.
Im Audioplayer sind folgende Audiospiele zu hören:
8-Fuß mit Quinte 5 1/3´
8-Fuß mit Terz 1 3/5´
Schritt 1 und 2 zusammen: es ergibt sich ein Dreiklang.
Spielt man Melodien oder Akkorde, mischt das menschliche Ohr solche Dreiklänge jedochzu einer Klangfarbe zusammen, und die einzelnen Intervalle sind nicht mehr direkt auszumachen.
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
8-Fuß mit Quinte 5 1/3´8-Fuß mit Terz 1 3/5´8-Fuß mit Quinte und TerzMelodie/Akkorde
Das “’57 Drawbar Organ” Soundpack bewegt sich auf hohem klanglichen Niveau, und so ist es am Ende entscheidender, WIE man einen Sound einstellt, damit er innerhalb eines Arrangements den gewünschten Stellenwert bekommt. Dass die Möglichkeiten des Kore Players diesbezüglich nicht so umfangreich sind, erklärt sich angesichts des Preises fast von selbst. „’57 Drawbar Organ“ ist eine Soundsammlung für Produzenten, die hier und da mal einen authentischen Orgelsound benötigen. Dieser ist im Gegensatz zur B4 II auch schnell gefunden. Die B4 II besitzt dagegen den „Bazillus des Soundschraubers“, der in der Regel aber weiß, welcher Parameter welche Wirkung erzielt.
Hier nun ein Vergleich von „’57 Drawbar Organ“, B4 II und einer original Hammond mit identischen Registrierungen (16´+ 8´). Jeder Leser möge selbst entscheiden, welches File zu welcher Orgel gehört. Die Auflösung gibt´s dann im nächsten Heft…..
Da fällt ein „besser“ oder „schlechter“ schon schwer – nach Hammond klingen sie alle. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass sich Originalinstrumente immer besser in Arrangements durchsetzten, ohne sie lauter zu fahren oder endlos mit EQ´s versehen zu müssen. Das File der B4 II klingt obertonreicher, obwohl ich auch hier nur den 16´und 8´ registriert habe, im geschlossenen Cabinet. Allein mit dieser simplen Registrierung sind mit der B4 II so endlos viele Soundeinstellungen möglich, sodass sich die Frage nach Geschmack wirklich relativiert. Die Original Hammond, ein Monofile, liefert erheblich mehr Obertöne. Im übrigen raucht´s bei diesem Modell aus den 70´gern ein wenig mehr. Das Soundpack klingt im direkten Vergleich etwas matter, dunkler, ja vielleicht sogar etwas müder. Aber was tun wir hier? Beweise finden, dass im Porsche 911 ein bisserl mehr Musik spielt als im Käfer? Das wird dem Soundpack nicht gerecht, denn ohne den direkten Vergleich klingen die Sounds allemal super!
Hier zwei Audiobeispiele, wie sich “’57 Drawbar Organ” im Mix verhält sowie ein drittes, in dem die Orgel eine reine Layerfunktion erfüllt:
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
Phoenix RoadJazz Around The ClockLoose Temper
Anzeige
Das Soundpack „’57 Drawbar Organ“ für € 49 ist eine ausgewachsene und gut klingende B3-Simulation mit zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten. Es spricht den Kundenkreis an, dem die gewaltigen Soundvariationen eines PlugIns wie der B4 II schlichtweg zu umfangreich sind. Man kann sogar soweit gehen und sagen, dass sich das Soundpack gerade wegen seiner Limitierungen an vielen Stellen einfacher und unkomplizierter einsetzten lässt. Ein direkter Vergleich mit den „großen“ virtuellen Orgeln ist unsinnig, da diese eindeutig in einer anderen Liga spielen. Unterm Strich komplettiert das Soundpack die Soundsammlung des Kore Players sehr gut, ohne dabei eine direkte Konkurrenz zur B4 II darzustellen. Native Instruments zeigt ein weiteres Mal seinen Erfahrungsschatz in Sachen virtueller Instrumente.
Native Instruments Soundpack ’57 Drawbar Organ
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
Guter Klang
Günstiger Einstieg
Intuitive Bedienung
Automatischer Import der Samples nach Download des Soundpacks
Contra
Keine B3 typische Oberfläche
Eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeiten
Drawbar 1′ auf extra Menü-Seite
MIDI-Learn Verknüpfungen sind Menüseiten abhängig
Native Instruments ’57 Drawbar Organ Test
Systemanforderungen
PC
NI Kore Player (kostenlos)
NI Kore 2
275 MB freier Speicherplatz
Win XP / Vista (32 Bit), Pentium / Athlon 1.4 GHz, 1 GB RAM
Mac
NI Kore Player (kostenlos)
NI Kore 2
272 MB freier Speicherplatz
Mac OS X 10.4 / 10.5, G5 1.8 GHz or Intel Core Duo 1.66 GHz, 1 GB RAM
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von X. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.