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Alesis Micron Test

Leicht zu transportieren, günstig in der Anschaffung und lässig auf der Bühne – spätestens seit dem MicroKorg sind kleine, spielzeughafte Synthies absolute Verkaufsschlager. Der Micron von Alesis ist in seinem Design noch radikaler auf Kinderzimmer getrimmt als seine Konkurrenten von Korg und Novation. Im Inneren jedoch befindet sich die Soundgewalt des größeren Stablemates Ion. Analog-Liebhaber mit Rückenproblemen können sich also freuen. Soundmäßig setzt der Micron auf Retrocharme und klingt dennoch (oder gerade deshalb) ultramodern. Mit seiner achtfachen Polyphonie und vierfachen Multitimbralität wäre eine Klassifizierung als harmloses Spielzeug jedoch unangebracht… 

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ÄUSSERE DETAILS
Nicht nur die minimale Gesamtgröße, sondern vor allem auch die bunte Farbwahl und das grobe Controller-Design erinnern an glückliche Kindertage mit Knetgummi und Lakritze. Das edle silberne Metallgehäuse macht zwar einen stabilen und edlen Eindruck, an den Seiten wird es allerdings mit rotem Plastik schon wieder spielerischer. Oberhalb der 37 leicht gewichteten Tasten befindet sich links außen der Volumenpoti. Daneben liegen die überdimensionierten Realtime-Controller, als da wären: Pitch-Wheel, zwei Slider und drei Drehpotis, die mit den Buchstaben X, Y und Z versehen sind. In Normalgröße folgen die so genannten “Performance Buttons” Octave Switch, Tap Tempo, sowie vier weitere Taster für den direkten Eingriff beim Spielen. Doch dazu später mehr.

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Das Display kommt mit zwei Zeilen ebenfalls recht minimalistisch daher, passt sich somit aber optimal in die sparsame Controller-Umgebung ein. Rechts außen schließlich findet man den wichtigsten Drehpoti zur Anwahl von Klängen und Parameterwerten. Umgeben ist dieser von den fünf Tastern zur Auswahl der Betriebsmodi Program, Setup, Rhythm, Pattern und Configuration. Äußerlich also aufs absolut Notwendigste beschränkt, kaum Beschriftungen, kaum Taster. Doch der Micron wendet einen simplen Trick an, um Parameter per Direktzugriff schnell zu erreichen. Bestimmte Tastaturbereiche sind nämlich bei gleichzeitigem Drücken des jeweiligen Betriebsmodus für einen bestimmten Parameter zuständig. Dezent beschriftet erhält man so diverse Extrataster und erreicht einen schnellen Direktzugriff auf Oszillatoren- oder Filtereinstellungen.

Als Anschlüsse auf der Rückseite befinden sich MIDI In/Out/Thru, zwei Pedalanschlüsse, Kopfhörer- und Stereoausgang, sowie ein Stereo-Eingang. Letzterer kann genutzt werden, um externe Audiosignale mit den Filtern und Effekten des Micron zu verschönern.

INNERE DETAILS
Der Micron läuft in vier verschiedenen Betriebsarten: Program, Rhythm, Pattern und Setup. Der Program-Modus liefert einzelne Synthieklänge, während im Rhythm-Mode Drumsounds und Beats abgespeichert sind. Bei den Pattern findet man arpeggierte und sequenzierte Melodiephrasen und im Setup-Modus lässt sich schließlich alles miteinander verbinden. Doch beginnen wir mit den einzelnen Sounds.

Die 478 Klänge des Micron sind erfreulicherweise in zehn Kategorien eingeteilt, die mit dem Program-Taster und der entsprechend beschrifteten Keyboardtaste anzuwählen sind. Ganz klassisch sind dort Keyboards, Pads, Leadsounds, Brass, Strings etc. zu finden. Sogar eine Favoriten-Liste lässt sich erstellen. Doch wer jetzt Allroundsounds vermutet, liegt (glücklicherweise) falsch. Zwar sind die Sounds in haushaltsübliche Kategorien unterteilt, um eine naturgetreue Emulation von Instrumenten bemüht sich der Micron allerdings nicht. Wie auch, wenn doch die Klänge virtuell-analog mit subtraktiver Klangerzeugung erzeugt werden.

Und so funktioniert’s: Sämtliche Sounds werden aus drei Oszillatoren geboren, die selbstverständlich miteinander moduliert werden können. Zur weiteren Klangformung stehen zwei sehr gut klingende Filter (18 verschiedene Typen, darunter Low-, Band- und Highpass, sowie Spezialitäten wie “vocal formant”, der bestimmte Frequenzen verstärkt), drei Envelopes und zwei LFOs zur Verfügung. Außerdem sind jeweils zwei Effektmodule mit an Bord, die Chorus, diverse Flanger und Phaser, Delay und Reverb liefern. Hier hat man sich also auf die Klassiker beschränkt. Vermissen tut man jedoch nichts.

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Doch zurück zu den Presets. Diese frönen – wie erwartet – der analogen Ära und klingen sehr eigenständig. Ein Streichersound beispielsweise erinnert bewusst nur entfernt an ein solches Instrument und bekommt dadurch einen ganz eigenen Charakter.
Ansonsten wird das Beste aus den letzten 30 Jahren der Geschichte subtraktiver Klangerzeugung aufgefahren. Weiche, singende Pads, schneidende Leadsounds und blubbernde Effekte sind en masse im Angebot.

Audio Samples
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Violacoder MicronFlute Elen8R Bambam Lead Space Jalopy Planks of Regina

Auch ein paar Orgeln, E-Pianos und charmante Bläserklänge sind mit von der Partie. Die Sounds sind in ihrem Aggressionspotential allerdings mehrheitlich bei “Air” und weniger bei “Justice” zuhause, jedoch in einer Qualität, die man beim Betrachten des Synthie-Zwergs nie für möglich gehalten hätte. Für die gleiche Soundauswahl und Qualität hätte man damals noch eine LKW-Ladung an Synthies gebraucht. Es lebe die Moderne! Doch was wäre ein Sound ohne den Direktzugriff auf den Klangcharakter. Der Micron bietet hierfür zwei frei belegbare Fader und drei Drehpotis. Die Zuordnung erfolgt dabei wunderbar einfach. Nur den gewünschten Parameter im Menü anwählen und den entsprechenden Controller kurz bewegen, schon liegt der Filter-Cutoff, die LFO-Geschwindigkeit oder die Ringmodulation an der richtigen Stelle. Einzig die Werksvoreinstellungen sind etwas unglücklich gewählt. Bei fast allen Sounds lassen sich FilterPan und Noiseanteil per Drehpoti regeln, obwohl diese für meine Begriffe eher in seltenen Fällen gebraucht werden. Doch wie gesagt: Selbstbelegen ist ein Kinderspiel.

Im Rhythm-Modus lassen sich (Überraschung!) Rhythmen generieren. Doch bereits mit den 297 Presets lässt sich’s zunächst gut Leben bzw. Jammen. Soundmäßig ist das Ganze rein elektronisch. Von Oldschool-HipHop bis Two-Step, von Minimal Techno bis Großraumdisco. Alles, was in den letzten 25 Jahren auf den Tanzflächen zu hören war, ist dabei. Das Tempo lässt sich übrigens mit der Tap-Taste bestimmen. Glücklicherweise klingt dabei nichts nach Begleitautomatik, dafür sind die Beats viel zu ausgecheckt und zeitgenössisch. Vielmehr könnte man das alles so direkt auf Platte pressen. Eigene Beats lassen sich mit Hilfe des Sequenzers basteln. Das geht zwar, doch auf Grund des kleinen Displays ist das nicht wirklich ein Vergnügen.

Audio Samples
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Drums PurpleKoolAid Bloodshot Easel

Als Selbstläufer stehen einem neben den Beats 237 Phrasen im Pattern-Modus zur Verfügung, die bearbeitet und überschrieben werden können. Eine Phrase kann entweder ein Arpeggio oder eine Sequenz sein. Beides lässt sich natürlich programmieren, wobei sowohl Arpeggiator als auch Sequenzer nicht die umfangreichsten Editiermöglichkeiten bieten. Praktisch ist die Echtzeitaufnahme, die man auch vom Program-Modus aus via Phrase-Taste starten kann. Gespeichert wird diese Phrase dann im Pattern-Modus und kann dort als solche weiterverarbeitet werden. Per Latch-Taste wird die eingespielte Phrase geloopt und man hat die Hände wieder frei für andere Dinge.

Der Setup-Modus vereint schließlich die drei Welten von Program, Pattern und Rhythm. Dank der vierfachen Multitimbralität lässt sich hier das Keyboard splitten (bei drei Oktaven eine delikate Angelegenheit) und Rhythmus, Begleitpattern sowie Melodie gleichzeitig spielen. Hier liegt schließlich auch ein großer Vorteil gegenüber dem MicroKorg und dem XioSynth von Novation, die diese Splitfunktion nicht haben.

Leichte Tanzmusik ist also auch ohne Mitmusiker oder Rechner schnell zu verwirklichen. Ich warte auf den Tag, an dem endlich der erste Alleinunterhalter nur mit dem Micron unterm Arm auf einer Hochzeit auftaucht.

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FAZIT
Der Alesis Micron ist mal wieder so ein herrliches Spielzeug für Erwachsene. Alesis zeigt einmal mehr, dass man ihnen in puncto analog klingende Sounds vertrauen kann. Wenn auch das Design des Micron polarisieren mag – über die Klangqualität lässt sich kaum streiten. Im Unterschied zu seinen Kollegen von Korg und Novation sieht der Micron zwar noch kindlicher aus, innerlich aber klingt er reifer und ruhiger als diese. Auf der Haben-Seite des Kleinen stehen weiterhin die Drumpattern, sowie die Möglichkeit zum Splitten und Layern verschiedener Sounds und Pattern. Fazit: Jeder, der auf der Bühne Analogflair verbreiten will, aber nur noch das Handschuhfach im Auto frei hat, sollte sich den Micron genauer ansehen. Und wer nach dem Gig allein im Hotelzimmer sitzt, hat mit kleinen Synthie einen lustigen Spielkameraden im Gepäck.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Soundqualität
  • Anordnung der Presets
  • vierfach multitimbral
  • Größe
Contra
  • kleines Display
Artikelbild
Alesis Micron Test
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TECHNISCHE DATEN
  • 37 leicht gewichtete Tasten
  • achtfach polyphon
  • vierfach multitimbral
  • Presets: 478 Programs + 297 Drumpattern + 146 Setups
  • Effekttypen: Chorus, Flanger, Phaser, Delay, Reverb
  • jeweils 2 Effekte pro Program/Setup
  • Arpeggiator und Sequenzer für Melodiephrasen und Rhythmen
  • Anschlüsse: Phones, Stereo Out, Stereo In, MIDI In/Out/Thru, Hold- und Control-Pedal
  • 24-Bit A/D- und D/A-Wandler
  • Maße: 578 x 70 x 197 (BxHxT in mm)
  • Gewicht: 3,5 kg
  • Preis: € 499,00 EUR (UVP)
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