MXR Bass Distortion M85 Test

Für alle Bassisten jenseits des Purismus gehören Effektpedale zur natürlichen Erweiterung des persönlichen Tonarsenals. So manches Tiefton-Pedalboard vermag Gitarristen, die als wahre Spezialisten auf dem “Stressbrett”-Sektor gelten, durchaus in den Schatten zu stellen. Erstaunlich ist vor allem die verfügbare Vielzahl an unterschiedlichen Fuzz-, Overdrive- oder Distortion-Pedalen – gemeinhin einfach “Verzerrer” genannt. Auch die amerikanische Firma MXR, seit 1987 unter der Ägide von Jim Dunlop am Markt tätig, ist auf diesem Sektor keineswegs untätig und versorgt die Basswelt derzeit wieder mit einem neuen Verzerrer: dem Bass Distortion M85.

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Der neue Sprössling bekam übrigens Geburtshilfe von Außerhalb: das Pedal entstand in Kooperation mit Ryan Ratajski. Ryan hat sich mit seinem kleinen Familienunternehmen “Fuzzrocious” in New Jersey/USA auf handgearbeitete Fuzz-Pedale spezialisiert, die seine Frau Shannon zusätzlich mit handbemaltem, individuellen Artwork verziert. Die Schaltkreise des MXR Bass Distortion M85 wurden von Ryan Ratajski entworfen. Eine Besonderheit des Pedals ist, dass man zwischen zwei Dioden-Schaltungen wählen kann, die unterschiedliche Overdrive-Sounds erzeugen. Darüber hinaus kann man den Effektanteil und unbearbeiteten Bassanteil getrennt regeln, um für mächtiges Fundament zu sorgen.

Details

Das MXR Bass Distortion M85-Pedal steckt in einem federleichten rotbraunen Gehäuse mit klassischen MXR-Design und entsprechenden Abmessungen, und wird leider ohne 9V-Batterie und Netzteil ausgeliefert. Obwohl das Gehäuse faktisch nur wenige Gramm wiegt, ist es dennoch sehr stabil. Der Verpackung liegt eine englischsprachige Bedienungsanleitung bei.

Fotostrecke: 3 Bilder Das neue MXR-Pedal verfügt über ein stabiles …

Rechts am Pedal findet sich die 6,3mm Klinken-Eingangsbuchse, links die Ausgangsbuchse. Ungewöhnlich ist die Position der Anschlussbuchse für eine Stromversorgung via 9V-Netzteil (Center-Polarität Minus). Dieser Anschluss liegt nämlich auf der rechten Seite, direkt neben der Instrumenten-Eingangsbuchse. Ich persönlich favorisiere die Position der Netzbuchse an der Stirnseite – speziell dann, wenn das Pedal auf ein Pedalboard stationiert werden soll. Wenn das Pedal frei auf dem Boden liegend verwendet wird, empfinde ich die Position der Netzbuchse sogar noch ungünstiger, denn das Netzkabel liegt dann vom Fuß aus gesehen noch vor dem Instrumentenkabel. Wenn man im Eifer des Bühnenfiebers einmal versehentlich neben das Pedal tritt, kann man dabei schlimmstenfalls den Netzstecker heraustreten oder abknicken.

Fotostrecke: 4 Bilder Etwas gewöhnungsbedürftig ist die Positionierung der Buchse für den Netzstecker, …

Oberhalb des Fußschalters sitzt eine sehr hell leuchtende weiße LED-Leuchte, die anzeigt, wenn das Pedal aktiviert ist. Leuchtet die LED nicht, dann befindet sich das Pedal in True Bypass-Modus.
Vier quadratisch angeordnete Regler und ein dazwischen liegender Druckschalter mit zusätzlicher blauer LED bilden die Bedieneinheit des M85. Der Anteil des trockenen und verzerrten Bass-Signals können mittels der Potentiometer “Dry” und “Wet” getrennt geregelt werden. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die Fuzz-Sounds nie an Druck und Fundament verlieren. Im Test verhielt sich der Dry-Regler jedoch etwas merkwürdig, aber mehr dazu im Praxisteil…

Der Tone-Regler regelt das tonale Verhalten des Wet-Signals, wirkt also ausschließlich auf den verzerrten Signalanteil und nicht auf den trockenen Bassanteil auf dem Dry-Regler. Den Grad der Verzerrung selbst bestimmt man mit dem Dist-Regler. Generell sind sehr drastische Overdrive-Sounds mit dem Pedal möglich. Zur Auswahl stehen dabei zwei grundverschiedene Soundcharaktere durch die Anwahl unterschiedlicher Diodentypen. Der Silizium-Modus soll laut Spezifikation einen warmen und komprimierten Sound erzeugen, der LED-Modus dagegen soll “laut, schnoddrig und gemein” klingen. Wir werden später untersuchen, wie sich diese Attribute auf Audiosignale übertragen.

Fotostrecke: 3 Bilder Eine der Besonderheiten des Pedals ist das Vorhandensein von …

Wird der Modus LED mittels des kleinen Plastikdruckschalters angewählt, so wird dies durch eine hell leuchtende blaue LED angezeigt. Dieser Modus klingt erheblich lauter als der Silizium-Modus. Wem der Lautstärkeunterschied zwischen diesen beiden Schaltungen zu groß ist, der kann das Level des LED-Modes entsprechend nachjustieren – der Regler hierfür liegt allerdings im Inneren des Gerätes, sodass zunächst die vier Kreuzschlitzschrauben der Bodenplatte gelöst werden müssen. Ist die Bodenplatte entfernt, so fällt der Blick auf zwei übereinander sitzende rote Platinenrückseiten. Oben links ist ein Mini-Potentionmeter zu erkennen, dass sich mittels Schraubenzieher bedienen lässt. Die Standardeinstellung des Potis ist werkseitig auf Maximum (+7,5dB) justiert. Entgegen dem Uhrzeigersinn kann man das Signal stufenlos bis auf +1,5dB herunter regeln.

Die Bodenplatte muss ebenfalls entfernt werden, um eine 9V-Batterie einzusetzen. Diese sitzt dann, an einer Standard-Batterieklemme hängend, in einer passgenauen Nische am unteren Ende der Platinen, die mit etwas grauem Schaumstoff unterfüttert ist. Für Rutschfestigkeit sorgen vier kleine Gummifüße an der Bodenplatte.

Praxis

Das prinzipielle Konzept des MXR Bass Distortion M85-Pedals besteht daraus, zwei wirklich drastische und unterschiedliche Fuzzsounds zu präsentieren und diese bei Belieben mit dem trocknen, unbearbeiteten Signal zu mischen. Im Idealfall bleiben so selbst bei noch so stark verzerrten Sounds immer noch ein sattes Bassfundament und tonale Ortungsmöglichkeit erhalten. Beim Test gefielen mir die Overdrive-Sounds jedoch schon ohne Anteil des trockenen Direktsignales außerordentlich gut. Interessanterweise empfand ich sogar die Beimischung des Direktsignals als eher nachteilig. Das hat mich erstaunt, und ich frage mich, ob das wirklich dem Sinne des Erfinders entspricht oder eventuell bei dem vorliegenden Testgerät vielleicht eventuell sogar ein Defekt vorlag.

Oliver Poschmann gefiel der Effektsound ohne Beimischung des unverzerrten Originalklanges am besten.
Oliver Poschmann gefiel der Effektsound ohne Beimischung des unverzerrten Originalklanges am besten.

Doch gehen wir der Reihe nach vor: Zunächst präsentiere ich ausschließlich das Effektsignal: die Lautstärke gesteuert über den WET-Regler, der Zerrgrad über den Distortion-Regler, im Soundcharakter veränderbar über den Tone-Regler. Zwei Clipping-Dioden Typen stehen hier wie angesprochen per Druckschalter zur Auswahl: LED und Silizium.
Der Charakter der LED-Diode wirkt tonal fundierter; er mischt mehr Grundtonanteil bei und wirkt insgesamt voluminöser. Ist die Silizium-Diode angewählt, so wirkt der Sound harscher, bissiger und stärker komprimiert. Beide Sounds sind für sich gesehen bereits sehr stark variierbar, wenn man den Tone-Regler verändert. Nach links gedreht wird der Sound muffiger und höhenärmer, während er nach rechts gedreht höhenlastiger und schärfer wird.
Hier ein paar Beispiele:

Audio Samples
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Pick, True Bypass Pick, LED-Modus, Dry-Regler aus, Wet: 12 Uhr, Tone: 5 Uhr, Dist: 8 Uhr Pick, Silizium-Modus, Dry-Regler aus, Wet: 12 Uhr, Tone: 5 Uhr, Dist: 8 Uhr Pick, LED-Modus, Dry-Regler aus, Wet: 12 Uhr, Tone: 12 Uhr, Dist: 8 Uhr Pick, Silizium-Modus, Dry-Regler aus, Wet: 12 Uhr, Tone: 12 Uhr, Dist: 8 Uhr Pick, LED-Modus, Dry-Regler aus, Wet: 2 Uhr, Tone: 2 Uhr, Dist: 2 Uhr Pick, Silizium-Modus, Dry-Regler aus, Wet: 2 Uhr, Tone: 2 Uhr, Dist: 2 Uhr

Regelt man nun den Dry-Anteil hinzu, dann hat man nicht das Gefühl, dass sich die zwei Signalpfade gut mischen. Dies ist erfahrungsgemäß immer eine schwierige Angelegenheit, und je drastischer ein Fuzz-Sound wird, desto problematischer wird es auch, hier eine homogen klingende Balance zu finden. Dieses Phänomen kennt man auch von einigen anderen Fuzz-Pedalen, die ein Mischverhältnis zwischen trockenem und verzerrtem Signal gestatten. Man hört dann häufig zwei deutlich getrennte Parallelsignale, aber keinen vollständig homogenen Sound. Nach meiner Erfahrung funktioniert die Mischung weniger gut, wenn die Overdrivesounds überdimensional stark verzerren und nach Transistor klingen. Röhrenähnliche Overdrives hingegen verhalten sich gutmütiger im Mischverhältnis zum trockenen Signal. Nichtsdestotrotz klingt das Mischverhältnis, sofern der Direktsound nur minimal hinzugeregelt wird, durchaus reizvoll.

Audio Samples
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Pick, LED-Modus, Dry-Regler: 2 Uhr, Wet: 9 Uhr, Tone: 2 Uhr, Dist: 2 Uhr
Dunlop Manufacturing, besser bekannt unter dem Namen Jim Dunlop, erwarb die Firma MXR bereits im Jahre 1987.
Dunlop Manufacturing, besser bekannt unter dem Namen Jim Dunlop, erwarb die Firma MXR bereits im Jahre 1987.

Ich fand jedoch, wie eingangs erwähnt, dass der DRY-Anteil, sobald er dem Gesamtsignal stärker hinzugemischt wurde, stellenweise so klang, als würden sich Phasenprobleme ergeben, sodass sich gewisse Signalanteile auszulöschen begannen und Lautstärkeschwankungen erzeugten. Allerdings muss ich fairerweise gestehen, dass ich bei diesem Verzerrer die Möglichkeit einer Parallelpfad-Mischung gar nicht vermissen würde, wenn sie nicht vorhanden wäre, den die Fuzz-Sounds sind wirklich schon sehr fett!
Hier noch einmal zwei Varianten ohne hinzugemischtes Direktsignal:

Audio Samples
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Finger, Silizium-Modus, Dry-Regler aus, Wet: 2 Uhr, Tone: 7 Uhr, Dist: 2 Uhr Finger, Silizium-Modus, Dry-Regler aus, Wet: 2 Uhr, Tone: 1 Uhr, Dist: 2 Uhr

Hier nun zwei Beispiele mit zugemischtem Direktsignal (Dry), ca. im Verhältnis 50/50. Im Silizium-Modus hört man starke Phasenauslöschungen, im zweiten Beispiel mit LED-Modus wirken sie weniger stark, aber dennoch sind deutlich Lautstärkeschwankungen im Signal hörbar.

Audio Samples
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Finger, Silizium-Modus, Dry-Regler: 12 Uhr, Wet: 11 Uhr, Tone: 10 Uhr, Dist: 2 Uhr Finger, LED-Modus, Dry-Regler: 12 Uhr, Wet: 11 Uhr, Tone: 10 Uhr, Dist: 2 Uhr

Das Phänomen tritt umso stärker auf, wenn man den trockenen Anteil des Signals höher einstellt. Bei geringerem Anteil im Verhältnis hört man keinerlei bzw. nur wenig wahrnehmbare Artefakte.
Ungeachtet dieser sonderbaren Erscheinung jedoch unterm Strich sehr begeistert von den Fuzz-Sounds des MXR Bass Distortion M85. Sie haben Druck, besitzen Ecken und Kanten, und klingen wirklich eigenständig! Dabei habe ich keine Favoriten zwischen den beiden Clipping-Dioden Einstellungen – ich finde sie beide fantastisch:

Audio Samples
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Finger, LED-Modus, Dry-Regler aus, Wet: 9 Uhr, Tone: 10 Uhr, Dist: 2 Uhr Finger, Silizium-Modus, Dry-Regler aus, Wet: 9 Uhr, Tone: 10 Uhr, Dist: 2 Uhr Pick (aggressiv), LED-Modus, Dry-Regler aus, Wet: 9 Uhr, Tone: 5 Uhr, Dist: 9 Uhr Pick (aggressiv), Silizium-Modus, Dry-Regler aus, Wet: 9 Uhr, Tone: 10 Uhr, Dist: 2 Uhr

Fazit

Der MXR Bass Distortion M85 ist ein Bassverzerrer, vorrangig für Freunde der brachialeren Verzerrung, der streckenweise sogar synthesizerähnliche Sounds ermöglicht. Die zwei über die Anwahl der LED- oder Silizium-Diode zur Wahl stehenden Soundcharaktere unterscheiden sich grundlegend und ermöglichen im Zusammenspiel mit dem Tone-Regler eine große Vielzahl an Klangfarben, die allesamt sehr gut klingen und in ihrer Eigenständigkeit dem modernen Lager zugeschrieben werden können. Dies ist definitiv nicht ein weiterer Verzerrer für Vintage-Freunde! Ich finde den Sound des M85 sehr lebendig und erfrischend. Lediglich die Beimischung des trockenen Signals funktioniert, zumindest nach meiner Einschätzung, nicht befriedigend. Allerdings würde ich angesichts der wirklich mächtigen Fuzz-Sounds selbst das Fehlen dieser Parallelpfad-Option nicht zwangsläufig vermissen.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • gute Verarbeitung
  • drastische moderne Overdrivesounds mit viel Eigencharakter
  • zwei grundlegend verschiedene Soundcharakter zur Auswahl (LED/Silizium)
Contra
  • bei stärkerer Beimischung des trockenen Signals ergeben sich streckenweise Phasenauslöschungen
  • etwas unglückliche seitliche Position der Netzanschluss-Buchse
Artikelbild
MXR Bass Distortion M85 Test
Für 164,00€ bei
4 von 5 Punkten vergab Oliver Poschmann beim Test des MXR M85.
4 von 5 Punkten vergab Oliver Poschmann beim Test des MXR M85.
Technische Spezifikationen
  • Hersteller: MXR
  • Modell: Bass Distortion M85
  • Eingangs-Impedanz: 1 MΩ
  • Ausgangs-Impedanz: 315Ω @1kHz
  • Rauschabstand: 90dB
  • Verzerrungs-Gain: +40dBV
  • Dry Maximal-Gain: +16dBV
  • Stromverbrauch: 11 mA
  • Stromversorgung: 9V via Netzteil (Center negativ) oder Batterie
  • Preis: 188,12 Euro (UVP)
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Profilbild von Marco Minner

Marco Minner sagt:

#1 - 22.10.2015 um 17:30 Uhr

0

Der "Silikon"-Modus soll bestimmt "Silizium"-Modus heißen! (Sillcon im engl. = Silizium, Sillicone = Silikon)...

    Profilbild von Oliver (BONEDO - Red. Bass)

    Oliver (BONEDO - Red. Bass) sagt:

    #1.1 - 23.10.2015 um 14:12 Uhr

    0

    Hallo Marco,das ist absolut korrekt. Danke für den Hinweis. Das kommt davon, wenn man seinen Text durch ein Rechtschreibkorrekturprogramm laufen lässt, das heimlich alle "c" Buchstaben im Wort Silicon "fehlverdeutschend" in "k" umwandelt und ich das dann beim Gegenprüfen nicht mehr registriert habe, Sabotage. Wir ändern das redaktionell in Kürze.Der betreffende Modus heißt in der Tat "Silicon" Mode und bedeutet, wie Du richtig bemerkt hast Silizium. Die Verwendung dieses Modus hat also keine schönheitschirurgischen Auswirkungen - wenngleich das berühmte "Silicon" Valley, ob seiner Lage in Kalifornien, der Heimat vieler silikonbehandelter Hollywood Stars, ja auch durchaus "Silikon" Valley heißen könnte :-).Verzeih den Kalauer, ich konnte nicht widerstehen ....herzliche GrüßeOliver (BONEDO - Red. Bass)

    Antwort auf #1 von Marco Minner

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