Im Jahre 1999 starb Desmond Llewelyn. Im selben Jahr wurde der Waldorf Q geboren. Zufall? Wohl eher eine Wiedergeburt par excellence, denn bei dem Verstorbenen handelt es sich um den Darsteller des erfinderischen Waffennarrs „Q” aus den James Bond Filmen und Namensgeber des Waldorf Synthies. Bei Waldorf hält man seitdem mit dem „Blofeld” (und in Kürze auch mit dem Stromberg) das Erbe der Bond-Filme in Ehren. Doch der Q ist bis jetzt Waldorfs umfangreichste Emulation eines analogen Synthies und war lange Zeit der Inbegriff für virtuell-analoge Schraubarbeiten in höchster klanglicher Qualität. 2007 wurde der Nachfolger von Wave & Co noch einmal in der so genannten „Phoenix Edition“ neu aufgelegt.
DETAILS- Der Q kommt als Phoenix-Edition in einem seriösen schwarzen Outfit daher. Vorbei also die Zeit, in der der Synthie mit seinem Quitscheentchen-Gelb oder -Blau auf der Bühne mit den Scheinwerfern um die Wette leuchtete. Auf den ersten Blick fallen natürlich die vielen Drehpotis (58 an der Zahl) ins Auge, die dem Q bereits äußerlich seine analoge Aura verpassen. Klangtüftlern dürfte angesichts dieses Direktzugriffspotentials das Wasser im Munde zusammen laufen.
Die ungewichtete Tastatur umfasst fünf Oktaven, ist mit Aftertouch ausgestattet und fühlt sich sehr solide an. Links neben ihr befinden sich Modulationsrad und Pitch-Bend sowie zwei programmierbare Taster. Das Bedienpanel selbst ist in verschiedene, optisch getrennte Bereiche aufgeteilt. In etwa dem Signalfluss entsprechend, findet man hier von links nach rechts die Stationen einer subtraktiven Klangsynthese.
Neben dem Volumen-Poti und der LFO-Section liegen die Potis und Taster für die drei Oszillatoren. Rechts daneben lässt sich das Mixing derselben und das Filter-Routing erledigen. Zentral gelegen ist der so genannte Masterbereich des Synthies. Dieser besteht aus einem recht kleinen Display, einem gerasterten Wählrad, zwei Potis für die jeweils im Display angezeigten Parameter und einigen Tastern mit unterschiedlichen Funktionen (dazu später mehr). Der Verlauf der Klangsynthese wird auf der rechten Seite des Bedienpanels mit der Filter-, Amp-, und Effektsektion abgeschlossen. Unterhalb dieser befindet sich der Step-Sequenzer, der sich die Potis für die einzelnen Steps mit den vier Hüllkurvengeneratoren teilt. Zu guter Letzt liegen rechts außen noch Arpeggiator und On/Off-Schalter.
Auf der Rückseite wartet der Synthie mit recht umfangreichen Anschlussmöglichkeiten auf. Neben dem Stereo Main-Out findet man ebenfalls zwei Stereo Sub-Outs, einen Digital-Out, das MIDI-Trio sowie drei Pedal-Anschlüsse und ein Stereo-In.

Grundsätzlich ist der Waldorf Q in zwei Modi zu betreiben: Im Single- und im Multi-Modus. Ersterer liefert die Sounds, letzterer kann bis zu 16 von ihnen kombinieren. Zur Klangsynthese stehen einem drei Oszillatoren zur Verfügung, die Puls-, Sägezahn-, Dreieck- und Sinuswellen von sich geben können. Daneben verfügen zwei Oszillatoren zusätzlich über zwei Wavetables mit 128 Waves an Bord. Die Oszillatoren können via FM und Ringmodulator miteinander in Kontakt treten. Anschließend werden die drei Signale gemischt und an die beiden Filter weitergeleitet. Diese sind übrigens stufenlos seriell oder parallel einsetzbar. Die Filter selbst lassen in ihrer Einsatzvariabilität und Klangqualität keine Wünsche offen. Zu wählen ist zwischen Tief-, Band- und Hochpass sowie Notch- und Kamm-Filter, jeweils mit 12 und 24 dB Flankensteilheit. Für Feinschmecker wurde ein PPG Lowpass-Filter beigelegt, der in den PPG Wavetable-Synthesizern verbaut wurde. Hier also ein dezenter Verweis auf die Waldorf-Tradition und ihr PPG-Erbe. Im Filterbereich liegt übrigens auch der Unterschied vom Q zum Q+. Letzterer wurde mit einem echt-analogen Tiefpassfilter ausgestattet. Doch bereits die Filter im Q werden ihrem guten Ruf gerecht und klingen echt sahnemäßig.
Weiterhin hat man vier Hüllkurven für Filter, Amp und zwei frei wählbare Modulationsziele zur Verfügung. Über eine Doppelbelegung der Potis per Shift-Taste kommt man sogar in den Genuss von zwei Decay- und Sustain-Phasen pro Durchlauf, um so komplexere Verläufe zu generieren. Schließlich runden drei LFOs und eine Effektsektion den Bereich der Klanggestaltung ab. Mit jeweils zwei Effekten kann jeder Sound dekoriert werden. Neben Reverb und Chorus gibt es Flanger, Phaser, Overdrive, Five FX (einer Kombination aus Sample&Hold, Overdrive, Ring-Modulation und Delay; also was zum richtig schön kaputt machen) und ein komplexes Delay, das sogar kinomäßigen Surround-Sound liefert. Außerdem ist ein Vocoder-Effekt mit an Bord, der sowohl Externes, wie zum Beispiel Stimme, über den Audio-Eingang als auch interne Signale als Analyse-Trigger verwerten kann.

Preset-Klänge
Wer mit seiner Klangbastelei nicht bei Null anfangen möchte, sollte einen Blick auf die Preset-Sounds werfen. 300 sind es an der Zahl, und praktischerweise lassen sie sich sogar in Soundkategorien wie Pad, Keys oder Strings suchen. Eine Seltenheit bei virtuell-analogen Synthies und deshalb umso lobenswerter. Die Sounds sind in vier Bänken organisiert, wobei die letzte Bank den 20 Drummaps vorbehalten ist. Ansonsten gibt es keine User-Speicherplätze, das heißt, die eigenen Kreationen müssen immer Werksounds überschreiben, was natürlich schade ist. Abhilfe bietet da allerdings eine optionale externe Speicherkarte
Der Klang der Presets lässt einen dann in die wunderbare Welt des Analogen abtauchen. Die angebotene Vielfalt der Sounds ist heutzutage vielleicht selbstverständlich – die Qualität der Sounds ist es wohl nicht. Waldorf wird hier seinem Ruf als Spezialist auf diesem Gebiet vollkommen gerecht. Mollig warme Flächen (TANK GIRL, MATRONE), viele böse Dance-Sounds (AGGREPPO), Bässe für die Magengrube (CLEANLINE 303) und, wie schon erwähnt, auch ein paar typisch silbrige Wavetable-Klänge (SLOW WAVETRIP). Warm, kalt, scharf, stumpf, heiß, kalt – you name it. Soundmäßig spielt der Q in einer Liga mit dem Prophet 8 und dem Access Virus. Zwischen diesen Synthies einen Favoriten auszumachen, erscheint mir eine diffizile, subjektive Entscheidung. Mir erscheint der Q etwas wärmer und weniger Dance-orientiert als der Virus, allerdings ist der Prophet mit seinen echten analogen Bauteilen noch einen Mikrometer samtiger.
Weitere Features
Neben dem Single-Modus ist der Q ebenfalls im Multi-Modus zu betreiben. Hier können nun bis zu 16 Sounds neben- und übereinander gelegt werden – praktisch für den Live-Einsatz und natürlich auch für die Ansteuerung per externem Sequenzer via MIDI.Mit an Bord ist weiterhin ein guter, alter Step-Sequenzer, mit dem sich Patterns mit bis zu 32 Steps bauen lassen. Ein Step kann dabei sowohl einzelne Töne, ganze Akkorde oder auch Modulations-Werte enthalten. Die Editiermöglichkeiten sind dabei recht umfangreich. Funktionen wie Steplength und Transpose beispielsweise lassen recht komplexe Sequenzen entstehen. Werksmäßig werden einem 77 verschiedene Pattern angeboten, darüber hinaus stehen einem 23 User-Speicherplätze zur Verfügung. Und obwohl die Programmierung den Umständen entsprechend einfach und intuitiv vonstatten geht, erscheint mir ein Step-Sequenzer zwar authentisch, aber immer auch ein wenig antiquiert. Man ist doch im Zeitalter von Software anderes gewohnt. Und auch wenn die erzwungene Reduktion ihren Reiz haben kann: Die Programmierung bleibt mühsam. Aber da mag es auch andere Meinungen geben.
Ähnlich komplex zeigt sich der Arpeggiator. Dieser liefert neben den Standards beispielsweise auch eine One-Shot Funktion, mit der ein Pattern nur einmal abgespielt wird. Weiterhin bietet er recht komplexe Möglichkeiten zur Patternprogrammierung. Die bis zu 16 einzelnen Steps können etwa in ihrer Betonung und ihrer Glissando-Stärke programmiert werden. Natürlich ist aber auch ein herkömmliches „up and down“-Pattern zu bekommen.
Eine Besonderheit des Q ist die so genannte Xphorm-Funktion, die ein Überblenden von Sound zu Sound erlaubt. Dieses kann beispielsweise mit Hilfe des Mod-Wheels geschehen. Für direkte Songübergänge kann das praktisch sein. Außerdem entdeckt man einige überraschende Klänge, wenn man beim Morphen etwa auf halbem Wege stehen bleibt. Selbstverständlich erscheint die Modulationsmatrix, die bis zu 16 Zuordnungen von Quelle und Ziel pro Sound zulässt. Frei belegbare Drehpotis, wie etwa beim Virus, gibt es leider nicht, so dass nur Standards wie Mod-Wheel, Velocity oder die beiden belegbaren Taster neben der Tastatur als Modulationsquellen bleiben.
Im wirklichen Leben erweisen sich vor allem die vier Instrumenten-Taster oberhalb des Displays als recht praktisch. Hier lassen sich vier Klänge nebeneinander legen, die dann mit nur einem Tastendruck abrufbereit sind. So können etwa schnelle Soundwechsel realisiert oder Sounds einfach miteinander verglichen werden. Zu einem praktischen Live-Tool würde das allerdings erst werden, wenn man mehrere dieser Belegungen speichern könnte, was leider nicht der Fall ist.

Die größte Stärke des Q, neben der Soundqualität, ist sicherlich die Fähigkeit zur direkten und intuitiven Klangverschraubung. Dank des Direktzugriffs erreicht man klanglich ziemlich schnell das, was man will. Schwierig ist dann eher: Was will man überhaupt angesichts der Möglichkeiten? Bei der Bedienung ist ebenfalls lobenswert hervorzuheben, dass es einige praktische Doppelbelegungen der Potis gibt. So kann beispielsweise bei bestimmten Modulationszielen (etwa Pulsweitenmodulation) per Shifttaster direkt die Quelle eingestellt werden. Das schafft Übersichtlichkeit. Nachteile in Bezug auf die Übersicht bringt allerdings das kleine Display mit sich. Beim Editieren eines Multisounds etwa, wo die Menü-Punkte alle hintereinander angewählt werden müssen, wird es schon mal recht mühsam. Nicht zu verachten ist weiterhin die Möglichkeit, den Q im Multi-Modus mit externen Soundmodulen zu verbinden und ihn quasi als Masterkeyboard einzusetzen. Das macht ihn für ein Live-Setup umso interessanter – der Prophet 8 bietet das zum Beispiel nicht.
FAZIT
Klanglich erscheint der Q über jeden Zweifel erhaben. Er setzte und setzt Standards im Bereich der virtuell-analogen Synthesizer. Bemängeln ließe sich einzig das kleine Display und die geringe nutzerspezifische Organisation von Klängen. Eine Soundbank für favorisierte oder eigene Klänge beispielsweise würde die Bedienung erleichtern. Ansonsten ist die Erstellung von eigenen Sounds natürlich vorbildlich und mittels Direktzugriff ein El Dorado für Klangtüftler. Weiterhin sind der 16-fache Multi-Mode und die Qualitäten des Q als Masterkeyboard positiv anzumerken. Völlig zu Recht gehört der Q seit fast 10 Jahren zum Besten und Erfolgreichsten, was es an virtuell-analogen Geräten auf dem Markt gibt. Fairerweise muss man sagen, dass der günstige Blofeld innerlich in etwa die gleichen Qualitäten vorweist. Verzichten muss man bei diesem allerdings auf die rückseitigen Anschlussmöglichkeiten und 54 Drehpotis (will sagen: Direktzugriff). Deshalb bleibt der Q mit seinem enorm authentischen Sound und seiner intuitiven Bedienung wohl eines der Lieblingsspielzeuge all derer, die es mit Klang ernst nehmen.
- sehr gute Sound- und Filterqualität
- hervorragender Direktzugriff
- Multimode
- kleines Display
- Userspeicherplätze nur über externe Speicherkarte

- 61 ungewichtete Tasten mit Aftertouch
- 58 Endlos-Drehregler
- 32-fach polyphon
- 16-facher Multimode
- Presets: 300 Singlesounds; 30 Multisounds; 20 Drummaps
- Arpeggiator
- Step-Sequenzer mit bis zu 32 Steps und 100 Presetpatterns
- Anschlüsse: Stereo-Out, 2x Sub-Out, Digital-Out, MIDI In/Out/Thru, Sustain- und 2x Control Pedal, Stereo-In
- Maße: 987 x 350 x120 (B x T x H in mm)
- Gewicht: 8,5 kg
- Preis: € 2079,00
Kevin Fremgen sagt:
#1 - 08.06.2013 um 17:01 Uhr
Der Bericht ist sehr zutreffend. Ich besitze den Q+ seid 2009 und bin begeistert. Er ersetzte meinen in die Jahre gekommenen Prophet 5 zufriedenstellend , und ist voll verlässlich dabei.