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Uploadfilter und EU Urheberrechtsreform – was hat es mit Artikel 13/17 auf sich?

Als ich gefragt wurde, ob ich für bonedo etwas zum Artikel 13 schreiben kann, habe ich relativ leichtfertig “Ja, klar” gesagt. Warum denn auch nicht – ich setze mich seit einigen Jahren aktiv für den Schutz von musikalischen Urhebern bei Vereinen wie DOMUS (Dachorganisation der Musikschaffenden) oder Rockcity e.V. ein und fühlte (Präteritum!) mich recht gut informiert, was das Urheberrecht angeht.

(Bild: © Shutterstock, Foto von Talaj)
(Bild: © Shutterstock, Foto von Talaj)
Inhalte
  1. Die Situation des Urheberrechts aus Musikersicht
  2. Die Urheberrechtsreform – gut gemeint
  3. Die Angst vor den Uploadfiltern
  4. Das Problem ist nicht unbedingt die Musik
  5. Das eigentliche Problem: Die Diskussion selbst
  6. Mein Fazit


Je mehr ich mich nun mit dem Vorschlag zur Urheberrechtsreform auf EU-Ebene – oder in der Debatte kurz “Artikel 13” (und seit neuestem umbenannt: Artikel 17) genannt – beschäftige, desto unwohler fühle ich mich, mich auch nur irgendwie dazu zu äußern. Hitzige Debatten, Kampfstimmung, Untergangsszenarien des Internets wie wir es kennen, größtes Shitstorm-Potenzial, unterschiedliche Interessenlagen – wer sich qualifiziert zur Urheberrechtsreform äußern möchte, kann und müsste tagelang in unterschiedlichen Quellen versinken, um die Auswirkungen und Inhalte der Reform in Zusammenhang setzen zu können. Daher ist dieser Artikel meinerseits nur ein Versuch, die komplexe Debatte für euch darzustellen und das Problem oberflächlich zu erörtern. Dabei beziehe ich immer auf unsere Sicht als Musikerinnen und Musiker.

Die Situation des Urheberrechts aus Musikersicht

Wenn du ein Lied geschrieben hast und dies genutzt wird (öffentlich gespielt, ausgestrahlt, unter ein Video gelegt etc.), hast du laut deutschem und europäischen Urhebergesetz einen Anspruch auf eine “angemessene Vergütung”. “Angemessen” heißt in der Regel, dass die von den Verwertungsgesellschaften aufgestellten Tarife für die jeweilige Nutzung zu zahlen wären. Vor 20 Jahren war dies auf einige wenige Bereiche zu beschränken: Live-Aufführung, Radio, TV, Film/Kino und vielleicht auch mal eine Warteschleifenmusik oder so. Alles in allem waren die Nutzungsmöglichkeiten verhältnismäßig überschaubar und relativ gut kontrollierbar.
Mit dem Internet hat sich um die Jahrtausendwende unser Medienkonsum, also auch der Musikkonsum, radikal verändert. Auf welchem Weg die eigene Musik irgendwo hingelangt, ist für die Urheber/innen nicht wirklich nachprüfbar, Verwertungsgesellschaften wie die Gema konnten mit dem Tempo der Silicon-Valley-Konzerne nicht mithalten, die Musikindustrie hat lange Zeit die Augen geschlossen, als es um illegale Downloads ging, und verpennt, attraktive Erlösmodelle zu entwickeln, die für Künstler/innen, Konsumentinnen und Konsumenten gleichermaßen funktionieren. Und ja, auch wir Musiker/innen haben nicht laut genug für unsere Rechte gekämpft, finde ich. Einige Jahre später und wir stehen vor der aktuellen Situation, die die musikalischen Urheber/innen monieren:
CD- und Download-Verkäufe sowie der klassische Radiokonsum sinken spürbar, da sich die Nutzung auf das Internet verlagert. Dadurch brechen alte, wichtige Erlösquellen weg und die neuen im Internet können die entstandene Lücke nicht schließen.
YouTube macht milliardenschwere Gewinne, indem es Werbung vor urheberrechtlich geschützten Content schaltet und für den Inhalt eigentlich ungerne überhaupt etwas zahlen möchte. Spotify, Apple, Amazon und Co. sind als Abodienste für den Konsumenten zwar ein Superdeal, für die Urheber/innen aus finanzieller Sicht desaströs.
Sehr große Konzerne wie Google, YouTube, Facebook, Apple und Spotify verdienen Milliarden mit dem Content anderer Leute, geben aber mit ihrer Monopolstellung die Marktregeln vor. Dagegen laufen die Urheber/innen und Verwertungsgesellschaften wie die Gema seit Jahren Sturm.

Die Urheberrechtsreform – gut gemeint

Gerade YouTube und Facebook argumentieren immer wieder, dass sie lediglich als Provider fungieren und für den Inhalt des hochgeladenen Inhalts nicht verantwortlich zu machen seien und somit auch nicht dafür bezahlen bzw. haften müssen. Die EU hat sich nach vielen Jahren daran gemacht, eine Richtlinie zur Urheberrechtsreform zu entwickeln und Spielregeln für mögliche Vergütungen von urheberrechtlich geschütztem Material im Internet aufzustellen. Diese Richtlinie soll Internetkonzerne außerdem viel stärker in die Pflicht nehmen und haftbar machen, wenn urheberrechtlich geschütztes Material online gestellt wird, sodass mit den Urhebern Lizenzen abgeschlossen werden und sie vergütet werden können. Und das unabhängig davon, WER das Material online gestellt hat. Das klingt ja eigentlich erstmal gut. Warum ist die Diskussion um die Reform aber so aufgeladen?

Die Angst vor den Uploadfiltern

Viele der tausenden Menschen, die am 23. März in deutschen Großstädten auf die Straße gingen, positionieren sich gegen Uploadfilter und taten ihre Angst vor Zensur kund. Der Begriff “Uploadfilter” findet in dem betreffenden Artikel selbst aber überhaupt keine Erwähnung – woher also dieses Reizwort?
Im Artikel 13/17 wird festgelegt, dass Onlineplattformen

  • Lizenzen mit Urhebern abschließen (das wird für Komponisten/Textdichter stellvertretend die Gema machen) und urheberrechtlich geschütztes Material vergüten müssen
  • Material löschen, sofern von den Urheber/innen keine Lizenz dafür vorliegt und dies von den Urheber/innen gemeldet wurde.

Kritiker sagen, dass dieses Vorgehen ohne das Einrichten von Uploadfiltern technisch gar nicht möglich sei und dass die Uploadfilter vielleicht nicht so gut funktionieren wie gewünscht. Die Folge: Eine vorschnelle Zensur von allem Möglichen, was hochgeladen wird. Ein Eingriff in die Meinungsfreiheit.
Andere argumentieren, dass es die Uploadfilter ja bereits gibt, wodurch schon verhindert werde, dass gewaltverherrlichendes oder pornografisches Material auf den Plattformen landet. Außerdem wird der Begriff der “Verhältnismäßigkeit” im Artikel angemerkt, wodurch kein kleines Unternehmen gezwungen wäre, mit Uploadfiltern zu arbeiten, sondern nur darlegen müsse, dass es alles seiner Macht Mögliche getan hätte, um Artikel 13 gerecht zu werden.
Wiederum merken einige an, dass Uploadfilter doch nur in die Karten der großen Konzerne spielen würden, damit sie ihre Technologie teuer an kleine Unternehmen verkaufen und sich damit einen erheblichen Wettbewerbsvorteil verschaffen könnten.
Auf der Habenseite steht allerdings, dass grundsätzlich Befürworter und Gegner des Artikels für eine faire Vergütung von Urheberinnen und Urheber (bis auf die Mega-Konzerne vielleicht selbst) sind, was zunächst einmal erfreulich ist.

Das Problem ist nicht unbedingt die Musik

Vermutlich wird sich für den Bereich der Musiker/innen nicht viel ändern – YouTube hat nach lang andauerndem Rechtsstreit bereits Lizenzverträge mit der Gema abgeschlossen. Allerdings verbessert sich durch eine Urheberrechtsreform die Verhandlungsposition für die Gema, die die Urheber vertritt, erheblich, sodass bessere Vergütungen erzielt werden könnten.
Viel haariger wird es bei den Themen Satire, Kommentieren und dem Diskurs unter YouTubern (bspw. Nutzen von bereits existentem Bildmaterial, das in das Video geschnitten wird). Hier wäre das Vorgehen so neu, dass eben befürchtet wird, dass Uploadfilter den Unterschied zwischen Kommentar, Satire und Urheberrechtsverletzung nicht erkennen können. Blogs, Foren und Memes sind eigentlich von der Reform ausgenommen, aber erkennt Facebook, ob ein bearbeitetes Meme hochgeladen wird oder sperrt es erstmal pauschal diese Nutzer/innen? Hm, man weiß es nicht.
Was in der Debatte oft nicht erwähnt wird, ist, dass in der Richtlinie bestimmte Ausnahmen genannt sind, die kleine Unternehmen, Privatpersonen, Bildungsseiten, Foren und Co. von all diesen Regelungen betreffen.

Das eigentliche Problem: Die Diskussion selbst

Ich persönlich finde, dass sich der Streit um Artikel 13/17 leider bestens in den aktuellen Zeitgeist zwischen Brexit, Fake News und Co. einordnen lässt und finde es besorgniserregend, wie aggressiv die Diskussion geworden ist und man sich auf wenige Schlagworte beruft – die man im Zweifel nur vom Hörensagen kennt.
Befürworter/innen und Gegner/innen des Artikels werfen sich gegenseitig vor, falsche oder schlecht recherchierte Fakten zu präsentieren. Beide Seiten argumentieren damit, dass sich die jeweils andere Position vor den Karren einflussreicher Lobbyisten spannen lässt und Quellen fragwürdig seien. Surft man durch YouTube zu dem Thema, stößt man auf Medienanwältinnen und -anwälte, die mit Brisanz Horrorszenarien und Auswirkungen der Urheberrechtsreform skizzieren, wiederum andere sagen, dass sich für die Nutzer eigentlich nichts ändern werde. Es äußern sich Songwriter/innen und Produzentinnen und Produzenten zur Debatte, und im Nachhinein wird in YouTube-Videos angemerkt, dass nicht explizit erwähnt wurde, dass diese Songwriter/innen ja “von der Gema” seien. In der Regel ist eigentlich jede/r professionelle Berufssongwriter/in Gema-Mitglied – durch diesen vermeintlichen Verschleierungsvorwurf wird von einer sachlichen Diskussion abgelenkt. Und die bräuchte man doch, um sich ein Urteil bilden zu können.

Mein Fazit

Ob ich für oder gegen die Urheberrechtsrichtlinie im Ganzen bin, kann ich ohne juristische Prüfung des gesamten Textes so gar nicht sagen. Ich als Urheberin bin immer erstmal für eine faire Vergütung von Kunst und Kultur, und natürlich ist es aus Sicht der Songwriter/innen ein Fortschritt, dass die großen Konzerne, für die diese Richtlinie ja überhaupt spannend wird, stärker verantwortlich gemacht werden sollen und die Gema und Co. stellvertretend für die Urheber/innen eine gesetzliche Grundlage hat, sich um fairere und transparentere Vergütungsmodelle zu kümmern. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass wir uns darauf einigen können, dass es doch erstmal gut ist, dass milliardenschwere Medienkonzerne, deren Businessmodell hauptsächlich auf der Monetarisierung von urheberrechtlich geschütztem Material basiert, für die Nutzung des Contents auch etwas bezahlen müssen und sich nicht mehr aus der Verantwortung ziehen können.
Natürlich muss so ein Gesetz aber auch so durchdacht sein, dass es unser digitales Leben nicht schlechter macht, dabei umsetzbar bleibt und kleinen Unternehmen nicht zum Nachteil wird. Was man aus der Debatte mitnehmen kann: Informiert euch! Lest euch unterschiedliche Quellen durch, bevor ihr euch zu einer Meinung hinreißen lasst und macht euch selbst ein Bild. Einige Videos und Artikel habe ich euch verlinkt.
Ich freue mich auch auf weitere Lesetipps von euch!

Nachfolgend findet ihr eine Reihe lesens- und sehenswerter Quellen zu dem Thema:

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von nina.graf

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Frank Flamenco sagt:

#1 - 03.04.2019 um 11:00 Uhr

0

Es geht bei der Debatte immer um große Konzerne und um.B. die GEMA Mitglieder, wie sieht es denn mit den vielen echten Kleinkünstlern aus, die, wie ich, aus gutem Grund nicht in der GEMA sind? Werden dann unsere eigenen Uploads gesperrt.... Grüße aus der Flamenco Welt

    Profilbild von Henry

    Henry sagt:

    #1.1 - 08.04.2019 um 09:00 Uhr

    0

    Die Gema und andere Rechteverwertungsgesellschaften übernehmen nur die Arbeit für die Künstler, die bei ihnen Mitglied sind. Wie die Praxis bei Google & Co. letztlich aussehen wird, ist natürlich noch völlig unklar (darum ja auch die vielen Diskussionen darum), aber auch klar ist: Das Urheberrecht ist grundsätzlich vollkommen unabhängig von Verwertungsrechten. Ergo werden die Diensteanbieter (Google etc.) natürlich entsprechend agieren müssen. Sprich: Nein, du als Künstler, der nicht in der Gema organisiert ist, solltest keinen Nachteil daraus haben. Aber wie gesagt: Man muss sehen, wie das alles in der Praxis aussehen wird.

    Antwort auf #1 von Frank Flamenco

    Antworten Melden Empfehlen
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Henry sagt:

#2 - 08.04.2019 um 09:02 Uhr

0

Danke, Nina, für eine sehr gute, sachliche und strukturierte Einführung in das Thema! Ich hätte mich etwas mehr detaillierte Diskussion in deinem Artikel gewünscht, aber das hier ist auf jeden Fall eine gute, verständlich geschriebene Grundlage.

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