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Co-Writing – Songs schreiben im Team

Warum hat der Begriff “Co-Writing”, also einen Song mit anderen Menschen zu schreiben, nur so einen faden Beigeschmack? Ich finde, dass der Ruf eines gemeinsam geschriebenen Liedes etwas gelitten hat. In diesem Artikel schreibt der Journalist Jakob Buhre nach einem zurückgezogenen Interview mit Mark Forster seine Fragen und seine Recherchen zum Thema Co-Writings nieder. Hier beleuchtet er auch, dass einem immer die gleichen Urhebernamen begegnen und findet, die erfolgreichste Musik in den Charts sei zu harmlos und gar haltungslos. Und auch Max Giesinger hat von Jan Böhmermann sein Fett weg bekommen. Autsch.

(Bild: © Shutterstock, Foto von Rawpixel.com)
(Bild: © Shutterstock, Foto von Rawpixel.com)


Ich persönlich finde: Es ist eine Sache, die Musik von Mark Forster & Co. langweilig oder nichtssagend zu finden. Und natürlich ist das Schreiben nach Briefingvorgaben etwas Unpersönliches und eine große Plattenfirma mit zu großem Einfluss oft nicht sonderlich förderlich für ein Kunstprodukt. Die andere Sache ist: Mit mehreren Songwritern zu arbeiten, kann ein Lied auch einfach besser machen.
Darüber hinaus haben auch Songs mehrere Urheber, von denen man es vielleicht nicht erwarten würde. Adele hat ihre größten Hits mit Paul Epworth geschrieben. Michael Jackson’s Billie Jean zählt vier Urheber. Bruno Mars’ Uptown Funk listet gar 11 Komponisten in der Gema-Recherche!

Co-Writes hat es schon immer gegeben

Vereinfacht gesagt sind Co-Writes etwas ziemlich Natürliches, das es schon immer gegeben hat. Wenn du mit jemandem aus deiner Band ein Lied schreibst, handelt es sich schon um ein Co-Write, weil ihr gemeinsam etwas erschaffen habt – Paul McCartney und John Lennon sind wohl das bekannteste Songwriting-Paar dieser Art. Carole King erzählt in diesem sehenswerten Interview wie sie mit ihrem ersten Ehemann am laufenden Band Songs geschrieben hat, darunter “Natural Woman”, den die beiden für Aretha Franklin eingereicht haben und der mit Arethas Stimme weltberühmt wurde. Carole King hat also bereits in den 60ern als erfolgreiche Songwriterin für andere Künstler gearbeitet. Es lassen sich zahlreiche weitere Beispiele finden.

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Eine Lanze fürs Co-Writing

Natürlich gibt es sie: Die Songwriter, die wunderschöne Lieder easy für sich allein schreiben. Und die, die vielleicht gar nicht mit anderen schreiben wollen. Allen anderen (und zwar vermutlich 95 %) sei gesagt: Du bist nicht alleine, wenn du beim Schreiben struggelst. Songwriting ist ein Handwerk und man wird vermutlich nie auslernen. Wie oft sitzt man an einem Lied und kommt vielleicht nicht weiter, es fehlt eine Zeile oder der passende Akkord. Du schreibst ein Lied fertig, aber dein Publikum versteht die Hook nicht; dir liegt ein Thema auf der Seele, aber du findest nicht den Anfang und die passenden Worte. Wer gemeinsam schreibt, kommt oft schneller zum Ziel.
Beim Co-Writing kommen mehrere Aspekte ins Spiel, die ich sehr gut finde:

  • Wenn man gemeinsam überlegt, kommt man nicht ins Stocken oder findet schneller wieder heraus.
  • Man hat immer eine zweite Meinung.
  • Durch das gemeinsame Schreiben und die gegenseitige Überprüfen wird es unwahrscheinlicher, ein (unabsichtliches) Plagiat zu erschaffen.
  • Bist du bspw. Sänger*in und dein Gegenüber Gitarrist*in, habt ihr vermutlich unterschiedliche Ansätze beim Songwriting und könnt voneinander lernen.

Gerade letzteren Aspekt finde ich klasse, denn so löst man sich von seinen eigenen Mustern und erweitert sein musikalisches Vokabular.

Wie finde ich Co-Writer?

Sieh dich in deinem direkten Musikerumfeld um, sie könnten genau vor deiner Nase sein! Wenn du nicht schon mit deiner Band schreibst, frage doch vielleicht deine Instrumentalisten, ob sie mit dir schreiben möchten. Darüber hinaus kannst du überlegen, welche Künstler in der Szene deiner Meinung nach tolle Songs haben und sie fragen, ob sie mit dir schreiben möchten. Ab einem gewissen Standing ist es auch möglich, sich “nach oben” zu orientieren und gezielt Songwriter anzusprechen, die schon etwas etablierter in der Szene sind oder für einen Stil stehen, den du toll findest.
Letzteres ist in der Regel aber nur realistisch, wenn mit den Songs auch etwas Gema-relevantes passiert – und damit kommen wir zum Thema Kohle.

Wie wird Co-Writing bezahlt?

Das deutsche Urheberrecht ist sehr streng: Wer etwas geschaffen hat, kann dies nicht veräußern, sondern ist immer Mit-Urheber und hat ein Recht auf eine “angemessene Vergütung” gemäß der Gema-Richtlinien. Ist ein Song fertiggeschrieben, wird er bei der Gema mit einer Verteilung angemeldet. Eine Faustregel bei Co-Writes ist der Fair Share, bei dem durch die Anzahl der beteiligten Personen geteilt wird. Das macht allerdings nur dann Sinn, wenn auch alle irgendwie mitarbeiten. Trifft man sich zu zweit oder dritt und arbeitet konstruktiv an einem Song, ist der Fair Share ein gutes Modell. In einer Band pauschal durch x zu teilen, während einige Bandmitglieder vielleicht nicht aktiv mitschreiben, sondern “nur” spielen, was man ihnen zuruft, kann zu Ungerechtigkeitsempfinden und Streit in schlechten Zeiten führen – wäge also eine passende Variante für dich ab.
Wichtig auch: Ein Urheber verdient nur Geld durch die Gema, wenn ein Stück (live oder im TV/Radio) gespielt wird! Mehr zur Gema findest du hier:

Wie sieht eine Co-Writing Session aus?

Tracker, Topliner, Texter oder einfach zu zweit schreiben
In welcher Form man zusammenschreibt, kann ganz unterschiedlich sein. Einige Modelle gelten jedoch als üblich. Beim Profi-Songschreiben (wie beispielsweise für Mark Forster & Co.) arbeitet man gern in Dreierteams:

  • Der Tracker ist fit in Logic/Cubase und baut im laufenden Songwriting ein Demo.
  • Der Topliner schreibt die Melodie/Hook.
  • Texter

Dieses Modell ist vor allem deswegen so angesagt, da man sehr effektiv und schnell arbeiten kann. Oft sind Songwriting-Sessions sind nämlich nur für einen Tag angesetzt. Die oben genannten Aufgabenbereiche sind nicht zwingend strikt getrennt, sondern können sich auch überschneiden. Ich habe bereits in Dreierteams gearbeitet, in denen die Aufgabenverteilung nicht strikt getrennt war und empfand es als sehr angenehm. Es ist von Vorteil, jemanden an Bord zu haben, der schnell ein gutes Demo bauen kann – so gehen am Ende des Tages alle mit etwas in den Händen nach Hause. Gut für unser Belohnungssystem!
Natürlich kann man Songs auch zu zweit schreiben. Wichtig ist bei der Wahl der Konstellation, dass mindestens eine Person ein Harmonieinstrument wie Klavier oder Gitarre spielen kann (ohne Harmonien wird es sonst schwierig) und mindestens einer auch gerne textet. Meine Traumkonstellationen hatte ich mit Leuten, die sich gern auf beides einstellten, sonst ist man mit einer Aufgabe (Komposition oder Text) auch wieder etwas allein gelassen.
Wie die Session strukturiert ist, ist ganz unterschiedlich. Direkt vom weißen Blatt Papier anzufangen ist zwar möglich, es ist aber besser, wenn alle Beteiligten ein wenig darauf vorbereitet sind, dass einem vielleicht nicht spontan der Hit einfällt. Sinnvoll ist dann, wenn man vielleicht ein paar Zeilen Text, eine Groove-Idee, Assoziationen (“Ein Song wie…”), eine kleine Akkordfolge oder gar einen 2-4-taktigen Loop hat, von dem man starten kann. Weiß man, woran man arbeiten möchte, geht das “Gedanken-Ping-Pong” los!
Brainstormt gemeinsam Ideen und Wörter für den Text, tauscht euch darüber aus, was in euch vorgeht, lasst die anderen daran teilhaben, wenn euch eine Idee zu etwas kommt. Selbst wenn es nicht der große Wurf ist – darauf aufbauend schreibt ihr vielleicht die beste Hook, oder eine kleine Akkordfolge von dir inspiriert die anderen weiter. Du wirst sehen, dass ihr schnell etwas zustande bringt.

Was tut man für eine gute Chemie?

Musik zu schreiben ist immer etwas Persönliches. Gemeinsames Songwriting hat auch viele Tücken: Entweder sind es persönliche Themen, die man mit sich herumträgt oder man hat vielleicht Angst, dass die eigenen Ideen nicht gut ankommen. Man kennt sein Gegenüber vielleicht noch nicht so gut oder hat einfach einen schlechten Tag und ist überhaupt nicht in Kreativlaune. Es gibt ein paar Strategien, an die man sich halten kann, um sich wohler zu fühlen.

Zeit nehmen für Kaffee trinken

In Ruhe anzukommen und erst einmal zu frühstücken und zu schnattern ist fast das Patentrezept jeder guten Songwriting-Session. Da wir uns beim gemeinsamen Schreiben füreinander öffnen müssen, ist es wichtig, eine persönliche Ebene zu haben – gerade, wenn ihr euch noch nicht gut kennt. Schafft euch eine wohlige Atmosphäre (wie die aussieht, ist Typsache), bevor ihr loslegt.

Songwriting ist kein Wettkampf

Macht euch klar: Es geht nicht darum, wer der bessere Songwriter ist. Beim gemeinsamen Schreiben wollt ihr das Bestmögliche für das Lied dazugeben. Jede Idee zählt und sei sie noch so klein. Also mach dich frei von den Gedanken, besser sein und/oder nicht versagen zu wollen. Beide sind für eine Session und deine Performance nicht förderlich.

Es muss nicht immer klappen

Ein Learning für mich war: Es gibt Leute, mit denen kann man super schreiben. Und es gibt Menschen, mit denen funkt es nicht so richtig, obwohl beide für sich genommen gute Schreiber sind. Das ist kein Beinbruch! Wir ticken alle unterschiedlich und manchmal hat man keinen guten gemeinsamen Workflow oder will musikalisch in unterschiedliche Richtungen. Es kann auch sein, dass man einen schlechten Tag hat und einem nichts Gescheites einfällt. Das passiert! Und das ist ok. Trotzdem wirst du am Ende einer solchen Session sicher etwas gelernt haben und in die nächste Session mitnehmen können.

Bring es zu Ende

Ich bin selbst leider oft so beschäftigt, dass ich mir in den Hintern treten muss, angefangene Dinge fertig zu stellen. Nichts ist undankbarer, als einen Song anzufangen und nicht zu vollenden – für denjenigen, der nicht zu Potte kommt und alle anderen Beteiligten (an dieser Stelle sorry für alle Songs, die ich noch fertigschreiben muss). Wenn es irgendwie möglich geht, versuche deinen entfachten Funken solange glühen zu lassen, bis das Baby fertig ist. Ihr musstet eine Session beenden? Arbeite doch schon mal allein am Song weiter. Dir schickt ein Co-Writer ein Demo rüber? Super, nimm die Vocals auf!
Und? Hast du jetzt Lust, dich ins Songwriting zu stürzen? Ich bin gerade dabei, für mein neues Album zu schreiben und freue mich schon auf die nächsten Schreibsessions.
Eure Nina

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(Bild: © Shutterstock, Foto von Rawpixel.com)

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von nina.graf

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Profilbild von Chris

Chris sagt:

#1 - 22.02.2019 um 11:27 Uhr

0

Hallo Nina
hätte da mal ne frage wie man den "Tracker" offiziell bei der gema meldet.
Danke für die Rückmeldung

    Profilbild von Nina

    Nina sagt:

    #1.1 - 24.02.2019 um 17:20 Uhr

    0

    Hallo Chris,vielen Dank für dein Interesse und deine Frage!Ganz so pauschal ist das nicht zu beantworten: Eine simple Harmoniefolge ist i.d.R. nicht schützbar. Juristisch hat der Begriff "Schöpfungshöhe" eine große Bedeutung. Also: Wie charakteristisch/einzigartig ist die Komposition, wie wichtig ist ein Element, um den Song zu erkennen. Als Paradebeispiele werden dafür nicht nur Gesangsmelodien, sondern auch Riffs wie von "Smoking on the water" genannt, die klar Schöpfungshöhe haben.An solchen Elementen arbeitet der Tracker ja i.d.R. ja aber intensiv mit, also Melodien, Motive, Abläufe, charakteristische Merkmale, die einen Song unverwechselbar machen und quasi "ohne" nicht funktionieren.Demnach wäre er bei der Komposition zu beteiligen. Aber Vorsicht, das ist keine allgemeingültige Aussage, sondern müsste natürlich im individuellen Fall beurteilt werden werden.Liebe GrüßeNina

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