Mojave MA-300 Test

DETAILS

Ich bin als Tester ehrlich gesagt froh, wenn Mikrofone irgendwelche Besonderheiten haben, denn dann fällt es mir leichter, “Aufhänger” für den Text zu finden. Mir geht es ein wenig so wie den bemitleidenswerten Menschen, die mit dem Marketing zunächst unspektakulärer Geräte betraut werden. Ein “total neues Konzept” und “revolutionäre Features” lassen sich besser bemarktschreien als Bewährtes in hoher Qualität zu nicht überzogenem Preis. Damit wäre auch die Grundidee des MA-300 hinlänglich beschrieben.

Die nun folgenden Informationen werden euch größtenteils bekannt vorkommen. Das nicht ganz so Alltägliche nenne ich daher an dieser Stelle zuerst: Mojave verwendet in seinen Wandlern äußerst hochwertige Bauteile – und so wenige davon wie gerade eben möglich. Der Korpus des MA-201 beispielsweise ist annähernd leer, verbaut wurden groß dimensionierte “Military Grade”-Spulen, -Kondensatoren und -Widerstände.Naturgemäß ist der Schaltungsaufwand bei einem umschaltbaren Röhren-Doppelmembraner etwas höher, doch geschieht die Umschaltung ja nach alter Röhrenmikro-Sitte erst im Speisenetzteil, das unter anderem die Versorgungsspannung für die auch im 200 genutzte NOS-5840-Vakuumröhre bereitstellt. Das einpolige 100Hz-Filter und das 15dB-Pad werden hingegen direkt am Mikrofonkorpus geschaltet – auch das unterscheidet das MA-300 vom MA-200. Dass ein Pad und Filter den Einsatzspielraum eines Mikrofons zu verbessern wissen, braucht wohl nicht erklärt zu werden. Zwar bieten auch viele Preamps Hochpassfilter an, doch ist es äußerst sinnvoll, das, was man nicht haben möchte, an frühe(ste)r Stelle aus dem Frequenzgang zu entfernen.

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Die optische Unterscheidbarkeit von MA-300 und MA-200 ist äußerst gering, insbesondere von vorne, denn dort zeugt beim kleineren 200 neben der anderen Zahl in der Produktbezeichnung nur die aufgedruckte Niere von der Andersartigkeit. Wirkliches Design gibt es nicht, ein wie bei vielen anderen Mikros silber glänzendes Gitter formt den Korb. Das unauffällige und unaufdringliche Äußere ist weiterhin von einem schwarzen Metalltubus gekennzeichnet, an dessen unterem Ende sich neben dem fünfpoligen XLR-Anschluss auch der große Schraubverschluss befindet. Löst man diesen, kann man die Metallhülle des Mikros abziehen und einen Blick ins Innere werfen. Wie üblich ist auch beim Mojave das Volumen unterhalb des Korbes von der Kapsel getrennt, doch auch ohne hier weiter zu demontieren, erkennt man das Kapselkonstrukt: Zwei goldbedampfte und über einen Mittenkontakt polarisierte Membrane von einem Zoll Durchmesser und drei Mikron Dicke stehen dort Rücken an Rücken. Jede Membran verzögert das rückwärtige Signal für die jeweils andere, so dass sich bei beiden die Richtcharakteristik Niere ergibt, deren Mischungsverhältnis sich übrigens stufenlos einstellen lässt – eine recht feine Rasterung hätte es hier aber auch getan und ist im Stereobetrieb deutlich praktischer: Sieben oder neun Charakteristiken sind eine feine Sache, mehr braucht man wirklich nicht. Das Mikrofon hat einen Rauschpegel von 16 dB (gewichtet nach A-Kurve), die Verzerrungen liegen bei 117 dB(SPL) bei 1%, 3% sind es dann bei 125 dB(SPL). Mit dem Pad lassen sich diese Werte natürlich noch um jeweils 15 dB erhöhen.

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Ich verkünde zwar im Regelfall in Testberichten schon bevor es in die “Praxis” geht unter “Details” den Frequenzgang eines Mikrofons, doch in Wirklichkeit ist es meist andersherum: Nur zu gerne marschiere ich mit einem Gerät erst zur Aufnahmesituation, bevor ich mich den schnöden Zahlen widme. Dadurch kommt mir manchmal beim Begutachten des Frequenzgangs oder des Polardiagramms ein “Ach ja, da liegt der Hase!” über die Lippen. So auch beim MA-300, dessen Kugelfrequenzgang die Unebenheiten andeutet, die ich deutlich vernommen habe. Individuelle Graphen sind natürlich aussagekräftiger als für eine ganze Serie gemittelte, doch sind Tendenzen eigentlich immer auszumachen. Das 300er wies im Betrieb deutliche Kerbungen ab den oberen Mitten auf, für die der Frequenzgang die Erklärung liefert. Im Vergleich zu den immer als Fixpunkt dienenden 1 kHz hat die Kugel die ausgeprägtesten Höhen, bis zum Plateau ab etwa 8 kHz finden sich mehrere Eindellungen. Die Acht zeigt – dafür wird man sie lieben – sehr deutliche Präsenzen und kräftigen Bass, die Niere zeigt sich dafür ab den oberen Mitten am ruhigsten und ausgewogensten. Generell fällt auf, dass das MA bei allen Charakteristiken einen harten Dip bei 1 kHz aufweist.

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Profilbild von Bonedo Leser

Bonedo Leser sagt:

#1 - 23.11.2011 um 01:06 Uhr

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Hallo,
die Mikrfontests hier finde ich das Beste, was man im Netz finden kann und übertrifft auch das Meißte, was ich sonst so gesehen habe.
Inbesondere die vielen Vergleichsbeispiele zum Selberhören finde ich super.
Auf ein Mojave Audio MA-301FET bin ich auch mal gespannt, falls es das geben wird.
Und worauf ich noch warte, ist euer Open-End Mikrofontest. Wird es den auch noch geben?
Viele Grüße,
Bonedo Leser

Profilbild von Guido Metzen (bonedo)

Guido Metzen (bonedo) sagt:

#2 - 23.11.2011 um 11:30 Uhr

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Hallo Bonedo Leser,
vielen Dank für deinen Kommentar. Es freut uns natürlich sehr, dass dir unsere Mikrofon-Tests gefallen. Der Open-End-Mikrotest befindet sich gerade in der Bearbeitung - wir haben den Test bereits durchgeführt, und es war für alle Beteiligten sehr interessant. Noch ein wenig Geduld - die Veröffentlichung wird nicht mehr lange auf sich warten lassen - ihr könnt schon gespannt sein :-)
Viele Grüße,
Guido

Profilbild von Gregor Marini

Gregor Marini sagt:

#3 - 26.11.2011 um 14:45 Uhr

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Auch finde die Tests sehr gelungen u. sympatisch rübergebracht!
Hätte eine Frage an Nick. Ich habe den AVALON VT 737sp Channelstrip, der ja bekanntlich ein Röhrengerät ist.
Spricht eigenttlich etwas dagegen ein Röhrenmikro mit einem Röhrenpreamp zu betreiben?
Vielen Dank
Greg

Profilbild von Nick Mavridis

Nick Mavridis sagt:

#4 - 26.11.2011 um 18:08 Uhr

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Hallo, danke an euch. Gregor: Wenn Du zusätzlich die Charaktereigenschaften des Amps mit hineinbringen willst: Kein Problem. Wenn der Klang passt und gefällt, dann ist alles gut. Ich hatte beispielsweise das MA aus dem Test am Tube-Tech MP-1A und am UA LA-610 und war von den Kombinationen durchaus angetan! Eine allgemeingültige Antwort kann man bei so etwas aber nie geben, es kommt immer auf die Schallquelle und den musikalischen Kontex/das Vorhaben an. Schön ist es natürlich, wenn man immer ein wenig Kram zum ausprobieren rumstehen hat. Beste Grüße, Nick

Profilbild von Gregor Marini

Gregor Marini sagt:

#5 - 26.11.2011 um 23:59 Uhr

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Vielen Dank Nick!
Warte schon gespannt auf den Test der Hi-End Klasse!
Servus, Greg

Profilbild von Anonymous

Anonymous sagt:

#6 - 28.11.2011 um 13:29 Uhr

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Nick, nur noch kurz:
Ich weiß es kommt immer auf die Situation an ... aber wenn du die Wahl hättest zwischen U87ai, TLM 49 und MA-200 um vocals aufzunehmen . Welches mic würdest Du so auf Anhieb nehmen ... einfach vom Bauch raus!
Dank, Gregor

Profilbild von Nick

Nick sagt:

#7 - 01.12.2011 um 18:53 Uhr

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Hi Gregor. Du sagst es… Ich will und kann hier eine solche Auskunft nicht geben, es sind alles hervorragende und gut geeignete Mikros – und recht unterschiedlich. Neben der Situation geht es auch darum, ob ich sie wirklich "wählen" kann (dann: ausprobieren!) oder ob ich sie kaufen soll. Denn der Preis spielt ja auch immer eine Rolle. Also sei mir bitte nicht böse, dass ich meinen Bauch schweigen lasse. :-) Und wie immer gilt: Wirklich wesentlich ist natürlich das, was man da aufnimmt. Manchmal entscheidet auch einfach der richtige Abstand über den idealen Sound, weniger das Mikro. Grüße aus Köln!

Profilbild von Gregor Marini

Gregor Marini sagt:

#8 - 02.12.2011 um 17:44 Uhr

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Hast ja Recht !! ;-))
Weißt Du schon wann der Hi-End Mikro Test kommt?Dank nochmal!
servus
Gregor

Profilbild von stefan

stefan sagt:

#9 - 27.03.2012 um 13:27 Uhr

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hi nick
eine frage hätte ich noch zu deinem Test. unterscheidet sich das ma200 klanglich vom ma300 in nierenstellung, oder sind in dieser position die Mikros identisch?

Profilbild von Nick

Nick sagt:

#10 - 27.03.2012 um 13:57 Uhr

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Hi Stefan, ich hatte beide leider nicht im Direktvergleich, sondern nacheinander im Test. Neben den Audiofiles und meinen Erinnerungen sind es aber schlicht die deutlich ähnlichen technischen Konzepte, die mir erlauben, das 300 als "umschaltbare Version" des 200 zu bezeichnen – was der Hersteller ja auch tut. Die Braunmühl-Weber-Doppelkapsel des 300 wird einen geringen Einfluss haben, allerdings ist das nicht enorm, wie andere Mikros zeigen. Grüße, Nick

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