IRRUPT Audio Open Source Battle Loops: kommt das Loop-Vinyl zurück?

Die Berliner Superbooth ist ja eigentlich eher eine Messe für Synth-Nerds, Analogfetischisten und experimentelle Musiker. Dennoch gab es einen Stand, der gerade für Vinyl-DJs superinteressant war: IRRUPT Audio und Playdifferently präsentierten gemeinsam den Model 1-Mixer, designed by Richie Hawtin. Und darauf liefen Locked Groove Vinyls von IRRUPT Audio mit 180 sauber geschnittenen Open Source Loops. Die Auflage war auf 200 Exemplare limitiert, die exklusiv auf der Superbooth verschenkt wurden.

IRRUPT Audio und Playdifferently (Bild: mit freundlicher Genehmigung von IRRUPT Audio)
IRRUPT Audio und Playdifferently (Bild: mit freundlicher Genehmigung von IRRUPT Audio)


Noch auf der Superbooth16 hatte IRRUPT Audio sich als Soundschmiede u.a. für die Berliner Bitwig-DAW präsentiert. Auch in diesem Jahr stellte die in Denver und Berlin angesiedelte Company wieder vis-á-vis dem Bitwig-Stand aus. Allerdings in Kooperation mit Playdifferently. „Wir wollten eine Art analoges Instrument für die Superbooth17 schaffen, im Einklang mit dem Geist dieses Events.“  sagt Jay.
„Ein doppeltes Vinyl mit fast 200 Groove-Loops schien perfekt zu sein und repräsentiert unsere Wurzeln in der DJ-Kultur. Wir stellen die Loops Open Source zur Verfügung. Jeder, der das Vinyl hat, darf die Sounds nicht nur in seinen DJ-Sets, sondern auch in seinen Musikproduktionen einsetzen.“  

Der Stand von IRRUPT Audio auf der Superbooth17 (Bild: mit freundlicher Genehmigung von IRRUPT Audio)
Der Stand von IRRUPT Audio auf der Superbooth17 (Bild: mit freundlicher Genehmigung von IRRUPT Audio)

Auf vier LP-Seiten finden sich 60 Bassdrum-Loops, 48 Rhythmen und Sequenzen ohne Bassdrum sowie noch mal 72 weitere Musikloops, die vor allem wunderbar in ein Techno-Set passen. Rund um das Innenlabel sind die einzelnen Loop-Kategorien sehr nerdig, aber gut leserlich eingeritzt. Die Rillen sind perfekt nahtlos auf 133,33 BPM geschnitten und lassen sich bei identisch schnell laufenden Turntables fast blind miteinander mischen.
Wenn ich statt mit CDJs oder Traktor mal mit Vinyl im Club auflege, fehlt mir irgendwann immer die Möglichkeit, einem schlappen Track mit einer fetteren Bassdrum mehr Dampf zu verleihen, eine langatmigen Break mit einem simplen Rhythmus zu überbrücken oder auf eine monotone Beatpassage ein paar Töne zu träufeln.
Dafür sind die IRRUPT Open Source Battle Loops das perfekte Tool. Mit zwei oder drei Turntables und einem fähigen Mischpult können die Loops durchaus auch für sich allein bestehen.
Jay Ahern: „Es war unglaublich dope, das Vinyl auf dem Model 1 Mixer präsentieren zu können, denn das hat die klanglichen Möglichkeiten der Verwendung der Locked Grooves in einer inspirierten Weise hervorgehoben.“

Fotostrecke: 2 Bilder IRRUPT Audio Open Source Battle Loops kommen mit rotem und schwarzem Stempel. (Bilder: mit freundlicher Genehmigung von IRRUPT Audio)

Man fragt sich, warum nicht schon andere kommerzielle Anbieter von Samples, Loops und Patches auf diese Idee gekommen sind. Wurden noch vor einigen Jahren kommerzielle Sounds vor allem auf Sample-CDs angeboten, so findet man sie mittlerweile auf sehr unterschiedlichen Plattformen in vielfältigen Formaten wie WAV-Packs, Kontakt-Instrumente, Ableton-Fills bin hin zu In-App-Purchase Packs für iOS-Apps wie NinjaJamm oder Blocs Wave. Warum also nicht noch Viertverwertung für die Vinyl-DJs, die bislang auf dem Sample-Markt eher außen vor blieben. Es wäre toll, wenn IRRUPT Audio hier einen Trend lostreten würde.

Fotostrecke: 2 Bilder Fleißig: die Doppel-Vinyls kamen erst kurz vor Beginn der Superbooth17 an und mussten noch schnell gestempelt werden.

„Locked wie?“

Locked Grooves sind keine Rhythmen mit Dauerwelle, sondern in sich geschlossene Schallplattenrillen. An sich hat jede Schallplatte eine Auslaufrille, sonst würde der Tonarm nach dem letzten Lied auf das Label rutschen. In den 80er Jahren ließen experimentierfreudige Künstler gerne noch einen kurzen eintaktigen Audioloop in diese geschlossene letzte Rille schneiden, der dann quasi endlos weiterlief.
Anfang der 90er experimentierten Techno-Künstler ebenfalls mit verschiedenen Formen des Vinylschnitts. So laufen die Rillen einiger 12-Inches der Detroiter Kultlabels Underground Resistance (kurz: UR) und Plus 8 (das Label von Richie Hawtin & John Acquaviva) von innen nach außen.
1994 schließlich veröffentlichte der ehemalige Co-UR-Mastermind Jeff Mills auf seinem Label Axis die Maxi „Cycle 30“ auf der er auf der A-Seite mehrere eintaktige geschlossene Rillen mit Techno-Loops presste. Die künstlerische Idee dahinter war die Reduzierung des Tracks auf nur einen Takt. Mills machte sich dabei zunutze, dass sich eine Schallpatte bei 33 RPM mit einer Geschwindigkeit von genau 133,33 BPM dreht. Bei 45 RPM ist das bei 180 BPM genau ein Takt. Das geht gut für Drum’n´Bass. Und Gabber.
Plötzlich war das Prinzip „Locked Grooves“ in aller Munde und auch in Deutschland erschienen Loop-Vinyls, z.B. die Serien von Dr. Walkers seinerzeit in Köln beheimateten Liquid Sky Kollektiv „Cologne Cyclez“ und „Illegal Loopz“. Aber schon bald nutzten innovative DJ lieber die erweiterten Möglichkeiten digitaler DJ-Technik und Locked Groove Vinyls gerieten ein wenig in Vergessenheit.

Locked Groove Schallplatten, u.a. die legendäre Cycle 30 von Jeff Mills auf seinem Label Axis Recordings.
Locked Groove Schallplatten, u.a. die legendäre Cycle 30 von Jeff Mills auf seinem Label Axis Recordings.

Denn geschlossene Schleifen schneidet man nicht so einfach wie eine normale Platte: das ist hohe Kunst. Der Schneidestichel muss beim Cutten an der Dubplate-Schneidemaschine nach nur einer Umdrehung wieder genau auf den Ausgangspunkt zurückgeführt und danach sofort abgesetzt werden. Nur ein falscher Schnitt und die ganze teure Mutter-Dubplate aus weichem Metall kann in den Müll geschmissen werden. Solch eine Mutter-Scheibe ist ein Unikat und ja, auch von jeder Dubplate-Platte könnten prinzipiell Vinyl-Schallplatten gepresst werden.
Insofern ist die sehr präzise Arbeit von Vinyl-Cutter Michelle Grinser von Man Made Recordings bei der neuen IRRUPT Open Source Locked Groove Doppel-12“ gar nicht hoch genug zu loben.

Glück gehabt: gerade noch die letzte ungestempelte Copy der IRRUPT Audio Open Source Battle Loops erwischt.
Glück gehabt: gerade noch die letzte ungestempelte Copy der IRRUPT Audio Open Source Battle Loops erwischt.

Im Zuge der DJ-Digitalisierung sind Locked Groove Vinyls etwas in Vergessenheit geraten. Mit Software oder modernen CD-Playern lässt sich schließlich fast alles spontan loopen. Aber für Vinyl-DJs sind Locked Grooves sehr inspirierende Tools und hoffentlich macht das Beispiel von IRRUPT Audio Schule und wir sehen demnächst in den Plattenläden wieder mehr Loop-Vinyls, gern auch in anderen Stilistiken wie Deep House, Breakbeat oder Electro.
Gerade für kommerzielle Anbieter von Samples, Loops und Patches könnte sich da neben Samplepacks, Beatport und Kontakt-Content ein dankbarer kleiner Nebenschauplatz auftun. Nur an der technisch bedingten Reisegeschwindigkeit von 133,33 BPM oder 180 BPM kann man nichts ändern. Aber dafür gibt’s ja den Pitchfader.

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Weiterführende informationen

IRRUPT Audio Press Release
Mastering und Vinylschnitt von Michelle Grinser
Spezifikationen IRRUPT Audio Open Source Battle Loops auf Discogs
Tracklist:
A1 – 20 x Bassdrums Mixed
A2 – 20 x Atmos & Chords
A3 – 10 x Bassdrums Dry
B1 – 24 x Tops & Sequences
B2 – 16 x Music Bits etc.
C1 – 20 x Bassdrums Mixed
C2 – 10 x Atmos & Chords
C3 – 10 x Bassdrums Dry
D1 – 24 x Tops & Sequences
D2 – 16 x Music Bits etc.
IRRUPT Audio Website
IRRUPT Audio Content für NinjaJamm

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IRRUPT Audio und Playdifferently (Bild: mit freundlicher Genehmigung von IRRUPT Audio)

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