Groove Synthesis 3rd Wave Test

Praxis

Easy Lover

Grundsätzlich beginne ich Reviews mit Unkenntnis, spiele mich ein und schaue, wie weit ich ohne Hintergrundwissen komme. Und genau das habe ich mit dem Groove Synthesis 3rd Wave Wavetable Synthesizers im Test auch gemacht: Ich habe die erstklassigen Presets durchgeballert und versucht, sie zu modifizieren oder zu favorisieren. Dafür gibt es 10 Listen à 50 Patches. Man merkt schnell: Das Ding haben Musiker designt!

Wave Envelope
Der 3rd Wave von Groove Synthesis erklärt sich weitestgehend von selbst!

Features wie der umfangreiche Sequenzer, Arp und LFO hab ich direkt ausprobiert. Sie haben mich aus dem Stegreif überzeugt. Dabei wird mir auch klar: Es gibt hier jede Menge technische Möglichkeiten, die geschickt eingesetzt extrem viele klangliche Möglichkeiten bieten. Ob das immer gleich musikalisch ist, ist die andere Sache – man muss etwa Zeit investieren, um selber die Sweetspots zu finden. Mal eben so erstellt man komplexe Bewegungen nicht. 

3rd Wave Test – Multi-Part Stepptanz

Die Menüführung des 3rd Wave Synths trotzt seiner Fülle und zeigt sich im Test als besonders gut gelöst: Das Display begleitet einen u. a. bei der Anwahl einer Sektion. Und die erklären sich auch noch soweit von selbst.

Lediglich der Switch zwischen den Parts, vor allen in Kombination mit Splits sowie Sequenzer und/oder Arp hat mich öfters verwirrt. Keine Ahnung, warum das Kurbeln am Regler gerade kein Ergebnis bringt? Falscher Multi-Part, mit Sicherheit. 

Liest man das Handbuch, offenbart sich der Sinn dahinter: Eine der vier diskreten MULTI-PART Tasten einmal drücken, um den entsprechende Multi-Parts zu aktivieren – und ihn gleichzeitig zu selektieren. Die Bedienoberfläche bedient nun diesen einen Multi-Part. 

Klick und Doppelklick – das kannte ich bisher nicht von Hardware 🙂

Möchte man andere aktive Parts editieren, doppelklickt man den entsprechenden Part einfach! Einmal drücken würde den Part – falls er bereits aktiv – nämlich nur deaktivieren. Und jetzt kommt mein initiales Verständnisproblem: deaktiviert man einen Part, selektiert der Synth automatisch den nächsten aktiven Part – und lässt nun diesen blinken. Nochmal: Blinken bedeutet „an“ und „selektiert“. Eine Selektion ohne Aktivierung ist nicht möglich.

Drückt man also mehrere Tasten gleichzeitig, gilt das Gesagte soweit auch für mehrere Parts – das ist verständlich. Möchte man nun vier Layer aktivieren und editieren, muss man alle vier Tasten gemeinsam betätigen und flink doppelklicken. Das allerdings ist etwas akrobatisch und nebenbei raubt das Blinken aller Taster schon auch unnötig Aufmerksamkeit.

Wavetable-Preset im Display
Das Display wird mit den vier Tastern darunter und den vier Encodern darüber bedient.

Anderseits: Die überwiegende Anzahl der mitgelieferten Presets nutzt meist nur zwei, hin und wieder auch mal drei Multi-Parts – sehr selten sind es vier. Und trotzdem strotzen die mitgelieferten Klänge bereits jetzt nur so vor Reichtum und Beweglichkeit. Andere Synths schaffen das erst mit einer Armada an Effekten. Und dicke Effekte hat man hier trotzdem noch dabei!

Split-Mode im Display
Anstatt mit Layern kann man natürlich hier auch hervorragend mit Splits arbeiten. Gerade bei Wavetable ist das sinnvoll, da die Transponierung der Tables oftmals starke klangliche Unterschiede zu Tage fördern.

3rd Wave Test – Super Stereo

Beispiel: Ein simples Patch erstellen oder laden und es auf weitere Parts kopieren ist easy. So hat man schnell weitere Multi-Parts zusammen. Nun wird das Ganze einmal nach links gepanned und tiefer gestimmt, den anderen Part dreht man hingegen nach rechts und „höher“. Vielleicht arbeitet der LFO hier auch etwas anders im Filter? Im Nu ist der Stereoraum jedenfalls breit – das ist toll gelöst! 

Der 3rd Wave spricht im Test eine eigene Klangsprache. Sie reicht von kantig bis klar, klingt allerdings auch nicht aus dem Stand „übertrieben fett“. Flinke, knackige Bässe sind kein Problem – von Mojo kann ich aber nicht wirklich sprechen. Hinzukommt, dass Wavetables stark auf das Transponieren reagieren. Ein Bass klingt dann eventuell ohnehin nur auf einer Oktave knarzig.

Wie gesagt: Sweetspots muss man sich bewusst suchen – denn nicht alles, was geht, muss auch Sinn machen. Für Klangforschende ergibt sich aber ein bewusst üppiges Büffet an Möglichkeiten. 

Vier ADSR Envelopes inklusive Delay und Repeat: einer für den Amp, einer für den Filter und zwei zur freien Verwendung.

Breites Spektrum an Klangfarben

Die Presets, die grundsätzlich breit aufgestellt sind, aber trotzdem auch Wavetable-speziell ausfallen, sind deshalb umso mehr zu loben. Das Kuratieren der Sounddesigner ist ein voller Erfolg, der Synth bekommt so seinen ganz eigene Charme.

Unnütze Brot- und Butter-Sounds gibt es kaum, richtig hässliche 80s Referenzen ebenso wenig. Interessant finde ich wirklich einiges – und logo: es gibt jede Menge dreamy Pads, E-Pianos, Orgeln sowie Flächen und Drones!

Audio Samples
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Drama Baby Pad Surfer Simple ARP Big Saws Dist. Bass Loco Barrel Ring Walzer Distant Tracks

Komplexe Rhythmen hat man im Nu am Keyboard und ohne weiter Hilfe gebändigt. Sequenzer und Arp lassen sich kombinieren und beide sogar mit unterschiedlichen BPMs verwenden. Besonders editieren kann man den Sequenzer aber nicht, es heißt dann schlicht “Neu-Aufnahme”.

Das Modulationsrad ist fast immer in die Presets mit einbezogen und gut belegt. Den Aftertouch hätte man meines Erachtens prominenter nutzen können. Apropos: MPE versteht der Synth ebenfalls, nur liefert das Keyboard es nicht. Das finde ich aber nicht weiter schlimm, weil ich bisher ohnehin noch keine richtig gute Polyphon-Aftertouch-Klaviatur gespielt habe. 

Wave-Envelope
Der Wave-Envelope kann auch direkt am Display editiert werden.

Abstrahierende Sounddesigner oder auch Bühnenkeyboarder, die gezielt Sounds für die Bühne nachbauen wollen: “here you go”. Das Live-Schrauben an mehreren unterschiedlichen Parts erfordert indes Übung und ordentlich Konzentration. Auch Wavetables aus dem Plugin XFER Serum lassen sich mittlerweile direkt importieren.

Power ohne Ende?

Zur Erinnerung: Vier Multi-Parts mit jeweils zwei FX Blöcken ergeben acht Stereoprozesse, und das mit bis zu 24 Stimmen bei 96 kHz. Das ist nicht ganz der typische Taschenrechner und erklärt die Workstation-ähnliche, mit 35 Sekunden recht lange Startzeit des 3rd Wave im Test nach dem Einschalten des Systems. 

Oszillatoren des 3rd Wave
Level und Fine als Poti, der Rest als Encoder – ein gelungen Konzept!

Im Gegensatz zu verschiedenen Mitbewerben sind nach der verzögerten Initialzündung – mit fast albernem “1995 Dotcom Logo” im Display – dafür alle Wavetables direkt geladen und ein Umschalten erfolgt ohne Unterbrechung. Presets kann man mit unter einer Sekunde umschalten.

Was ich noch betonen möchte, ist, dass die Ansprachezeit des Instruments von der Keyboard-Taste bis zum ausgegeben Ton knackig flink ist – und nicht mit den Lagging irgendwelcher Mini-Rechner-Synthesizer zu vergleichen ist. 

Wissen sollte man, dass man nicht alle Effekte gleichzeitig verwenden kann, was vom Ressourcen-Hunger einzelner Effekte abhängt. Auf den Parts 1 und 2 kann man trotzdem alle Kombinationen realisieren, ab Multi-Part 3 ist dann eventuell mit Einschränkungen zu rechnen. Aber das ist eher ein theoretisches als ein praktisches Problem.

Der Groove Synthesis 3rd Wave bietet folgende Effekte

  • BBD Delay – Vintage Bucket-Brigade Emulation
  • Stereo Delay – klassisches Stereo-Delay
  • Tape Delay – klassisches Tap-Delay
  • Chorus – Vintage Chorus 
  • Phaser – Vintage 6-Stage-Phaser mit hohen Feedback 
  • Flanger – Vintage Through-Zero-Flanger mit hohen Feedback 
  • Ring Mod – klassischer Ring-Modulator
  • Distortion – digitale distortion, analog emuliert
  • Room – klassischer digital Reverb mit Size, Pre-Early-Reflections & Cutoff 
  • Hall – klassischer digital Reverb mit Size, Pre-Early-Reflections & Cutoff 
  • Superplate – digitaler Reverb mit Size, Pre-Delay & Cutoff 

3rd Wave Test – Was mir fehlt?

Ein Next-Preset-Button wäre super! Mit dem Encoder einzeln durchzukurbeln nervt, wenn man sich nur inspirieren lassen will. Einer der Soft-Buttons im Preset-Menü könnte via Firmware-Update einen Funktionszuwachs vertragen. Bühnenmusiker können immerhin Favoritenlisten nutzen und so ihre Set-List designen. 

Wavetable im Display
SEM Thick: Viele Klassiker finden sich hier als Set toller Waveforms ein!

Schön würde ich es auch finden, wenn das Display die Waveform-Selektion per Modulationsquellen ebenfalls visualisieren würde. So könnte man erkennen, zwischen welchen Waveforms der Synth auf Grund von allen Modulationen „scannt“. Es kann natürlich auch sein, dass das insgesamt zu nervös aussehen würde und man es deshalb gelassen hat.

Zwischenfazit

Meine „kleinen Problemchen“ mit dem 3rd Wave sind im Gesamtkontext des Tests verschwindend gering. Es gibt also jede Menge verdammt guter und moderner Lösungen, die diesen Synth abseits des PPG Hypes zu einem verdammt erwachsenen Synth machen, der sich an keiner Stelle mit „Kompromissen“ anfreundet. Der Sequenzer wäre mit einer (graphischen) Editiermöglichkeit natürlich noch besser und unterschiedliche Rates/Quantisierungen pro Spur wäre ebenfalls Zucker – aber wir sollten die Kirche im Dorf lassen …

Warum ich das betone? Nun, Sequential selbst hat das alles bei den Remakes der beiden Klassiker OB-X8 und Prophet-5/-10 gar nicht mal so gut gelöst, wie ich finde – der Spagat zwischen Classic-Purismus und neuen Features ist hier nicht gelungen. Im Vergleich zu dem Prophet-Sequenzer ist das hier somit natürlich schon absoluter Luxus.

Faktisch gibt es hier auch alles im Direktzugriff! Shift-Funktionen kommen gar nicht zum Einsatz und vor allen aber gibt es hier keinen unnötigen „Page2“-Schwachsinn mit OB-X8 Mini-Display, das nicht größer als eine CASIO FW-91 ist. Emanzipation tut gut!

Ebenfalls löblich: Das englische Handbuch ist verständlich geschrieben. Es erklärt Sektionen im Fließtext, zeigt typische Verwendungen und Ideen auf, rasselt also nicht nur stoisch die Funktionen ohne Anwendungsbeispiele herunter. Die Jungs hinter dem Gerät sind natürlich auch echte Enthusiasten und haben sicherlich bereits weitere Funktionen mit FW-Updates im Petto – ich bin mir sicher, da werden noch einige weitere, coole Dinge hinzukommen!

In dem Zusammenhang ebenfalls erwähnenswert: Das simple Datei-Handling. Der 3rd Wave taucht im Test nach USB-Verbindung als Massenspeicher im Computer auf: Files von Firmware-Updates und neue Wavetables kann man einfach per Drag-and-drop in den entsprechenden Ordner ziehen und vom Synth aus direkt laden.

Vorsicht nur beim Import von mehreren Wavetables, da scheint es keine Auswahlmöglichkeit zu geben – also immer nur ein Wavetable nach dem anderen reinziehen, mit dem WaveMaker importieren und gleich richtig benennen! 

Groove Synthesis 3rd Wave – das sind die Alternativen

Klar bietet der Markt auch Alternativen zum Groove Synthesis 3rd Wave, von denen wir hier drei vorstellenwerden: Die Sequential Prophet-5 und -10 sowie den Oberheim OB-X8.

FeaturesGroove Synthesis
3rd Wave
Sequential
Prophet 5/10
Oberheim
OB-X8
Polyphonie245/108
Multi-Parts4keine / bi-timbral bi-timbral
Effekte11 Effekte für 8 Solos
ArpeggiatorUmfangreichJa, einfach
SequenzerUmfangreichJa, einfach
Display11 cm diagonal großdreistellig 7-Segment“vorhanden”
Keyboard61-Tasten Fatar: anschlagdyn.
halb-gewichtet
Aftertouch
61-Tasten Fatar: anschlagdyn.
halb-gewichtet
Aftertouch
61-Tasten Fatar: anschlagdyn.
halb-gewichtet
Aftertouch
Preis in €5.699 €3.599 € / 4.399 €5.279 €
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Groove Synthesis 3rd Wave Alternativen
Vintage-Mode à la Sequential & Oberheim gibt es im 3rd Wave auch, und zwar in Form von CIRCUIT DRIFT und FREE RUNNING, zu finden unter “Verschiedenes” aka MISCellaneous.

Groove Synthesis 3rd Wave Desktop Sound Demo (no talking)

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Nerd sagt:

#1 - 30.01.2024 um 16:50 Uhr

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Schönes Review. Ich gehe in den meisten Punkten mit, Allem voran, dass es kein nennenswertes Manko gibt, von den lediglich 16 Slots für eigene Wavetables abgesehen. Dieser Synth klingt überirdisch, geradezu magisch! Er hat nahezu Alles, was man sich als Synth-affiner Musiker nur wünschen kann, eigentlich geht er sogar weit darüber hinaus. Der einzige Aspekt des Tests in dem ich nicht übereinstimme ist der bezüglich der Sweetspots. Ich finde, dass er ausschliesslich aus solchen besteht, auch wenn es durchaus spezifische Sounds gibt, deren besondere Qualität sich am meisten innerhalb eines dedizierten Frequenzspektrums befindet. Ja, er kostet ein kleines Vermögen und ist somit einer privilegierten Klientel vorbehalten. Andererseits: Hätte ich das fiktive Szenario vor mir, mich für einen einzigen Synthesizer entscheiden zu müssen wäre es ohne jeden Zweifel dieser. Und dies begründet sich in allererster Linie damit, dass die analogen Sounds so überwältigend sind. Ich persönlich habe ihn nicht in erster Linie als Reinkarnation eines PPG angeschafft, sondern als analogen Stellvertreter, der die ikonischsten Geräte wie Oberheim, Sequential, Roland, Yamaha (CS) und Moog kann. Dass er darüber hinaus auch noch ein PPG und Fairlight ist, Sahnehäubchen Deluxe! Gratulation und Danke an Groove Synthesis, was für ein Debut!!!!

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