Doppelmikrofonierung von Instrumenten

Die Veranstaltungsbranche kämpft noch immer mit den Corona-Beschränkungen. Aber irgendwann geht die Open-Air Saison (zum Feature: Besser Mischen auf Open-Air-Veranstaltungen) hoffentlich wieder los. Viele nutzen bekanntlich die Zeit zum Ausmisten.

Bei einer meiner letzten Aufräumaktionen des Schreibtischs trat ein dicker Stapel Technical Rider die Reise in den Papiercontainer an. Aus Nostalgiegründen durchblättere ich einige Bühnenanweisungen bekannterer Bands und stelle zwei Trends fest:

doppelmikro-workshop_teaser
Inhalte
  1. Argumente für die doppelte Mikrofonierung
  2. Argumente gegen die doppelte Mikrofonierung
  3. Killer Kombinationen
  4. Stichwort Metallica
  5. An der Gitarre
  6. Bass und Bassbox

Das MacBook Pro ist mittlerweile im Rock’n’Roll so etabliert wie ein Marshall-Fullstack. Noch ausgeprägter ist der Hang, Instrumente mit zwei Mikrofonen zu bestücken. Womit wir beim Thema sind: Was ist Doppelmikrofonierung und welche Vor- und Nachteile bringt sie mit sich? 

Dafür!

Eine Schallquelle mit zwei Mikrofonen abzunehmen gibt dem Tontechniker mehr Spielraum für ein differenziertes Klangbild. Die größte Bandbreite ergibt sich durch Mikrofone, die sich im Idealfall komplementär verhalten. Einfach ausgedrückt: Das zweite Mikrofon klingt völlig anders als das erste. Eine Ying&Yang-Mikrofonierung sozusagen, bei dem meist ein Mikrofon wärmer klingt und das zweite mehr Höhen besitzt. Der Tontechniker mischt dann per Kanalfader den Gesamtsound.

Das muss nicht unbedingt ein statischer Mix sein. Gerade für Solospots kann man die unterschiedlichen Sounds der Mikrofone nutzen, um den Instrumentalisten gezielt hervorzuheben. Setzt der Gitarrist nach dem zweiten Refrain zum Solo an, zieht man das Mikro mit dem höhenreicheren Sound nach oben. Die Gitarre setzt sich aufgrund der Klangänderung besser durch und bekommt zudem für den Solospot eine andere Klangfarbe.

Die unterschiedlichen Sounds bieten auch für den Monitormix Optionen an, besonders wenn der Monitormix von der FoH-Konsole aus erfolgt. Ist dem Instrumentalisten der Monitorsound zu dumpf, nutzt man einfach das hellere Mikro für seinen Monitormix.

Tontechniker, die regelmäßig auf Stadtfesten oder Festivals arbeiten, wissen einen weiteren Vorteil der Doppelmikrofonierung zu schätzen: Redundanz! Gibt es einen ausgiebigen Soundcheck, hat man alle Zeit der Welt, die Mikrofonposition so lange zu optimieren, bis der Sound steht. Auf Festivals kann man dagegen froh sein, während des Umbaus wenigstens einen Line-Check durchziehen zu können. Hat man nur ein Mikrofon am Gitarrenamp, ist dies die einzige Soundquelle. Schade, wenn dann beim Aufbau eine Stagehand versehentlich das Mikro verschiebt. Mit zwei Mikrofonen gibt es eine 50%-Chance, dass zumindest eines der beiden Mikrofone einen ordentlichen Grundsound anbietet.

Im unwahrscheinlichen Fall, dass ein Mikrofon durch einen Defekt ganz ausfällt, ist der Doppelmikrofonierer ebenfalls im Vorteil. Nicht selten findet man daher auf den Bühnenanweisungen bekannterer Bands Ersatzmikrofone, die bei einem Defekt sofort den Job übernehmen können (z. B. für den Lead-Gesang).

Nicht auszuschließen ist allerdings, dass einige Doppel- oder gar Dreifachmikrofonierungen eher den Status des Künstlers betonen, anstatt tontechnisch relevant zu sein. Ich kann mich an den Rider einer US-Crossover-Band erinnern, deren Bassist wie folgt abgenommen werden sollte: Kanal 1 & 2 belegt ein gesplittetes Signal des DI-Ausgangs des Amps, Kanäle 3 & 4 sollen einen zusätzlichen Sans Amp verwalten, während die Kanäle 5 & 6 von zwei SM57 gefüttert werden.

Das Bass-Setup bestand lediglich aus einem Amp, der dementsprechend ein Monosignal führte. Der Techniker der Band nutze beim Konzert genau zwei Kanäle: einmal DI und einmal Sans Amp. Aber der psychologische Effekt sollte nicht unterschätzt werden. Manch Musikant fühlt sich dann erst anerkannt …

Eine kompakte Alternative zu zwei einzelnen Mikrofonen sind Mikros mit zwei unterschiedlichen Kapseln (dynamisch und Kondensator) in einem Gehäuse. Das Lewitt DTP 640 REX besitzt daher ein Stereo-XLR-Anschlusskabel.
Eine kompakte Alternative zu zwei einzelnen Mikrofonen sind Mikros mit zwei unterschiedlichen Kapseln (dynamisch und Kondensator) in einem Gehäuse. Das Lewitt DTP 640 REX besitzt daher ein Stereo-XLR-Anschlusskabel.

Dagegen!

Es gibt natürlich auch Argumente gegen die doppelte Mikrofonierung. Als erstes ist Doppelmikrofonierung nicht ressourcenschonend, man braucht von allem mehr: mehr Stative, mehr Kabel, mehr Kanäle am Pult und mehr Aufbauzeit. Nicht immer lässt sich das realisieren. Zudem schraubt der Mehraufwand die Kosten in die Höhe, beim Equipment wie beim Personal. Nicht jeder Dorffestveranstalter bringt hierfür Verständnis auf.

Und es gibt technische Fallstricke. Zwei Mikrofone an einer Schallquelle besitzen auch bei sorgfältiger Platzierung nie die exakt gleiche Laufzeit, was den Sound intransparent gestalten kann. Zudem sollte man unbedingt auf die Polarität achten, einige Mikrofonklassiker sind nämlich gerne anders verdrahtet als moderne Mikrofone.

Um sicher zu gehen, betätigt man testweise den Polaritätstaster (Phase) des Kanals und entscheidet sich dann für die besser klingende Variante. Gerade beim Bass kann allerdings eine bewusste Fehlanpassung der Polarität (durch die unweigerlich resultierenden Phasenauslöschungen) eine interessante klangliche Alternative darstellen. Bei Trommeln oder Gitarrenamps ist das allerdings so gut wie nie der Fall. Doch welche Mikrofonduos haben sich bewährt und bieten dem Tontechniker ein Mehr an Sound?

Killer Kombinationen

Beginnen wir mit dem Schlagzeug. Obwohl die Mikrofonabnahme eines Drumsets generell in einer mittleren Materialschlacht endet, haben sich, wenigstens in der Rock- und Popmusik, bei Snare und Bass Drum einige Kombinationen durchgesetzt. Am bekanntesten ist die Kombination eines Grenzflächenmikrofons (z. B. Shure Beta 91a) in der Bass Drum und eines dynamischen Mikrofons (z. B. Shure Beta 52) am Resonanzfell.

Die Idee dahinter: Während die Grenzfläche für die Verstärkung des Anschlags herangezogen wird, soll das dynamische Mikro für Tiefbass und Fülle sorgen. Am Mischpult werden die Mikros dementsprechend unterschiedlich gefiltert und mit dem Kanalfadern nach Gusto gemischt. Alternativen sind Mikrofone, die von Hause aus zwei unterschiedliche Kapseln besitzen, etwa das Lewitt DTP 640 REX oder das Audio Technica ATM 250DE.

Letzteres benutzt Big Mick (Tontechniker der Kuschelkapelle Metallica) auch gerne für Gitarrenamps. Vorteil: diese Mikrofone eliminieren durch ihre Kapselkonstruktion Laufzeitunterschiede.

Fotostrecke: 3 Bilder Wird die Snare zusätzlich von unten abgenommen, lässt sich der Snaresound ohne grobe EQ-Eingriffe mit Höhen anreichern.

Stichwort Metallica:

Viele Drummer aus dem Metal-Bereich triggern zusätzlich zur Mikrofonabnahme ein Sample mittels Trigger-Modul. Da diese Module fast immer langsamer als die Mikrofonsignale sind, lohnt es sich, bei einem digitalen Pult das Bass-Drum-Mikro mittels Channel Delay leicht zu verzögern, um Kammfiltereffekte zu minimieren.

Ebenfalls gerne mit zwei Mikrofonen ausgestattet wird die Snare Drum. Ein dynamisches Mikrofon nimmt von oben das Schlagfell ab, ein Kondensatormikrofon von unten die Ketten am Resonanzfell. Dabei sollte man die Polarität des unteren Mikrofons invertieren, ansonsten klingt der Mischsound schnell dünn und schlapp. Der Autor ist kein Freund der „Snare unten“-Abnahme. Es sei denn, die Snare klingt von Natur aus muffig und bietet wenig Attack. Dann kann etwas Kette helfen, da sich an der Unterseite deutlich einfacher Höhen einfangen lassen.

Was ich allerdings ab und an einsetze, ist eine Doppelabnahme von oben. Geklaut habe ich diese Idee von Chris Lord Alge, der ein Shure SM57 mit einem AKG C451 oder Neumann KM84 Kleinmembran-Kondensatormikro kombiniert. Die Kondenser sorgen für einen zusätzlichen Schub an Höhen. Einfach mal ausprobieren, vorab aber sicherstellen, dass die Kleinmembranen mit dem Schalldruck einer Snare klar kommen.

Das AKG C-414 sorgt für einen Schub an silbrigen Höhen und wird gerne mit dem Shure SM57 kombiniert.
Das AKG C-414 sorgt für einen Schub an silbrigen Höhen und wird gerne mit dem Shure SM57 kombiniert.

An der Gitarre

Der Gitarrenamp ist ein nicht versiegender Quell für Mikrofonexperimente. Es gibt die unterschiedlichsten Philosophien und Vorgehensweisen, die alle ihre Berechtigung haben. Manche Produzenten (z. B. Andy Sneap) möchten einen möglichst direkten Sound mit nur einem Mikrofon einfangen. Dann gibt es Kollegen wie Ed Stasium, bei denen eine Gitarrenamp-Abnahme mit weniger als vier Mikrofonen eher die Ausnahme darstellt.

Die Kombinationsmöglichkeiten für Mikrofone sind zahlreich. Stellvertretend möchte ich beliebte Kombinationen rund um das Shure SM57 vorstellen. Anfang der 90er Jahre stellte man in den Fredman Studios in Göteborg/Schweden die Frage: „Was ist besser als ein SM57?“ Klare Antwort: Zwei SM57! Die beliebte Fredman-Abnahme von Gitarrenamps gehört seitdem zum Standardrepertoire professioneller Tontechniker. Ein SM57 wird gerade ausgerichtet und ein zweites stößt im 45° Winkel dazu. Sorgfältig ausgerichtet klingt diese Kombination deutlich fetter, als ein einzelnes SM57.

Klingt der Amp relativ dumpf, kann die Kombination SM57 plus Sennheiser MD421 helfen. Das 421 bringt den notwenigen Schub Sägemitten, der sich gut mit dem eher warm klingenden SM57 kombinieren lässt. Ist der Grundsound überzeugend, aber es fehlt ein Tick Transparenz, kann eine Kombination aus SM57 und AKG C414 die passende Lösung sein. 

Ist der Gitarrensound schon an der Quelle höhenlastig, könnte das ein Fall für die Kombination von SM57 mit dem sehr warm klingenden Bändchenmikro Royer R-121 sein. Das Royer sollte live eher auf größeren Bühnen eingesetzt werden, bei einer lauten Metalband kann in einem Club das Übersprechen durch die Achter-Charakteristik des Bändchens Probleme bereiten.

Wer generell Angst vor Übersprechen hat, kann live zusätzlich zur Mikrofonabnahme mit einer Speaker-Simulation (z. B. Palmer PDI-09) arbeiten. Das Mikrofonsignal mag zwar detailreicher und organischer klingen, dafür ist das Signal der Speaker-Simulation frei von Übersprechen aus anderen Signalquellen und liefert Abend für Abend konstanten Sound. Der wird bei Mikrofonierung erst durch langwieriges Hantieren mit der Mikroposition erreicht.

Am Bass

Auch die Tieftonabteilung mischt gerne den Sound vom DI-Ausgang des Amps mit einem Mikrofon, das den Klangaspekt der Bassbox betont. Oft wird das Mikrofonsignal für die Verstärkung des Anschlags verwendet, während das DI-Signal den Tiefbass abdeckt; ein ähnliches Konzept wie bei der Bass Drum. Alternativ sieht man bei Rock und Metal anstatt eines Mikrofons gerne eine zusätzliche Vorstufe (z. B. SansAmp), die einen angezerrten Sound zur Verfügung stellt. Dieser wird mit dem cleanen DI-Signal gemischt und schafft eine schöne Verbindung zwischen den verzerrten Gitarren und dem cleanen DI-Bass.

Das Credo

Auch die Abnahme mit zwei Mikrofonen wird aus einem schlechten Signal keinen Weltklasse-Sound zaubern. Daher lohnt der Aufwand einer doppelten Mikrofonierung erst, wenn das Ausgangssignal passt. In diesem Fall kann ein zweites Mikrofon einen guten Sound nochmals verbessern. Der Fantasie sind dabei kaum Grenzen gesetzt. Die vorgeschlagenen Kombinationen sollen eine Ausgangsbasis für eigene Experimente darstellen, die im Idealfall zu einem neuen, frischen Sound abseits der bekannten Klangästhetik führen. Und nicht vergessen, ab und an den Polaritäts/Phase-Taster bei einem der zwei Mikrofone zu aktivieren. Unfälle produzieren manchmal die originellsten Sounds.

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