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Artiphon Orba Test

Der „Orba“ ist das zweite Instrument, respektive Controller, vom kleinen Startup-Unternehmen „Artiphon“, hinter dem der studierte Musiker, Soziologe und Erfinder Mike Butera steht. Der umtriebige Akademiker, der einen Doktor in „Sound Studies“ hält und ein gern gesehener Referent im Bereich Musik-Technologie und Augmented Creativity ist, lässt seinen theoretischen Überlegungen immer wieder praktische Entwicklungen folgen: Nach dem ungewöhnlichen Multifunktions-Controller „Instrument 1“ folgt nun der handliche – durch eine Kickstarter-Kampagne angeschobene – „Orba“. Ein rund hundert Euro teures Taschenspielzeug, das Controller, Looper und Synthesizer in einem sein will und sich mit seiner USB-Controller-Funktionalität sogar für höhere Aufgaben empfehlen möchte. 

Der Artiphon Orba ist ein berührungsempfindlicher Multifunktions-Controller mit integrierter Klangerzeugung, mit dem man einiges machen kann.
Der Artiphon Orba ist ein berührungsempfindlicher Multifunktions-Controller mit integrierter Klangerzeugung, mit dem man einiges machen kann.

Details

Aufbau des Artiphon Orba

Die Idee des Orba ist so simpel wie gut: Auf der Oberseite sitzen acht Touch-sensitive Trigger-Pads mit denen – abhängig vom gewählten Part (Drum, Bass, Chord und Lead) – Figuren eingespielt werden können. Ein zentral angeordneter „A“-Taster schaltet zwischen den Modi um und ermöglicht den Zugriff auf Zusatzfunktionen wie Aufnahme, Play/Pause und Oktavlagenwechsel. Zusätzlich sind in den Orba Bewegungs- und Lagesensoren integriert, die zur Erkennung von Winken, Neigen, Schütteln und Stößen dienen und abhängig vom gewählten Modus, Modulationen oder Trigger-Befehle auslösen. Das alles wird intern in Standard-MIDI-Befehle (inklusive MPE) umgewandelt und kann so wahlweise auch über USB-Kabel (über das der Orba auch geladen wird), oder USB-over-Bluetooth zur Steuerung von Apps oder DAWs herangezogen werden. Das taktile Feedback direkt am Gerät erfolgt zum einen durch integrierte Lautsprecher, zum anderen durch einen Vibrationsmotor.

Auspacken

Der hübsch gestalteten Umverpackung entnehme ich die ebenfalls sehr schick designte Verpackung in der sich der Artiphon Orba selbst, ein USB-A-auf-USB-C Kabel und ein kleiner Quickstart-Zettel befinden.

Fotostrecke: 3 Bilder Der Orba in seiner Umverpackung. (Foto: Numinos)

Erster Eindruck

Der Orba liegt mit seiner Halbkugel-Form und einem Gewicht von 150 Gramm gut in der Hand und ist sowohl für Links- wie Rechtshänder gleichermaßen nutzbar. Die Unterseite ist abgeflacht und mit zwei integrierten Fuß-Kanten versehen, worauf er sicher steht, was ihm allerdings auch ein bisschen die Optik einer Eieruhr gibt. Wer noch ein bisschen mehr Grip in der Hand braucht: Artiphon bieten zwischenzeitlich auch Silikon-Überzüge in verschiedenen Farben an. Am oberen Rand des Orba befinden sich drei blaue Taster: mit dem einen regelt man die Lautstärke, der andere dient dem Ein-/Ausschalten und der Aktivierung des Bluetooth-Pairings. Rechts davon sitzen dann die USB-C- und eine Kopfhörer-/Lautsprecher-Buchse im Miniklinken-Format.

Fotostrecke: 4 Bilder Der Orba von oben betrachtet. (Foto: Numinos)

Orba App zur Steuerung

Sowohl für MacOS, Windows, iOS, (Android derzeit noch in Entwicklung) ist die kostenlose Orba Apperhältlich. Sie hat vornehmlich die Aufgabe, die Sounds der vier polyphon spielbaren Parts (Drum, Bass, Chord, Lead) zu wechseln und Songs zu verwalten, die mit dem Aruphon Orba kreiert wurden. 

Fotostrecke: 5 Bilder Die Orba App sieht auf allen Betriebssystemen fast gleich aus. (Foto: Numinos)

Daneben stellen Artiphon noch die sehr nützlichen Apps „Max For Live Utility Device“ (genau genommen ist es ein Max4Live-Patch) und „Utility Presets“ bereit. Mit der Erstgenannten lassen sich die verschiedenen Gesten innerhalb von Ableton Live isolieren und auf Controller-Ziele mappen. Die Zweite isoliert ebenfalls die möglichen Gesten, sodass man sie auf ein beliebiges Controller-Ziel adressieren kann.

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Praxis

Handhabung

Was man dem Entwickler, Dr. Mike Butera und seinem Team zunächst einmal positiv attestieren kann ist, dass sie sich ein einfaches, konsistentes Bedienkonzept überlegt haben, das sich entweder direkt, oder durch Kombinationen der zentralen A-Taste mit den acht durchnummerierten Touch-Flächen bedienen lässt. Die Standalone-Bedienung ist im Prinzip kinderleicht: Gewünschten Part via A-Funktionstaste anwählen, vermittels A+Taste 6 (Rec) in den Aufnahmemodus wechseln, woraufhin ein angenehm klingender Klick das Tempo vorgibt. Mit der ersten gespielten Note startet die – maximal acht Takte lange – Aufnahme, erneutes Drücken der Taste „A“ beendet die Aufnahme-Schleife und der Orba geht in den Overdub-Modus. Der erste eingespielte Part bestimmt auch die Länge der folgenden Parts. Es ist also nicht möglich, ein eintaktiges Drumloop, einzuspielen und das dann um eine viertaktige Baseline und eine achttaktige Chord-Begleitung zu ergänzen.
Das Einspielen direkt am Orba empfand ich an vielen Stellen als ausgesprochen hackelig: Als größte Schwierigkeit stellte sich beim Einspielen das rhythmische Beenden der Phrase, durch Drücken des „A“-Tasters dar. Denn der verlangt gelegentlich nach einer sehr verbindlichen Berührung, was ein haptischer Bruch ist, wenn man gerade noch versuchte mit leichten Fingern schnell über die Triggerpads zu fliegen. Dass der Orba jeden Tastendruck mit einer leichten Vibration quittiert, geht einem mit der Zeit ein bisschen auf die Nerven und lässt sich aktuell leider noch nicht abschalten (wobei ich überzeugt bin, dass das geht). Die zweite Schwierigkeit lag – für mich als Mensch mit relativ großen Händen und Fingern – darin, die Pads sauber zu treffen. Immer wieder kam ich auf eine danebenliegende Taste und je nachdem, wie man das oder den Orba hält, kommt auch noch der Daumenballen ins Spiel, der unfreiwillige Triggerings auslöst. Die dritte Hürde liegt darin, dass Noten– und Gesten-Informationen oft nicht sauber erkannt und umgesetzt werden. Ich jedenfalls hatte hier häufiger das Gefühl, den Orba sehr vorsichtig und „richtig“ spielen zu müssen, damit er das macht, was ich von ihm will. 

Verwendung der Orba App

Ein bisschen angenehmer wird es, wenn die Orba App ins Spiel kommt, denn in ihr lässt sich die Record-Funktion relativ genau auslösen. In der App ist dann auch der Wechsel von Sounds möglich, wobei er sich beim Transfer in den Speicher immer eine kurze Nachdenk-Pause von ca. zwei bis drei Sekunden gönnt, während der auch die Wiedergabe stoppt. Das Soundangebot ist (derzeit) noch recht überschaubar und umfasst jeweils zehn Klänge in den vier Kategorien, alle einem gleichen Thema folgen, wie beispielsweise Ambeeant, Boomy Booms oder Cartridge.
Innerhalb der App erhält man Zugriff auf einige wichtige Parameter wie beispielsweise das Update der Firmware, das Deaktivieren der integrierten Klangerzeugung (wobei sich das auch mit der Lautstärke am Gerät erledigen lässt), die Skalierung des Pitch-Bend und das Selektieren des gewünschten MIDI-Modus (MPE, Single Channel oder Channel-per-part). Gefehlt hat mir hier – wie bereits erwähnt – eine Möglichkeit zum Abschalten der Vibration. Auch habe ich eine Möglichkeit vermisst, eingespielte Song – wahlweise als Audio- oder MIDI-Datei – zu exportieren. Für kommende Updates ebenfalls wünschenswert: Eine Möglichkeit, die Akkorde im Chord-Modus zu editieren.
Soweit zum Orba im Einsatz mit der integrierten Klangerzeugung und dem Looper. Bis hier hin hat mich der kleine ‚Taschensynthesizerloopercontroller‘ – so sympathisch ich ihn auch gedacht und gemacht finde – nicht vollständig überzeugen können. Das Bild ändert sich deutlich, wenn man dazu übergeht, seine Qualitäten als MIDI-Controller zu entdecken. In meinem Fall in Verbindung mit Ableton Live, wo ich alleine schon zwei Szenarien fand, in denen ich den Artiphon Orba durchaus Gewinn bringend einsetzen konnte.

Der Artiphon Orba findet auf vielfache Weise Anschluss an den Rechner. (Foto: Numinos)
Der Artiphon Orba findet auf vielfache Weise Anschluss an den Rechner. (Foto: Numinos)

Artiphon Orba als MIDI-Controller

Allen voran ist da der Einsatz als simple, formschöne Transportsteuerung zu nennen, die man irgendwo neben das Masterkeyboard stellen kann und – nach dem Anlernen der gewünschten Kommandos – als vorzügliche Fernbedienung agiert. Inklusive Vibrationsfeedback. Damit einem beim Anlernen der Kommandos (zur Transportsteuerung will man ja in der Regel einfach Note-On/Off-Befehle haben) nicht ständig irgendwelche Typ-fremden MIDI-CC-Befehle über den Bildschirm sausen, finden sich auf der Artiphon-Homepage acht verschiedene Presets, die man der Orba-App unterschieben muss. Hat man das erledigt, finden sich im Preset-Ordner des ‚Bass‘ acht Presets, die – hat man sie in den Orba geladen – dafür sorgen, dass nur ein einziger Controller-Wert den Orba verlässt. Leider ist der Controller für die Drehung des Orba derzeit noch so konfiguriert, dass er auf den Ursprungswert zurückspringt, wenn man die Drehung beendet. Wenn Artiphon noch einen ausgewachsenen Controller-Editor nachliefern (und davon gehe ich aus) in dem es möglich ist auf absolute Werte zu schalten, sollte sich entsprechend sogar das Master-/Monitor-Volume durch eine Drehung des Orba steuern lassen.
Auf der Artiphon-Seite findet sich darüber hinaus auch ein Max4Live-Patch, der sämtliche Gesten des Orba direkt entgegennimmt, woraufhin sie sich mit einer einfachen Mapping-Funktion auf jeden in Ableton anliegenden Parameter adressieren lassen. Wie das in der Praxis aussehen kann, habe ich für euch mal in einem kurzen Video dokumentiert

Wie klingt der Artiphon Orba?

Wie bereits gesagt, ist die Auswahl an Klängen derzeit noch recht überschaubar: Zehn Sound in vier Parts macht summa sumarum vierzig Klänge. Die sind durchaus fantasievoll programmiert und nutzen die Möglichkeiten der Gesten-Steuerung stellenweise sehr gut. Sie zeigen aber auch die leichte Unberechenbarkeit, die in der Sensorik der Gesten-Erkennung liegt: Sound brechen auch schnell mal aus oder nehmen in der Lautstärke zu schnell ab. Ebenfalls störend: einige Klänge haben hörbar noch kleinere „Bugs“, wie beispielsweise knacksende Attacks oder leichte Zerrungen. Wenn diese dann auf die nicht unbedingt voluminösen Fähigkeiten des internen Lautsprechers treffen (die Physik setzt hier einfach Grenzen), kann es schnell auch mal ein bisschen krachig werden.

Audiobeispiele zu Artiphon Orba

Audio Samples
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Bass: Bedroom Bass: Cartridge Chord: Eyes Closed Chord: Ohm Drums: Boomy Boom Drums: Ohm Lead: Ambeeant Lead: Bedroom
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Fazit

Der Orba von Artiphon ist ohne Frage ein ziemlich klug gedachter Musik-Controller, der es schafft, moderne industrielle (und damit billig gewordene) Standard-Sensorik (Berührung, Druckstärke, Beschleunigung, Neigung, Rotation) in ein charmantes und simples 4-Part Looper-Konzept mit integriertem Lautsprecher und USB-Funktionalität zu integrieren. Dabei ist es stellenweise ganz erstaunlich, wie viel Ausdrucksmöglichkeit die einzelnen – über die zugehörige App auswählbaren Klänge – durch die Sensorik gewinnen. Drei Faktoren bremsen allerdings die uneingeschränkte Spielfreude: Zum einen ist das der Umstand, dass Soundwechsel nicht am Orba direkt, sondern nur in Verbindung mit der App erfolgen können. Zum anderen, die nicht immer präzise Ansprache der Taster und Sensoren und der doch etwas dürftige Sound. Und zu guter Letzt noch die (derzeit) fehlende Möglichkeiten, eigene Skalen und Akkorde zu definieren, aufgenommene Stücke zu editieren und exportieren, sowie die aktuell noch sehr eingeschränkte und klanglich eher mittelmäßige Soundauswahl.

Bis hier hin würde ich dem Orba bestenfalls zwei Sterne geben, da ich sowohl die Idee wie auch das Design für wirklich gelungen halte und das trotz der genannten Nachteile entsprechend honorieren würde. Da die kleine Halbkugel aber – glücklicherweise – ein vollwertiger MIDI-Controller ist, ergeben sich im Zusammenspiel mit externen Klangerzeugern, Plug-Ins und DAWs allerdings noch unzählige weitere Steuer- und Performance-Möglichkeiten, die den Orba – auch und gerade in Anbetracht seines günstigen Preises – dann doch weitaus interessanter machen, als wie es auf den ersten Blick und im Standalone-Modus scheint. Bei einer Live-Performance mal eben eine globale Filterfahrt mit der Neigung der Hand (und darin dem Orba) steuern – kein Problem. Die schicke Halbkugel auf dem Masterkeyboard stehen lassen und damit die Transportfunktionen der DAW befehligen – auch das geht. Ein Synth-Solo mit einem komplexen Synthesizer-Plug-In spielen und dabei nicht nur Noten, sondern auch Pitch-Bend, Filterfrequenz und Resonanz wie durch Zauberei in der Luft steuern – möglich (allerdings nicht immer ganz präzise steuerbar, wie bereits erwähnt). Das ist mir in der Summe und für die Möglichkeiten, die sich hier für gerade einmal hundert Euro bieten, dann doch noch mal einen vollen Stern wert. Kurz: Orba im Standalone-Modus zum Musikmachen: Geht so. Orba als MIDI-Controller (mit verschiedensten Einsatzmöglichkeiten): Ist ein Versuch wert.

Unser Fazit:
3 / 5
Pro
  • Ungewöhnliches Konzept
  • MIDI-Controller-Funktionalität
  • Günstiger Preis
  • Lässt sich sehr gut als Remote-Controller „zweckentfremden“
Contra
  • App etwas träge
  • Soundwechsel nur über App möglich
  • Soundangebot derzeit noch klein
  • Noch kein Mapping- und Skalen-Editor
  • Vibrationsfeedback nicht abschaltbar
  • Triggering/Sensorik ungenau
Artikelbild
Artiphon Orba Test
Für 89,00€ bei
Der Artiphon Orba ist ein berührungsempfindlicher Multifunktions-Controller mit integrierter Klangerzeugung, mit dem man einiges machen kann.
Der Artiphon Orba ist ein berührungsempfindlicher Multifunktions-Controller mit integrierter Klangerzeugung, mit dem man einiges machen kann.
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