Quer durch die Spielarten moderner Tanz- und Hörmusik genießen die Machinedrum und Monomachine aus dem Hause Elektron einen hervorragenden Ruf. Besonders in der Minimalfraktion hat das kompromisslos auf Hardware basierende Konzept der Schweden viel Anklang gefunden. Denn gerade bei der Pattern-orientierten Arbeit an „echter“ Hardware entstehen oft – von vielen Musikern als magisch beschriebene – kontemplative Momente, die sich grundlegend von der gängigen Mausschubserei unterscheiden. Mit dem Octatrack (1240 Euro UVP) bescheren uns die Nordlichter nun das dritte Gerät im Bunde und nehmen damit – nach Schlagwerk und Synthesizer – den Bereich Sampling in Angriff.
Der Begriff Sampler dient dabei allerdings nur zur groben Klassenbeschreibung. In Wahrheit ist der Octatrack nämlich sehr viel mehr als das. Nicht ohne Grund lesen wir auf der Frontplatte „Dynamic Performance Sampler“ und auch der Crossfader lässt erkennen, dass mit dem Teil noch ganz andere Tricks machbar sind, als einfach nur Audiomaterial zu speichern und abzufeuern. Um dem geneigten Leser den folgenden Testbericht im Vorfeld bereits etwas schmackhaft zu machen, werfe ich vorsorglich schon mal ein paar Zückerchen in den Raum: makro-orientiertes Parameter-Editing, stufenlose Szenen-Interpolation und Echtzeit-Sample-Modulation. Und nun geht´ los.
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DETAILS
Der Karton beherbergt neben dem Octatrack selbst, ein Netzteil nebst passendem Stromkabel, ein USB-Kabel, eine vier Gigabyte fassende CompactFlash-Karte, die Bedienungsanleitung (in Englisch) und zwei Pappen mit recht stilsicher gestalteten Stickern der Firma Elektron.
1/2 So sieht es aus, wenn man einen Octatrack in freier Wildbahn geschossen hat
2/2 Stolze Besitzer eines Octatrack können ihre Umwelt mit diesen hübschen Stickern verschönern
Äußerlichkeiten Seine stattlichen 2,4 Kilo verteilt der Octatrack auf einer Stellfläche von 34 Zentimetern in der Breite, 18 in der Tiefe und 6,3 in der Höhe. Das Gewicht in Verbindung mit dem Vollmetall-Gehäuse und der gebürsteten Aluminium-Frontplatte verleiht dem Gerät eine souveräne haptische Qualität. Der positive Eindruck setzt sich fort, wenn man zum Infinium-Crossfader greift, der eine Länge von 45 Millimetern optisch abtastet. Das Teil gleitet butterzart unter den Fingern entlang – erstklassig. Alle Potenziometer-Köpfe und die Crossfader-Cap sind aus Kunststoff gefertigt und werden von einer griffigen Gummi-Ummantelung eingefasst. Für die Taster-Kappen kommt leicht angerauter Kunststoff zum Einsatz. Da beim Drücken kein eindeutiger Klickpunkt wahrnehmbar ist, werkeln darunter offenbar keine Micro- oder Folien-Switches, sondern klassische Druckschalter. Ein Vorteil daran ist die lange Lebensdauer, ein Nachteil ist das Fehlen eines haptischen Feedbacks.
1/2 Der Infinium-Crossfader: ein echter Fingerschmeichler
2/2 Alle Potiköpfe haben dank einer Gummi-Ummantelung einen sehr angenehmen Grip
Anschlüsse Ich wende meinen Blick der Rückseite zu und sehe von links nach rechts zunächst einen Power-Wippschalter, die Strombuchse, einen USB-Anschluss (Typ-A) und einen Slot zum Einführen einer CompactFlash-Karte. Es folgt das weltbekannte MIDI-Trio In, Out und Thru. Rechts daneben residieren zwei Klinken-Stereo-Eingänge (Input A/B und C/D) nebst einem Cue-Out und dem unverzichtbaren Main-Out. Komplettiert wird die Anschluss-Sektion durch einen Stereo-Klinken-Kopfhörerausgang.
Die Rückseite des Octatrack in voller Pracht
Eingangs sei gesagt, dass sämtliche Taster des Octatrack doppelt belegt sind. Die Zweitfunktionen werden durch gleichzeitiges Drücken der Function-Taste in Verbindung mit dem entsprechenden Bedienelement abgerufen. Zentraler Blickfang ist das hintergrundbeleuchtete, monochrome LCD-Display mit seiner etwas puristischen, Elektron-typischen Auflösung von 128 mal 64 Pixel.Daneben schmiegen sich acht Track-Select-Taster an, darunter vier Taster zur Anwahl von Playback-, Amplituden-, LFO- und Effekt-Seiten. Südlich davon logiert die Dreieinigkeit aus Play, Stop und Record, links daneben ein Cursor-Tastenkreuz nebst Enter/Yes- und Exit/No-Buttons.
Weiter im Westen findet sich der bereits erwähnte Function-Taster zusammen mit Cue-, Pattern- und Bank-Drückebergern. Auf der gegenüberliegenden Seite haust der Crossfader mit seinen Kumpanen Szene-A und Szene-B. Den Abschluss nach unten bilden 16 Taster, die sowohl zur Lauflicht-Programmierung als auch zur Anwahl von Bänken, Patterns, Sample-Triggern und dem Anfeuern von Samples dienen.
In der oberen linken Ecke hat der Volume-Regler seinen Platz gefunden, der zur Rechten von zwei Record-Input-Tastern begleitet wird. Sie sind jeweils mit zwei Leuchtdioden ausgestattet, welche den Pegel der vier rückseitigen Eingänge visualisieren. Etwas tiefer sind zwei weitere Taster positioniert, die mit den wichtigen Aufgaben betraut sind, zwischen Mixer- und Projekt-Setup-Menü, sowie zwischen Midi- und Part-Ansicht umzuschalten.
Diese Sektion findet ihre Entsprechung auf der gegenüberliegenden Seite, wo sieben Potenziometer zur interaktiven Eingabe von jeglicher Art von Parametern dienen. Hier versteckt sich auch ein Tempo-Taster, mit dem der Artist (entweder locker getappt oder zielgenau eingegeben) das Wiedergabe-Tempo bestimmt.
Fast alle Taster sind von LEDs flankiert, die je nach Betriebszustand rot, grün oder orange leuchten. Nur leider kann die Unterscheidung zwischen Rot und Orange, je nach Beleuchtungssituation und Blickwinkel, manchmal etwas schwer fallen.
Rot, Grün, Gelb – je nach Betrachtungswinkel nicht immer eindeutig
Konzept Der Octatrack ist ein Hardware-Sampler, der von zwei DSPs befeuert wird. Wiederzugebende Audiodaten bezieht er wahlweise aus dem 64 Megabyte großen, internen Speicher oder streamt sie direkt von einer eingelegten CompactFlash-Karte, deren maximales Datenvolumen bis zu 64 Gigabyte betragen darf. Dabei wird die maximale Länge von Samples nur durch die Kapazität der verwendeten CF-Karte begrenzt. Geeignet sind alle Modelle von UDMA CompactFlash-Cards, die 133x (ca. 20MB/s) Datentransferrate beim Schreiben und Lesen unterstützen und mit einem FAT (16/32) Dateisystem formatiert sind. Octatrack verfügt insgesamt über sechzehn Spuren von denen acht als interne Spuren zur Steuerung der Samples dienen, die acht weiteren zum Senden von Noteninformationen an externe Midi-Geräte herangezogen werden können. Für jede interne Spur lässt sich aus vier „Maschinen-Typen“ wählen: Zur Auswahl stehen Flex-, Static-, Thru- und Neighbor-Machine (dazu später mehr).
Struktur In seinem Dateisystem ist der Octatrack grundsätzlich streng hierarchisch organisiert: Die Befehlskette verläuft hier absteigend von Set, Projects, Arrangements, Parts, Banks und Patterns bis hinunter zu Scenes, Track Parameters, Effekt- und Machine-Assignments. Im Bereich der Sample-Wiedergabe und Parameter-Verwaltung hingegen herrscht eine fast schon modulare Flexibilität: Aus dem globalen Audiopool dürfen sich nämlich sowohl Flex- als auch Static-Sample-Machines (dazu später mehr) nach Herzenslust bedienen.
Aber statten wir den verschiedenen Instanzen des Octatrack der Reihe nach einen Besuch ab: Oberster Chef ist immer das Set. Es beherbergt eine beliebig große Anzahl von Projekten, welche ihrerseits maximal acht Arrangements umfassen können. Pro Projekt können sechzehn Bänke á sechzehn Pattern erstellt werden, wodurch in der Summe pro Projekt 256 Patterns abrufbar sind. Jedes Projekt kann ferner vier Parts enthalten, welche wiederum mit sechzehn Szenen bestückt werden können. Schon etwas schummerig vor lauter Features? Holen sie sich Kaffee – wir legen gerade erst los …
Set Ein Set ist gewissermaßen der komplette Betriebszustand des Octatrack – mit allen Projekten, Szenen und Spuren. Man arbeitet folglich zwangsläufig immer innerhalb eines Sets. Da sich pro Sets beliebig viele Projekte anlegen lassen, dürfte es für viele Anwender nicht erforderlich sein, jemals im Leben das Set zu wechseln. Als Archivierungsformat hat es dennoch seine Daseinsberechtigung – genügt es doch, im USB-Verbund, den kompletten Set-Ordner einfach von der CF-Karte auf den Rechner zu ziehen, um in null Komma nichts ein Vollbackup zu erstellen.
Der File-Browser
Audio-Pool Vize-Kanzler im Staate Octatrack ist der Audio-Pool. Er ist in seiner Größe nur durch die verwendete Karte beschränkt und ist sozusagen der große Topf, wo jedes noch so kleine Sample hineingeworfen wird. Auch hier dürfte mancher Musiker – abhängig davon, ob er es bevorzugt, alle Samples immer verfügbar zu haben oder lieber für jeden Track neue Samples anlegt – in seiner ganzen Karriere mit einem einzigen Audio-Pool auskommt.
Eine besondere Rolle kommt hierbei der USB-Konnektivität zu. Über das File-Menü lässt sich der Kandidat in den USB-Modus versetzen und der Anwender erlangt über einen Rechner Zugriff auf den integrierten Card-Reader. Dort entblättert sich die gesamte Datenhierarchie des Gerätes, wodurch sich sämtliche Daten komfortabel zwischen Rechner und Karte verschieben lassen. Transferieren, Sichern und Zurückspielen kompletter Sets gehen entsprechend einfach von der Hand.
Dateien zwischen der CF-Card im Octatrack und einem verbundenen Rechner verschieben geht problemlos
Jeder Spur des Octatrack lässt sich eine von vier so genannten „Machines“ zuweisen. Zur Auswahl stehen hier Flex-, Static-, Thru- und Neighbor. Allen Maschinen gemeinsam ist, dass ihnen zwei Effekt-Instanzen zur Verfügung stehen (insgesamt verfügt der Octatrack also über sechzehn Effekteinheiten). Einfachster Vertreter dieser Gattung ist die Thru-Machine. Sie empfängt wahlweise über die Eingänge A/B oder C/D angeliefertes Audiomaterial. Sie kommt folglich auch immer dann zum Einsatz, wenn man den Octatrack als DJ-Mischer gebrauchen will. Die Neighbor-Machine dient vornehmlich zum Erstellen von Effektketten, da ihre einzige Aufgabe darin besteht, das Signal des vorhergehenden Kanals noch einmal durch die eigenen beiden Effekt-Instanzen zu jagen.
Komplizierter wird es mit den beiden Genossen Flex- und Static-Machine. Grobe Unterscheidung zwischen beiden ist, dass Flex Samples aus dem RAM wiedergibt. Static streamt von der CF-Karte, weshalb man Samples, welche die 2,7-MB-Grenze übersteigen, besser in dessen Obhut geben sollte. Ferner empfiehlt es sich bei extremen Modulationen von Sample-Startpunkten und/oder wilden Slice-Sprüngen, dem Flex-Modul den Vorzug zu geben, da die Wiedergabe aus dem RAM prinzipbedingt schneller ausgeführt wird, als von der Speicherkarte.
Schlussendlich muss die Static-Machine bei der Wiedergabe von 24-Bit passen – das kann nur Kollege Flex. In der Funktionalität unterscheiden sich die beiden Maschinen indes kaum. Sie können Samples wahlweise geloopt oder gesliced sowie Time- oder Pitch-gestretcht mit variablem Start- und Endpunkt wiedergeben. Audioeditor Hat ein Sample seinen Weg in eine der Maschinen-Instanzen gefunden, kann der User es im Audioeditor feintunen. Dabei reichen die Bearbeitungsmöglichkeiten vom einfachen Trimmen über das Setzen von Loop-Punkten bis hin zur Normalisierung und dem unverzichtbaren Slicen. Eine Auto-Slice-Funktion stand der auf unserem Testgerät installierten Betriebssystem-Version (1.01b) noch nicht zur Verfügung. Wohl aber das automatisierte, metrische Zerhackstücken in zwei bis 64 gleich große Scheibchen.
Irgendwie erinnert mich diese Darstellung an meine Jugend und den Akai S-1000
Play-Parameter Sobald eine Spur mit einer Sample-Maschine bestückt ist, kann man die weitreichenden Modulationsmöglichkeiten des Octatrack in Stellung bringen. Zur Auswahl stehen Playback, Amp, LFO und Effekt 1 und 2. Auf Playback bin ich bereits eingegangen, wenden wir uns also direkt Amp – also der Hüllkurve zu: Sie folgt dem klassischen Attack-, Hold-, Release-Schema, hält aber im Untermenü Setup noch einige Besonderheiten bereit. So lässt sich beispielsweise festlegen, ob die Hüllkurve zwingend bei null starten oder beim aktuellen Wert abgeholt werden soll. Ferner ob das Attack-Verhalten linear oder logarithmisch agiert. Obendrein kann adressiert werden, ob und wenn ja, wie stark die Lautstärken-Hüllkurve auf die beiden Effekt-Einheiten des Kanals wirken soll.
Hinter LFO verbergen sich drei ausgefuchste Modulationsgeneratoren, die standardmäßig bereits mit dem gerade anliegenden Tempo synchronisiert sind und in verschiedensten Teiler-Geschwindigkeiten laufen können. Neben elf Basis-Wellenformen sind hier acht vom Anwender frei programmierbare Verläufe herstellbar. Diesen Job erledigt man im LFO-Designer, wo sich Wellenformen nach Herzenslust formen und verbiegen lassen. Als Modulationsziel kommen alle (!) Play-Parameter einer Spur in Frage. Die LFO-Sektion selbst ist dabei auswählbar: So lässt sich mit LFO1 beispielsweise ein rhythmisches 16-tel Random-Geblubber zaubern, welches dann auf den Verlauf einer ruhigen, über mehrere Takte angelegten Sinuskurve von LFO2 wirkt.
Der LFO-Designer: Modulations-Wellenformen selber „bauen“
Letztes Glied in der Kette sind die beiden Effekt-Instanzen, die folgende Klangverbieger bereithalten:
Effektprozessor zwei beherrscht neben den zuvor genannten Kunststücken zusätzlich noch: Echo, Freeze, Delay (siehe Video) und …
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
Gatebox, Plate, Reverb
Alle Effekte sind von ihrem grundsätzlichen Charakter und Eingriffsverhalten klar der elektronischen Musik zuzuordnen und agieren sehr souverän, wenn es um radikale Klangänderungen geht. Dabei überzeugen vor allem der Lo-Fi-Effekt, das Multi-Mode-Filter und das – besonders bei dynamischer Steuerung – sehr flexible Delay. Ein bisschen mehr Nachhallzeit hätte ich mir – als durch und durch Dub-beseelter Producer – allerdings bei der Parametrisierung des Reverb gewünscht. Auch bei Maximalwerten ist er zu kurz, um Klänge geschmeidig im endlosen Raum verschwinden zu lassen. Sequenzer Soviel Klangpower will ja an irgendeinem Punkt auch mal in musikalische Strukturen gebracht werden und hier kommt der Sequencer ins Spiel. Er beherrscht natürlich die klassische Lauflicht-Programmierung, wobei sich die Länge der Patterns von sechzehn bis vierundsechzig Steps erstrecken darf. Da nur sechzehn Tasten zur Verfügung stehen, lassen sich die anderen Segmente über den Scale-Taster rechts unten erreichen.
Auch das Eintippen in Echtzeit ist möglich, wobei die letzten acht Taster dann als Trigger-Pads fungieren. So gesetzten Events lässt sich pro Schlag ein Swing- oder Slide-Akzent verpassen. Wer der Sache noch mehr Funk einhauchen will, begibt sich in den Micro-Timing-Editor. Dort lässt sich auf das 384-tel-genau der Versatz jeder einzelnen Note bestimmen.
1/2 Mit dem Scale-Taster schaltet man sich durch alle 64 Steps eines Patterns
2/2 Wer dem starren Maschinen-Groove entfliehen will, kann hier jeder einzelnen Note den Funk einhauchen
Und dann wäre da noch der Arpeggiator: Mit ihm lassen sich Sequenzen von bis zu 16-Steps erstellen, die über den Umfang von vierundsechzig Halbtönen reichen können. Eine integrierte Skalenkorrektur sorgt auf Wunsch für tonal korrekte Noten.
Bringt mächtig Bewegung ins Spiel: Der Arpeggiator
Mixer Als Schaltstelle für alle an- und abgehende Audiosignale fungiert die Mixer-Seite. Neben Panning, Main- und Cue-Pegel, kann hier auch der Anteil des durchgeschliffenen Direktsignals der Eingänge A/B und C/D bestimmt werden. Eine einfache Mute-Matrix in der untersten Zeile visualisiert übersichtlich, ob und wenn ja, welche Kanäle gerade stumm geschaltet sind.
Einfach und übersichtlich – die Mixer-Seite
Sampling Bevor ich es vergesse: Samplen lässt sich mit dem Octatrack übrigens auch. Und das – Leser, die mir bis hierhin die Stange gehalten haben, werden es bereits ahnen – auf ziemlich ausgefuchste Art und Weise. Zum einen wäre da das schlichte manuelle Aufnehmen von Klangmaterial. Dazu wählt man einen der beiden Audio-Ins (A/B und C/D) aus und schreibt den ankommenden Audiostrom direkt in einen der acht 2,7 Megabyte großen Audiobuffer. Hier lauerte übrigens ein Fallstrick in der Bedienungsanleitung, der erst durch ein einstündiges Telefonat mit Schweden aufgeklärt werden konnte: Geht man eins zu eins nach dem Beipackzettel vor, gelingt es einem nicht, die aufgenommenen Klänge abzuspielen. Des Rätsels Lösung: Nach der Aufnahme muss man den Audiobuffer der Spur auf der aufgenommen wurde, erst wieder in eine Flex- oder Static Machine laden, dann klappt’s auch mit der Wiedergabe. Nicht unlogisch, aber dennoch ärgerlich. Anwender, die der englischen Sprach nicht mächtig sind, dürften hier bitter scheitern. Ein Minuspunkt.
Weitaus trickreicher wird es, wenn man mit sogenannten Sample-Triggern arbeitet. Im Grunde sind das Aufnahme-Startpunkte, die über die Lauflicht-Leiste des Octatrack gesetzt werden. Pro Trigger kann sowohl die Aufnahmedauer als auch der zu verwendende Eingang separat bestimmt werden. Damit lassen sich im Live-Betrieb on-the-fly komplexe rhythmische Strukturen und Mash-ups aufschichten, die dann in der Effektsektion und der Szenen-Steuerung direkt weiterverarbeitet werden können. Womit wir auch schon bei einem der Killer-Features des Testobjekts wären, nämlich: Scenes und Parameter Locks Grundsätzlich sind alle Parameter, sowohl auf der Pattern- als auch auf der Scene-Ebene, automatisierbar. Punkte, an denen Werteänderungen stattfinden, heißen in der Sprache des Octatrack Parameter Locks. Um einen solchen Ankerpunkt zu setzen, genügt es, an der entsprechenden Stelle einfach den zugehörigen Wert zu ändern. Um nachträglich noch sehen zu können, wo Parameter Locks gesetzt sind, wird der zugehörige Bildschirm-Parameter farblich invertiert dargestellt.
Gut zu erkennen: Auf dem Pitch liegt ein Parameter Lock
So richtig zum Fliegen kommt die Sau, wenn der Musiker diese Funktion in Verbindung mit Scenes zum Einsatz bringt. Szenen sind gewissermaßen Parameter-Ebenen, die über den aktuellen Betriebszustand gelegt werden. Sie lassen sich für jede Seite des Crossfaders getrennt anwählen und aktivieren. Wechselt er dann mit dem Crossfader zwischen den Szenen, werden die betroffenen Parameter dynamisch(!) interpoliert. Ein Beispiel: In Szene zwei wird der Sample-Startpunkt nach hinten verschoben, das Filter geschlossen und das Delay-Intervall auf einen ganzen Takt gesetzt. In Szene eins startet das Sample genau am Anfang, das Filter ist geöffnet und das Delay-Intervall auf Achtel festgelegt. Bewegt man nun den Crossfader, werden alle diese Parameter gleichzeitig und stufenlos geändert. Und das kann für alle Spuren und unabhängig vom darunterliegenden Pattern erfolgen, denn für die Szenen stehen sechzehn getrennte Speicherplätze pro Part zur Verfügung.
Parts „Parts? Was sind denn nun um alles in der Welt auch noch Parts“, mag sich der Leser fragen, der bis hierhin noch nicht eingeschlummert ist.
Nun, für jede Bank (wir erinnern uns: Ein Projekt= 16 Bänke a 16 Pattern) lassen sich noch vier Parts festlegen, die über eine Tastenkombination im laufenden Betrieb abgerufen werden können. Sie speichern auf Wunsch komplette Änderungen aller Spuren und Play-Parameter. Sinnvoll ist ein Part-Wechsel also immer dann, wenn man eine umfangreiche Änderung aller Klanginstanzen vornehmen möchte, ohne ein neues Projekt öffnen zu müssen.
Die Part-Auswahl
Arranger Kein Hardwaresequenzer ohne die Möglichkeit Pattern zu verketten – der Octatrack macht da keine Ausnahme. Bei ihm nennt sich dies Arranger. Hier lassen sich in 256 Zeilen Parts, Bänke, Pattern und Szenen aneinanderreihen und mit Wiederholungen und Tempowechseln versehen.
Die klassische Patternliste. Beim Octatrack umfasst sie auch die Anwahl von Szenen
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PRAXIS
Direkt vorweg: Ohne das Manual von der ersten bis zur letzten Seite durchgeackert zu haben und ich meine wirklich Lesen, Ausprobieren, Verinnerlichen, kriegt man beim Octatrack keinen Fuß auf den Boden, respektive kein Sample zum Klingen. Leicht macht es einem das Druckwerk dabei nicht: Man merkt an jeder Stelle, dass es von den Entwicklern höchstpersönlich geschrieben wurde – leider ist dadurch die didaktische Aufbereitung ein bisschen zu kurz gekommen. Ich selber gehöre noch zu einer Generation, die ganze Soundbänke und Tracks an winzigen Displays programmiert hat (darunter Kaliber wie Yamaha DX7-II, Roland MC-80 und Emu Ultra Proteus) und brauchte dennoch knapp eine Woche, um mit dem schwarzen Gesellen aus Schweden Freundschaft zu schließen. Und der Weg dahin ist teilweise ziemlich steinig: Er beginnt bei der komplexen Datenhierarchie und reicht über unzählige Doppelbelegungen und Shortcuts, die es auswendig zu lernen gilt, bis hin zu den teilweise schwierig unterscheidbaren LED-Zuständen.
1/2 Rot, Grün, Gelb – je nach Betrachtungswinkel nicht immer eindeutig
2/2 Wirklich jede Taste des Octatrack ist mit zwei Funktionen belegt
Hat der stolze Besitzer diese harten Prüfungen gemeistert und darf sich fortan ein echter Octatrack-Seal nennen, belohnt ihn die Maschine mit einem ziemlich zackigen Workflow. Hier zeigt sich dann auch ihre Qualität als Steuerzentrale in unterschiedlichsten Live-Szenarien. Dank des rocksoliden Master-Clock/Midi-Sequencers, der durchschleifbaren Eingänge samt Vorhör-Funktion, des trickreichen Live-Samplings und der flexiblen Szenen- und Effektsteuerung, bietet die schwarze Metallbox unzählige Einsatzmöglichkeiten. Egal, ob als Zweikanal-DJ-Mixer, Live-Looper mit Effekten oder im Studiosetup, wo sich der Octatrack als Hardwaresequencer-Steuerzentrale anbietet – er macht eine gute Figur. Die Grenzen sind dabei fließend. So wird aus einem DJ-Setup, wenn man den Sampler anwirft, in null Komma nichts eine Remixing-Session. Aus einer Looping-Schleife mal eben eine neue Songidee. Dieser Flow wird besonders durch das octatrack´sche Prinzip gefördert, grundsätzlich nicht-destruktiv zu arbeiten. Alle aktuellen Einstellungen (inklusive Samples) werden immer automatisch gespeichert. Man frickelt an einer Nummer, schaltet die Maschine aus und wieder an und ist genau an dem Punkt, wo man ihm den Strom zwangsweise entzogen hat. Da kann man als DAW-User schon mal neidisch werden.
Ich will dem geschätzten Leser nicht vorenthalten, dass ich zwei Nachmittage auf eine leicht bewegte Wasseroberfläche schauen musste, um mein abschließendes Urteil zu fällen (nun gut, die wärmenden Sonnenstrahlen des Spätsommers machten das Aussitzen dieses Gewissenskonfliktes erträglicher). Warum das? Nun, ich bin mir ziemlich sicher, dass es Musiker gibt, die, wenn sie einfach nur ihre Songideen festhalten wollen und bisher mit einer DAW oder einer Groovebox vom Schlage einer Elektribe gearbeitet haben, den Octatrack hassen werden und ihm nicht mal einen Stern zugestehen würden. Auf der anderen Seite bin ich überzeugt, dass manche Anwender, die ihre Inspiration aus der unmittelbaren Arbeit mit der Maschine ziehen und einen – ich nenne es mal – technischen Zugang zum Musizieren haben, sich im Workflow des Octatrack nach einer intensiven Einarbeitung, bestens zurechtfinden werden. Irgendwo dazwischen liegt also mein Fazit und egal wie man jetzt persönlich das Bedienkonzept wahrnimmt.
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FAZIT
Der Elektron Octatrack ist eine hochinnovative Frickel- und Performance-Maschine, die mit ihrer Flexibilität, ihrer Feature-Dichte und besonders dem dynamischen Szenen- und Parameter-Lock-Konzept, derzeit weitgehend konkurrenzlos ist. Leider wirkt der schwarze Metallblock dabei ein bisschen wie ein Feature-Riese, der in die viel zu engen Schuhe des Machinedrum-Formats gezwängt wurde. Bei seinen beiden Brüdern reicht die Display-Auflösung allemal – sie sind aber auch bei Weitem nicht so komplex, wie der jüngste Spross im Produktsortiment.
Insgesamt reicht es zu vier von fünf Sternen. Der vollen Punktzahl stehen offenkundige Schwächen wie unter anderem das wirklich sehr lernintensive Benutzerinterface mit vielen Doppelbelegungen, das nicht sonderlich hilfreiche Manual und diverse Nickeligkeiten in der Bedienung entgegen. Weniger als vier Punkte wären aber in Anbetracht der innovativen Features, der außerordentlichen Flexibilität und der sehr guten mechanischen Ausführung schlicht ungerecht. In jedem Fall muss man jedem, der mit dem Kauf der ziemlich sportlich ausgepreisten Sample-Maschine liebäugelt, dringend dazu raten, sich für mindestens zwei Nachmittage mit dem Gerät auseinanderzusetzen. Dann wir man sich entweder aus ganzem Herzen in den Octatrack verlieben und bereitwillig die knapp tausendzweihundert Euro entrichten oder Reißaus nehmen und sich für das Geld eine andere Lösung suchen.
Ich finde es ausgesprochen sympathisch, dass es Firmen wie Elektron gibt, die Geräte wie den Octatrack bauen – die nicht darauf ausgelegt sind es allen recht machen zu wollen, sondern knallhart polarisieren.
Unser Fazit:
4 / 5
Pro
innovatives Konzept
robuste Verarbeitung und exzellenter Crossfader einfaches Backup und Datentransfer über USB-Anschluss möglich
flexible Einsatzmöglichkeiten
Contra
Manual stellenweise unklar und falsch
komplizierte Bedienung mit vielen Doppelbelegungen
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gast sagt:
#1 - 05.10.2011 um 02:56 Uhr
das war bei weitem der aufschlussreichste und beste bericht ueber den octatrack! danke.