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Waldorf M Test Preview

Bereits 1978/1979 erblickte der „PPG Wave Computer 360“ das Licht der Welt, der erste Wavetable Synth überhaupt und von Wolfang Palm erschaffen, einem wahren Synthese-Pioneer. Die verbesserte Version PPG Wave 2 erlangte dann – vor allem auch dank Tangerine Dream – echten Kultstatus, und ist heute ein äußerst heiß begehrtes Sammlerobjekt mit entsprechend astronomischen Preisen.

Waldorf_M_01_Test


Der Microwave sollte das Problem der begrenzten Verfügbarkeit bereits Anfang der 1990er Jahre lösen und machte dabei die Wavetable Synthese endlich dem gemeinen Volke zugänglich. Mittlerweile gehört der spartanische 19-Zoll Kasten mit der typisch-roten Nase selbst zum teuren Vintage-Sammelgut, genau wie auch sein „verbesserter“ Nachfolger, der Microwave 2/XT. Entsprechende Plugins folgten – aber „the real deal“ war das alles nicht.
Warum 2021 das Ganze nicht noch einmal richtig auflegen, beide Microwave Versionen mit ihren klanglichen Sonderbarkeiten integrieren und vor allem mit einer vernünftigeren Hardware-Kontrolle garnieren? Gestatten der Waldorf M.

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Mehr Informationen
Demovideo mit Waldorf M Presets für Ambient, Electronica und Techno

Details

Nachfolger der Nachfolger des Nachfolgers

Der Waldorf M ist ein hybrider Synthesizer im Table-Top Design, dessen Engine auf den beiden Waldorf Microwaves basiert – und damit viele Gene des PPG Wave 2.x trägt. Die Wavetable Generatoren sind zwischen „Classic Microwave 1“ (MW1) und „Modern Microwave II/XT“ (MW2) Mode umschaltbar, Sysex-Dumps werden aktuell aber nur vom MW1 akzeptiert.

Mit 440x305x85 mm (HBT) ist der M ganz schön groß!
Mit 440x305x85 mm (HBT) ist der M ganz schön groß!

Fettes Stück Hardware

Das ungewöhnlich große und beachtliche 5,5 kg schwere Gehäuse bietet reichlich Hardware-Bedienelementen; darunter 25 Encoder, 20 Potis und 19 Taster, alle mit angenehm großen Abstand zueinander. 
Die Wavetable/Waves werden mithilfe einer besonders schönen Encoder/Ring-Kombination bedient, ihre rot-anodisierten Kappen wirken besonders edel. Ohnehin ist der M eine sehr hochwertige Erscheinung, wie man es von „Made in Germany“ und einem Straßenpreis von ungefähr 1.800 Euro aber sicherlich auch erwarten darf. Lediglich das 3-Zoll-Display wirkt etwas verloren auf weiter Flur, liefert aber dennoch ausreichend bunte Details um komfortabel selber programmieren zu können.

Edles Bedienkonzept: Der schwarze Ring browst die Wavetable, der rote Knopf die Waves.
Edles Bedienkonzept: Der schwarze Ring browst die Wavetable, der rote Knopf die Waves.

Dual Wavetable Generator

Der M hat zwei unabhängige Wavetable-Oszillatoren mit 96 Wavetables zu bieten, die von einem analogen und resonanzfähigen 24dB Low-Pass-Filter (SSI 2144 Kaskade) und dem analogen Stereo-VCA geformt werden können. Beide können wunderbar in die Sättigung gefahren werden. Mit dem Firmware Update 1.06 kam sogar ein zusätzliches digitales Filter, zwischen Mixer und Filter positioniert, hinzu.

Die vier grauen Encoder sind Kontext-sensitiv und stehen in direktem Zusammenhang mit dem Display-Inhalt.
Die vier grauen Encoder sind Kontext-sensitiv und stehen in direktem Zusammenhang mit dem Display-Inhalt.

Insgesamt bietet M Speicherplätze für 2.048 Sounds, aufgeteilt in 16 Bänke à 128 Sounds. Aktuell sind die Presets aber überwiegend mit „MW1 Legacy Content“ gefüllt – modernere Presets sind aber bereits in Arbeit. Hinzu kommen 32 Slots für eigene Waveforms.
Moduliert wird mit vier Envelopes. Einen DADSR für den VCF und ein ADSR für den Amp sowie eine Acht-Segment Time/Level Hüllkurve für das obligatorische Wave Scanning. Ferner gibt es eine frei zuweisbare Vier-Segment Time/Level-Hüllkurve.
Zusätzlich stehen zwei LFOs und ein Apreggiator mit 16 Pattern, Chord Mode und MIDI-Clock zur Seite. Der M ist ferner achtstimmig polyphon sowie vierfach multi-timbral spielbar. Optional ist eine Erweiterung auf 16 Stimmen möglich. 

Der Signalfluss laut Handbuch.
Der Signalfluss laut Handbuch.

Klangerzeugung: 1 oder 2/XT

Im „modernen“ Microwave II/XT Mode kommt Hard Sync und Ring Modulation dazu, außerdem sind die Wavetables in 16-Bit aufgelöst. Der Classic Mode wiederum bietet die typischere „digital-charmante“ 8-Bit Auflösung sowie auch kein Anti-Aliasing. Wavetables werden außerdem „schlechter“ interpoliert, wodurch es zu den markanten Sprüngen beim Scanning kommt. Ja, und sogar an den den „ASIC Bug“ wurde gedacht, eine aktivierbare Option, die bei eventuellen „Numeric Overflow“ des Chips ordentlich Distortion liefert.

Zwei LFOs und vier Envelopes laden zur fröhlichen Modulation ein!
Zwei LFOs und vier Envelopes laden zur fröhlichen Modulation ein!

Viele Anschlüsse

Die Rückseite des Synths offeriert einen Stereo-Main-Out auf zwei unsymmetrische und große Mono-Klinken sowie vier weitere Einzelausgänge für die Multi-Parts, welche als Stereo-Klinke ausgeführt sind. Hinzu gesellen sich ein getrennt regelbarer Kopfhörer-Ausgang, ein DIN-MIDI-Trio sowie ein USB-MIDI Anschluss und ein SD-Cardslot für Updates und Archivierung. 

Fotostrecke: 2 Bilder Kopfhörer-Ausgang, Stereo-Main-Ausgang sowie vier Stereo-Buchsen für die Parts.
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Praxis

Bedienung

Im Großen und Ganzen erklärt sich der Waldorf M von selbst, auch wenn man keinen der Microwaves wirklich kennt, so wie ich. Allerdings wird der Blick ins Handbuch unausweichlich werden, sollte man wirklich richtig selber schrauben wollen. Das Handbuch ist dankenswerterweise gut geschrieben.

Not acceptable in the 90s / Close to the Eighties

Und man wird definitiv selber schrauben wollen, denn aktuell befinden sich in etwa 80% Legacy Patches im Waldorf M und das klingt für mich leider zu gruselig nach schlechten 1990er Jahre Klischees. Obwohl Klischee natürlich nicht das richtige Wort ist, denn das hier sind ja alles Originale! 

Klares Layout – aber hier und da noch nicht 100% logisch: Der Waldorf M.
Klares Layout – aber hier und da noch nicht 100% logisch: Der Waldorf M.

Für meinen Geschmack sind das also bei Weitem zu viele Glöckchen, Harfen und Glas-Pads! Aus Unkenntnis läuft man dann eventuell Gefahr, das Potential der Kiste zu unterschätzen, wenn man eher ein unbeflecktes Blatt hinsichtlich Wavetable-Synthese ist.
Es soll allerdings bereits Nachschub in Arbeit sein, wobei man nur hoffen kann, dass der nicht in derselben Zeitzone hängen bleibt. Das ist auch der Hauptgrund, warum dieser Test unter Preview läuft. Wirklich lieferfähig ist der Synth wegen Corona ebenfalls nicht, deswegen verbuche ich das einfach mal unter: Dauert wohl noch etwas.

Ein paar geile Patches hab ich allerdings schon gefunden, sie waren nur in der absoluten Minderheit. Hören wir uns die am besten einfach mal an, wobei ich die direkt am Gerät „on the fly“ gespeilt und geschraubt habe – also ohne Automation oder dergleichen zu verwenden. Und das hat wirklich ordentlich Spaß gemacht, wenn man denn die richtigen Presets findet.

Audio Samples
0:00
01 Narillion 02 Iridanni (+Reverb) 03 Wobbi Pad 04 SpikeBass 05 Freon 06 Glöckchen

Work in Progress

Ähnliches gilt für kleine Logik-Stolpersteine wie diesen: Sync und Ring Mod sind im Classic Mode nicht verfügbar – an den Reglern wird das aber nicht erkennbar. Man hört damit nix bei der Verwendung –  trotzdem lässt sich die Sync-LED ein- und ausschalten bzw. sich der Ring Mod Level aufdrehen.
Auch das Blättern der Display-Unterseiten erforderte etwas Gewöhnung, weil man durch mehrfaches Drücken der Taster (Wave, VCA, VCF, etc.) zwar zwischen den Haupteinstellungen für Oszillator 1 oder 2 wechseln kann, aber nur mit dem Encoder an weitere Unterseiten gelangt. Auch so übersieht man eventuell ein paar Funktionen und unterschätzt das Potential.
Da in letzter Zeit viele kleinere Firmware-Update nachgeschoben wurden, kann sich der Sachverhalt auch noch bis zum vollständigen Test ändern. Insofern soll das Ganze nicht wirklich als Kritik gedeutet werden, sondern nur als aktueller Erfahrungswert.

Fotostrecke: 8 Bilder Ein paar ARP Settings.

To FX or not

Effekte gibt es keine im Gerät. Ob das zeitgemäß ist, muss jeder selbst entscheiden. Ich selber finde diese Entscheidung mit Hinblick auf den Retro-Gedanken allerdings angenehm konsequent, zumal Effekte in Synthesizern qualitativ oftmals nur am Rande der eigenen Vorstellung liegen.

Die Verknüpfung der Envelopes mit den Targets hätte für meinen Geschmack etwas intuitiver ausfallen können.
Die Verknüpfung der Envelopes mit den Targets hätte für meinen Geschmack etwas intuitiver ausfallen können.

Spezieller als der Iridium

Der M ist für mich überhaupt kein Brot und Butter Synth, auch wenn Glöckchen für manch einen dazu sicherlich zählen. Der M ist etwas ganz Spezielles für Nerds, die vor allen mit den Unzulänglichkeiten des Microwave I spielen wollen. Er hat mir jedenfalls schon Bock auf mehr Waldorf gemacht – aber ob ich am Ende nicht vielleicht besser mit dem Iridium beraten wäre? Wer weiß, ich kann es leider nicht mit Gewissheit sagen … So schrullig rough-digital ist der Iridium mit seinen 16-Bit Wavetables, der sauberen Interpolation und den modern-digitalen Filtern aber sicherlich nicht. Genauso wenig kann ich behaupten, ob er wie die Originale klingt, wobei ich sagen muss, dass ich mir viele Videos angeschaut habe und zumindest immer den schrillen Charakter bei Pads und Glöckchen heraushören könnte.
Auf der anderen Seite: Wen interessiert´s überhaupt? Und so stellt sich für mich auch gar nicht ernsthaft die Frage nach der ‚hundert-Prozent-Originalität‘, denn, wenn ich mir die Handhabung des 1er Originals anschaue, möchte ich damit schonmal definitiv nichts zu tun haben. Insofern ist der M mit seinen vielen Bedienmöglichkeiten schon jetzt zweifellos der besser Synth, zumal er genauso viel neu, wenn nicht sogar weniger kostet, als aktuell gute erhaltene Vintage-Modelle gehandelt werden.  

Ein geiles Stück Hardware: Waldorf M.
Ein geiles Stück Hardware: Waldorf M.
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Fazit

Der Waldorf M ist kein Universal-Synth sondern etwas sehr Spezielles. Und damit meine ich nicht unbedingt die „aktuellen“, eher altbackenen Presets, sondern die schrullige Klangerzeugung an sich. Der M ist eine liebevolle Reproduktion vieler kleiner „Mängel“, welche den Microwave 1 nun mal ausmachten und dafür eher missbraucht wurden. Beim Waldorf M handelt es sich damit auch nicht um einen modernen Wavetable Synthesizer, sondern explizit um einen modernen Microwave 1 bzw. Microwave 2/XT. Hardcore-Fans können sich sicherlich glücklich schätzen, dass Waldorf das Konzept konsequent umgesetzt hat. Wer indes mehr Flexibilität sucht, sollte sich einmal den Iridium anschauen. Und mit reichlich neuen, vor allem aber modernen Presets bin ich mir allerdings auch sicher, dass der M gänzlich neue Fans gewinnen kann, ohne die 1990er Jahre musikalisch unbedingt neu aufleben lassen zu müssen.

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