Produce-alike #27 – Pink

Willkommen zu einer neuen Folge der Serie Produce-alike! Ja, hier war es lange Zeit still, aber in Zukunft soll es wieder regelmäßig mit auseinandergepuzzelten Popsongs weitergehen! In dieser Folge widmen wir uns dem Comeback-Hit „What About Us“ von Pink, der weltweit die Charts stürmte und mit dem die Sängerin 2018 für einen Grammy nominiert ist (Best Pop Solo Performance).

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„What About Us“ wurde von Pink zusammen mit Steve Mac und Johnny McDaid geschrieben, die auch schon für Ed Sheerans Megahit „Shape Of You“ kollaboriert hatten. Die Produktion übernahm Steve Mac. Der eingängige Midtempo-Popsong schraubt sich sofort ins Ohr. Das könnte unter anderem daran liegen, dass hier mal wieder songwriterischer Minimalismus in Reinkultur praktiziert wird: Das viertaktige Motiv über die drei Akkorde Fm | D♭ | A♭ | A♭ ändert sich im gesamten Song überhaupt nicht – noch nicht einmal für die Bridge ließ man sich zu einer anderen Akkordfolge hinreißen. Doch das bedeutet nicht, dass wir nicht auch in diesem Song einige interessante Tricks und Techniken beobachten könnten. Los geht’s!

Intro

Gleich im Intro begegnet uns die besagte viertaktige Figur, die hier von einem Piano getragen wird. Allerdings handelt es sich dabei nicht um ein strahlendes, brillantes Flügelsample, sondern um einen dumpfen, düsteren Sound mit einer zusätzlichen glockigen Komponente. Ich habe den Sound auf meinem Nord Stage 2 aus zwei Elementen zusammengebaut. Der erste Layer ist ein Flügelsample (Yamaha C7), das mit dem integrierten EQ sehr dumpf gemischt wird:

Audio Samples
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Piano Layer 1: dumpf gefilterter Yamaha C7

Im zweiten Panel des Nord Stage erklingt ein Rhodes (Mk V Close Ideal), das eine Oktave höher als der Flügel gestimmt und im Vergleich viel leiser ist. Außerdem bekommt es einen leichten Chorus. Auch diesen habe ich direkt auf dem Nord Stage mit dem On-Board-Chorus realisiert.

Audio Samples
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Piano Layer 2: Rhodes mit Chorus

Zusammen klingt das dann so:

Audio Samples
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Piano beide Layer
Für das Piano im Einsatz: Nord Stage 2
Für das Piano im Einsatz: Nord Stage 2

Im Hintergrund treiben sich fast unmerklich ein paar sphärische, effektvoll gefilterte Chöre herum. Diese Figur wird uns später wieder begegnen. In Ermangelung von Pinks Background-Chor habe ich dafür behelfsweise ein Preset aus dem Logic-Synth Alchemy genommen. Um den Filtereffekt zu erzielen, wird ein Teil des Signals über einen Send-Weg abgezweigt und durch einen Wah-Wah-Effekt aus dem Pedalboard von Logic Pro X geschickt, dessen Bewegung ich manuell automatisiert habe. Hier hört ihr die unbearbeitete Version und dann das Ergebnis der Wah-Wah-Bearbeitung.

Audio Samples
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Chor ohne Wah Chor mit Wah
Fotostrecke: 2 Bilder Der Chor stammt aus dem Logic-Synth Alchemy.

Und das war es schon. Hier kommt das komplette Intro:

Audio Samples
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Intro

Nach acht Takten ist der Radiomoderator hoffentlich fertig mit dem Verkehrsfunk und es geht in die erste Strophe.

1. Strophe

Die ist denkbar unspektakulär: Das Piano-Layer läuft weiter, der Chor setzt aus und Pink fängt an zu singen. Mehr passiert hier nicht, weshalb ich die Strophe zu Workshopzwecken um die Hälfte gekürzt habe und sie hier auch nicht noch einmal gesondert als Audiofile einbinde.

Chorus

Nach 16 Takten Strophe folgt der erste Chorus, in dem wir endlich etwas aktiver werden dürfen. Beginnen wir mit dem Piano, das hier zwar musikalisch unverändert weiterläuft, aber nicht mehr ganz so dumpf gefiltert ist. Ein EQ entschärft die tiefen Mitten des Pianos, das sich ansonsten mit verschiedenen anderen Elementen in die Quere kommen würde.

Audio Samples
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Chorus Piano (dry/wet)

Dazu gibt es eine interessante Bassdrum-Figur. Zunächst einmal wäre da eine solide Viertel-Kick im Stil einer 808 von der eher knackigen Sorte. Ein EQ senkt den sehr massiven Bassbereich und die Tiefmitten leicht ab und hebt den hellen Attack um 3,5 – 4 kHz etwas hervor. Ein Kompressor stärkt ebenfalls den Attack und macht die Bassdrum kompakter.

Audio Samples
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Kick 1 (dry/wet)
EQ und Kompressor für die Haupt-Bassdrum
EQ und Kompressor für die Haupt-Bassdrum

Hinzu kommt eine zweite, leisere und wenigere fette Bassdrum, die die Viertel rhythmisch umspielt. Um kein Chaos aufkommen zu lassen, habe ich dafür dasselbe Sample verwendet, aber die knackige Attackphase abgeschnitten (siehe Bild). Aus dieser Kick werden mit einem EQ die tiefen Bässe entfernt, sodass sie eher eine perkussive Funktion übernimmt, statt im Bassbereich für Unruhe zu sorgen. Hier hört ihr die zweite Kick vor und nach dem EQ.

Audio Samples
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Kick 2 (dry/wet)
Fotostrecke: 2 Bilder Für die zweite Bassdrum wird dem Sample die Attackphase abgeschnitten.

Zusammen ergeben die beiden Bassdrums folgende rhythmische Figur:

Audio Samples
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Beide Bassdrums

Als weiteren Drumsound brauchen wir zunächst nur ein Ride-Becken, das mit einem EQ recht dünn gemischt wird und durch einen Flanger eine etwas spacige Lo-Fi-Komponente erhält. Es spielt Viertelnoten:

Audio Samples
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Ride (dry/wet)
Für einen Lo-Fi-Sound wird das Ride mittig gemischt und bekommt einen Flanger.
Für einen Lo-Fi-Sound wird das Ride mittig gemischt und bekommt einen Flanger.

Umso wichtiger ist der Bass. Gefragt ist ein druckvoller, tiefer Synth-Bass, der untenrum ordentlich Dampf macht. Bei mir übernimmt diese Aufgabe der Moog Sub 37. Der Sound besteht aus einem Dreieck- und einem Rechteck-Oszillator mit leichter Zugabe der zusätzlichen Sub-Oktave und ist ziemlich weit runtergefiltert, sodass er kaum noch Obertöne besitzt. Mit LFOs, Filterhüllkurven etc. brauchen wir uns hier nicht weiter zu beschäftigen; hier geht’s wirklich nur um Pfund.

Audio Samples
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Bass dry

Auf der Spur arbeitet ein leichter Ducking-Kompressor, dessen Sidechain-Eingang von der Viertelkick gespeist wird. So duckt sich der Bass auf jeder Viertelnote leicht weg und macht Platz für die Bassdrum. Es geht in diesem Fall nicht um einen starken Pump-Effekt, wie er in EDM-Produktionen gern verwendet wird, sondern ganz einfach um ein aufgeräumtes Klangbild im Bassbereich und eine leichte rhythmische Akzentuierung.

Audio Samples
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Bass wet

Hier hört ihr den Bass zusammen mit den Drums:

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Drums und Bass
Fotostrecke: 2 Bilder Der Bass im Moog Sub 37 Editor

Das Fundament steht, jetzt wird aufgefüllt. Zur Unterstützung des Pianos übernimmt ein Synthesizer die gleiche Figur, in meinem Fall der Sequential Prophet-6. Ein EQ sorgt dafür, dass der Sound zusammen mit dem Piano nicht allzu viel Matsch in den tiefen Mitten produziert. Außerdem erhält der Sound ein dezentes Achteldelay.

Audio Samples
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Prophet Chords (dry/wet)
EQ für die Prophet-Akkorde
EQ für die Prophet-Akkorde

Ein zweiter Prophet-Sound doppelt die Melodie noch einmal, diesmal eine Oktave höher. Auch dieser Sound bekommt ein Delay und dazu eine große Portion Hall.

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Prophet Melodie

Synth Nr. 3 ist ein sphärisches, Chor-ähnliches Pad, das wieder aus Alchemy stammt. Auch dieser Sound übernimmt das allgegenwärtige Thema. Er hält sich dezent im Hintergrund, um das Klangbild nicht zu vermatschen.

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Choir Pad
Alchemy steuert ein Chor-artiges Pad bei.
Alchemy steuert ein Chor-artiges Pad bei.

Eine dezente Gitarre sorgt inmitten all der Synthesizer für etwas menschliches Feeling. Sie spielt jeweils auf der 1, 2-und und 4. Dafür habe ich mir eine Demoversion des Plug-ins „Virtual Guitarist Amber“ von ujam heruntergeladen, das ich einmal ausprobieren wollte. Diese einfache Aufgabe meistert der virtuelle Gitarrist zu meiner Zufriedenheit …

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Gitarre
Die Gitarre stammt aus Virtual Guitarist Amber von ujam.
Die Gitarre stammt aus Virtual Guitarist Amber von ujam.

Schließlich ist dann auch der Chor wieder da, den wir schon aus dem Intro kennen. Und damit steht der erste Chorus schon fast. Als letzte Neuheit kommt nach acht Takten ein Percussion-Sound hinzu, den ich auf dem Sub 37 mit einem Rauschgenerator und der Filterhüllkurve gebaut habe. Da der Sub 37 leider kein Hochpassfilter besitzt (das einzige, was ihm in meinen Augen zum vollkommenen Synthesizer fehlt …) übernimmt ein EQ die Aufgabe, die mumpfigen Bässe aus dem Percussion-Sound zu entfernen.

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Moog Percussion (dry/wet)
Low-Cut-Filter und Kompressor für die Moog Percussion
Low-Cut-Filter und Kompressor für die Moog Percussion

Hier ist nun der erste Chorus in seiner ganzen Pracht:

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Chorus 1 komplett

2. Strophe und 2. Chorus

Die zweite Strophe können wir flugs abhandeln, denn hier passiert überhaupt nichts Neues. Alles, was wir für den Chorus zusammengebaut hatten, bricht hier wieder weg und übrig bleibt nur das Piano. In der zweiten Hälfte der Strophe bekommt es Unterstützung von einer dezenten Viertel-Bassdrum, die aber deutlich weniger fett ist als jene im Chorus. Ich habe dennoch denselben Sound genommen (es soll ja schließlich wie aus einem Guss klingen) und den scharfen Attack mit einem Tiefpassfilter herausgenommen.

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Piano plus Kick

Der zweite Chorus entspricht dem ersten, nur dass hier der Percussion-Sound vom Moog schon von Beginn an spielt. Etwas spannender wird es erst wieder im Übergang zum Mittelteil. Im letzten Viertel des zweiten Chorus setzen vorsorglich schon mal die Drums und der Bass aus. Die Gitarre beschränkt sich darauf, die Akkorde auf den „Einsen“ einmal anzuschlagen. Übrig bleiben das Piano und die Synths, die im allerletzten Takt des Chorus gemeinsam durch einen Flanger laufen und so den Übergang einleiten. Ich habe dafür am Ende der Mischung, als die Lautstärkenverhältnisse, Effekte und Pan-Positionen feststanden, einen Bounce von der betreffenden Stelle gemacht, ihn in diesem Takt statt der Originalspuren eingesetzt und durch den Flanger geschickt. Das ist in meinen Augen deutlich einfacher, als sämtliche benötigte Spuren auf einen Bus zu routen und diesen zu automatisieren. Der Nachteil an diesem Verfahren ist, dass man es wiederholen muss, sollte man danach doch noch etwas an der Mischung verändern – sonst würde man den Unterschied zwischen den Originalspuren und dem Bounce hören. Unterstützt wird der Übergang von einem Rauscheffekt nach Art eines rückwärts abgespielten Beckens, den ich schnell auf dem Prophet gebastelt habe. Auf der „4“ wird dann plötzlich alles gemutet, und es folgen zwei Schläge von einem sehr lauten, knochentrockenen Handclap-Sound, der den Auftakt zum Mittelteil bildet.
Hier ist die zweite Hälfte des zweiten Chorus zu hören, inklusive Fill:

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Chorus 2 mit Flanger-Übergang

Mittelteil und letzter Chorus

Jetzt wäre eigentlich der Zeitpunkt, an dem man sich nach der alten Songwriterschule spätestens mal nach einer etwas anderen musikalischen Idee umsehen würde. Wie wir in dieser Workshop-Serie schon des Öfteren gesehen haben, ist es aber in der modernen, von Dance und Hip Hop beeinflussten Popmusik durchaus üblich, einen ganzen Song auf einem einzigen Motiv von wenigen Takten aufzubauen. Und so geht es auch bei Pink genauso weiter, wie wir angefangen haben: Es folgt ein Instrumentalpart, der tatsächlich ganz genauso wie der Chorus geht. Nur die Energie wird noch etwas weiter gesteigert.
Die wichtigste Neuerung ist ein komplexeres Gitarrenpattern, das den synkopischen Rhythmus des Pianos jetzt vollständig mitgeht und mit seinen abgedämpften Anschlägen auch ein bisschen die Funktion einer Hi-Hat übernimmt. Zum Glück fand ich auch dafür in Virtual Guitarist Amber das passende Pattern – für diese Workshop-Serie könnte ich durchaus Gefallen an dem Plug-in finden!

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Gitarre

Außerdem stärken wir die Melodie mit einem Sound, der gut zum bereits bestehenden Gerüst passt, aber eine perkussivere, prägnante Farbe hineinbringt. Ich habe dafür zunächst mit dem Chorus-Pianosound aus dem Nord Stage Oktaven aufgenommen. Diese habe ich dann durch das Filter des Moog Sub 37 geschickt und mit den Filter- und Amp-Hüllkurven kurz und perkussiv gemacht. Schließlich sorgt ein Achteldelay für etwas Rhythmus. Hier hört ihr zunächst den Pianosound, dann die Moog-gefilterte Version und zum Schluss das Endergebnis mit EQ und Delay.

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Moog Piano
Effekte für das Moog-gefilterte Piano
Effekte für das Moog-gefilterte Piano

Auch der Chor wird im Mittelteil kräftiger. Dafür habe ich nun auch männliche Stimmen aus Alchemy hinzugenommen, die zusammen mit den bekannten Frauenstimmen den im Intro beschriebenen Wah-Wah-Bus durchlaufen:

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Chor

Auf der ersten „1“ des Mittelteils brauchen wir zur Abrundung noch etwas Becken-artiges. Besser passt bei diesem Synthesizer-lastigen Song aber ein Synth-Sound, der die gleiche Funktion übernimmt. Diesen habe ich mit dem Rauschgenerator und der Filterhüllkurve des Prophet-6 gebaut. Die Hüllkurve beeinflusst beide Filter des Prophet (Tief- und Hochpass). Ein Stereo-Delay aus der DAW sorgt für Räumlichkeit.

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Prophet Cymbal

Hören wir uns nun den Übergang vom zweiten Chorus in den Mittelteil im Ganzen an:

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Übergang Chorus 2 in Mittelteil

Nach 16 Takten folgt eine Art Breakdown, in dem alles aussetzt und nur das Strophen-Piano übrigbleibt. Die Lead-Vocals folgen an dieser Stelle der Melodie des Pianos. Nach weiteren acht Takten gehen der Bass und die dezente Bassdrum aus der zweiten Strophe den Rhythmus mit:

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Kick und Bass

In Vorbereitung auf den letzten Chorus benötigen wir nun noch einen letzten Sound: eine kleine Sequenz, die für etwas Abwechslung in den Gesangspausen sorgt. Auch diesen Sound habe ich auf dem Prophet-6 mit einem Rechteckoszillator und kurzen Amp- und Filterhüllkurven programmiert und mit einem Delay versehen.

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Prophet Sequenz

Zusätzlich spielt in den letzten vier Takten noch das bekannte Chor-Pad mit, das hier per Automation etwas leiser gemischt wird. Im letzten Takt vor dem abschließenden Chorus wird dann alles gemutet, um Platz für einen gesanglichen „Money Moment“ zu machen.

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Mittelteil Ende

Danach folgt der dritte und letzte Chorus, der vom Arrangement her dem Mittelteil entspricht. Und damit sind wir durch!
Ich hoffe, dass euch diese Folge Spaß gemacht hat! Bis zum nächsten Produce-alike-Workshop! Hier kommt nun der nachgebaute Song.

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What About Us
Hot or Not
?
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