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Korg MS-20 mini Test

Mit der Ankündigung des MS-20 mini erregte Korg auf der NAMM Show 2013 Aufsehen. Nicht ohne Grund: Der 1978 erschienene MS-20 ist neben dem Minimoog wohl der legendärste monophone Analog-Synthesizer überhaupt. Was für ein Sound! Was für ein Design! Ein echter Meilenstein in der elektronischen Musikgeschichte. Und nun bringt Korg einen leicht geschrumpften Klon des über dreißigjährigen Klassikers heraus. Ebenfalls voll analog, ebenfalls halbmodular, ebenfalls mit dem Zeug zum Kassenschlager.

Korg MS-20 mini: Original oder Fälschung?
Korg MS-20 mini: Ein liebevoll gefertigtes Ebenbild des Originals


Der Neue ist mit MIDI und USB ausgestattet und etwas kleiner – das waren auch schon die einzigen neuen Features. Davon abgesehen gleicht er dem Original bis aufs Haar, kostet aber nur etwa halb so viel, wie man derzeit für einen MS-20 auf dem Gebrauchtmarkt hinblättern muss. Aber was ist mit dem Sound? Was mit dem ganz speziellen Spielgefühl eines Vintage-Synthesizers? Hat der MS-20 mini nicht nur das Aussehen, sondern auch den Charakter von seinem Urahn geerbt? Wir haben das für euch im A/B-Vergleich getestet. Weitere Infos bekommt ihr auch in unserem Video-Interview mit einem der beiden Entwickler.

Details

Als Besitzer eines MS-20 bin ich dem mini gegenüber natürlich erst mal etwas skeptisch eingestellt. Eine erste Inaugenscheinnahme zeigt allerdings bereits, wie liebevoll Korg seinen Klassiker modelliert hat. Bedienpanel, Schrauben, Form der Potis, Seitenteile, Mod-Wheel, sogar die Bedienungsanleitung: Alles beim Alten, nur eben kleiner. In einem Interview sagen die Entwickler, dass sie quasi aus Respekt einen letzten Unterschied zum Original bewahren wollten. Daher die Schrumpfkur auf 86% der Originalgröße. Neu sind die Miniklinken-Anschlüsse des Patchfelds und die Mini-Tastatur. Letztere ist natürlich ungewöhnlich. Wer allerdings die recht klapprige Original-Tastatur kennt, wird diese nicht unbedingt vermissen. Und da sich der MS-20 ohnehin eher für effektvolle Sounds und kurze Melodielinien als für virtuose Synth-Soli anbietet, beeinträchtigt die Größe der Tasten in keinem Fall die Spielfreude. Das gilt auch für die 35 Drehpotis, über deren Verarbeitung man nicht meckern kann. Würde der MS-20 mini ein Vielfaches kosten, könnte man bemängeln, dass sie nicht ganz so bombenfest sitzen wie beim Original. Doch zu diesem günstigen Preis geht die Qualität vollkommen in Ordnung.

Fotostrecke: 6 Bilder Der Korg MS-20 mini ist auf 86% der Originalgröße geschrumpft

Bedienfeld und Struktur

Das Bedienfeld gleicht dem des Originals bis ins Detail. Die Signalkette beginnt auf der linken Seite mit zwei Oszillatoren. Oszillator 1 bietet via gerastertem Drehpoti Dreieck-, Sägezahn- und Rechteckschwingungen (jeweils von 32′ bis 4′) sowie White-Noise. Die Breite der Rechteckschwingung lässt sich per Poti stufenlos regeln. Oszillator 2 hat Sägezahn-, Rechteck- und Pulsschwingung sowie einen Ringmodulator im Angebot. Die Oktav-Range reicht hier von 16′ bis 2′. Außerdem wartet er mit einem extra Pitch-Poti auf. Das globale Master-Tuning und eine Portamento-Funktion machen die Oszillatorsektion komplett. Durch den VCO Mixer geht’s ab in Richtung Filter.
Der MS-20 mini besitzt die charakteristische Filterabteilung des Originals mit einem 6dB-Highpass- und einem 12dB-Lowpass-Filter, die in Reihe geschaltet sind. Beide Filter bieten Regler für die Cutoff-Frequenz und die Resonanz. Mit einem LFO, der hier Modulation-Generator heißt, lassen sich die Filter und die Oszillatoren-Frequenz modulieren. Form und Geschwindigkeit der Modulation sind über zwei Potis regelbar. Außerdem gibt es zwei Hüllkurven-Generatoren mit unterschiedlichen Features: Envelope 1 bietet Attack, Release und Delay Time, während Envelope 2 über Attack, Decay, Sustain, Release und Hold verfügt. 

Fotostrecke: 5 Bilder Ganz der Alte: 2 VCOs, HP- und LP-Filter, Modulation Generator und 2 Hüllkurven

Auch der External Signal Processor (kurz: ESP) des Originals ist selbstverständlich vorhanden. Er erlaubt es, externe Signale beispielsweise zur Steuerung der Tonhöhe zu verwenden – mehr dazu im Praxisteil. Über den halbmodularen Aufbau mit Patchfeld ist es möglich, zusätzliche Modulationen zu definieren. Hier können zum Beispiel das Mod-Wheel und der Momentary Switch zugewiesen, rosa und weißes Rauschen hinzugemischt oder die Hüllkurven 1 und 2 mit einem Modulationsziel verknüpft werden – um nur die gängigsten Patches zu nennen. Auch abgefahrene Modulationen sind problemlos machbar.
Als Ausgänge bietet der MS-20 mini einen Kopfhörer- und einen Mono-Klinkenausgang, die beide ebenfalls im Miniklinkenformat realisiert wurden und auf dem Patchfeld zu finden sind. An der Rückseite befinden sich schließlich die beiden einzigen Neuerungen des mini: Ein USB- und ein MIDI-In- Anschluss. Sie ermöglichen es, den MS-20 mini in moderne Setups zu integrieren.

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Praxis

Sound

Die Übereinstimmung der Oberflächen und Signalwege von Original und mini ist eindrucksvoll bewiesen. Und auch im Inneren scheint Korg ganze Arbeit geleistet zu haben. Laut Hersteller wurde für die Filter der legendäre „Chip 35“ verwendet, der dem MS-20 seinen individuellen, rauen Sound gibt. Doch das nur nebenbei. Entscheidend ist schließlich, was hinten raus kommt. Im folgenden Soundbeispiel hört man zunächst das Filter des mini, dann das des Originals. 

Audio Samples
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Filtersweep (zuerst MS-20 mini, dann MS-20)

Das hört sich für mich nach erfolgreicher Mimikry an. Die Filter des MS-20 mini haben den gleichen, aggressiven Sound, der das Vorbild so unverwechselbar macht. Und auch der Rest der Klangerzeugung ist dem Original zum Verwechseln ähnlich. Allerdings gibt es einen gewissen Unterschied beim Rauschverhalten, wie im nächsten Klangbeispiel zu hören ist. Bei anderen Filtereinstellungen relativiert sich der Effekt jedoch und stört in der Praxis nicht weiter. 

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Bass (jeweils zuerst MS-20, dann MS-20 mini)

Davon einmal abgesehen, ist der Sound tatsächlich der gleiche analoge, brachiale, faszinierende Sound, der den Korg MS-20 berühmt gemacht hat. Die Ähnlichkeit – oder besser Übereinstimmung – ist frappierend. Hier eine kleine Auswahl an Möglichkeiten: 

Audio Samples
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Bass 1 Bass 2 Wobble Lead 1 Lead 2 Mod LP FX 1 FX 2 Song
Das Patchfeld lädt zum Experimentieren ein
Das Patchfeld lädt zum Experimentieren ein

Experimentier-Möglichkeiten und Patchfeld

Ein Grund für die große Beliebtheit des MS-20 ist sicherlich sein übersichtlicher Aufbau bei gleichzeitig sehr vielseitigen Möglichkeiten. Nicht umsonst erinnert sein Design an einen Elektronik-Experimentierkasten. Das Prinzip der subtraktiven Synthese lässt sich hier besonders gut erkennen und nachvollziehen. Zunächst wird das Ausgangsmaterial bei den Oszillatoren ausgewählt, dann durch die Filter gejagt, auf Wunsch per Hüllkurve oder MG moduliert und mit Portamento abgeschmeckt. Bereits diese Grundausstattung hält Stoff für unzählige Experimente bereit. Zum Beispiel kann der EG1 auf die Frequenz der Oszillatoren angewendet werden, während EG2 die Hüllkurve der Filter steuert. Außerdem lassen sich die Cutoff-Frequenzen des Highpass- und Lowpass-Filters getrennt regeln und modulieren. Beide Filter können in die Selbstoszillation gefahren werden – und dann ist da ja auch noch der Ringmodulator von Oszillator2. Man merkt schon: Die Möglichkeiten, abgefahrene Klänge zu erzeugen, sind zahlreich – und das Patchfeld wurde bisher noch gar nicht angefasst.
Letzteres besteht beim MS-20 mini passenderweise aus Miniklinken-Anschlüssen, ist ansonsten aber ebenfalls zu 100% mit dem Original identisch. Die Patchkabel liegen dem Instrument bei. Hier lassen sich die einzelnen Module des MS-20 teilweise neu miteinander kombinieren und verschalten. Außerdem können weitere „Effekte“ oder externe Sounds in den Signalweg des Synthesizers eingespeist werden. Mod-Wheel und Momentary-Switch sowie Sample & Hold halten per Patchkabel als neue Modulationsquellen her. Weißes und rosa Rauschen können hinzugefügt, und der Modulation-Generator bietet per Steckverbindung in Ergänzung zum vorverkabelten Dreieck zusätzlich noch eine Rechteckschwingung. Außerdem lassen sich externe Signale einspeisen, um sie mit den internen Sounds zu mischen oder die charakterstarken Filter des MS-20 mini zu nutzen. 

Audio Samples
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Ext In / Filter

Richtig abgefahren wird es beim „External Signal Prozessor“, der es erlaubt, mit einer externen Quelle, wie etwa einer Gitarre oder einem Drumbeat, den Synthesizer zu steuern. Das anliegende Signal kann dann beispielsweise die Tonhöhe oder das Filterverhalten beeinflussen. Durch dieses Feature war der MS-20 seinerzeit nicht nur bei Keyboardern, sondern zum Beispiel auch bei Gitarristen beliebt. Um eine Gitarre anzuschließen, benötigt man beim mini wegen der Miniklinkenbuchsen allerdings einen Adapter.

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ESP Guitar ESP Beat 1 ESP Beat 2

Im Patchfeld liegen auch die Anschlüsse für eine externe Steuerung via CV. Dank des MIDI-Anschlusses dürfte die Notwendigkeit dafür zwar auf ein Minimum reduziert sein. Allerdings verbaut Korg in einigen aktuellen Instrumenten wie dem Monotribe, dem KingKORG und der neuen volca-Serie wieder CV/Gate-Interfaces, die mit dem des MS-20 mini kompatibel sind. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass auch der MS-20 mini mit dem V/Hz-Schema und nicht mit der sonst verbreiteteren V/Oct-Spannung arbeitet.
Da der mini auch einen CV-Ausgang besitzt, kann er auch als MIDI-to-CV-Schnittstelle verwendet werden. Hierüber lässt sich dann zum Beispiel ein Monotribe ansteuern oder aber ein Original MS-20. So geschehen im folgenden Soundbeispiel. Der Computer liefert eine Sequenz, der mini liegt im Panorama rechts, das via CV vom mini angesteuerte Original links. Die geballte Kraft von vier Oszillatoren!

"I am your father!" – der MS-20 mini und sein Vorfahre im bonedo-Testlabor
“I am your father!” – der MS-20 mini und sein Vorfahre im bonedo-Testlabor
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rechts MS-20 mini / links MS-20

Bedienung

Der MS-20 mini lädt wunderbar zum Ausprobieren ein und ist damit immer für eine Soundüberraschung gut. Experimentierfreudige Soundbastler können sich also freuen. Allerdings war es schon beim Original recht schwer, feine Einstellungen der Potis zu bewerkstelligen, da schon kleinste Bewegungen bisweilen große Klangveränderungen hervorrufen. Diese Problematik ist bei den noch kleineren Potis des minis natürlich nicht verschwunden.
Korg hat glücklicherweise darauf verzichtet, den Synthie durch digitale Steuerungstechnik zu “verschlimmbessern”. Dieser kompromisslose Ansatz erhält den Charme und den Charakter des Originals und verdient Respekt. Ich will jedoch nicht verhehlen, dass dadurch auch einige Schwachstellen der Analogtechnik übernommen wurden, die im heutigen Umfeld nicht mehr ganz zeitgemäß wirken. Fehlende Preset-Speichermöglichkeiten und das Fehlen einer über Note-On/Note-Off hinausgehenden MIDI-Implementation machen die Reproduktion eines bestimmten Sounds zum Geduldsspiel. Auch die Einstellung der Modulationsgeschwindigkeit auf ein exaktes Tempo ist nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Durch diese Einschränkungen ist der MS-20 mini wohl eher für’s kreative Experimentieren und Arbeiten im Studio prädestiniert als für die Bühne. Für eine mögliche Luxus-Version des MS-20 (so wie Moog sie mit dem Voyager anbietet) würde ich mir erweiterte MIDI-Funktionen, Speicherplätze und vielleicht sogar eine Software-Integration wünschen.

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Fazit

Der Korg MS-20 mini ist ein faszinierender Sound-Baukasten zu einem faszinierenden Preis. Kurz: Extrem empfehlenswert! Optisch und soundtechnisch ist er ein liebevoll gefertigtes Ebenbild des legendären Vorbilds von 1978. Der Neue ist zwar etwas kleiner, aber gut verarbeitet, voll analog, stimmstabil, kann MIDI und ist optisch eine Augenweide. Nörgler könnten sich über die Mini-Tastatur und fehlende Neuerungen wie Speicherplätze unterhalten. Sollen sie. Für mich gibt es kein Argument, den MS-20 mini nicht zu kaufen, erst recht nicht zu dem Preis. Spiel, Spaß, Spannung und Sound at its best!   

Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • Sound, Sound, Sound
  • charakteristische MS-20 Filtersektion
  • einfache Bedienung
  • lädt zum Experimentieren ein
  • External Signal Processor
  • MIDI-In und USB
  • günstiger Preis
Contra
  • dürftige MIDI-Implementation (versteht nur NoteOn/NoteOff-Befehle)
  • (wie das Original) keine Speicherplätze
Artikelbild
Korg MS-20 mini Test
Für 555,00€ bei
Korg MS-20 mini: Ein liebevoll gefertigtes Ebenbild des Originals
Korg MS-20 mini: Ein liebevoll gefertigtes Ebenbild des Originals
Kommentieren
Profilbild von Kebi

Kebi sagt:

#1 - 06.06.2013 um 17:24 Uhr

0

Hat der Mini denn auch den legendären Systemfehler, dass der Sustainpegel von EG2 UMGEKEHRT auf den VCF wirkt? SUSTAIN RAUF = FILTER ZU?!?!?

Profilbild von Michael

Michael sagt:

#2 - 11.06.2013 um 18:25 Uhr

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In der Tat ist es so: Der Sustainpegel von EG2 wirkt umgekehrt auf den VCF. Wird also der Sustainpegel erhöht schließt sich der Filter. Wie beim Original von 1978.

Profilbild von Jorma

Jorma sagt:

#3 - 09.10.2013 um 18:00 Uhr

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Ich habe meine nun endlich gestern bekommen und ich muss schon sagen das ich hellauf begeistert bin was da an Sound aus der kleinen Kiste kommt, dies hätte ich so nicht erwartet.
Das Geld auszugeben hat sich gelohnt, da der Kleine mein Studio enorm aufwertet und an einem Multieffekt angeschlossen geht da noch einiges

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