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E-MU Shortboard Test

Wer die Achtziger als aktiver Musiker miterlebt hat, dem wird der Name E-MU ziemlich sicher ein verklärtes Lächeln ins Gesicht zaubern. Jüngere werden eher an einen flugunfähigen Laufvogel in Australien denken. Tatsache ist, dass der kalifornische Hersteller auf eine lange und glorreiche Geschichte zurückblicken kann, was sie auf ihrer Webpage auch stolz verkündet: Founded 1971. In den fast vierzig Jahren seither wurden unterschiedlichste Geräte entwickelt und gebaut, von Synthesizern und Drummachines bis hin zu Samplern und Soundkarten. Und mit nicht wenigen dieser Entwicklungen hat man eindrucksvoll an der Geschichte elektronischer Musikinstrumente mitgeschrieben. Seit Längerem allerdings wartete man vergeblich auf Meldungen über aufsehenerregende Neuheiten aus dem Silicon Valley, und dass E-MU zuletzt Tasten verbaut hat, ist auch schon ein paar Jahre her.

Mit dem Long- und dem Shortboard, zwei Keyboards der Einsteiger-Klasse, melden sich die Kalifornier nun wieder zurück. Die beiden Instrumente sollen mit leichter Bedienbarkeit, geringem Gewicht, Brot-und-Butter Sounds und rudimentären Eingriffsmöglichkeiten in die Klangerzeugung punkten. Als besonderen Clou gibt es zusätzlich die Möglichkeit, dass das Keyboard seine Sounds auch sendet – dazu ist allerdings ein mehr als 100 Euro teures Zusatzgerät nötig. Brot-und-Butter-Klänge, Klangbearbeitung, MIDI-Funktionen und Sendefähigkeit sind ein bunter Mix aus den Bereichen Keyboard, Synthesizer und Controller. Schauen wir mal, ob E-MU dabei das Beste aus allen Bereichen erwischt hat und tatsächlich eine Marktlücke füllt.

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Details

Das Longboard bietet mit 61 Tasten fünf Oktaven Tonumfang und halbgewichtete Tasten, das Shortboard mit 49 Tasten vier Oktaven und eine ungewichtete Synthesizertastatur.  Beide kommen mit 64 Sounds von E-MU, der GM-Soundpalette und acht GM Drum-Kits. Über MIDI-Duo und USB-Kabel sind die Keyboards in der Lage, externe Hard- und Software zu steuern, aber auch selbst gesteuert zu werden. Und mit dem eingebauten PIPEline-Sender werden die Klänge der Keyboards auf Wunsch drahtlos zu einer Empfangsstation gesendet, die allerdings separat erworben werden muss.

Die Hardware besteht aus cremefarbenem Hartplastik, riesigen beleuchteten Knöpfen, sieben gummierten und griffigen Drehreglern, zwei Wheels, einem Slider und einem winzigen Display, das drei Ziffern beziehungsweise Buchstaben anzeigen kann. Die Kanten sind abgerundet und abgeschrägt, sodass der Gesamteindruck trotz Plastikoutfit in Ordnung geht. Ein positiver Aspekt des Kunststoffgehäuses ist das geringe Gewicht, wozu auch die fehlenden Lautsprecher und die einfache Synthesizertastatur beim Shortboard beitragen. Aber auch die lässt sich sehr angenehm spielen, sogar extrem schnelle Repetitionen sind kein Problem. Beide Tastaturen besitzen außerdem Aftertouch.

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Anschlüsse

An Audioanschlüssen gibt es vorne zwei Kopfhörer- und hinten zwei Mono-Ausgänge im Klinkenformat. Buchsen für Sustain- und Volumenpedal sind vorhanden, genau so wie MIDI-In und -Out, eine USB-Schnittstelle und der Kontakt für den mitgelieferten Netzadapter. Allerdings gibt sich das Gerät auch mit Futter über die USB-Verbindung oder sogar aus Batterien zufrieden. Wie schon geschrieben, findet sich auf der Rückseite auch das Sendemodul für den PIPEline-Sender, der zwar Audio, aber kein MIDI sendet. Der USB-Kanal wiederum überträgt ausschließlich Daten und kein Audiosignal, wobei man einen Audio-Eingang vergeblich sucht. Wie bei Laptops üblich, verfügen auch die beiden E-MUs über die Möglichkeit, sie durch ein Kensington-Schloss vor Diebstahl zu schützen.

Alles in allem ist das Shortboard angenehm handzuhaben und anzublicken, wobei man aber festhalten muss, dass der Kunststoff leider schnell schmutzig wird. Auch an den Spaltmaßen sieht man, dass wir es mit einem Billiggehäuse zu tun haben, aber es stellt sich die Frage, wie viel Perfektion man bei einem Gerät im unteren Preissegment erwarten darf.

Die Kopfhöreranschlüsse
Die Kopfhöreranschlüsse

Klänge
Die beiden E-MUs spielen gesampelte Klänge ab, wobei die GM-Bibliothek bereits ein recht großes Spektrum abdeckt und die 64 „hauseigenen“ einen Überblick über die üblichen Klavier- und Keyboardsounds bieten. Jeweils vier davon kommen aus den Kategorien akustisches Klavier, E-Klavier, elektroakustisches Klavier, Orgel, Ensembles, Synthflächen und Lead Synths. Das macht nach Adam Riese aber gerade einmal 28 Klänge, fast alle anderen E-MU-Programme sind somit Layer aus diesen 28 Sounds.

Die Keyboards können einmal gesplittet und mit einem oberen und einem unteren Klang gespielt werden, wobei sich auch zwei Sounds übereinander schichten lassen. Der Splitpunkt der Tastatur kann frei gewählt werden. 16-fach multitimbral wird das SHORTboard also nur, wenn es über MIDI angesteuert wird. Ausgewählt werden die Klänge über die großen Taster oder über den Datenslider. Als Spielhilfen fungieren zwei Wheels, die fest als Pitch- und Mod-Wheel eingestellt sind, für die Klangbearbeitung zeichnen zwei Regler für das resonanzfähige Lowpassfilter sowie für Attack und Release verantwortlich, und die beiden Effekte Chorus und Reverb sorgen für die Kosmetik.

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MIDI
Die E-MU Boards haben MIDI-In und -Out und können so andere Soft- und Hardware steuern oder von außen gesteuert werden. Sie werden an PC und Mac sofort erkannt und stehen unter Windows als USB Audio-Device 1 und 2 zur Verfügung. Nummer 1 ist dabei das Keyboard selber, Nummer 2 für das MIDI-Duo an der Rückseite zuständig. Abgesehen von Tastatur und Pitch-Wheel senden nur noch das Mod-Wheel und der Datenslider MIDI-Befehle, das Mod-Wheel dabei auch nur auf CC01 – bleibt also nur noch ein Regler als MIDI-Controller. Hier lediglich von einer Einschränkung zu sprechen, ist untertrieben, denn die Regelung von externen Instrumenten ist bis auf die Tonhöhe über Tastatur und Pitch-Wheel eigentlich nicht möglich.

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Praxis

Sounds

Mit den beiden Leichtgewichten präsentiert E-MU also Keyboards mit einer ganz einfachen Klangbearbeitung und zwei Effekten. Die eigenen Sounds klingen alle sehr brillant und auch das Klavier wird sich im Zusammenspiel mit anderen Instrumenten durchsetzen können. Ich denke hier an so etwas wie eine Schülerband, die ganz unkomplizierte Standardsounds braucht.

Audio Samples
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durchsetzungsfähige Orgeln die E-MU Klaviere Clavinet, CP70 und Pulse Piano die E-Pianos Prophet, Matrix, OB-X und Juno

Für einen alten Synthhasen irgendwie putzig, für Anfänger aber vielleicht ideal sind die Eingriffsmöglichkeiten.

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Moog Effects

Das Pitch-Wheel ist fest auf einen Ganzton eingestellt, und das Mod-Wheel bestimmt die Stärke des LFOs, der je nach Programm Vibrato oder Tremolo regelt.
Weiterhin gibt es ein Lowpassfilter mit Resonanz, wobei Drehregler und Filter nicht ganz übereinstimmen. In der mittleren Stellung des Reglers ist das Filter schon ganz geöffnet, die Resonanz funktioniert je nach Sound besser oder schlechter. Verwirrend ist, dass man neu anschlagen muss, wenn die Veränderung am Resonanzregler zum Tragen kommen soll.

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Klavierverbiegen…

Die beiden Regler Attack und Release sind für die Hüllkurvenformung zuständig. Clever gemacht, denn das Attack bezieht sich nur auf das Filter und zieht es mehr oder weniger schnell aus dem Nichts auf, während das Release die Lautstärkehüllkurve betrifft. Der Anfänger wird sich dessen nicht unbedingt bewusst sein und sich ganz einfach über das Beste von beidem freuen. Die Effekte Chorus und Reverb packen kräftig zu, und mit Filter samt Resonanz, Attack, Decay, einem LFO und den beiden Effekten besitzt man ein kleines Arsenal an üblicher Klangsteuerung. Natürlich ist das alles sehr rudimentär, aber für Anfängerspaß und als Einführung in die Klangbearbeitung reicht es.

Audio Samples
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Spaß am frühen Morgen

Die GM-Sounds hören sich deutlich schlechter an als die von E-MU, und ein Vergleich zwischen den beiden Klaviersounds macht das deutlich. Aber auch hier kann man Spaß mit der Klangverbiegung haben, wobei das Augenmerk wirklich auf Spaß liegt, nicht auf professioneller Anwendung.

Die acht Drumsets entsprechen dem Standard der 80er Jahren, in denen diese Technik schon ausgereift war.

Bedienung

Die Bedienung ist durch die großen Knöpfe einerseits sehr leicht, andererseits ist der Datenslider ziemlich hakelig und springt gerne mal zwei oder drei Zähler weiter. Das macht ihn übrigens auch als letzten verbliebenen MIDI-Regler unbrauchbar.
Zur Auswahl der Programme braucht man auf jeden Fall einen Ausdruck auf Papier, denn auf der Geräteoberfläche sind nur die Klänge einer einzelnen Bank abgedruckt, und auf dem 3-Zeichen-Display werden auch bloß die Programmnummern dargestellt. Das Display erinnert ohnehin an vergangene Zeiten oder an den Dave Smith Evolver mit Angaben wie bn7 (Bank 7), 9P2 (Group 2) und Pan (nein, nicht Panorama, sondern Panic!).

Leider hat E-MU bei den geräteeigenen Sounds keinen Aftertouch vorgesehen, sodass man nur dann in seinen Genuss kommt, wenn man das Keyboard als Controller einsetzt. Und dass die Klaviatur nicht perfekt ausgewogen ist, kann ebenfalls als Zugeständnis an den günstigen Preis gewertet werden. Manche Tasten klingen lauter als andere.

Während die beiden Kopfhörerausgänge Hörvergnügen ohne Rauschen bieten, lässt sich das von den beiden Mono-Klinkenausgängen auf der Rückseite nicht behaupten. Hier wurde offensichtlich bei den Digitalwandlern gespart.

Als Neuheit präsentiert E-MU das sogenannte PIPEline-System. Mit seiner Hilfe lässt sich das Audiosignal kabellos übertragen. Die beiden Keyboards haben bereits einen Sender an Bord, der Empfänger muss separat erstanden werden. Und der schlägt mit über 100 Euro doch recht heftig ins Kontor. Das System macht es möglich, kabellos verschiedene Verstärkersysteme einzubinden, von der heimischen HiFi-Anlage bis zur PA.
Allerdings versteht sich PIPEline wirklich nur auf Audio, für die Übertragung von MIDI- oder andere Daten müssen die beiden Geräte weiterhin an die Leine gelegt werden.

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Dass die E-MU LONG- und SHORTboards als „Professional Performance Keyboards“ angeboten werden, lassen wir als Marketinggeklingel mal ganz links liegen. Tatsächlich haben wir es mit Mischlingen aus Keyboard und Synthesizer zu tun – genau das, was E-MU in den 90er Jahren immer gebaut hat, nämlich Rompler mit Klangbearbeitungsfunktionen. Neu ist, dass hier auch die typischen GM-Klänge abgedeckt werden. Betrachtet man Ausstattung und Funktion, dann definiert sich die Zielgruppe eher in Richtung Anfänger. Qualitativ wird mit diversen Einschränkungen dem günstigen Preis Tribut gezollt. Kunststoffgehäuse und Präzision gehören dazu, Rauschen an den Audioausgängen genau so wie die Einschränkungen beim Einsatz als MIDI-Controller. Andererseits bieten die beiden Geräte dem Newcomer im Reich der Keyboards ohne Begleitautomatik die Möglichkeit, erste Erfahrungen mit Filtern zu machen; die Geräte sind leicht und flexibel, haben alle Brot-und-Butter-Sounds an Bord, verfügen über passable Tastaturen und bieten den Einstieg in die Grundlagen der Klangbearbeitung.

Unser Fazit:
3 / 5
Pro
  • einige passable Sounds
  • leicht
  • Spaß mit Klangbearbeitung, ohne überfordert zu werden
  • optionale drahtlose Klangübertragung
Contra
  • als MIDI-Controller, abgesehen vom Keyboard, unbrauchbar
  • GM-Sounds klingen nicht so gut wie E-MU Sounds
  • Ausgänge rauschen
Artikelbild
E-MU Shortboard Test
Technische Details
  • Hersteller: E-MU (www.emu.com)
  • Name: LONGboard (61 Tasten), SHORTboard (49 Tasten)
  • Klasse: Keyboard mit rudimentärer Klangbearbeitung und MIDI-Funktionen
  • Klangerzeugung: Rompler mit GM-Bibliothek, 8 Drumsets und 64 weiteren Klängen
  • Klangbearbeitung: Tiefpassfilter mit Resonanz, Hüllkurve mit Attack und Decay
  • Polyphonie: 128 (Herstellerangabe), mit Keyboardsplit und Layer (2 Klänge)
  • Effekte: Chorus und Hall
  • Spielhilfen: Mod-Wheel, Pitch-Wheel
  • Anschlüsse: 2 Kopfhörer, 2x Mono-Ausgang (alle 6,3 mm Klinke), USB-Schnittstelle, MIDI In/Out, Sustain- und Volumenpedal, E-MU PIPEline Sender
  • Besonderheiten: Kensington-Lock
  • Preis:
  • SHORTboard: 399,- Euro UVP (Strassenpreis 299,-)
  • LONGboard: 499,- Euro UVP (Strassenpreis 399,-)
  • PIPEline: 149,- Euro UVP (Strassenpreis 99,-)
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Profilbild von Thomas

Thomas sagt:

#1 - 01.10.2012 um 06:58 Uhr

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Die Tastatur ist was mir am wenigsten an dem Geraet gefaellt.

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