Koffer und Magneten
Wie es sich für ein hochwertiges Mikrofon wie das Austrian Audio OC-S10 gehört, kommt es in einem Koffer, in den auch alles hineinpasst, auch das separate Holzköfferchen für das Mikrofon selbst. Alles Materialien des in Wien gefertigten OC-S10 hinterlassen einen guten Eindruck und sind makellos in der Verarbeitung. Die Spinne ist schnell installiert, der Poppschutz wird an ihr magnetisch befestigt. Es hätten aber gerne kräftigere Magnete sein dürfen, denn ich bin aus Unachtsamkeit einmal gegen ihn gestoßen und konnte meine Reflexe unter Beweis stellen.



Wo ist vorne, wo ist hinten?
Ein wenig herummäkeln kann ich auch bei weiteren Dingen, die aber allesamt Kleinigkeiten sind: Es ist zwar mit einer kleinen Nase markiert, welches der Front-/Hauptausgang ist und welcher jener für die Twin-Funktionalität. Aber das muss man wissen. Wer ein OC-S10 noch nicht kennt, muss raten, ausprobieren, andere Personen, das Internet oder das Manual konsultieren – alles Dinge, die vermeidbar sind.

Ich freue mich sehr, dass die Ringe zum Einstellen umlaufend und auf beiden Seiten bedurckt sind. Eine Verwechslungsgefahr gibt es aufgrund der anderen Aufdrucke nicht, es ist immer klar, was die Hauptaufsprechrichtung ist. Allerdings sehe ich haptisch keinen Vorteil gegenüber Schiebeschaltern wie beim OC818. Derartige Schalter kann man sicherer und einfacher ohne Hingucken betätigen, das gelingt bei den gehäusebündigen Ringen des OC-S10 nicht so gut.
Ein besonderes Lob gilt nicht dem OC-S10 selbst
Bevor ich mich dem Mikrofon selbst widme, will ich noch kurz den Poppschutz herausstellen. Der genaue Blick zeigt, dass es sich um eine unregelmäßige Metallstruktur handelt. Sie erinnert an das Material, das Josephson bei den Großmembranmikrofonen C715, C716 und C725 nutzt. Die Grundidee kommt der Überlieferung nach aus dem Flugzeugbau, wo besonders bei Kampfjets dafür gesorgt werden musste, dass die Treibstoffe in den Tanks nicht unkontrolliert hin und herschwappen können. Für die Akustik ist die Unregelmäßigkeit von Vorteil, denn so können keinerlei Resonanzen entstehen.


Hört hier, wie es klingen kann, wenn man keinen Pop-Filter benutzt, erfahrt alles über das Tool, baut selbst einen improvisierten Poppschutz!
Ergebnis: Die Filterung fällt so gut wie nicht auf, das ist bei manchen Filtern anders. Falls Austrian Audio sich nicht dafür entscheiden, derartige Filter auch für die universelle Nutzung anzubieten – was ich begrüßen würde –, dem sei der Håkan P110 ans Herz gelegt. Dieser ist aus Kunststoff, ohne akustisch potenziell problematischen Ring und liefert ebenfalls unhörbar besten Schutz.


Vergleich der drei verschiedenen Poppschutz-Materialien Metall, Schaumstoff und Textil. Mit Audio-Beispielen.
Austrian Audio OC-S10: Klangcharakter
Mikrofontests beginnen bei mir immer damit, dass ich zunächst einmal hineinspreche, bevor ich verschiedene Instrumente ausprobiere und letztlich den Sänger ins Studio hole. Mir fällt beim Austrian Audio OC-S10 zunächst die Klarheit des Signals auf. Und das ist schon direkt eine Besonderheit, denn „klar“ ist nicht gleichzusetzen mit „kantig“ oder „glasig“: Das Austrian liefert eine atemberaubende Auflösung und grazile, sehr fein gezeichnete Höhen, die luftig-leicht und federnd wirken. Und ohne farbige Umschreibungen: Das OC-S10 zeigt Details auch noch in den absoluten Höhen, aber bleibt dabei schnell, trocken und ohne erkennbare Verzerrungen, aber mit einer gewissen, kleinen Seidigkeit. Wer auf besonders modernen Vocalsound steht, kann das Air-band enorm boosten, beispielsweise mit dem genau darauf spezialisierten Millennia NSEQ-HF.

Zu den großartigen Höhen gesellen sich sehr sturmfeste Mitten mit klarer Zeichnung und ein sattes, aber trockenes Bassfundament. Toll ist, wie stark man das Signal mit EQ und Kompressor verbiegen kann und es im Anschluss immer noch grandios klingt. In den Tiefen kann man über den Abstand auch gut mit dem Nahbesprechungseffekt arbeiten, dessen Bassanhebung weitgehend angenehm klingt und Mitten und Höhen „in Ruhe lässt“. Mit den guten Filtern lässt sich somit der Bassbereich auch schon vor dem EQ gut festlegen. Lediglich auf einen ordentlichen Preamp sollte man achten!
Pattern in der Praxis
Alle Pattern sind frei von negativen Überraschungen wie plötzlich auftretenden Einbrüchen oder problematischem Verhalten dort, wo noch insgesamt viel Pegel übertragen wird. Natürlich wird das Austrian Audio OC-S10 bei Änderung hin zur Kugel etwas luftiger, die Acht sorgt für eine gewisse Kernigkeit im Klangbild. Richtig spanend kann es natürlich werden, wenn die Twin-Funktionalität genutzt wird. Hier sind geniale Dinge möglich, etwa dass das vordere Signal das hintere duckt.

Alternativen zum Austrian Audio OC-S10
Ein hoch auflösendes Großmembranmikrofon mit Twin-Funktionalität, geringem Eigenrauschen – da ist der Markt dünn! Sicher ist das OC818 aus gleichem Hause zu nennen, das zwar eine halbe Etage weiter unten steht, aber im Vergleich sicherlich das bessere Preis-Leistungsverhältnis liefert. Von Microtech Gefell gibt es das grandiose UM 930 twin, welches aber einen Preis aufruft, den man erst einmal verdauen muss.

Das OC818 wird als Wiederauferstehung des „guten“ AKG C414 EB gefeiert. Doch es ist mehr als das.