ANZEIGE

Allen & Heath ICE-16 Test

Praxis

“Weniger ist mehr” stimmt eben nicht immer!

“Duuu, Mischer!? Du hast da doch ein Gerät, mit dem du unsere Signale beim Gig aufzeichnen kannst. Wir haben so einen USB-Stick mit.” So oder ähnlich könnte eine Unterhaltung zwischen Livemischer und eines Vertreters der Band lauten. Allerdings können aus dieser zunächst schön klingenden Option durchaus Probleme erwachsen: Nicht jeder Stick ist schnell genug für eine Aufzeichnung, gerne mangelt es auch an Platz darauf. Zwar wird vorher in einem Testdurchlauf die Schreibgeschwindigkeit des Mediums überprüft und bei geringerer Durchsatzgeschwindigkeit die Quantisierung von 24 auf 16 Bit heruntergesetzt, doch wer glaubt, mit weiteren Einstellungen auch einem langsameren Medium oder wenig verfügbarem Speicherplatz beikommen zu können, der täuscht sich: Ein Umschalten der Samplerate bewirkt nur, dass sich die Spurenzahl ändert. Im 96- (und natürlich 88,2-)kHz-Modus können nur acht Spuren aufgezeichnet werden, bei normalen Samplerates sind es immer genau sechzehn. Richtig gelesen: Einzelne Inputs lassen sich nicht aktivieren oder deaktivieren! Will man also nur die sechs Signale des kleinen Kneipengigs aufnehmen oder – vielleicht in Ermangelung einer ausreichenden Anzahl von Ausgängen am Pult oder sogar nur geeigneter Kabel – nur den Stereoausgang abgreifen, müssen trotzdem alle Spuren aufgenommen werden. Dass es sinnvoll ist, 14 ungenutzte Inputs mit auf USB-Stick oder HD aufzunehmen, mit 16 statt 24 Bit arbeiten zu müssen, eventuell nicht ausreichend Platz auf dem Datenträger zu haben (sodass von den 14 Songs nur drei aufgenommen werden) und dass das Kopieren eines Mediums am Rechner dadurch eventuell länger dauert als die Umbaupause auf der Bühne, das muss mir jemand von Allen & Heath mal bei einer Tasse Kaffee erklären. Ich bin ganz Ohr.

Zu asketisch

Ausgangsseitig gilt das ebenfalls. Viele Musiker wollen auf der Bühne Systeme einsetzen, deren Wegezahl jenseits des Stereo-Standards liegt, also beispielsweise Loop L, Loop R, Mono-Samples, Clicktrack. Trotzdem werden 16 Files gestreamt.

Ein neues Device wird vom ICE-16 erst einmal auf Geschwindigkeit geprüft.
Ein neues Device wird vom ICE-16 erst einmal auf Geschwindigkeit geprüft.

Shortcut-Lotto

Dass es keinen separaten Stop-Button gibt, sondern sich diese rudimentäre Funktion ihre Hardware mit Play teilen muss, ist zu verschmerzen. Auch gegen Doppelbelegungen ist nichts einzuwenden, denn eine One-Knob-Per-Function-Philosophie hat bekanntlich auch Nachteile. Bei wechselnden Bedienern – wie es im Livebetrieb häufig vorkommt – ist es aber notwendig, die wesentlichen Einstellungen ohne Kenntnisse eines spezifischen Geräts und ohne Manual vornehmen zu können. Das gilt erst recht bei einem konzeptionell so simplen Gerät wie dem Multitrackrecorder von Allen & Heath. Wenn Einstellungen wie jene für Bit-/Samplerate und die Formatierung von Speichermedien nur durch Press&Hold von teilweise mehreren Buttons gleichzeitig realisieren lassen, dann wäre auch das noch akzeptabel – wenn es denn auf der Frontplatte dokumentiert wäre. Einige meiner USB-Medien beispielsweise sind im Test dann meist mit höherer Bandbreite ansprechbar gewesen (oder waren überhaupt erst vom ICE-16 zugelassen worden), wenn sie durch das Aufnahmegerät selbst formatiert wurden. Und wie formatiert man? Ich weiß es (mittlerweile): Del und Rec für eine Sekunde gedrückt halten und mit Play/Stop konfirmieren. Wer da ohne Handbuch von alleine drauf kommt, ist ein Held.

Geschwindigkeit vor allem vom Datenträger abhängig

Mir ist der Allen & Heath ICE-16 in vielerlei Hinsicht also weitaus zu rudimentär, das wird wohl deutlich. Doch gibt es auch positive Aspekte? Natürlich: Die Bedienung geht schnell vonstatten, hat man sich einmal mit dem Konzept vertraut gemacht. Wie schon im Preview zu diesem Gerät angemerkt, muss das im tumultigen Live-Betrieb auch so sein, denn sonst wird man bei Zeitdruck eher auf die Aufnahme verzichten denn auf Sorgfalt bei der Hauptaufgabe, dem Mischen. Dass das Metering aus nur zwei Werten pro Spur besteht, wird durch das einfache, schaltbare Monitoring wieder wettgemacht. Hören ist schließlich besser als Messen.

Der Allen & Heath als Audio-Interface

Ebenfalls vorbildlich verläuft der Hookup am Mac, wenngleich sich danach Vergleiche des A&H-Recorders mit den ausstattungsseitig klar im Vorteil liegenden Audio-Interfaces des Marktes quasi aufdrängen. Zu mehr als einem Recording-Backup reicht die Ausstattung des ICE-16 nicht, doch selbst für hochwertige, simple Mitschnitte wird man bei Bedarf digital auf das Medium wollen – Digitaleingänge, möglichst noch mehrkanalig, gibt es jedoch nicht. Klanglich kann man über den Neunzehnzöller nicht schimpfen, die Multiplex-Wandler verrichten unaufgeregt ihren Dienst und erinnern qualitativ an die, “normaler” Audio-Interfaces. Mein MotU 896mkIII lag eine eigentlich kaum wahrnehmbare Qualitätsstufe darüber, der Lavry AD-11 erwartungsgemäß eine weitere – hier wurden die Höhen deutlich besser aufgelöst, das Signal war etwas knackiger und konkreter. Rauschen und Klirr sind sehr gering, allerdings sollte man das natürlich Level-to-tape regeln können – und das dann auch tun!

Audio Samples
0:00
Allen & Heath ICE-16 MotU 896mkIII Lavry AD-11

Sind 1000 Euro viel oder wenig?

Das Preis/Leistungsverhältnis erscheint auf den ersten Blick ordentlich. Die Geräteklasse des ICE-16 ist zudem generell schwach bis gar nicht besetzt. Kann man eine im stressigen Livebetrieb deutlich komplexer zu bedienende Lösung akzeptieren, sollte man jedoch ein paar Alternativen überdenken. Für den doppelten Preis des Allen & Heath kann man sich zum Beispiel mit dem sehr umfangreich ausgestatteten und notorisch sicheren und gutklingenden RME Fireface UFXauseinandersetzen. Wer es zudem bewerkstelligen will, für Live-/Proberaum- und Studioarbeit ständig ein Gerät neu zu verkabeln, der hätte damit nämlich die eierlegende Wollmilchsau.

Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.