Produce-Alike #2 – One Republic

Willkommen zur zweiten Ausgabe unseres Workshops „Produce-a-like“! Nachdem wir in der letzten Folge dem Welthit „Meet Me Halfway“ der Black Eyed Peas auf den Zahn gefühlt haben, geht es diesmal um die aktuelle Hitsingle der US-Rockband One Republic.

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Seit ihrem Überraschungserfolg „Apologize“, der dank eines Remixes von Timbaland weltweit die Charts stürmte, ist die Band aus Colorado auch hierzulande ein Begriff. Mit dem zweiten Album „Waking Up“ und der Single „All The Right Moves“ konnten sich die Amerikaner erneut weit oben in den Hitlisten platzieren. Der Sänger und Gitarrist Ryan Tedder ist auch außerhalb von One Republic als Songwriter und Produzent erfolgreich – so war er unter anderem an Leona Lewis’ Hit „Bleeding Love“ als Co-Autor beteiligt.

Groove

Ein hervorstechendes Merkmal der Produktion von „All The Right Moves“ ist der sehr räumliche und etwas trashige Schlagzeugsound. Bereits im Intro hört man ein Drumkit, bei dessen Mischung die Raummikrofone sehr weit in den Vordergrund gemischt wurden. Ich habe für diesen Sound das Plug-In „BFD 2“ von fxpansion verwendet. Dieses Software-Instrument ist ein virtuelles Drumkit, das zusätzlich zu den trockenen Einzelsamples auch den Raumanteil und sogar Übersprechungen zwischen den einzelnen Mikrofonen simuliert. Damit kommt man einer Mehrspuraufnahme eines echten Schlagzeugs ziemlich nahe und kann die Spuren nachher im Mix wie eine Live-Schlagzeugaufnahme weiterverarbeiten. Die Direktsignale von Kick, Snare und Hihat habe ich im Vergleich zu den Raummikrofonen relativ leise gemischt. Im Vordergrund steht der Raumklang. Diesem nehmen wir mit einem EQ viel Bassanteil und die Dröhnfrequenzen um 300Hz, damit er sich später mit den anderen Drumsounds verträgt.

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Drums 1
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Dieser Drumsound wird bei One Republic durch Sounds ergänzt, die etwas an den scheppernden Klang einer Marching-Band-Drumline erinnern. Wer einmal eine Halbzeitshow bei einem American-Football-Spiel erlebt hat, weiß, was ich meine. Also rufen wir eines der Factory Kits der „Battery 3“ von Native Instruments auf – passenderweise enthält der Drumsampler der Berliner Software-Schmiede ein „Marching Band Kit“. Die „Firecracker“-Samples liefern den Sound, den wir brauchen, um den Groove zu ergänzen. Sie sind im Mix sehr prominent vertreten. Im folgenden Klangbeispiel hört ihr diesen Sound zuerst trocken aus der Battery, und dann mit EQ und Hall versehen.

Audio Samples
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Marching

Zusätzlich habe ich diese Marching-Band-Sounds noch mit einem weiteren angereichert. Dabei handelt es sich um ein geschlagenes Backblech, das ich vor einiger Zeit beim Überspielen meiner zahlreichen Vierspur-Kassetten-Aufnahmen aus längst vergangenen Schülerzeiten auf dem Rechner fand. Das rauschende und ziemlich kaputt klingende Sample bringt eine individuelle Note und unterstützt den etwas rauen Klang des Drumkits. Da der Sound nur etwas Farbe geben soll, habe ich mit einem drastischen EQ-Eingriff alle Frequenzen unterhalb von etwa 1kHz entfernt und mit Logics Enveloper-Plugin (einer Art Transient Designer) den Attack stark zurückgefahren.

Audio Samples
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Backblech
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Um dem räumlichen Beat die nötige Power zu verleihen, kommt zu guter Letzt noch ein weiteres Drumkit hinzu. Dieses besteht hauptsächlich aus einer tiefen Kickdrum, die relativ lange ausklingt, und einer unauffälligen Snare, die sich unterstützend unter die Raum-Snare legt. Bei mir kommen zu diesem Zweck häufig die druckvollen Samples des Stylus RMX von Spectrasonics zum Einsatz. Obwohl dieses Software-Instrument in erster Linie zum Abspielen von Loops gedacht ist, verwende ich es auch sehr gerne im „Kit-Mode“, um die Samples gezielt einsetzen zu können.

Audio Samples
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Drums 2
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Alles zusammen ergibt einen Drumsound, der sehr räumlich und trotzdem druckvoll ist.

Audio Samples
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All Drums

Bass

Und wieder eine Parallele zur letzten Folge: Wie schon bei den Black Eyed Peas gibt es bei dem Hit von One Republic in den Strophen keinen Bass. Eine sparsame Instrumentierung außerhalb der Refrains scheint derzeit en vogue zu sein…

Und auch im Refrain verhält sich der Bass ziemlich unauffällig. Ein fetter Sub-Bass-Sound legt das Fundament für den Rest des Arrangements, ohne sich rhythmisch sonderlich bemerkbar zu machen: Er spielt ganze Noten. Diesen Sound bekommen wir einmal mehr aus der Allzweckwaffe für alles, was mit Bass zu tun hat, dem Spectrasonics Trilian (siehe Testbericht).

Bei dem sehr fetten Grundsound des Presets „Ultra Wide & Uber Deep“ müssen wir uns wenig Gedanken um die Feinheiten der Programmierung machen. Stattdessen stellt uns der Trilian-Sound vor zwei ganz andere Probleme.

Zum einen führt das breite Stereobild des Sounds („Ultra Wide“) zu Phasenauslöschungen, die schlimmstenfalls die Mono-Kompatibilität des Mixes beeinträchtigen können. Ein klassischer Fall: Bei vielen Synths und Software-Instrumenten klingen die Presets für sich genommen beeindruckend fett, wollen sich aber dann später im Mix nicht so recht einfügen. Das vermeintlich weniger aufregende Preset ist daher letztendlich oft die bessere Wahl. In diesem Fall bekommen wir das Problem in den Griff, indem wir mittels eines Stereo-Imagers das Stereobild verkleinern. Im Bassbereich ist „Ultra Wide“ eben nicht unbedingt immer wünschenswert. Ein Blick auf das Correlation-Meter bestätigt nach der Operation: Phasenchaos weitestgehend beseitigt.

Zum anderen kommt der Basssound nicht ganz unerwartet der tiefen Kickdrum in die Quere („Uber Deep“). Statt die Sounds mit EQs voneinander zu trennen, habe ich mich hier eines beliebten Tricks bedient. Ich benutze einen Kompressor, dessen Sidechain-Eingang von der Kick gespeist wird, um den Bass immer dann im Pegel etwas abzusenken, wenn die Kick Drum spielt. So bleibt der Druck des Basssounds nahezu komplett erhalten, und für die Kickdrum ist trotzdem genug Platz. Im folgenden Klangbeispiel ist zu hören, wie sich der Bassbereich durch diesen Kniff wirkungsvoll „aufräumen“ lässt. Zunächst hört ihr die unbearbeitete Version, und danach die mit dem Sidechain-Kompressor bearbeitete Variante.

Audio Samples
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Bass
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Arrangement (Refrain)

Eine Wand aus Sound
In den Refrains besteht das Arrangement des One-Republic-Hits im Wesentlichen aus einer breiten Sound- „Wand“, in der kaum rhythmische Elemente vorkommen. Die Bewegung und der Groove kommen von den Drums und vom Gesang. Fast alle anderen Elemente machen es wie der Bass und beschränken sich darauf, auf der „1“ einen Akkord zu legen.

Orgel
An erster Stelle ist hier die Orgel zu nennen, die über weite Strecken des Songs ein tragendes Element ist. Nach einigen Versuchen mit Native Instruments’ Software-Orgel „B4“ habe ich mich schließlich für den guten alten Clavia Nord Electro entschieden. Der Sound wird bereits hardwareseitig durch den eingebauten Verzerrer des Nord Electro etwas aufgeraut. Streckenweise habe ich im Mix mit einem Logic-Verzerrer-Plugin noch etwas mehr Schmutz hinzugefügt.

Wichtig bei der Orgel ist natürlich der Leslie-Effekt. Wer kein echtes Leslie-Cabinet herumstehen hat, wird sich wie ich mit einer der zahlreichen Simulationen zufriedengeben müssen. Durch das ständige Umschalten der Rotorgeschwindigkeit wird der Orgelsound erst interessant. Das Auf- und Abschwellen der Leslie-Geschwindigkeit erzeugt eine Wellenbewegung, die dem Sound Spannung und Ausdruck verleiht.

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Orgel

Gitarren
Die „Soundwand“ wird durch eine gedoppelte Gitarre vervollständigt, die mit Powerchords ein breites und druckvolles Fundament legt. Allerdings steht sie nicht wie bei einer klassischen Rockproduktion im Vordergrund, sondern bildet mit den anderen Elementen der „Wand“ eine Einheit. Auch die Gitarre spielt – wie sollte es anders sein – nur auf den Einsen.

Pad
Als Füllelement kommt noch eine unauffällige Synth-Streicher-Fläche hinzu, die nicht weiter auffällt, aber den Gesamtsound dichter und breiter macht. Meine stammt aus dem in Logic enthaltenen Software-Synth ES2.

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Pad

Bells
Nach oben hin wird das Frequenzspektrum im Refrain von einem digitalen Glöckchen-Sound abgerundet, der direkt aus den 80ern zu stammen scheint. Dieser spielt ein ostinates Pattern und fügt sich mit seiner ziemlich langen Decay-Zeit nahtlos in die „Soundwand“ ein. Ich habe zu diesem Zweck den Software-Synth „FM8“ von Native Instruments verwendet, der immer erste Wahl ist, wenn es um die metallisch-digitalen Glocken und E-Pianos der 80er à la Yamaha DX-7 geht.

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Bells
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Arrangement (Strophen)

Weniger ist mehr
Wie bereits erwähnt, sind viele aktuelle Chart-Titel – vor allem in den Hip-Hop- und R&B-Genres – relativ sparsam instrumentiert und beschränken sich überwiegend auf Beats und Vocals. Der Hit von One Republic folgt diesem Trend, obwohl die Band sich selbst als Rockband bezeichnet. In den Strophen wechseln sich verschiedene sparsame Elemente ab und ergänzen das Grundgerüst, das vom Schlagzeug gebildet wird.

Cello
In der ersten Strophe übernimmt ein Cello die Aufgabe, etwas Abwechslung in das Arrangement zu bringen. Da mir für diesen Workshop leider ein geringfügig kleineres Budget als One Republic zur Verfügung steht, habe ich mir mit der Vienna Symphonic Library Special Edition beholfen. Das Cello spielt gebrochene Akkorde und lockert damit den etwas statischen Orgelteppich auf. Im letzten Refrain erscheint das Cello übrigens wieder – hier unterstützt es die Gesangsmelodie.

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Piano
Spätestens zur zweiten Strophe hat man den allgegenwärtigen Orgelsound satt. Aus diesem Grund werden die Akkorde nun von einem Klavier übernommen. Das Piano greift das Pattern wieder auf, das im Refrain von den Glöckchen eingeführt wurde. Ich habe hierfür die East West Quantum Leap Pianos (siehe Testbericht) verwendet. Mit einer Mischung aus Close- und Room-Mikrofonen fügt sich der Steinway-D-Flügel gut in den sehr räumlichen Gesamtsound ein. Unterstützt wird er von einer chorartigen Fläche aus dem Access Virus TI.

„Warp Cello“
Die zweite Hälfte der zweiten Strophe wird von einem nicht ganz alltäglichen Sound getragen. Erneut dient hier ein Cellosound aus der Vienna Symphonic Library als Basis. Diesen schicken wir jedoch durch eine ganze Reihe von Effekten, sodass er kaum noch als Cello erkennbar ist und fast ein mellotronartiges Flair bekommt. Zunächst durchläuft der Sound das „Scanner Vibrato“, ein Modulationseffekt, der eigentlich eher für Orgelsounds gedacht ist. Danach fügen wir eine ordentliche Portion Federhall hinzu, der dem Cello eine charmante Retro-Räumlichkeit gibt. Durch das Freeware-Plugin „iZotope Vinyl“ verstärken wir diesen Retro-Effekt, wobei das Plugin bewusst hinter dem Hall zum Einsatz kommt, um diesen gleich mitzubearbeiten. Zu guter Letzt schneiden wir mit einem ziemlich drastischen EQ noch oben und unten eine Menge Frequenzen weg. Durch diese Schmalbandigkeit wirkt das Cello ein bisschen wie ein Sample von einem alten Tonband.

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Warp Cello
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All Together Now

Jetzt können wir alle Elemente zusammensetzen und den Hit von One Republic in seinen Grundzügen nachbauen. Das klingt dann so:

Audio Samples
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Komplett

Und damit kommen wir schon zum Ende dieser Folge unseres Workshops. Ich hoffe, es hat euch gefallen und ihr seid nächstes Mal wieder dabei, wenn wir aktuelle Chart-Produktionen in ihre Einzelteile zerlegen!

Stay tuned!

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glofi sagt:

#1 - 28.02.2012 um 18:23 Uhr

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Super klasse, vielen Dank!!!
Ich liebe die Produce-alikes, sie sind höchst aufschlussreich. Persönlich würde ich mich über ein weiteres Produce-alike aus der Rock-Ecke freuen, beispielsweise etwas wie "Time Won't Let Me Go" von The Bravery, was von Placebo oder eben auch was Aktuelles von den Black Keys.
Frage mich zudem oft, wie die Bands ihre Produktionen dann wieder live umsetzen. Hat der Mixer für jeden Song eigene Pre-Sets oder kommt doch ein Teil des Songs vom Play-Back? Ist sicher auch ein umfangreiches Thema. Vielleicht habt Ihr Lust, das mal aufzugreifen...
Viele Grüße, ich freue mich schon auf die nächste Folge!!!

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