Produce-Alike #22 Lady Gaga “Applause”

Nach Rihanna ist Lady Gaga die zweite Künstlerin, der wir eine zweite Folge der Serie Produce-Alike widmen. Die exzentrische Pop-Queen aus New York hatte zuletzt eine kleine Pause eingelegt – eigentlich sollte ihr neues Album schon Anfang des Jahres erscheinen. Jetzt ist sie aber wieder da und ihr neues Werk „Artpop“ sorgt schon vor der Veröffentlichung für Gesprächsstoff. Als moderne Pop-Ikone geht Lady Gaga natürlich mit der Zeit: „Artpop“ wird im November nicht nur als CD und Download erscheinen, sondern auch als Smartphone-App. 

(Foto: © Inez and Vinoodh Photo / von Universal Music)
(Foto: © Inez and Vinoodh Photo / von Universal Music)



Die von Lady Gaga und DJ White Shadow geschriebene und produzierte Vorab-Single „Applause“ wurde kurzerhand ein paar Tage früher als geplant veröffentlicht, nachdem der Song im Netz aufgetaucht war, und landete gleich in mehreren Ländern in den Top Ten. Den Verkaufs-Wettstreit gegen Katy Perrys ebenso gespannt erwartete und ungefähr zeitgleich erschienene Single „Roar“ verlor „Applause“ zwar knapp, aber wir haben den Song trotzdem für euch auseinander gepuzzelt.

Intro und Strophen

“Applause” ist eine Uptempo-Electropop-Nummer mit 140 BPM. Im Intro wird das Staccato-Thema vorgestellt, das den Song durch die Strophen trägt. Es besteht aus einem eher metallisch-digital klingenden Synth und einem Synth-Bass, die beide Achtelnoten klopfen wie sonst nur der Bassist von Status Quo. Gleichzeitig machen wir Bekanntschaft mit der Akkordfolge, die im ganzen Song gleich bleibt.

Für den metallischen Synth habe ich meinen Arturia Minibrute angeworfen. Der monophone Hardwaresynth aus der Softwareschmiede ist zwar analog und seine Kernkompetenzen sind sicherlich nicht im Bereich der drahtigen FM-Sounds zu suchen, aber er ist für allerhand Klangüberraschungen gut und die Dreieckwelle besitzt einen Regler namens “Metalizer”. Das ist ja genau das, was wir brauchen! Das Filter des Minibrute arbeitet als Hochpass und der “Metalizer”-Wert wird von der Filterhüllkurve moduliert. Dazu habe ich eine Pulswelle mit maximal aufgedrehter Pulsbreite gemischt. Das klingt dann so:

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Minibrute 1

Wo wir den Sound schon mal eingestellt haben, können wir auch gleich noch die Bassline einmal damit spielen:

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Minibrute 2

Und jetzt beide Spuren zusammen:

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Minibrutes kombiniert

Der Minibrute hat keine Speicherplätze. Daher muss man sich Sounds merken, indem man sie auf einem der mitgelieferten Layover-Sheets aufmalt (sehr retro) oder – deutlich praktischer – schnell mit dem Handy ein Foto macht und es archiviert. Im goldenen Analogzeitalter besaß so mancher Keyboarder zu diesem Zweck eine Polaroid-Kamera und ein Fotoalbum für Sounds. Kaum zu glauben in Zeiten von Synths mit Tausenden Speicherplätzen… Heutzutage übt diese analoge Einfachheit einen ganz besonderen Reiz aus.

Einen Minibrute-Sound merkt man sich am besten per Handyfoto
Einen Minibrute-Sound merkt man sich am besten per Handyfoto

Für den Basssound habe ich einen zweiten Analogsynth verwendet, allerdings einen mit Speicherplätzen: den Moog Little Phatty. Der Sound besteht aus einer Rechteckwelle und einem Sägezahn zwei Oktaven darüber. Kräftig zupackende Filter- und Amphüllkurven verleihen dem Sound Struktur und etwas Resonanz und Filter Overdrive sorgen für die Bissigkeit. Später wird noch ein “richtiger” Bass hinzukommen, daher wird der Sound recht leise gemischt und mit einem EQ von den tiefsten Frequenzen befreit. Gemeinsam mit den beiden metallischen Minibrute-Spuren ergibt er das Ostinato, das den Strophen von „Applause“ zu Grunde liegt:

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Little Phatty Intro-Synths: 2x Minibrute, 1x Phatty

In der Strophe kommen gemeinsam mit dem Gesang die Drums hinzu. “Applause” kommt wie viele aktuelle Hits mit einem Minimum an Drumsounds aus. Die Kickdrum habe ich aus dem Spectrasonics Stylus RMX. Sie ist von Haus aus schon so fett, dass wir gar nicht weiter daran schrauben müssen:

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Kick

Der etwas zahmen Snare habe ich mit einem EQ viel Bauch rund um 200-300Hz gegeben und sie stattdessen in den oberen Mitten etwas ausgedünnt. Danach folgt ein heftiger Kompressor für den Punch.

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Snare

Hinzu kommen ein paar Claps mit viel Hall. Sie sind meist recht leise, werden später aber auch mal im Rhythmus variiert und hier und da etwas lauter gemacht.

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Claps

Die Hi-Hat übernimmt bei “Applause” einmal mehr nicht ihre angestammte Funktion als Timekeeper, sondern wird eher als Effekt eingesetzt. Zum Einsatz kommt ein spitz klingendes Hihat-Sample einer analogen Drummachine. Bei der Programmierung imitieren wir die “Roll”-Funktion vieler Drumcomputer und erzeugen eine rasche Abfolge von 64tel-Noten. Die Spur wird per Automation abwechselnd nach links und nach rechts gepannt.

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Hi Hat Drums Strophe
Das Hihat-Pattern imitiert die "Roll"-Funktion vieler Drumcomputer
Das Hihat-Pattern imitiert die “Roll”-Funktion vieler Drumcomputer

Im Hintergrund schwirren ein paar Halleffekte herum, die mir im Original aus Vocals erzeugt zu sein scheinen. Um das zu simulieren, habe ich einen Synth-Sound durch einen Hall geschickt und nur das Wet-Signal als Audioclip gebounct. Diesen habe ich dann zerschnitten, punktuell eingesetzt und mit einem EQ und einem Delay noch verfeinert. Hier hört ihr das trockene Ausgangssignal und danach das Ergebnis:

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Reverb FX: trockenes Ausgangsmaterial Reverb FX: isoliertes Hallsignal Reverb FX: zerschnitten und auf einer Audiospur arrangiert
Fotostrecke: 2 Bilder Das Hallsignal wird zerschnitten und auf einer Audiospur arrangiert

Zur Hälfte der Strophe kommt ein Synth-Bass hinzu, den ich ebenfalls mit dem Little Phatty gemacht habe. Oszillator 1 liefert einen Sägezahn, während der zweite Oszillator eine leise dazugemischte Rechteckwelle eine Oktave höher beisteuert. Der Cutoff steht bei etwa 40% und die Resonanz bei ca. 25%.

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Bass Strophe

So klingt die fertige Strophe:

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Strophe

Prechorus

Es folgt ein Prechorus, in dem der Beat aussetzt und durch eine gefilterte Viertel-Bassdrum ersetzt wird. Dafür habe ich die gleiche Kick wie in der Strophe verwendet und sie auf einer gesonderten Spur durch ein Tiefpassfilter geschickt.

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Filtered Kick
Die Kick durchläuft ein Tiefpassfilter
Die Kick durchläuft ein Tiefpassfilter

Der Bass spielt jetzt lange Noten, behält aber die gleichen Grundtöne wie in der Strophe bei.

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Prechorus Bass

Nun brauchen wir einen Flächensound mit dem plastikartigen Klangcharakter einer Rechteckwellenform. Dafür habe ich den Freeware-Synth TAL U-NO-62 verwendet, der den Roland-Klassiker Juno-6 emuliert und sehr einfach zu programmieren ist. Die Tonhöhe und der Filter-Cutoff werden leicht vom LFO moduliert. Ein leise hinzugefügter Suboszillator, etwas Noise sowie der nachgeschaltete, dezente Bitcrusher-Effekt machen den Sound voller bzw. schmutziger. Per Automation wird das Filter im Verlauf des Teils langsam etwas geöffnet. Gleichzeitig wird der Sound insgesamt lauter.

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Square Pad
Der TAL U-NO-62 steuert einen plastikhaften Flächensound bei
Der TAL U-NO-62 steuert einen plastikhaften Flächensound bei

Zum Chorus hin sorgen die Snare und die Claps für eine Steigerung. Sie beginnen mit Viertelnoten, wobei die Snare hier noch sehr leise ist. Später wechselt sie zu Achtelnoten. Im letzten Takt vor dem Chorus setzt alles andere aus und die Snare vollführt einen Wirbel mit immer kürzer werdenden Notenwerten: Aus Achtelnoten werden Achteltriolen und zum Schluss Sechzehntelnoten.

Die Snare vollführt am Ende des Prechorus einen Wirbel mit kürzer werdenden Notenwerten
Die Snare vollführt am Ende des Prechorus einen Wirbel mit kürzer werdenden Notenwerten

Und so klingt der Prechorus:

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Prechorus

Im Chorus spielen Kick, Snare und Claps wieder ihr angestammtes Pattern aus der Strophe, wobei die Claps ab der Hälfte zusätzlich auf der „2-und“ spielen.

Der Bass bleibt bei langen Noten, bekommt aber Gesellschaft von einem breiteren, helleren Sound aus mehreren Sägezahnwellen. Dafür habe ich nochmals den Minibrute eingesetzt, dessen “Ultrasaw”-Schaltung die legendäre Supersaw-Wellenform aus dem Roland JP-8000 emulieren soll – zugegebenermaßen mit eher mäßigem Erfolg. Der Minibrute wird gedoppelt, nach links und rechts gepannt, von den Tiefbässen befreit, mit einem leichten Chorus/Flanger versehen und dem anderen Bass beigemischt.

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Minibrute Bass einzeln Minibrute Bass gedoppelt Minibrute Bass gedoppelt mit FX Chorus Bässe kombiniert
Fotostrecke: 2 Bilder Der Minibrute-Sound für den Chorus

Zusammen bekommen die Bässe einen kräftig zupackenden Kompressor verpasst, dessen Sidechain-Eingang von einer stillen, also im Mix nicht hörbaren Viertel-Kickdrum gespeist wird. Dadurch entsteht ein starker Pump-Effekt. Je nach DAW sieht das dafür nötige Routing etwas anders aus – in Logic macht man das am besten, indem man die Kick auf einer Audiospur ohne Ausgangszuweisung anlegt. Diese lässt sich dann im Kompressor-Plugin als Sidechain-Quelle auswählen. Arbeitet man mit einem Software-Instrument statt einer Audiospur, muss man das Signal zunächst auf einen Bus ohne Ausgang routen, weil Software-Instrumentenspuren in Logic aus einem unerfindlichen Grund nicht direkt als Sidechain-Quelle dienen können.

Der Plastik-Flächensound aus dem Prechorus übernimmt im Chorus eine Melodie und erhält ein kleines Delay:

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Square Melo

Unterstützung kommt vom Access Virus TI, der (fast) die gleiche Melodie und ein paar Akkordtöne mit einem breiten, aggressiven Trance-Sound spielt. Auch etliche Jahre nach seinem Erscheinen gibt es für solche Klänge kaum eine bessere Wahl als den Virus – oder natürlich den eben erwähnten JP-8000.

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Virus
Access Virus TI (PlugIn-Komponente)
Access Virus TI (PlugIn-Komponente)

Die beiden Synthesizer-Sounds erhalten ebenfalls einen Sidechain-Kompressor, der allerdings dezenter zu Werke geht als jener auf den Bässen. So klingt der Chorus:

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Chorus

Nach dem zweiten Chorus folgt ein Mittelteil, wobei es sich hierbei eigentlich um zwei aneinander gehängte und unterschiedlich instrumentierte Prechorusse handelt.

Die erste Hälfte bestreitet ein Pianosound, der stark komprimiert wird und daher eine unnatürlich statische Ausklingphase erhält. Zusätzlich bekommt er ein Delay. Der Bass darf ebenfalls leise mitspielen.

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Piano

Die zweite Hälfte ähnelt dem bereits bekannten Prechorus, wobei die gefilterte Kickdrum wegfällt. Zur Unterstützung der Steigerung hin zum letzten Chorus habe ich noch einen Effektsound mit dem Rauschgenerator des Minibrute gebastelt. Das Bandpassfilter wird von einer Hüllkurve moduliert und der Arpeggiator triggert den Sound beatsynchron:

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Minibrute FX
Der Effektsound vom Minibrute
Der Effektsound vom Minibrute

So klingt der Mittelteil:

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Mittelteil

Danach folgt nur noch der letzte Chorus, und wir können “Applause” nachbauen.

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Song

Ich hoffe, dass euch auch diese Folge „Produce-alike“ Spaß gemacht hat. Bis zum nächsten Mal!

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(Foto: © Inez and Vinoodh Photo / von Universal Music)

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