Warum sollte man sich in Zeiten vielseitiger, hochwertiger Workstations noch ein zwei-manualiges Keyboard kaufen, das ausschließlich Orgel-Sounds bietet? Weil bei so einem spezialisierten Instrument die Nuancen der Orgel-Welt zum Vorschein kommen, die in Stage-Pianos womöglich untergehen würden. Gerade Puristen schätzen diese Reduktion, weswegen bis heute Hersteller die Nachfrage an Orgeln bedienen. Darunter auch Clavia, die neben der Electro- und Stage-Serie eine reine Orgel anbieten. Die C2D bekommt mit der Nord Organ 3 nun einen Nachfolger mit vielen überarbeiteten, aber auch einigen neuen Features. Wir haben das neue Nord-Flaggschiff für euch getestet.

- Clavia Nord Organ 3 – äußerer Eindruck
- Aufbau und Bedienoberfläche – Performen ohne Submenüs
- Die Nord Organ 3 bietet nun deutlich mehr Effekte
- Der Rotary-Speaker macht die Musik
- 400 Presets für Schnellzugriff im Live-Betrieb
- Die Waterfall-Tastatur
- Anschlüsse
- Die Nord Organ 3 in der Praxis
- Fazit – Nord Organ 3 Test
Clavia Nord Organ 3 – äußerer Eindruck
Wie auch die anderen Nord-Instrumente vermittelt die Clavia Nord Organ 3 auf Anhieb einen extrem kompakten und robusten Eindruck. Die charakteristisch roten Holzseitenteile sind durch Nords guten Ruf fast schon zu einer Art Qualitätsmerkmal geworden. Das Gehäuse besteht aus Metall, ist solide verarbeitet und wirkt sehr vertrauenserweckend für einen langjährigen Bühneneinsatz. Alle Regler, Taster und Fader machen einen robusten Eindruck und haben eine angenehme Haptik. Mit ihren 17 kg bewegt sich die Orgel im Bereich der Konkurrenz. Ähnliches gilt für die Maße (B x T x H: 985 x 446 x 165 mm). Die Anordnung der Bedienelemente wirkt aufgeräumt und übersichtlich, ohne dass man nach bestimmten Features suchen muss.

Aufbau und Bedienoberfläche – Performen ohne Submenüs
Die Nord Organ 3 kommt ohne verschachtelte Submenüs aus. Fast alle Parameter haben eigene Regler und vermitteln so den Eindruck, als würde man hier wirklich an einer echten, „analogen“ Hammond-Orgel sitzen. Es gibt zwei authentische Waterfall-Manuale mit jeweils 61 Tasten. Dazu gesellen sich insgesamt vier vollwertige Drawbar-Sets. Pro Manual können also zwei verschiedene Zugriegel-Settings zeitgleich eingestellt werden. Das ist vor allem im Live-Betrieb von großem Vorteil: Ein Knopfdruck genügt, um schnell von einem Manual-Sound zum nächsten zu wechseln – etwa von einer weichen Balladen-Orgel auf eine verzerrte Rock-Orgel.
Hierfür stehen – ähnlich wie beim Nord Stage – fünf verschiedene Orgel-Typen zur Verfügung: Neben der Hammond B3 gibt es jetzt auch eine Soft B3 mit weicherem Sound sowie eine Farfisa, eine Vox-Transistor-Orgel und zwei Pipe-Organ-Modelle.
Hinzu kommen fünf Basspedal-Modelle inklusive einer Moog-Taurus-Simulation, die wahlweise über eines der Manuale oder über ein zusätzlich erhältliches Basspedal gespielt werden können. Ein kleiner Wermutstropfen ist die Tatsache, dass die unterschiedlichen Orgelmodelle nicht getrennt auf die beiden Manuale gesplittet werden können. Es lässt sich also nur ein Orgel-Modell zurzeit mit einem Bass-Modell kombinieren. Angesichts der insgesamt 122 Tasten und der vielseitigen Split-Möglichkeiten etwa beim Nord Stage 4 könnte man hier mehr Flexibilität erwarten.
Die Nord Organ 3 bietet nun deutlich mehr Effekte
Im Vergleich zum Vorgängermodell erhält die Nord Organ 3 ein umfangreiches Makeover in Sachen Effekten. So gibt es neben der Percussion-Auswahl eine Modulations-Sektion mit Ringmodulation, Tremolo, Phaser, Flanger und Chorus. Hinzu kommt ein Delay mit Tap-Tempo, zwei Delay-Typen und Filter-Möglichkeiten. Zu den Algorithmen Room, Stage und Hall aus der Nord C2D gesellen sich beim Reverb des Nachfolgers noch Cathedral, Spring und Booth.
Außerdem lassen sich die Effekte nun wahlweise nur auf eines der Manuale anwenden – der Reverb kann sogar vor den Rotary-Speaker geschaltet und somit klanglich verfärbt werden. Natürlich darf auch der Vibrato-Scanner mit sechs Modellen nicht fehlen, der sich ebenfalls separat für die beiden Manuale aktivieren lässt.
Der Rotary-Speaker macht die Musik
Neben einem Dreiband-Equalizer gibt es noch eine überarbeitete Rotary/Amp-Simulation mit drei Amp-Modellen und einem Rotary-Speaker, bei dem zwischen fünf verschiedenen Mikrofonpositionen gewählt werden kann. Für alle Amp-Simulationen stehen außerdem drei verschiedene Drive-Typen mit unterschiedlichen Charakteristika zur Verfügung. Wer sich ein wenig mit dem Konzept der Hammond-Orgel im Jazz/Pop-Kontext beschäftigt hat, dürfte wissen, dass gerade der Sound des Rotary-Speakers/Overdrives die Hammond-Orgel erst zum Leben erweckt.
Bei einem so spezialisierten Instrument ist es also wirklich begrüßenswert, dass Nord ausgerechnet diesem Bereich so viel Detail geschenkt hat. Gerade was Drive-Typen und Mikrofonpositionen angeht, kommt etwa das Nord Stage 4 deutlich schlanker daher. Noch realistischer wäre natürlich ein Half-Moon-Switch für den Rotary-Speed gewesen, der aber nachgerüstet werden kann.
400 Presets für Schnellzugriff im Live-Betrieb
Im Speicher finden sich acht Bänke mit jeweils 50 Presets – also insgesamt stolze 400 Speicherplätze. Jedes Preset kann unabhängig für die beiden Manuale angelegt werden, inklusive Effekteinstellungen. Wie bereits erwähnt, sind die Drawbar-Sets nicht nur speicherbar, sondern lassen sich mit einem einzigen Tastendruck austauschen. Dadurch gelingt der Wechsel zwischen Songparts oder Soli nahezu nahtlos. Außerdem gibt es neben jedem Manual drei „Preset“-Buttons. Hier lassen sich etwa Lieblings-Settings abspeichern, die dann unabhängig vom ausgewählten Program/Sound per Knopfdruck erreichbar sind.
Die Drawbars können in zwei verschiedenen Modi operieren: Im Program-Mode zeigen kleine LEDs die Settings der Drawbars im jeweiligen Program an, im Panel-Modus verschwinden die LEDs, und die Settings orientieren sich an der physischen Position der Zugriegel. Leider funktioniert der Preset-Wechsel nur im Jump-Modus, das heißt: Sobald man nach einem Presetwechsel einen Drawbar bewegt, springt der Sound zunächst auf den aktuellen Wert des Reglers. Das kann beim Live-Spiel kleine Stolperfallen verursachen, da man unerwartete Lautstärke- oder Klangsprünge riskiert.

Die Waterfall-Tastatur
Während der Rotary-Speaker maßgeblich für den klassischen Hammond-Sound verantwortlich ist, hängt das authentische Spielgefühl zum Großteil von der Tastatur ab. Wer schon mal an einer echten Hammond gesessen hat, dürfte bei der Nord Organ 3 erstaunt sein, wie nah das Spielgefühl dem Original kommt. Die Waterfall-Tasten sind federleicht und trotzdem robust, also genau richtig für expressive Glissandi. Außerdem ist die Ansprache der Orgel in Kombination mit Keyclick, Percussion und weiteren Nuancen extrem musikalisch und dynamisch. Hier werden die überarbeiteten Tonewheel-Modulationen und die Detailverliebtheit von Nord nicht nur hör-, sondern auch spürbar.

Anschlüsse
Neben dem obligatorischen 6,3-mm-Stereo-Klinkenausgang besitzt die Nord Organ 3 auch zwei Outputs (Klinke und 11-poliger Leslie-Standard) zum Anschluss an einen externen Rotary-Speaker mit eingebautem Verstärker. Hinzu kommt ein Aux Out, um etwa den Basspedal-Sound einzeln auszuspielen. Das zusätzlich erhältliche Basspedal hat ebenfalls einen eigenen 5-poligen DIN-Anschluss. Für externe Pedale gibt es drei Eingänge, um Swell, Sustain und Rotary kontrollieren zu können.
Neben einem 3,5-mm-Klinkenanschluss für Monitor In und zwei Kopfhöreranschlüssen gibt es noch MIDI In/Out sowie eine USB-Buchse für USB-MIDI und Firmware-Updates. Somit ist die Nord Organ 3 sowohl mit zeitgenössischer Digitaltechnik ausgestattet, kann aber auch gut mit Vintage-Equipment oder aktuellen Leslie-Speakern kombiniert werden.

























MartY ATARI sagt:
#1 - 05.11.2025 um 10:34 Uhr
ohne 2 verschiedenen Orgelsounds total sinnlos...