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Querschläge: Das Märchen vom fiesen 360° Deal

In der Not frisst der Teufel nicht nur Fliegen

(Foto: © Fotolia, Montage: Bonedo)
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Wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung hat Heinz Erhardt gesagt. Der (trotz seiner gefühlten -18 Dioptrien) weitsichtige Humor-Künstler nahm damit vorweg, was Teile der Musikindustrie als die größte Krise seit Markteinführung der Leer-Kassette erleben. Das böse Internet, die fiesen Piraten und überhaupt, dieser ganze „ich-würd-gern-selbst-bestimmen-was-ich-höre-wann-ich-es-höre-wie-ich-es-höre-und-vor-allem-mit-wem-ich-es-höre“-Quatsch geht insbesondere den dicksten Fischen in diesem Tümpel gehörig auf die Kiemen. In dem Glauben, aus der Not eine Tugend zaubern zu können, unternahm man, was heutzutage wahrscheinlich “Tea Party Move“ heißt: Man beschwor jene vergangenen glorreichen Zeiten, in denen Künstler keine Kreativen, sondern gedungene Entertainment-Söldner (sprich Marionetten) waren, die dem Business nicht ständig in die Parade fuhren. 
Ob privilegierter Partner oder Leibeigner – die Modelle sind bewährt
Denn dass sich der Kreis mit diesen auch als “Rundum-Deals“ bezeichneten Vereinbarungen nun gewissermaßen schließt (gleich kommt die Wortspiel-Polizei!), ist noch lange nicht gesunder Menschenverstand. Gegen die noch immer als legendäre Mogule gefeierten Helden der Pop-Industrie, von Sam Philips über Barry Gordy bis Irving Azoff, sind die heutigen Plattenbosse im Hinblick auf das Verhältnis zu ihren Künstlern die reinsten Humanisten. Ganz besonders der Hitville-Architekt Gordy perfektionierte die „ich-profitiere-von-allem-was-meine-Marionetten-da-draußen-verdienen“-Masche. Ob Tonträger- oder Ticket-Verkäufe, ob Tantiemen, Merchandise oder Lizenzgebühren, und sogar bei den als Aufwandsentschädigungen deklarierten Zahlungen für Auftritt in Film, Funk und Fernsehen – aus Künstlersicht war Gordys Motown die verdiensttechnische Vorhölle.
180° Deals gab es nie
Nicht, dass diese Praxis jemals abgeschafft worden wäre. Befeuert von irrsinnigen Gewinnen teilten sich die Verantwortlichen in einer Geheimbund-ähnlichen Übereinkunft den Kuchen: Woran die Labels nichts mehr verdienten, davon profitierten jetzt die Manager. Und umgekehrt. Solange das Geld floss war alles prima. Als der Gürtel auf einmal so eng geschnallt werden musste, dass er aussah wie ein Hungerhaken, war Schluss mit lustig. Die Schlacht ums kalte Büffet und die dort angerichteten Fleischtöpfe war eröffnet. Von einigen wenigen Dinosauriern abgesehen, dürfen sich die Labels über einen bitteren Sieg freuen. Verträge, bei denen die Plattenfirma nicht wenigstens einen Teil aller Einkommensströme “ihrer“ Künstler beansprucht, gelten mittlerweile als Einhorn. Ausbeutung? – Von wegen. Erstens: It Takes Two To Tango. Jedem ungesignten Künstler obliegt es, sich entweder für oder gegen ein folgenschweres Agreement zu entscheiden. Gleichzeitig kreative Kontrolle und betriebswirtschaftliche Verantwortung auszuüben, beherrschen aber nur die Wenigsten. Zweitens: Wer die etablierten Infrastrukturen eines Major-Labels erfolgreich für sich nutzen will (das geht, ist aber nicht garantiert), darf nicht vergessen, dass der Aufbau von Künstlern keine Ehrensache, sondern ein Geschäftsmodell ist. There’s no Business, but Show-Business! Egal, wie man es dreht und wendet – es bleibt ein Geschäft. Und solange die Mehrzahl der Künstler sich nicht als merkantil-gestählte BWL-Bohlens definieren, muss jemand dafür sorgen, dass der Rubel rollt, während die Puppen tanzen. Dazu braucht es Labels.  

Unser Kolumnist Thomas Kühnrich ist seit 2011 Redaktionsleiter bei Joinmusic.com. Dieses Online-Magazin und Label-Portal will getreu des Mottos “Good Music Only” eine Anlaufstelle für Labels und Musikinteressierte abseits der Top 20 Playlists sein. Und weil Justizia zwar blind, nicht aber taub ist, gibt sich Joinmusic subjektiv, voreingenommen und parteiisch. Mit News, Track-Tweets, Reviews und Hintergrund-Geschichten informiert das Magazin über Künstler, die den Unterschied machen. Das einzige Genre, das für sie wirklich zählt, heißt „großartige Musik“. Mit diesem Hintergrundwissen gewappnet, wird uns Thomas ab sofort mit seinen “Querschlägen” ein wenig Pfeffer in den Alltag bringen…

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