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Novation Circuit Mono Station Test

Praxis

Was heißt denn nun „paraphon“? Den Begriff hört man in letzter Zeit ja öfters, z.B. im Zusammenhang mit dem Dreadbox Nyx, dem MFB Dominion 1, dem Moog Sub 37 oder auch dem von Erica Synths modular wiederbelebten sowjetischen Formanta Polivoks Synthesizer. Ist das ein neuer Trend?
Eigentlich gibt es paraphone Synthesier schon ziemlich lange. Es sind monophone Synths mit mehreren Oszillatoren, deren Parameter individuell ansteuerbar sind. Im Falle der Circuit Mono Station kann man entweder beide Oszillatoren über einen Sequenzer spielen oder aber beide individuell. Dennoch haben wir hier keine zwei unabhängigen monophonen Stimmen, weil sich beide Oszillatoren durch die gleichen Filter und Hüllkurven quetschen müssen – anders als bei einem polyphonen Synth, wo diese Bausteine für alle Stimmen separat vorhanden sind.
Also rein in die Session und die erste Sequenz programmiert. Der „Sessions-Modus“ dürfte manchem schon vom Novation Circuit bekannt sein. Wie beim Circuit kann man auch bei der Circuit Mono Station die 16 Farben der jeweiligen „Session“ frei wählen, um z.B. zusammengehörige Patterns farblich zu markieren. Oder man denkt sich seinen eigenen Farbcode aus wie „Rot = warme Deep House Bassline „ oder „Blau = kalte Technosequenz“. Vorsicht! Vor dem Umschalten auf die nächste Session das Speichern nicht vergessen, sonst ist die vielleicht geniale Bassline unwiderruflich im digitalen Nirvana verschwunden.

Note

Dank der RGB-Pads braucht es wirklich kein Display, denn durch die Farbkodierung weiß man eigentlich immer, in welchem der unterschiedlichen Modi der Novation Circuit Mono Station man sich gerade befindet. Der Note-Modus ist das „Keyboard“ der Circuit Mono Station. Beide Oszillatoren haben ihren eigenen Sequenzer, beim ersten Oszillator ist das Keyboard so wie der Osc 1-Schalter „pink“, bei Osc 2 giftgrün. Die Oktaven werden mit den darüberliegenden Oct Down und Oct Up Buttons umgeschaltet.
Die Noten werden entweder in Echtzeit gespielt oder als Steps programmiert. Beides geht gleichzeitig, ohne lästiges Umschalten zwischen Realtime Record oder Step Record, wie bei manch anderem Sequenzer. Sobald der Record-Button gedrückt ist, wird alles aufgenommen, was auf dem „Pad-Keyboard“ gespielt wird und auf Sechzehntel quantisiert. Maschinenmusiker werden das begrüßen. Was fehlt, ist ein Metronom. Gerade beim Live-Einspielen macht es daher Sinn, eine Drum Machine im Sync mitzuführen.

Fotostrecke: 2 Bilder Pretty in Pink: die Note View des Oszillators 1 im Sequenzer der Circuit Mono Station

Velocity

Leider sind die Pads nicht so anschlagdynamisch, wie man sich das wünschen würde. Gut, dass einzelne Steps der Sequenz in 16er-Schritten per Velocity-Funktion nachbearbeitet werden können. Wird ein Step der unteren 16 hellblauen Pads gedrückt, wird auf der oberen Hälfte bernsteinfarben die Anschlagdynamik in 16 Schritten angezeigt. Das ist sehr intuitiv und für Maschinenmusik reicht das völlig aus.
Die Circuit Mono Station kann natürlich auch per externem Keyboard gespielt werden, reagiert allerdings nicht auf Pitchbend- oder Modulationsrad-Bewegungen. Das Gerät hat allerdings eine recht umfassende MIDI-Implementierung und die meisten Funktionen und Parameter senden MIDI-Daten, die in einer DAW aufgezeichnet werden können. Auch als MIDI-Keyboard kann die RGB-Tastatur verwendet werden.

Velocity für Maschinenmusik: Jede programmierte Note kann in 16 Schritten „anschlagdynamisch“ programmiert werden.
Velocity für Maschinenmusik: Jede programmierte Note kann in 16 Schritten „anschlagdynamisch“ programmiert werden.

Gate

Gleiches gilt für die Notenlängen. Hier zeigt die obere Hälfte wieder bernsteinfarben Notenwerte von einem Sechzehntel bis zu einem Takt an. Bei live eingespielten Noten dimmt dann gerne noch mal das nächste Pad und zeigt den Überhang der Note an. Das lässt sch mit einem schnellen Druck auf das Pad verkürzen oder verlängern, denn da die Circuit Mono Station ein monophoner Synth ist, werden evtl. auf dem überlagerten Step programmierte Noten nicht abgespielt. Die „Note Priority“ liegt auf der zuletzt gespielten Note, nicht auf der folgenden. Das kann man sich aber auch in einer Jam-Session zunutze machen, indem zum Beispiel die erste Note etwas verlängert wird, um sie länger klingen zu lassen. Die von dieser Note überdeckten Steps werden nicht gelöscht und wenn die erste Note wieder auf ein Sechzehntel gekürzt wird, knattern die eben noch verdeckten Steps wieder munter weiter. Über SHIFT + Gate lassen sich auch super-einfach ziemlich einzigartige Glides programmieren, die über bis zu 16 Steps laufen, was ziemlich cool klingt.

Das Gate geht von eins bis sechszehn. Auch hier gilt: Note wählen, Gate-Länge wählen, fertig.
Das Gate geht von eins bis sechszehn. Auch hier gilt: Note wählen, Gate-Länge wählen, fertig.

Pattern Settings

Das ist einer meiner Lieblingsmodi. Er eignet sich sehr gut zur Live-Manipulation der Sequenzen. Die beiden untersten hellblauen Reihen stellen die 16 Steps des Patterns dar, das orange-farbige Pad ist dabei der letzte Step. Während die Sequenz läuft, kann man jetzt einfach und intuitiv ein anderes Pad als „Last Step“ anwählen und somit den Patternloop z.B. graduell auf acht und vier und zwei und einen Step reduzieren, um Intensität in einem Break aufzubauen oder aber ungerade Loops zu kreiieren, die hypnotisch über den geradlinigen Beat einer gesyncten Drum Machine kreisen. Dabei fungiert ein weißes durchlaufendes Licht als Kontrolle, welcher Step der Sequenz gerade abgespielt wird. Die zweitoberste Reihe mit vier orange-farbigen Pads dient dem spontanen Richtungwechsel. Vier Abspielmodi stehen zur Verfügung: geradeaus, rückwärts, hin-und-zurück oder zufällig.
Aber es kommt noch besser: Die oberste rote Reihe repräsentiert die Zählzeit. Leuchtet das Pad 5 rot (das fünfte Pad in der obersten Reihe), zeigt das „Normalgeschwindigkeit“ an. Wird Pad 3 gedrückt, läuft das Pattern in Halftime. Pad 1 schließlich spielt das Pattern aufreizend langsam in Viertelgeschwindigkeit. Die Pads 2 und 4 repräsentieren jeweils die triolischen Werte. Nach rechts wird’s dann hektisch: Beschleunigungen auf Zweiundreißigstel (Pad 7) und die triolischen Werte 1/16 T (Pad 6) und 1/32 T (Pad 8) durchbrechen eindeutig die Schallgrenze des Tanzbaren, können aber in Breaks Wunder wirken. Das macht am meisten Spaß mit knatternden Sechzehntelsequenzen, die mit einem Knopfdruck entweder aufreizend langsam oder ekstatisch schnell abgespielt werden können.
Ich finde diese Art von intuitivem Echtzeitzugriff in die Patternstruktur schlicht sensationell. So etwas hätte ich gern für Audioloops. Schade nur, dass das Pattern erst auf die neue Zählzeit umschaltet, wenn es komplett durchlaufen wurde. Da muss man bei der langsamsten Zählzeit schon mal etwas warten. Schöner wäre hier eine smarte Variante, die stets zum nächsten Takt der Originalzählzeit umschaltet.
Eine weitere inspirierende Pattern-Settings-Spezialität lässt sich per SHIFT erreichen: Mit„ Mutate“ werden die Noten eines Patterns nach dem Zufallsprinzip neu geordnet, eine Art „MIDI-Shuffle“. Der Pattern Settings Mode ist definitiv ein Highlight der Circuit Mono Station.

Der Pattern Settings Mode ist ein Highlight der CMS. Hier können die Sequenzen sehr intuitiv und live verändert werden.
Der Pattern Settings Mode ist ein Highlight der CMS. Hier können die Sequenzen sehr intuitiv und live verändert werden.

Sessions und Patterns „

Normale“ Patterns sind übrigens immer maximal 16 Steps lang. Sollen es bis zu 256 Steps sein, kommen die „Sessions“ ins Spiel. Hier lassen sich bis zu 16 Patterns des Osc 1-Sequencers sehr intelligent miteinander verknüpfen. Anders als klassische „Pattern Chains“ bilden Patterns in Sessions ein einziges großes Pattern, in das auch in realtime über 16 Takte aufgenommen werden kann. Wird dann nur ein Pattern angewählt, loopt es durch. Die Länge einer Patternkette wird mit gleichzeitigem Druck auf das erste und das letzte Pattern der Kette definiert.
Der grüne Osc 2-Sequenzer verfügt nur über maximal acht Patterns, genauso wie der orange-farbene Modulationssequenzer. Soll heißen: Jeder der drei Sequenzer kann mit unterschiedlicher Patternzahl eigenständig seine Runden drehen, wobei sich dann oft schon zwangsläufig polyrhythmische Verschiebungen ergeben. Prinzipiell kann man sich eine Session aber auch als 16 eintaktige Sequenzen für Oszillator 1 und acht Sequenzen für Oszillator 2 vorstellen.
Einziges eventuelles Manko: Das ist alles optimiert auf starres Sechzehntel-Sequencing. Wer filigranere Auflösungen sucht, dürfte sich hier zurechtgerückt fühlen. Aber Maschinenmusiker werden es lieben.

In einer „Session“ lassen sich nicht nur bis zu 16-taktige Sequenzen erstellen, man hat auf Wunsch auch Zugriff auf bis zu 16 eintaktige Loops.
In einer „Session“ lassen sich nicht nur bis zu 16-taktige Sequenzen erstellen, man hat auf Wunsch auch Zugriff auf bis zu 16 eintaktige Loops.

Scales

Im „Scales“-Modus wählt man in den unteren beiden Grid-Reihen zwischen 16 verschiedenen Skalen, in denen man die Sequenzen mit den blauen Tasten in den oberen beiden Grid-Reihen in Echtzeit transponieren kann. Es werden immer die Transpose-Werte hell beleuchtet hervorgehoben, die in der angewählten Skala harmonisch Sinn machen. Andere Transpose-Werte sind nur gedimmt beleuchtet. Völlig unbeleuchtete Pads können als Transpose-Wert gar nicht erst angewählt werden. Ob das nun harmonische Bevormundung ist oder einfach nur praktisch, es ist auf jeden Fall super zum live Jammen. Leider lassen sich die live transponierten harmonischen Verläufe nicht in einem „Song“ aufnehmen. Da ist also immer Live-Editing gefragt. Auch habe ich bisweilen kurze Soundaussetzer beim „Live-Scalen“ bemerkt, wie bei den letzten beiden Soundbeispielen zu hören ist.

Nicht gerade die Mailänder Scala: In 16 Skalen darf wild hin- und hertransponiert werden.
Nicht gerade die Mailänder Scala: In 16 Skalen darf wild hin- und hertransponiert werden.

Sound

Ja, aber wie klingt’s denn nun? Novation’s BassStations haben schon seit jeher eine sehr eigenständige Soundästhetik repräsentiert und die Circuit Mono Station macht da keine Ausnahme. Sie klingt sehr energisch und geradeaus und wenn man will auch richtig ravig. Die CMS liefert einen modernen Klang, der sich gut für schräge Leadsounds und charakteristische Bässe eignet.
Wie die Audiobeispiele zeigen, birgt bereits eine einzige Sequenz unterschiedlichste Manipulationsmöglichkeiten. Ein zarter, unschuldiger Sound kann extrem dissonant moduliert werden. Und auch mit dem Mixer allein sind bereits viele Soundvariationen möglich. Selbst mit heruntergedrehten Oszillatoren ist per Ringmodulation die Differenz der beiden hörbar.
Grundsätzlich wird Oszillator 2 bei Sequenzen von Oszillator 1 immer mitgespielt. Um den zweiten Oszillator auch unabhängig vom Hauptoszillator zu hören, muss die Circuit Mono Station in den Paraphonic Mode 2 geschaltet werden (SHIFT + Scales). Dann sind auch zweistimmige Sequenzen möglich, die sich aber immer noch gegenseitig beeinflussen. Hier ist Herumprobieren gefragt. Wie charakteristisch Oszillator 2 im Vergleich zu Oszillator 1 klingen kann, könnt ihr in den letzten beiden Soundbeispielen hören: Bis auf die Bassdrum und die HiHat stammen alle übrigen Sounds zeitgleich aus nur einer Circuit Mono Station.

Audio Samples
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Verschiedene Stepsequenzlängen Verschiedene Stepsequenzrichtungen Verschiedene Stepsequenzgeschwindigkeiten Verschiedene Notenlängen Skalentransponierungen Dissonante Sounds Soundvariationen durch den Mixer und den LFO Bassline-Programmierung from Scratch Jamsession mit der Bass-Sequenz, Oszillator 1 und 2 im Wechsel Jamsession mit eigenständiger hoher Sequenz bei Osczillator 2

Ich hatte im Laufe des Tests auch mal meinen Roland SH-101 per CV/Gate an die Circuit Mono Station angeschlossen. Da fiel recht schnell und gnadenlos auf, dass so ein alter One-Oh-One einfach viel direkter losballert als die CMS: schnellere Attack, härterer Punch, mehr Knarz. Die CMS klingt nicht ganz so knackig, hat dafür aber ihre Stärken in vielschichtigen Zweiklängen, die mal schön und mal schräg klingen und ergänzt sich daher wunderbar mit einem eher rohen Monosynth wie dem 101.
Der integrierte Stepsequenzer der Circuit Mono Station ist allerdings das eigentliche Highlight. Sehr intuitiv, sehr übersichtlich und mit hohem Spaßfaktor. Ich würde mich sehr freuen, wenn ein findiger Max 4 Live-Programmierer einen Sequenzer für das Novation Launchpad erstellen könnte, der die Funktionalität des Circuit Mono Station Sequenzers imitieren würde. Oder wenn Novation einen größeren Circuit Stand-Alone-Sequenzer ohne Klangerzeugung vorstellen würde.

Beide analog und doch so anders: CMS und Roland SH-101 ergänzen sich gut.
Beide analog und doch so anders: CMS und Roland SH-101 ergänzen sich gut.
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Profilbild von Wahnfried soporatus

Wahnfried soporatus sagt:

#1 - 11.02.2019 um 16:22 Uhr

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Ich will eigentlich keine Diskussion starten, komme aber nicht umhin, diese einfach hervorragend geschriebene Beschreibung zu loben Als Besitzer einer solchen Maschine habe ich gerade einen Input reingefetzt bekommen, der mich das Gerät sofort holen liess um fast parallel zum Lesen drauf rumzudrehen/drücken. Ich machte glaub schon mal Bemerkungen über seinen coolen Schreibstil, und nun geb ich gleich noch eins drauf. Da schreibt einer der schwer ne Ahnung hat von dem, was er beschreibt. Auch fachmännisch ist er echt profimässig durch, so, dass sich so mancher Deutsche Kritiker oder YouTube - Vorsteller eine superfette Scheibe absäbeln könnte.
Das wär's schon. Bleibt mir nur noch, mich dafür bestens zu bedanken. Allerbestens.
Wahnfried

    Profilbild von Redaktion Bonedo

    Redaktion Bonedo sagt:

    #1.1 - 21.02.2019 um 09:56 Uhr

    0

    Hallo Wahnfried, vielen Dank für die lobenden Worte!! Schöne Grüße von der Bonedo-Redaktion

    Antwort auf #1 von Wahnfried soporatus

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