Melodium 42Bn Test

Praxis

Vergleiche Alt vs Neu

Bevor ich das Melodium 42Bn an die Instrumente und Stimmen lasse, muss es zuvor einen Testparcours durchlaufen. Zum einen ist natürlich interessant, wie es im direkten Vergleich zu einem alten Original abschneidet, zum anderen lässt sich so herausfinden, wie die Vorder- und Rückseite klanglich abgestimmt wurden.

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Nach einigen Sine-Sweeps ist offensichtlich, dass sich beide Seiten des Einsprechkorbs klanglich kaum unterscheiden und die Abstimmung hervorragend gelungen ist. Erst ab 5 kHz bewegt sich die Frequenzkurve ein klein wenig mit einer Einbuchtung zwischen 16 kHz und 20 kHz um -2 dB, die in der Praxis völlig irrelevant ist. Besonders bei Stereoaufnahmen wird man von einer gleichmäßigen räumlichen Abbildung von vorne und hinten eintreffendem Schall profitieren.

Erfreulich ist auch, dass das neue Modell im tiefen Frequenzbereich unter 70 Hz rund 5 dB weniger rauscht, im Höhenbereich ist das Rauschen ähnlich zum Original. Verglichen mit drei alten Originalen hatte das neue Melodium den stärksten Output im Test, die Originale waren bis zu 3 dB leiser. Gemessen an den Vorverstärkern des RME UFX war der Output eines Coles 4038 wiederum etwa 3 dB stärker als das neue Melodium. Vergleicht man den Frequenzgang zwischen Neu und Alt wird deutlich, dass das Melodium 42Bn untenrum etwas dicker aufträgt als die Vorgänger, besonders im Bereich zwischen 200 und 500 Hz. Zwischen 6 kHz und 9 kHz gibt es eine kleine Einbuchtung um bis zu -3 dB, ab 10 kHz steigt die Kurve wieder an und verleiht etwas“Air”. Diese Eigenschaften dürften besonders Sängerinnen mit scharfen S-Lauten sehr entgegenkommen.

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Im Studio-Einsatz

Zunächst teste ich das neue Modell an meiner Taylor Westerngitarre und vergleiche es mit einem meiner alten Originale. Seriennummer 0020 aus dem Jahr 2021 vs. Seriennummer 8149 aus den 1950ern. Die riesige Bauform des Melodiums macht mir als Tester das Leben nicht gerade einfach, denn selbst wenn man die beiden Mikros eng zusammenstellt, sind die Bändchenelemente rund 13 cm voneinander entfernt. Auf kurze Distanz wäre das klangliche Ergebnis dadurch viel zu verfärbt, denn bekanntlich kann schon die kleinste Positionsveränderung eine große Auswirkung auf den Sound haben. Um das zu kompensieren, wähle ich für meine Aufnahmen eine relativ große Distanz. Da die Bändchenmikros ohnehin einen sehr ausgeprägten Nahbesprechungseffekt besitzen, was auch bei den beiden Melodiums der Fall ist, schlage ich mit der höheren Entfernung zwei Fliegen mit einer Klappe. Als Preamp kommen auch hier die Vorverstärker des RME UFX zum Einsatz, die eine Eingangsimpedanz von 2 kOhm besitzen. Der Abstand zum 15. Bund der Gitarre beträgt 55 cm.

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Akustikgitarre Strumming, 42Bn Akustikgitarre Strumming, 42B

Wie meine Messungen zuvor schon vermuten lassen, klingt das alte Original untenrum etwas schlanker und nach oben hin offener. Auch die Geräusche des Plektrums sind deutlicher zu hören. Eine herausragende Eigenschaft von Bändchenmikros ist allerdings, dass sie sich mit EQs wunderbar verstehen. Hier ein Beispiel mit einem Pultec-Style High-Shelf bei 4 kHz um 3 dB, der die Akustikgitarre ausgewogener werden lässt:

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Akustikgitarre Strumming, 42Bn + EQ

Um die Transietenabbildung zu testen, stresse ich das Bändchen mit einem Schellenkranz. Dabei werden sehr hohe Schalldrücke erzeugt, die manche Kondensatormikros leicht in die Knie zwingen würden. Der maximale Schalldruck verändert sich bei Bändchenmikros je nach Frequenz und steigt in den höheren Frequenzen an. Obwohl der Hersteller keinen SPL-Wert angibt, lassen sich die beiden Melodiums nicht aus der Ruhe bringen und performen ohne Übersteuerung.

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Schellenkranz, 42Bn Schellenkranz, 42B

Ein Shaker darf auch nicht fehlen. Während Kondensatormikros Shaker manchmal etwas scharf abbilden, klingen sie an beiden Melodium-Bändchen butterweich.

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Shaker, 42Bn Shaker, 42B

Weiter geht es an die Drums, die ich im Echoschall Studio in Berlin aufgenommen habe. Dort hatte ich die Möglichkeit, mich an einem der Verleihexemplare mit der Seriennummer 8884 zu bedienen. Um den Melodiums noch ein bisschen Gesellschaft zu geben, habe ich für diese Testreihe auch ein Coles 4038 hinzugenommen. Als einzelnen Overhead Mikrofon platziere ich pro Take zwei Mikros rund einen Meter über der Snare.

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Drum-Overhead, 42Bn Drum-Overhead, 42B Drum-Overhead, Coles 4038

Als seitlich positioniertes Front Of Kit sind hier alle drei Kandidaten in etwas größerer Distanz und daher auch mit mehr Raumanteil zu hören:

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FOK, 42Bn FOK, 42B FOK, Coles 4038

Wie es sich für einen richtigen Allrounder und vor allem für ein Bändchenmikrofon gehört, müssen die Melodiums auch vor dem Gitarrenamp zeigen, was sie können. Das Signal wird über meinen Röhren-Combo ge-reampt, neue und alte Version befinden sich also auf der exakt gleichen Position. Um dem Nahbesprechungseffekt entgegenzuwirken, platziere ich die Mikros 23 cm vom Lautsprecher entfernt. Ein Shure SM57, welches ich zum Vergleich ebenfalls aufnehme, ist 3 cm vom Lautsprecher entfernt:

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Gitarrenamp, 42Bn Gitarrenamp, 42B Gitarrenamp, Shure SM57

Am Amp ist es schon fast unheimlich, wie identisch die beiden Melodiums klingen obwohl ganze 65 Jahre zwischen der Herstellung liegen. Für meinen Geschmack würde ich den Bass noch etwas absenken, um tiefes Grummeln zu entfernen und für etwas mehr Biss ein paar Höhen hinzufügen. Wie gesagt verträgt das Melodium EQ ausgezeichnet, daher hier ein bearbeitetes Signal mit einem High Pass Filter bei 120 Hz (12 dB/oct.) und einem High Shelf mit +2 dB ab 4 kHz:

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Gitarrenamp, 42Bn + EQ

Zu guter Letzt darf natürlich auch Gesang nicht fehlen. Der englischsprachige Songwriter Fabian Holland (mehr bei Spotify, fabianholland.com), der noch dazu ein fantastischer Gitarrist ist, gibt uns dafür ein paar Kostproben. Gerade wenn es darum geht, Gesang und Gitarre zur gleichen Zeit mit nur einem Mikrofon aufzunehmen, bieten sich gute Bändchenmikrofone an. Sie besitzen auch bei größerer Distanz noch ein kräftiges Fundament und Volumen. Auch vermeidet man dadurch unschöne Phasenverschiebungen, wie sie etwa bei zwei Mikrofonen auftreten würden, wenn man Gesang und Gitarre einzeln abnimmt:

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Vocals und Akustikgitarre, 42Bn Vocals und Akustikgitarre, 42B Vocals und Akustikgitarre, Coles 4038

Zum Finale noch Gitarre und Gesang einzeln, jeweils im Abstand von 40 Zentimetern:

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Akustikgitarre, Picking, 42Bn Akustikgitarre, Picking, 42B Vocals, 42Bn Vocals, 42B Vocals, Coles 4038
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Profilbild von Frans Stummer

Frans Stummer sagt:

#1 - 02.03.2022 um 10:20 Uhr

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Es ist immer gut, wenn sich Leute mit viel Liebe an die Schätzchen der Vergangenheit machen. Für die Leute, die alte Melodium (und ähnliches) auf dem Schirm haben, empfehle ich Xaudia. Die sitzen in England und haben enorm Erfahrung, die alten Dinger wieder auf 100% zu bringen.

Profilbild von Jo

Jo sagt:

#2 - 11.06.2023 um 12:28 Uhr

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Ein interessanter Test eines interessanten Mikros. Es scheint momentan sowieso ein wenig die Zeit der "Bändchen"-Renaissance zu sein. Interessant wäre auch mal ein Vergleich zum neuen Sandhill 6019A, das als Bändchen auch viele der erwähnten Probleme gelöst hat und trotzdem noch die Vorteile des Bändchen-Mikros hat...

    Profilbild von Nick Mavridis

    Nick Mavridis sagt:

    #2.1 - 12.06.2023 um 07:02 Uhr

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    Hallo Jo, ich kann Dir in beiden Dingen zustimmen: Das Melodium ist ein wundervolles, weiches Ribbon Mic und das Sandhill ist mit seinem Composit-Bändchen hoch interessant. Ich schlawenzel gedanklich immer wieder um ein Review herum – also immer mal wieder die Augen offen halten… :-) Beste Grüße Nick Mavridis (Redaktion Recording)

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