Im Interview mit Rahzel

Bonedo: Wie hast du mit Hip Hop angefangen und wann?
Ich wurde in der Bronx geboren, aber ich bin in Hollis, Queens, aufgewachsen. Bronx und Queens. Die tägliche New York-Routine halt.
B: Kannst du dich an das Jahr erinnern, in dem du Hip Hop zum ersten Mal als Subkultur wahrgenommen hast?
Also, ich glaube Hip Hop hatte für mich keinen Anfang, es war einfach etwas das in dem Umfeld, in dem ich lebte, existierte. Etwas, das für uns selbstverständlich war. Hip Hop war immer zugegen. Ich habe nicht irgendwann damit angefangen. Es war einfach da und man war ein Teil davon, ob man es nun wollte oder nicht. So war das damals.  Ich glaube noch nicht mal, dass es zu diesem Zeitpunkt als Subkultur gesehen wurde. Wie ich schon sagte, es war einfach Teil der Umgebung und der Gegend, in der ich lebte. Die Leute haben Musik gemacht, und es war eben genau die Epoche für diese Musikform.
B: Wann hast du das ganze Hip Hop-Ding das erste Mal so richtig ernst genommen?
Also ich glaube, als ich die Fat Boys gesehen habe, das war so ungefähr 83/84. Naja, eher 83.
B: Wer von den Fat Boys hat dich inspiriert? Waren es die ganzen Fat Boys oder war es nur der Beatboxer Buffy?
Einfach das Ganze, Buffy, die Musik. Die Songs inspirierten mich total. Dann kamen Dougie Fresh und Biz Markie und andere Beatboxer. Ready Rock C von Fresh Prince und solche Jungs wie die Skinny Boys aus Boston. Es gibt auch eine ganze Menge anderer Beatboxer, die danach kamen und mich inspirierten. Meine Einflüsse gehen aber auch über das Beatboxen hinaus und kommen aus den verschiedensten Genres. Bobby McFerrin, Zap Mama und Take 6 und dann gab es noch Al Jarreau, George Benson (macht eine Trompete nach) und Michael Winslow.

Ich habe nie ein Schubladen-Denken gehabt, weil es ähnliche Sprachen sind, ein ähnlicher Style, eine ähnliche Wertschätzung. Also diese Leute hatten definitiv einen großen Einfluß darauf, wie ich die Dinge betrachte. Am Meisten, so glaube ich, gab mir Bobby McFerrin einen anderen Blick auf die Gesamtheit und Komposition eines Songs. Wenn ich beatboxe, geht es nicht um den Beat. In der frühen Entwicklung des Beatboxens ging es mehr um die Drummachine, die „beatboxing gemini machine“. Es ging wirklich um den Beat, um Beats per Minute (BPM) und so weiter. Aber nach dem ich Bobby McFerrin gehört hatte, gab mir das einen anderen Blick auf die Komposition von Vocals. Ich denke, daß er meine Sicht, also wie ich das Beatboxen betrachte, von allen Künstlern am meisten beeinflußt hat.

Das Debüt-Album der Fat Boys 1984
B: Meinst du, dass die frühen Beatboxer nur die populären Beats dieser Zeit imitiert haben?
Also, man könnte das zwar so formulieren, aber so stimmen tut das nicht wirklich. Wenn du dir die Fat Boys anhörst, und Buffys Beatbox-Style, dann war das irgendwie so wie die Imitation eines Beats, aber dabei hat er diese Imitation in seinen eigenen Sound verwandelt. Er hat dieses Markenzeichen, so dass (imitiert Buffy) du automatisch erkennst, dass es sich um die Fat Boys handelt. Aber ich habe das Ganze sowieso anders betrachtet, die drei Säulen (oder eigentlich vier) Buffy, Dougie Fresh, Bizmark und Ready Rock C. Diese vier Jungs habe ich nicht wegen ihrer Beats bewundert. Ich habe sie wegen ihrer Persönlichkeit und wegen ihres Charakters respektiert. Bei Buffy z.B. ging es eher um die Stärke. Er konnte etwas Simples machen, aber die Basis war voller Power, daß man nicht glauben wollte, daß ein Mensch dazu fähig ist. Und ich habe bis heute niemanden mehr gesehen, der das kann. Für mich war das, was er hatte, etwas ganz Besonderes. Und schau dir Biz Markie an, die komödiantische Seite an ihm, das theatralische. Das war lustig. Du hast es genossen, geliebt, weil man sich damit gut fühlte.
 Und Dougie Fresh brachte mehr Persönlichkeit, oder wie man heute sagt, “Swagger” da hinein. Er war der Typ, der man sein wollte. Er hatte Klamotten von Gucci und Luis Vuitton, Bally Schuhe und ein Gefolge wie ein Rockstar. Er hat dieses Element da hineingebracht und die Leute mit seiner Persönlichkeit angezogen. Es war nicht so, als hätte er irgendwas Verrücktes mit seinem Beatbox-Style gemacht hätte, so daß es einen umgehauen hätte. Aber seine Persönlichkeit und wie er sie ausdrückte, brachten dieses Element ins Spiel.
Ready Rock C brachte eine komplizierte Art zu beatboxen, in der mehrere Dinge gleichzeitig abliefen, hinein. Er machte z.B. viele TV-Shows nach; das war ziemlich einzigartig. Er imitierte TV-Shows und Personen. Er brachte die Imitation mit ins Spiel. Damit waren diese Jungs für mich so etwas wie der Grundstein für die verschiedenen Styles und Richtungen, in die ich gehen konnte. Und dann noch, wie schon gesagt, Leute wie Bobby McFerrin.
Danach kamen Künstler wie Kenny Mohammed und Jungs wie Scratch, die das Ganze auf eine neue Ebene gebracht haben. Die neuen Legenden halt. So wie ich, Kenny Mohammed, Scratch und so weiter.
Doug E Fresh-Oh my God Album 1986
B: Was hälst du von DMX, Beatboxer des Rappers Just Ice?
Ich glaube, daß DMX gut für seine Epoche war. DMX war gut im Studio, er war gut für Aufnahmen. Er arbeitete mit Just Ice zusammen. Just Ice war ein sehr populärer Rap Act zu der Zeit und es war gut für’s Beatboxen, sich zusammen zu schließen. So wie mit Ready Rock C und Fresh Prince. Es war gut, diese Kollaborationen einzugehen. Das ist der Grund, warum ich denke, dass es wichtig für mich war, mit einer Gruppe wie „The Roots“ zusammenzusein. Eine Zusammenarbeit von Künstlern, in unserem Fall die eines Beatboxers mit einer Band.
B: Also hattest du deinen professionellen Start, als du nach Queens gezogen bist?
Professionell würde ich ungefähr 1993 sagen.
B: Du hast aber bereits vorher mit Mikey D (Rap Legende aus Queens/ NY) zusammengearbeitet, richtig?
Ja, wenn du es so bezeichnen möchtest….für mich war es Spaß haben mit Mikey D. Ich habe das damals noch nicht so ernst genommen, obwohl es natürlich ernst gemeint war. Es war damals nicht so, als hätte ich Geld damit verdient. Es war da noch nicht auf diesem Niveau. Ich hab einfach nur Spaß gehabt. Es hat mir Spaß gemacht, den Aufnahmeprozess mitzuerleben. Und ich habe damals viele Dinge gelernt. Ich glaube, es war so etwa´92/´93, als ich die Angelegenheit ernster nahm und das Ganze als Beruf angesehen habe. Als ich einen regulären Job hatte und an den Wochenenden bei Talentshows mitgemacht und damit Geld verdient habe, ist mir ein Licht aufgegangen. Wir konnten das wirklich hinkriegen, wir konnten die Leute davon überzeugen, dass uns die Sache sehr ernst ist. Und dann kam, wie schon gesagt, das Projekt mit „The Roots“ und all das.
Fotostrecke: 3 Bilder Mickey D – Better late tah never (2006)
B: Zwischen den Jahren mit Mikey D und deinen Tagen mit „The Roots“ liegt eine ziemlich große Zeitspanne. Was ist dazwischen passiert?
Ich glaube, da wurde mein erster Sohn geboren. Zu dieser Zeit war die Familie wichtiger als die Karriere. Also musste ich das für eine Zeit zurückstellen, Vater sein und einen Job haben.
B: ..Verantwortung übernehmen..
Verantwortung übernehmen, ja. Als mein Sohn dann älter geworden war und zur Schule ging, sagte ich mir: OK. Jetzt ist es Zeit, zurückzukommen. Das war ´92/´93, als ich mich dazu entschied, das durchzuziehen. Ich machte ernst ohne offene Hintertürchen und kündigte meinen Job. Lass es uns durchziehen, hab` ich gesagt. Wir haben nur diese eine Chance und wir müssen sie jetzt nutzen. Let´s go!
B: Du bist sehr bekannt für deine Beatbox, aber du hast auch ein lyrisches Talent. Viele Leute wissen das gar nicht.
Mein lyrisches Talent ist auch gut. Aber weißt du, ich stelle mein lyrisches Talent nicht so in den Vordergrund. Ich hatte die Ehre und den Genuss, Zeit mit einigen der besten MC’s des Planeten zu verbringen. Auf derselben Bühne wie sie und mit ihnen zu performen, mit ihnen zu leben, von ihnen umgeben zu sein…Ich konnte Ideen sammeln und ihr Talent aufsaugen. Das ist etwas, was in mir verwurzelt ist.
Ich muss meinem Cousin Rahiem von den Furious Five viel Respekt zollen, weil er mich überhaupt dazu gebracht hat. Ich hatte damals etwas, was niemand in meiner Umgebung hatte: Einen berühmten Cousin, der beliebt war und zu einer großen Gruppe gehörte. Das hat mir ein bisschen ´was Besonderes verliehen, lyrisch gesehen. Aber wie es das Schicksal so will, wurde ich zum Beatboxer anstatt zum MC erkoren. Das ist auch der Grund, warum ich sage, dass es keinen bestimmten Tag gab, an dem ich mich entschieden habe, mit Hip Hop anzufangen. Es war etwas, was mich immer umgeben hat. Es zieht dich da irgendwie hinein. Ich kann mich wirklich nicht an ein bestimmtes Anfangsdatum erinnern.

B: Also hast die Tage der Brothers Disco, Barren, Breakout und den Funky Four, (Hip Hop-Legenden der ersten Stunde) usw. miterlebt? 

An den Wochenenden habe ich meine Tante besucht und dort übernachtet. Ich habe Grandmaster Flash beim Proben in ihrem Haus zugeguckt. (Beide lachen). Für mich war er ein kleiner Junge mit einem Taperecorder. Für mich war das ein echtes Aha-Erlebnis.
B: Es wäre also für dich wohl ziemlich lustig, wenn jemand versuchen würde, dir die Sachen mit dem Hip Hop zu erklären, oder?!
Wirklich, das wäre ziemlich lustig. Aber ich bin ein bescheidener Typ. Ich spreche nicht wirklich über ziemlich viele Dinge. Ich war an Orten, die viele von euch nicht mal vorstellen können. Ich bin sehr verwundert darüber, dass du über Mikey D Bescheid weisst. Viele Leute wissen davon gar nichts. Viele Jüngere haben keine Ahnung, sie verstehen vieles einfach nicht. Ich habe eine Menge Zeit investiert, und ich habe viele Dinge erlebt, die für mich monumental waren. So z. B. als Kind Grandmaster Flash und die Furious Five im Haus meiner Tante beim Proben zu beobachten. Das musste ich aufnehmen. Niemand aus meiner Nachbarschaft hat mir das geglaubt. Ich habe denen gesagt, das sei mein Cousin.
B: Hast du das Tape noch? 
Ich wünschte, ich hätte es noch (lacht)! Oh mein Gott! Ja, ich wünschte, ich hätte es noch! Keiner hat mir das damals geglaubt. Also mußte ich hineingehen, den Taperecorder verstecken und sie aufnehmen. Und alle sagten dann: Oh, toll! Ab diesem Zeitpunkt wollte ich ein MC sein. Rahiem war natürlich sehr wichtig für mich. Er war der Grund dafür, dass ich die Schreibweise meines Namens geändert habe: R.A.H. Mein Geburtsname ist Rozel, aber es ist ein kurzes “o”, für “Rah”. Aber die meisten Leute sagen am Anfang immer fälschlicherweise “Ro”. Wegen Rahiem dachte ich mir dann, dass ich meinen Namen, wie mein Cousin, zu Rahzel ändere. Und das machte es einfacher. Die Leute konnten es direkt aussprechen, hatten keine Probleme mehr damit und mussten nicht mehr nachfragen.
B: Hatte dein Cousin Rahiem (war vorher auch in R`n´B-Bands aktiv) auch als Sänger großen Einfluß auf dich?
Das auch, aber den größten Einfluß auf meinen Gesang hatte die Kirche. Weil ich zur Kirche gehen musste!
B: Man musste gehen…?
Man musste gehen! Da gab es keine Diskussion! In meiner Nachbarschaft verbrachten die meisten Familien den Sonntag in der Kirche. An Samstagen, an zwei Samstagen im Monat vielleicht, ging man zur Chorprobe. Egal, ob man singen konnte oder nicht. Man musste dahin (lacht). Man musste das machen, man ging dort auch zum Bibelunterricht. Und eigentlich hat es mich auch vorangebracht. Es half meinem Selbstbewusstsein. Es half mir, zu sagen: “Ich kann das!”.
B: Wie hast du „The Roots“ getroffen? 
Die habe ich 1993 kennengelernt. Ich habe eine Freundin namens Sha-Key, mit der ich ein Album aufgenommen habe. Das „a head nadda’s journey to adidi skizm“ heißt. Den Namen des Labels habe ich vergessen. Aber ich habe dieses Album mit ihr aufgenommen und bin mit ihr getourt. Und was sie damals tat, das nennen sie heute so was wie Def Poetry oder die Lyricist Lounge. Jetzt ist das ein bisschen trendiger, aber das war damals die Geburt all der verschiedenen Plattformen für diese Künstler. Und die verschiedensten Leute aus allen Staaten kamen vorbei und nutzen das „Open Mic“. Sie machten Freestyle-Rap, oder spielten Instrumente. Ob du ein Instrument gespielt hast, ein Poet warst oder ein Sänger, es machte absolut keinen Unterschied.

Damals habe ich auch Supernatural kennengelernt. Ja, Supernatural war eine große Nummer in der Szene. Und meine Freundin stellte mir auch Questlove (Drummer von The Roots) vor. Bei einem Special-Event sagte sie dann: “Heute abend können wir einen Battle zwischen Rahzel und Questlove erleben”. Ach ja, da nannte er sich noch “Brother Question”, und nicht “Questlove”. Und diese besondere Show, dieser bestimmte Moment, war sozusagen der Anfang unserer Zusammenarbeit.

Fotostrecke: 2 Bilder Do you want more? (1995)
B: Was für eine Art Battle war das? Hast du gerappt, oder…?
Nein, nein, ich habe „gebeatboxt“ und er spielte Schlagzeug (macht das Schlagzeug nach), das ging hin und her. Es war ziemlich cool! Diese Show war monumental und Questlove hatte die Idee, das auf Platte aufzunehmen. Damals hatten sie gerade ihren Deal mit Geffen Records unterschrieben. Der Name des Albums war „Do you want more“. Der Rest ist Geschichte. Das war ein völlig neuartiges Album und das nicht nur für die beste Hip Hop-Band der Welt sondern auch für das „Beatboxen“.
B: Wenn ich nicht völlig falsch liege, ist deine letzte Solo-Veröffentlichung eine Weile her, richtig?
Mein Soloalbum kam 2004 `raus, „Greatest Knockouts, Volume 1“, ja.
B: Arbeitest du da gerade an etwas Neuem? 
An Volume 2, 2009.
B: Was können wir von diesem Projekt erwarten? 
Wenn du Hip Hop liebst, wird es genau dein Ding sein. Wenn du Beatbox liebst, wird es auch genau dein Ding sein. Ich habe alles, was ich erwähnt habe, da drauf, also die MC’s, Rhymfest, Supernatural, CL Smooth und Large Professor. MCs, die geholfen haben, Hip Hop zu formen, eine Menge Klassiker zu produzieren, und die Hip Hop zu dem gemacht haben, was es heute ist. Das ist der Vibe, den ich erzeugen wollte und den ich `rüber bringen wollte. Es ist gute Musik. Sie ist unterhaltend und ja, die Leute werden es bald erleben!
B: Rahzel, vielen Dank für das Interview!

Ja, Danke dir!

Rahzel auf My Space

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