Die Thomann-Hausmarke Harley Benton steht für Produkte Made in Fernost, die in der Regel auch für sehr bescheidene Budgets erschwinglich sind. Und wer glaubt, die Kombination aus Fernost und preiswert sei grundsätzlich problematisch, der könnte gewaltig irren. Denn diverse Produkte aus dem Harley Benton Programm haben bei unseren Testern schon des Öfteren für Verblüffung gesorgt – und das absolut nicht im Negativen. Mitunter stellte sich heraus, dass die Testobjekte so gar nicht nach asiatischem Spielwarenhandel klangen, sondern sich bisweilen sogar vor preislich wesentlich höher angesiedelten Geräten nicht verstecken mussten.
Nachdem in unserem Testmarathon für Modulationseffekte auch einige Pedale mit von der Partie waren, die locker das Zehnfache kosten, ist heute wieder ein Effekt für den schmalen Geldbeutel an der Reihe. Vor allem unter dem Aspekt, wie groß eigentlich der Unterschied zu den „Edelpedalen“ ist, die man für 200 bis 300 Euro erstehen kann. Der Harley Benton Flanger FL-100 kostet gerade einmal 34,90 Euro (!) und eine Batterie gibt es noch gratis dazu. Wie er sich im harten Test geschlagen hat, erfahrt ihr hier.
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Details
Gehäuse/Optik
Der FL-100 erinnert äußerlich sehr stark an Boss-Pedaleffekte – warum sollte man sich auch nicht an einem beliebten und vor allem in der Praxis sehr bewährtem Bauprinzip orientieren. Unser Testkandidat besteht aus einem stabilen gusseisernen Gehäuse mit einer gummierten Schaltfläche auf der Oberseite, unter der sich auch das Batteriefach befindet. Wie beim japanischen Vorbild lässt sich dieses mit einer Schraube an der Vorderseite entriegeln, sodass ein Batteriewechsel extrem schnell vonstattengeht. Das Bedienfeld mit lila Hintergrund und den vier schwarzen Reglern ist leicht versenkt auf der Oberseite untergebracht, sodass die Potis weder beschädigt noch versehentlich verstellt werden können. Eine Skalenlinie an der Seite der Potiknöpfe und ein entsprechender kleiner weißer Strich auf der Oberseite erleichtern die Orientierung auch bei schummriger Bühnenbeleuchtung. Das Ganze macht einen sehr soliden Eindruck und sieht zumindest auf den ersten Blick überhaupt nicht nach Billigprodukt aus. Die Regler sind fest montiert, nichts wackelt, und auch die Buchsen sind von guter Qualität. So wie er sich mir präsentiert, bin ich davon überzeugt, dass der FL-100 auch den harten Bühnenalltag meistern wird.
Rückseite/Anschlüsse
Die Eingangs- und Ausgangs-Buchsen liegen an den Seiten, rechts der Input für die Gitarre und links die beiden Ausgänge für den Amp. Das Pedal kann wahlweise mit einer 9V-Batterie oder einem entsprechenden Netzteil betrieben werden, der Anschluss hierfür ist an der Rückseite. Bei einem Stromverbrauch von 18 mA – für einen Modulationseffekt ein relativ geringer Wert – könnte man auch schon mal in Erwägung ziehen, das Teil mit einer Batterie zu füttern. Trotz allem würde ich die Netzteilvariante vorziehen, denn irgendwann wird der Batterieverbrauch teurer als die Anschaffung eines Netzadapters!
Bedienung Der FL-100 wird mit den für einen Flanger üblichen Regelmöglichkeiten eingestellt. Vier verschiedene gibt es und das bewirken sie:
Manual Einstellen der Centerfrequenz des Flanging-Effekts. Res Steht für Resonance, hier wird die Stärke des Signals bestimmt, das wieder an das Effektgerät gesendet wird. Bei manchen Pedalen wird das auch als Feedback bezeichnet. Rate Einstellen der Effektgeschwindigkeit.
Depth Regeln der Effektintensität.
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Praxis
Mono Der FL-100 ist für Stereobetrieb ausgelegt, aber wir werden am Anfang erst einmal den eindimensionalen Mono-Klang erforschen, zumal der auf der Bühne in der Regel die größere Rolle spielt. Zum Einstieg gibt es die 12-Uhr-Einstellung, bei der sich alle Regler in mittlerer Position befinden, das Ganze bei einem unverzerrten Sound des Amps. Um den Klangunterschied zwischen Effekt- und Originalsignal deutlicher zu machen, habe ich das Ganze ohne Effekt (Bypass) aufgenommen.
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Clean Mono
Gitarre
Manual
Res
Rate
Depth
Tele
12
12
12
12
Hier fällt direkt der stark reduzierte Bassbereich beim Effektsound auf – das klingt verdächtig nach „Out Of Phase“. Im Vergleich zum Bypass-Signal ist der Flangersound wesentlich dünner und schwächer. Einen Einfluss darauf hat natürlich auch die Position des Manual-Reglers, der den Frequenzbereich des Flanging-Effekts bestimmt. Wenn dieser in der Mitte steht, wird schon in höheren Frequenzgefilden gearbeitet, also hören wir uns das Resultat bei einem Flangersound mit der Centerfrequenz ganz weit unten an. Auch hier wieder das Bypass-Signal vorneweg.
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Light Mono
Gitarre
Manual
Res
Rate
Depth
Tele
7
7
14
17
Es wird zwar etwas besser, aber der Klangverlust im Bassbereich ist schon deutlich zu hören, die Konkurrenzprodukte im höheren Preissegment klingen im direkten Vergleich wesentlich fetter. Na ja, irgendwo muss sich der günstige Preis halt doch bemerkbar machen. Aber man kann jetzt nicht sagen, dass der FL-100 schlecht klingt. Es ist eben ein etwas hohler und schlanker Klang, aber auch das kann manchmal sehr vorteilhaft sein, weil der sich in der Band unter Umständen besser durchsetzt. Besonders bei tiefergestimmten Gitarren wummern Riffs auf den tiefen Saiten nicht so. Trotz allem fehlt mir der düstere Flangingsound, das Ganze ist mir eine Spur zu verhalten. Hier das Beispiel mit der weit nach unten gestimmten SG.
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Low Mono
Gitarre
Manual
Res
Rate
Depth
SG
9
13
13
17
Die letzte Disziplin im Monobetrieb ist der Distortionsound. Hierfür wurde die Ratte (Proco The Rat) vor den Flanger geschaltet und mit mittlerem Gainanteil betrieben. In der folgenden Einstellung erinnert der Klang fast ein wenig an eine Talkbox, einen Sound, den ich in dieser Form von einem solchen Effekt noch nicht gehört habe. Allerdings meine ich das Ganze durchaus positiv, denn das ist es eben, was diese Effektpedale ausmacht. Jedes verfügt über einen eigenen Charakter und einen eigenen Sound. Und das gefällt mir bei unserem Probanden gut. Nun hört Ihr wieder zuerst nur Distortion und dann Distortion und Flanger.
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Distortion Mono
Gitarre
Manual
Res
Rate
Depth
Les Paul
12
15
14
11
Stereo
Jetzt kommen wir zum Einsatz des Pedals in Stereo, wobei der Flanger über zwei Sovtek MIG-50 mit jeweils einer 4×12 Box verbunden ist. Hier bestätigt sich auch der kleine Verdacht, dass sich beim Mono-Signal irgendwo ein Phasendreher eingeschlichen haben musste, denn jetzt ist die Bassabsenkung und der hohle Sound nicht mehr vorhanden – in dieser Einstellung ist der Modulationssound angenehm dezent.
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Clean Stereo
Gitarre
Manual
Res
Rate
Depth
Tele
12
12
12
12
Der breite Stereoeffekt bleibt aber trotzdem aus, und im Vergleich zu anderen Stereo-Flangern ist das Ergebnis beim FL-100 eher sparsam. Hier ein Beispiel mit voller Effektintensität (Depth).
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Light Stereo
Gitarre
Manual
Res
Rate
Depth
Strat
17
11
13
17
Mit einem sehr langsam eingestellten Effekttempo kann man Strumming-Parts eine sanfte klangliche Bewegung durch die Modulation geben. Das macht der FL-100 wirklich gut. Der dezente Klang des Effekts muss also nicht immer ein Nachteil sein.
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Samples
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Slow Stereo
Gitarre
Manual
Res
Rate
Depth
Strat
9
14
9
16
Beim Gegenteil, dem schnellen Tempo, kommt man in die Nähe des Sounds eines rotierenden Lautsprechers (Rotary), einen Klang, den man für Akkord-Pickings ganz gut einsetzen kann.
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Fast Stereo
Gitarre
Manual
Res
Rate
Depth
Strat
11
17
16
17
Jetzt wird es aber ganz genau, denn wir nehmen die Auswirkung und den Regelweg von Depth und Rate genauer unter die Lupe. Das sind die Hauptelemente des Flanger-Sounds, und je genauer sie eingestellt werden, desto vielfältiger wird der Klang. Es geht los mit dem Depth-Regler in drei Einstellungen, zuerst ohne Effekt, dann mit Depth auf 7, 12 und 17 Uhr.
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Depth Stereo
Gitarre
Manual
Res
Rate
Depth
Strat
16
14
11
7-12-17
Na ja … Der Brüller ist das nicht. In der ersten Hälfte des Regelwegs tut sich reichlich wenig und auch bis zum Rechtsanschlag des Depth-Potis folgt nur wenig mehr. Für extreme tiefe und breite Flangingsounds ist der FL-100 leider nicht geeignet. Hier geht es sehr verhalten zur Sache. Auch der Regelweg der Effektgeschwindigkeit könnte besser eingestellt sein, hier tut sich bis fast 14 Uhr relativ wenig und ab 16 Uhr ist schon volle Geschwindigkeit angesagt. Ihr hört als Nächstes einen Akkord mit vier unterschiedlichen Einstellungen des Rate-Reglers.
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Rate Stereo
Gitarre
Manual
Res
Rate
Depth
Strat
16
14
7-10-14-17
17
Es geht weiter mit dem Distortionsound. Für meinen Geschmack gibt der FL-100 in dieser Disziplin auch in Stereo das beste Bild mit einem dreckigen Flangingsound ab. Er röhrt und setzt dem schon etwas schrägen Rattenton noch einen obendrauf. Allein für diesen Sound lohnt es sich, die knapp 35 Euro auszugeben.
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Distortion Stereo
Gitarre
Manual
Res
Rate
Depth
Les Paul
12
15
10
14
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Fazit
Lässt man den Preis außen vor, dann steht der Harley Benton FL-100 im direkten Vergleich mit diversen anderen „Standard“-Flangern in puncto Klangvielfalt und Soundqualität zwar eher am hinteren Tabellenende, ist aber auf keinem Fall abstiegsgefährdet. Er ist robust gebaut, alles funktioniert einwandfrei und er empfiehlt sich für den Einsatz auf der Bühne. Zu bemängeln ist der Regelweg mancher Potis (Rate, Depth) und beim Monobetrieb ein leichter „Out Of Phase“ Eindruck, der eine Bassabsenkung und einen etwas hohlen Effektsound mit sich bringt. In Stereo tritt das nicht auf. Rein technisch gesehen ist das zwar als Mangel zu bewerten, aber dieser leicht phasenverdrehte Klang ist für bestimmte Einsätze extrem gut geeignet und erzeugt einen Talkbox-artigen Sound in Verbindung mit einem Zerrerpedal. Allein dieser Sound ist die 35 Euro wert! Deshalb sollte man sich die Frage stellen, was man benötigt. Wer auf der Suche nach einem fetten Allround-Flangersound mit großer Klangvielfalt in guter Qualität ist, der wird hier nicht zur Zufriedenheit bedient und sollte ein paar Euro drauflegen und ein entsprechendes Pedal zu kaufen. Wer aber keinen Wert auf „Edel-Klang“ legt und eher etwas Kantiges mit leichten Schönheitsflecken für Dirty-Sounds sucht, der sollte sich den FL-100 zulegen. Das Preis/Leistungsverhältnis ist sehr gut.
Unser Fazit:
3,5 / 5
Pro
Preis
Verarbeitung
Sehr eigenständiger Dirty-Sound in Verbindung mit Verzerrer-Pedal
Contra
Klangvielfalt
Bassbereich wird schwächer bei eingeschaltetem Effekt in Mono (evtl. Phasendreher)
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