SPL Vitalizer Mk2-T Test

Details

Das Vitalizer-Prinzip:

SPL bezeichnet den Vitalizer als Programm-EQ – das wird ihm aber in keinster Weise gerecht. Weder verfügt er über die üblichen EQ-Bedienelemente, noch beruht sein Arbeitsprinzip ledigliche auf dem Addieren oder Reduzieren von Frequenzanteilen. Obwohl man vermeintlich ein deutliches Mehr an Höhen und Bässen zu vernehmen scheint, werden in der Tuning-Abteilung des Vitalizers vor allem Phasenlagen im Verhältnis zur ihrer Lautheit zeitlich verschoben. So werden laut hervorstechende Frequenzen in der Phasenlage minimal verändert bzw. zeitlich versetzt, dies verschafft leiseren Nachbarfrequenzen mehr Raum im Mix. Diese Art der Klangbearbeitung sorgt so für eine bessere Tiefenstaffelung und mehr Klarheit und Transparenz im Mix – ganz ohne Frequenz-Boosting. Damit wäre die „psychoakustische“ Sektion des Vitalizers beschrieben, doch dem User stehen noch zwei weitere Klangbearbeitungssektionen zur Verfügung. Der LC-EQ sorgt für den besonders angenehmen Hochtonglanz. Außerdem durchläuft das Signal eine regelbare Stereobasis-Verbreiterungsstufe. Tiefer, höher, breiter – das hört sich an wie frisch aus dem „Pimp My Car“-Katalog, ist aber, wollte man die Klangbearbeitungsmöglichkeiten des Vitalizers kurz und zugegebenermaßen plakativ umschreiben, durchaus zutreffend.

In der folgenden Beschreibung der einzelnen Features des Vitalizers können wir uns eine getrennte Vorstellung von Hardware und Emulation sparen, auf die wenigen Unterschiede weise ich im Verlauf des Tests hin. Wie bei den bisherigen Analog Code PlugIns gleichen sich Hardware und virtuelles Pendant auf´s Haar. Beim Mk2-T treibt es SPL mit der Genauigkeit beim Emulieren sogar auf die Spitze: Denn selbst das Blinken des Bypass-Schalters während der Aufwärmphase der Röhren macht der virtuelle Bruder nach. In der digitalen Welt ist dies natürlich absolut sinnfrei – aber schön zu wissen, dass an der Niederkrüchtener Werkbank – bei allem nötigen Ernst – auch mal der Sinn für Humor durchschlagen darf.

AnalogCode_Vitalizer_MK2_T_front Bild

DRIVE
Hier ist der Name etwas missverständlich – denn bei Röhren-Prozessoren sind wir es gewohnt, mit dem Drive-Regler das Signal in die gewünschte Zerrung zu treiben.Hier wäre Input-Gain treffender – mit dem Drive-Regler lässt sich die optimale Arbeitslautstärke einstellen, denn die Bearbeitung von bereits lauten Signalen lassen insbesondere das  Vitalizer-PlugIn schnell clippen. Leise Signale hingegen brauchen oftmals einen kleinen Gain-Stupser, damit die verschiedenen Arbeitsstufen des Vitalizers überhaupt zur Wirkung kommen können.

BASS/MID-HI TUNE Sektion
Ja, tatsächlich fühlt sich die Bearbeitung in dieser Sektion nach  „Frisieren“ bzw. Tunen des Signals an. Unter der Haube passieren dabei relativ komplexe Prozesse,  deren Steuerung beim Vitalizer auf lediglich vier Regler reduziert ist – im Sinne einer einfachen Bedienung bei maximaler Wirkung.

BASS
Die Rasterung der Bass-Regelung  erfolgt nicht in die üblichen Zahlenwerte, sondern wird zur linken Seite gedreht immer runder, zur rechten Seite eckiger. Hier soll nicht nach Zahlen, sondern nach Gehör gearbeitet werden – eine Arbeitsweise, die sich nicht nur beim Vitalizer empfiehlt. Von der Center- bzw. Nullstellung aus nach links geht die Tiefenbearbeitung Richtung „soft“, deren deutsche Übersetzung „weich“ finde ich jedoch nicht sonderlich zutreffend. Hier wird das Signal in den Tiefen runder, sonorer bzw. angedickt und empfiehlt sich für Signale, die „untenrum“ noch etwas dünnbeinig daherkommen. Nach rechts geht’s Richtung tight, hier hat man das Gefühl, die Tiefen werden präsenter und  direkter, im Subbereich etwas schlanker. Sowohl die Soft- als auch die Tight-Bearbeitung basieren auf dem Zusammenspiel von einer mehrstufigen EQ-Bearbeitung und einem gleichzeitigen Eingriff in den Phasenverlauf des Signals.

COMPRESSION

Die Dynamikbearbeitung wirkt sich lediglich auf den Bassbereich aus. Hiermit kann man einen starken Eingriff beim Bass-Tuning nachträglich zähmen oder aber Basslastiges ausdünnen. Die  Regelmöglichkeit ist auf das Bestimmen der Kompressionsintensität beschränkt. Man hat keinen Zugriff auf Ratio, Attack und Release. Der Kompressor arbeitet im Soft Knee-Modus. Eine blaue Gain Reduction-LED (GR) beginnt zu leuchten, sobald der Kompressor eingreift.

MID/HI TUNE
Mit diesem Regler bestimmt man die Frequenz, oberhalb derer verstärkt
bzw. unterhalb derer das Signal bedämpft wird. Vergleichbar etwa mit einem Shelving-EQ, allerdings geschieht hier der Eingriff amplitudenabhängig (wie bereits erwähnt,  werden laute Signale minimal in der Phasenlage verschoben – das lässt leisere Signale hervortreten). Basierend auf psychoakustischen Prinzipien wird hier das Signal im Mitten- und Höhenbereich bearbeitet, ohne wesentlichen Einfluss auf dessen Frequenzgang. Der zur Verfügung stehende Regelbreich geht hier von 1kHz bis 22kHz. Etwas gewöhnnungsbedürftig ist, dass sich die niedrigste Frequenz im Rechtsanschlag des Potis befindet und sich dann erhöht, je mehr man zurückdreht. Im Signalfluss hinter dem Mid/Hi Tune-Filter befindet sich die erste der beiden Röhrenbearbeitungsstufen. In der realen Hardwarewelt wird hier eine Sovtek 12AX7-Doppeltriodenröhre angefahren, beim PlugIn natürlich nur in emulierter Form. Dies  verschafft der T-Version des Vitalizers mehr Hörgenuss im Höhenbereich. Das Original aus den 90ern wirkte hier schneller harsch bzw. bei intensivem Einsatz fast schon aggressiv.

PROCESS
Großen Einfluss auf die Gesamtwirkung der gesamten BASS/MID-HI TUNE-Sektion hat der Process-Regler. Process bestimmt, wie stark der  Anteil des prozessierten Signals dem Originalsignal zugemischt wird. Ähnlich wie bei einer parallelen Kompression kann man also hier eher drastisch bearbeiten und nur wenig davon zublenden und erhält ein komplett anderes Resultat, als wenn man wenig in der Bass/Mid Hi-Sektion bearbeitet, dafür aber einen hohen Process-Anteil wählt.

LC-EQ
Der LC-EQ ist ein passives Spulenkondensator-Filter, eine Filtercharakteristik, die wir etwa vom hinlänglich legendären Pultec EQP 1A kennen. Spulenkondensatortechnik macht besonders im Hochtonbereich Sinn, weil die Sättigung einer Spule einem Signal zu besonders angenehmen Obertönen bei vortrefflichem Rauschverhalten verhilft. Der Regelbereich verläuft von 2kHz bis 22 kHz, beim LC-EQ in der üblichen Anordnung (links die tieferen – rechts die höheren Frequenzen).

INTENSITY
Bestimmt den Pegelanteil des LC-EQs. Bei zunehmender Intensität erfolgt die gewünschte Sättigung der Spule, der Hochtonbereich tendiert so nicht zur Schärfe. Auch diese Sektion arbeitet im Vitalizer-typischen Frequenz-Demaskierungsprinzip. Es werden also nur minimale Veränderungen im Frequenzverlauf geschaffen.

STEREO EXPANDER
Einfach ausgedrückt: Hier wird das Signal breiter gemacht. Die Stereobasis wird erweitert, indem links- oder rechtsseitig anliegende Signale phaseninvertiert auf der gegenüberliegenden Stereoseite zugemischt werden. Mono- bzw. in der Stereomitte liegende Signale werden zunehmend abgeschwächt.Beim STEREO EXPANDER kommt die zweite Röhrenstufe zum Einsatz und verleiht hier mehr Breite und Tiefe. Wer an der Stereobasisbreite herumgefummelt, sollte immer auf Risiken und Nebenwirkungen hingewiesen werden: Nicht nur verliert ein Signal bei intensiver Stereobearbeitung an Druck und Kompaktheit, wer hier stark reindreht, sollte auf jeden Fall die Monokompatibilität seines Mixes überprüfen. Dies ist immer noch ein Thema, insbesondere im Hinblick darauf, dass für Internet- oder Smartphone-Anwendungennach wie vor gerne mono-konvertiert werden.

OUTPUT (Nur PlugIn)
Im Gegensatz zur analogen Hardware, die eine Übersteuerung mit einer für unsere Ohren angenehmen Sättigung quittiert, ist eine digitale Übersteuerung natürlich nicht erstrebenswert. Wird der Vitalizer zum Feinschliff und Mastering von fertigen Mixes genutzt, wird man nicht umhin kommen, die Ausgangsstufe nachzuregeln, denn besonders in den ersten beiden Bearbeitungsstufen des Vitalizers wird zugemischt,eine Pegelzunahme bleibt nicht aus. Deswegen hat SPL dem Plug-In einen OUTPUT-Regler spendiert, die OVL-LED zeigt Übersteuerungen an.

SETTINGS (Nur PlugIn)
Ebenfalls nur dem PlugIn vorbehalten sind die A-, B-, C- und D-Schalter, die einem die Möglichkeit geben, schnell zwischen vier verschiedenen Einstellungen des Vitalizer-Plugs hin- und herzuschalten und so per Knopfdruck komfortabel zu vergleichen.

ACTIVE
Dient beiden Versionen des Vitalizers als Bypass. Tubes warm up when flashing. Hier flackern wie bereits erwähnt tatsächlich beide Versionen fünfmal, wenn man den Vitalizer einschaltet bzw. im virtuellen Rack aufruft. Dieses kleine Augenzwinkern für die digitale Welt sei SPL im Falle des PlugIns gerne gegönnt.

BEDIENUNGSANLEITUNG
Bei SPL sind ausführliche Bedienungsanleitungen die Regel, auch beim Vitalizer wird dies anschaulich ausgeführt. Beim PlugIn geschieht das Ganze etwas knapper. Wer sich für technische Details zum Arbeitsprinzip, EQ-Kurven und dergleichen interessiert, dem sei das Manual der Hardware ans Herz gelegt, das sich von der SPL-Website (www.soundperformancelab.com) downloaden lässt. Fast schon drollig daher kommt hier das Kapitel über die Einsatzbereiche des Vitalizers. Hier offenbart sich, dass der Ur-Vitalizer zu einer Zeit entwickelt wurde, als noch intensivmit analogem Bandmaterial gearbeitet wurde. Ein kleines Zeitdokument darüber, wie schnell und komplett sich die Recording-Welt in den letzten zwei Jahrzehnten gewandelt hat.

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