Die Albion-Reihe von Spitfire Audio steht für innovative und klanglich extrem hochwertige Sample Librarys, die sich besonders an Filmkomponisten und Sounddesigner wenden. Das fünfte Instrument der Reihe, Albion V Tundra, hat sich einer leisen, nordischen Klangästhetik verschrieben und entlockt dem Orchester fragile, sphärische, beinahe außerirdisch wirkende und doch organische Klänge. Um es mit den einleitenden Absätzen des Handbuchs zu sagen: „Als würde es durch das Moos am Boden sickern, mit dem Duft estnischer Wälder, schottischer Lochs und norwegischer Fjorde, erweckt es Gefühl der Isolation, die man auf den Permafrost-Böden der isländischen Tundra spürt.“ Mangelnde cineastische Vorstellungskraft kann man den Machern von Spitfire Audio angesichts solcher Sätze jedenfalls nicht vorwerfen. Wir haben getestet, was dabei am Ende klanglich herauskommt.
Spitfire Albion V Tundra ist mit seinen bildhaften, “malerischen” Sounds ideal für Filmmusik.
„Normale“ Orchester-Librarys gibt es mittlerweile in so großer Zahl und so guter Qualität, dass die Neuerscheinungen der letzten Jahre dem gut informierten (Film-) Komponisten regelmäßig weitere solide Werkzeuge an die Hand gaben, ohne dass man darüber große Worte hätte verlieren müssen. Das Feld ist sehr gut bestellt, es gibt kaum noch Raum für echte Innovationen und der Spielraum zur substanziellen klanglichen Verbesserung wird auch immer dünner. Albion V Tundra geht einen anderen Weg und stellt nicht die möglichst „authentische“ Abbildung eines herkömmlichen Sinfonie- bzw. Filmorchesters, sondern eine spezielle Klangästhetik in den Vordergrund. Schon die Tatsache, dass die maximale Lautstärke hier ein Mezzopiano (mp) ist und also die gesamte dynamische Auflösung für die leisen Töne zur Verfügung steht, sollte Freunde fragiler Klangwelten aufhorchen lassen. Obschon auch Percussion Loops enthalten sind und ein großes Orchester natürlich auch im Mezzopiano ganz schön mächtig und erhaben klingen kann, ist Tundra also bestimmt kein Instrument für donnernde Action-Soundtracks in Hans-Zimmer-Manier. Stattdessen bewegen sich die Samples an der spannenden Grenze zur Stille und umfassen eine Reihe von außergewöhnlichen Spieltechniken, die teilweise die physischen Grenzen der Instrumente ausreizen und in Klangregionen vordringen, die sich mit den gängigen Librarys nicht erreichen lassen. Das könnte genau nach meinem Geschmack sein!
Details
Konzept und Inhalt der Library
Spitfire Audio Albion V Tundra ist einerseits eine Orchester-Library: Man findet hier Streicher sowie Holz- und Blechbläser in verschiedenen und bisweilen ungewöhnlichen Spieltechniken und Mikrofonpositionen, die sich über die eigens programmierte Kontakt-Oberfläche intuitiv umschalten und einsetzen lassen (dazu später mehr). Andererseits ist es eben auch kein „normales“ Sample-Orchester, sondern folgt einer bestimmten klanglichen Vision und bricht dabei auch mit Konventionen. Dass alles über Mezzopiano weggelassen wurde, ist nur der Anfang. Wie sehr die Macher bereit waren, die manchmal einengenden Orchester-Normalitäten über Bord zu werfen, wird beispielsweise daran deutlich, dass überhaupt keine Bratschen zum Einsatz kamen. Um dem Orchester den gewünschten „eisigen“ Charakter zu geben wurde beschlossen, den Tiefmittenbereich auszudünnen. Gleichzeitig wurden die angestammten Sitzpositionen in Frage gestellt. Die Tundra-Streicher bestehen aus 12 Celli und sechs Kontrabässen in der Mitte des Raumes, flankiert von zwei sehr großen Violinen-Ensembles mit 20 bzw. 18 Spielern, die an gegenüberliegenden Seiten des Raumes angeordnet sind.
Auch findet man hier nicht die übliche Sammlung von Einzelsamples der verschiedenen Sektionen, sondern ausschließlich Ensemble-Klänge in unterschiedlichen Spielweisen, die der Einfachheit halber in „high“ und „low“ unterteilt sind – Kontrabässe und Celli sowie Violinen 1 und 2. Das Tundra-Streichorchester ist also prinzipiell eine feste Anordnung, die der gewünschten Klangästhetik geschuldet und nicht beliebig umsortierbar ist. Das soll aber nicht heißen, dass keine klanglichen Variationen möglich wären, denn die Artikulationen, Dynamik und Mikrofon-Distanzen lassen sich umfangreich anpassen und in Echtzeit modulieren. Wer sich die räumliche Anordnung und Zusammensetzung des Tundra-Orchesters zueigen macht und kompositorisch berücksichtigt, kann damit in neue Klangwelten vordringen.
Das Gleiche gilt für die Bläser: Einzelne Flöten, Fagotte oder Posaunen findet man in Tundra nicht. Auch hier setzt die Library auf Ensemble-Patches, die sich in Holzbläser hoch und mittel sowie Blechbläser hoch und tief unterteilen, jeweils mit diversen nicht alltäglichen Spielweisen aufwarten und zum Teil an die Grenzen dessen gehen, was mit den Instrumenten im Übergang zur Stille machbar ist. Ich finde dieses Konzept im heutigen Umfeld interessant und richtig, denn die Standardsamples (Violinen laut/leise/lang/kurz etc.) haben wir ja alle schon zuhauf in bester Qualität auf dem Rechner.
Albion V Tundra läuft in Native Instruments Kontakt.
Installation und Autorisierung
Albion V Tundra ist als Download erhältlich und kostet derzeit 459 Euro. Das ist nicht wenig, aber die Klangqualität und der Aufwand, der hier beim Sampling und Sounddesign betrieben wurde, rechtfertig den Preis meiner Ansicht nach definitiv, soviel schon mal vorweg. Nach dem Online-Kauf und dem Anlegen eines Accounts bei Spitfire Audio lädt man zunächst den Library Manager herunter, der sich dann um den eigentlichen Download und das Entpacken der Library kümmert. Am Ende belegt Tundra 44,4 GB auf der Festplatte; während der Installation ist sogar der doppelte Platz (88,8 GB) erforderlich. Zusätzlich (oder alternativ) zum Download bietet Spitfire Audio die Option, die Library auf einer Festplatte zu beziehen. Dafür werden in Deutschland derzeit 69 Euro zusätzlich fällig. Die Library läuft entweder in einer vorhandenen Vollversion von Native Instruments Kontakt (ab Version 5.5) oder im kostenlosen Kontakt Player. Die Autorisierung erfolgt wie gewohnt unkompliziert per Seriennummer im Native Instruments Service Center; dafür ist eine Internetverbindung erforderlich.
Im Instrumenten-Browser findet man für die Strings die Ensembles „Strings Low“ und „Strings High“, die jeweils mit zwei verschiedenen Patches vertreten sind: „Main“ und „Soft & Wild“. Main enthält die konventionelleren Spielweisen (für beide Gruppen die gleichen), während unter „Soft & Wild“ speziellere, klangmalerische Techniken anzutreffen sind wie beispielsweise verschiedene Flageolett-Samples. Bei den Bläsern gibt es nicht ganz soviel Vielfalt, hier heißen die Patches Brass High und Low sowie Woods High und Low. Die Patches enthalten jeweils verschiedene Artikulationen, die per Keyswitch oder MIDI CC umgeschaltet werden können. Wer sich seine eigenen Kontakt-Patches basteln möchte, findet die einzelnen Spielweisen der Streicher und Bläser im Ordner „Individual Patches“ auch säuberlich getrennt.
Mithilfe der übersichtlichen Oberfläche lassen sich die Sounds kreativ kontrollieren. Das Interface ist leicht zu bedienen und erschließt sich sehr schnell. Im unteren Bereich lassen sich die verschiedenen Artikulationen auswählen, links wird jeweils die aktuell gewählte angezeigt. Eine symbolische Notendarstellung zeigt auf den ersten Blick, ob es sich um eine lange, kurze oder speziellere Spielweise handelt.
Das Orchester-Interface in der Standardansicht
Hier die Spielweisen der Tundra Strings im Überblick, und einige Soundbeispiele zu einzelnen Artikulationen: Strings High (Main), Strings Low (Main): Flautando CS (con sordino) Long, Flautando CS Short, Frozen Long, Frozen Short, Gypsy Long, Gypsy Short, Double Stop 5ths Long, Double Stop 5ths Short, Super Tasto Long, Super Tasto Short, Air and Ice, Air Ice and Tratto, Gypsy Harmonics, Gypsy Harmonics Tremolo, Sul Pont CS, Brushed Sul Pont CS, Silken CS Long, Silken CS Short
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Strings High (Main): FlautandoStrings High (Main): FrozenStrings High (Main): Gypsy Harm TremStrings High (Main): Silken CS LongStrings High (Main): Silken CS ShortStrings High (Main): Super TastoStrings Low (Main): FlautandoStrings Low (Main): FrozenStrings Low (Main): Super Tasto
Strings Low (Soft & Wild): Brushed Pizz CS, Col Leg Tratto, Harmonic Trems, Light Loose Col Leg, No Rosin Long, Other Harmonics, Pizz Harmonic Bass, Pizz Harmonic Cello, Pulsing Con Sord, Pulsing CS Sul Pont, Sul C, Travelling Trems
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Strings Low (Soft & Wild): Traveling Trems
Strings High (Soft & Wild): Brushed Pizz CS, Col Leg Tratto, Harmonic Trems, Light Loose Col Leg, No Rosin Long, Other Harmonics, Pizz Sul Pont, Pizz Sul Pont Legno Mix, Pulsing Con Sord, Ricochet, Sul G, Travelling Trems
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Strings High (Soft & Wild): Harmonic TremsStrings High (Soft & Wild): No Rosin Long
Brass High, Brass Low: Air, Bursts, Doodle Tonguing, Double Tongue Mute, Finger Trills, Fluttered, Granular Flutter A, Granular Flutter B, Hollow, Mini Cresc, Multiphonics, Overblown FFF (das einzige Forte in der gesamten Library!), Slight Bend, Stifled, Super Air, Vibrato, Short, Tuning Slide Taken Out (nur bei Brass High)
Darüber befindet sich der „Easy Mix“, hinter dem sich eine Überblendung der insgesamt vier Mikrofonpositionen verbirgt. Mit einem Slider kann hier die Entfernung zwischen Orchester und Publikum eingestellt werden und wird durch eine kleine grafische Darstellung visualisiert. Um Speicher zu sparen werden normalerweise die jeweils nicht benötigten Samples bzw. Mikrofonpositionen aus dem Speicher entfernt und beim erneuten Bewegen des Sliders ggf. neu geladen. Indem man beim Bewegen Alt / Option gedrückt hält, lässt sich diese Funktion umgehen, sodass man den Slider auch in Echtzeit modulieren kann, ohne dass zwischendurch Daten geladen werden müssen. Das funktioniert allerdings nur mit kurzen Spielweisen gut, da längere Noten dabei abbrechen. Hier hört ihr zunächst eine Passage in vier verschiedenen Distanzen und danach eine Pizzicato-Figur, bei der die Mikrofondistanz moduliert wird – als ob man sich während der Aufnahme durch den Konzertsaal bewegte.
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Strings High: Mic FarStrings High: Mic 30%Strings High: Mic 60%Strings High: Mic CloseStrings Low: Modulation der Mikrofonposition
Rechts vom Mixer findet man fünf weitere Slider, mit denen man den Streichern bzw. Bläsern Ausdruck verleihen kann. „Dynamics“ ist ein Velocity-Crossfader (also eine stufenlose Überblendung der Samples von pp bis mp), der standardmäßig mit dem Modulationsrad verknüpft ist. „Release“ wechselt zwischen Samples mit kurzer und längerer Ausklingzeit. Mit „Tightness“ kann man einstellen, wie exakt das Timing kurzer Noten sein soll – hier lässt sich das Orchester also bei Bedarf absichtlich etwas „sloppy“ machen. „Reverb“ steuert den Anteil des integrierten Faltungshalls (Tundra enthält eine Reihe spezieller Impulsantworten). Schließlich gibt es noch den Regler „Expression“, der die Gesamtlautstärke steuert – im Unterschied zu „Dynamics“ nicht durch Überblendung verschiedener Samples, sondern wie ein einfacher Lautstärkeregler. Alle diese Regler lassen sich selbstverständlich per MIDI CC steuern und in der DAW automatisieren.
Ein Klick auf den Schraubenschlüssel öffnet die Detailansicht, in der man noch gezielter Einfluss auf verschiedene Einstellungen wie Keyswitches und MIDI CCs nehmen kann. Erstere lassen sich verschieben, indem man das Keyswitch-Icon im linken Bereich nach links und rechts zieht. Was man hier tut, sieht man nur, wenn die virtuelle Kontakt-Tastatur eingeblendet ist – bis mir das klar wurde, hatte ich zunächst einigermaßen verzweifelt nach einer Angabe bzw. Darstellung gesucht, welche Tasten denn nun ausgewählt waren… Der untere Bereich bleibt unverändert und zeigt weiterhin die Spielweisen. Darüber findet man hier statt des „Easy Mix“ einen 4-Kanal-Mixer, in dem man die Lautstärken der Mikrofonpaare einzeln regeln kann. Desweiteren enthält die Seite detaillierte Einstellmöglichkeiten zur Speicherverwaltung und zur Verwendung von „Round Robin Samples“. Auf der rechten Seite finden sich die gleichen fünf Realtime Slider wie in der Hauptansicht, diesmal übereinander.
In der erweiterten Ansicht steht ein Mixer für 4 Mikrofonpositionen zur Verfügung.
Bei kurzen Artikulationen steht außerdem das sogenannte Ostinatum zur Verfügung. Dahinter verbirgt sich ein detailliert programmierbarer, über MIDI CC und Keyswitches steuerbarer Arpeggiator, mit dem man auf einfache Weise rhythmische Patterns erzeugen kann. Das reicht von simplen Akkord-Patterns bis hin zu komplexen Gebilden. Mit dem Ostinatum musste ich ein wenig experimentieren, bis ich die Möglichkeiten durchschaut hatte, aber dann wurde schnell klar, wie mächtig dieses Werkzeug ist und wie einfach sich damit rhythmische Figuren erschaffen lassen.
Erwähnt werden sollen auch noch die Legato-Patches, die in einem separaten Ordner zu finden sind. Hier findet man einige Programme für das Legatospiel, und zwar in den Spielweisen „Flautando con sordino“ (Strings High und Low) sowie „Air and Ice“ (Strings High). Für die Bläser gibt es so etwas leider nicht.
Ich bin vom Klang des Tundra-Orchesters total begeistert. Zunächst ist es einfach mal etwas anderes als eine gewöhnliche Orchester-Library und stellt leise, zerbrechliche Töne und ungewöhnliche Spielweisen in den Vordergrund, die höchst inspirierend wirken können – allein das spricht schon dafür, diese Library in den Fundus aufzunehmen. Zudem überzeugt Albion V Tundra auf der technischen Seite mit einer beispiellosen Aufnahmequalität und einer detailverliebten Aufarbeitung der Samples, gepaart mit einem leicht zu bedienenden Interface, was die Arbeit mit der Library zu einer Freude macht.
Mit dem Ostinatum lassen sich rhythmische Patterns erstellen.
Stephenson’s Steam Band
Bei „Steam Band“ dachte ich zuerst unwillkürlich an eine fröhliche Blaskapelle an Bord eines Raddampfers, der sich unter der heißen Sonne der Südstaaten seinen Weg über den Mississippi bahnt. Das könnte kaum weiter entfernt sein von den wunderbaren Sounds, die in dieser Kategorie anzutreffen sind. Stephenson’s Steam Band ist eine Sammlung von Pads, Drones und Evolutions, die unter großzügiger Zuhilfenahme diverser Effekte aus Orchester-Samples und weiteren Elementen wie etwa Blasebälgen geformt wurden. Man muss keine Filmmusik machen, um beim Hören dieser Sounds sofort Bilder vor dem inneren Auge zu sehen. Auch hier geht es eher leise zu und viele der Pads und Drones sind fragil, zerbrechlich und entrückt, ohne dabei jedoch allzu kühl zu wirken. Ich fühlte mich an einige großartige Science-Fiction-Soundtracks jüngerer Jahrgänge erinnert, wie etwa „Gravity“ von Steven Price. Faszinierend finde ich den wunderbaren Kontrast aus einer weiten, nordischen Räumlichkeit und Klangästhetik und dem dennoch immer organisch wirkenden Grundsound, der wegen seiner orchestralen Herkunft immer eine gewisse Lebendigkeit und Restwärme behält. Hinzu kommt auch hier: Die Klangqualität ist über alle Zweifel erhaben.
Das Interface zu Stephenson’s Steam Band (und den Brunel Loops) heißt eDNA und ist ein Sample Player mit zwei Slots, vielen Modulationsmöglichkeiten, Effekten und einem Gate Sequencer. Über die automatisierbaren Modulationen der eDNA Engine kann man die ohnehin schon lebendigen Klänge dynamisch steuern. Oft reicht es schon, den Mixer bzw. das Verhältnis zwischen den Slots A und B zu modulieren, um klangliche Akzente zu setzen. Pro Slot stehen unter anderem je ein High- und Lowpass-Filter, ein ADSR Envelope und drei „Wobbles“ – gemeint sind LFOs – zur Verfügung, mit denen sich den Klängen Leben einhauchen lässt. Mit dem Gate Sequencer, der in vielen Presets auf das Modulationsrad gelegt ist, kann man eine subtile Rhythmik erzeugen.
Die Sounds aus Stephenson’s Steam Band sind höchst inspirierend und manchmal erklingt beim Drücken einer einzigen Taste schon ein kompletter Soundtrack (siehe Klangbeispiel „Amazo Chords“). Obwohl man viele Pads auch „normal“ spielen und arrangieren kann, ergibt sich daraus, dass die Komposition hier in der Regel aus dem Sound entstehen wird und nicht andersherum. Stephenson’s Steam Band ist eher kein Werkzeug zum Vertonen zuvor geschriebener Noten, sondern eine Palette zum Malen mit Klängen. Wer sich aber von den Sounds leiten und inspirieren lässt, kann damit einzigartige Klangwelten erschaffen, die erfreulicherweise fast nie nach „aus der Dose“ klingen. Unglaublich gut!
“Stephenson’s Steam Band” und die “Brunel Loops” laufen in der eDNA Engine.
Brunel Loops
Die Drum- und Percussion-Loops in dieser Abteilung werden ebenfalls über die eDNA Engine gesteuert, sind entsprechend vielseitig modulierbar und passen sich dem DAW-Tempo an. Obschon auch hier die Klangqualität außergewöhnlich gut ist und die Loops von Paul Clarvis stammen, dessen Credit-Liste ihn zweifelsohne als Meister seines Fachs ausweist, sind die Brunel Loops vielleicht der einzige Teil dieser Library, bei dem bei mir der Funke nicht so recht überspringen wollte. Während die Orchestersounds und Texturen davon profitieren, dass man sich hier einmal auf den leisen Dynamikbereich konzentriert hat, wirken die Loops auf mich seltsam kraftlos und fast ein bisschen langweilig. Das soll nicht heißen, dass es in der großen Auswahl nicht das eine oder andere Kleinod gäbe, das sich in einem bestimmten Zusammenhang gut einsetzen ließe, aber insgesamt bin ich von dieser Abteilung deutlich weniger überzeugt als von der übrigen Library. Im Gesamtkontext sind diese Loops aber wohl auch eher als Add-on zu verstehen (ich glaube kaum, dass sich jemand Albion V Tundra nur wegen der Loops zulegen würde), und deshalb wird das Gesamtbild davon nicht getrübt.
Im “VRAL Grid” lassen sich Evolutions miteinander kombinieren.
VRAL Grid
Wir sind immer noch nicht fertig: Tundra enthält auch noch das sogenannte VRAL Grid, in dem sich insgesamt 48 verschiedene „Evolutions“ in einem Gitter miteinander kombinieren und zu einem komplexen Gesamtsound formen lassen. Die Evolutions sind lange Samples (eine Minute und mehr), die eine langsame, subtile klangliche Veränderung durchlaufen, zum Schluss aber doch zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehren und lang geloopt sind. Im Gitter können die einzelnen Evolutions tonalen Zentren zugewiesen werden, sodass beispielsweise der Bereich rund um die MIDI-Note A3 die Evolution 12 anspricht, während im Bereich rund um G5 Evolution Nr. 37 erklingt. Das Ganze ist absichtlich nicht symmetrisch, so wie auch die Evolutions nicht gleich lang sind. So bleibt alles im Fluss, Evolutions verschieben sich gegeneinander und der Sound ist im besten Fall voller Überraschungen.
Verschiedene Zufallsfunktionen helfen beim Ausfüllen des Gitters. Nach meinem Dafürhalten ist der Zufallsgenerator tatsächlich die beste Art, dieses Instrument zu benutzen, denn genau kann man bei den Evolutions ohnehin nie wissen, wohin sie am Ende führen. Also fährt man sehr gut damit, einfach ein paar Zufallsprodukte auszuprobieren, wie ich es für die folgenden Beispiele getan habe. Bemerkenswert finde ich, dass der entstehende Gesamtsound immer auf eine Art und Weise spielbar bleibt – man bekommt hier keine chaotischen, atonalen Gebilde, sondern sehr spezielle Pads, die je nach Tastaturbereich unterschiedlich klingen und sich ständig entwickeln. Mit dem Dynamics-Slider und einigen integrierten Effekten kann man zusätzlich für Variationen sorgen. Kein Instrument für den Dauereinsatz, aber ein Zauberkasten für zarte, außergewöhnliche Texturen und Pads.
Mit Albion V Tundra ist Spitfire Audio eine außergewöhnliche Orchester-Library gelungen, die nicht nur Filmmusik-Komponisten begeistern dürfte. Im Mittelpunkt stehen hier leise, zarte bis zerbrechliche Klänge und ungewöhnliche Spielweisen eines großen Orchesters, die sofort Bilder im Kopf entstehen lassen. Neben den Orchester-Samples findet man mit „Stephenson’s Steam Band“ und dem „VRAL Grid“ vielschichtige Texturen, Pads und Klangmalereien, die, wenn sie auch nicht überall passen, doch unglaublich inspirierend sind und in vielen Fällen der einzige Sound sein könnten, den man für eine Filmszene braucht. Die Sounds sind so bildhaft, greifbar und organisch, dass man hier beinahe den Film zur Library drehen müsste und nicht umgekehrt. Hinzu kommen eine außergewöhnlich gute Aufnahmequalität mit vier misch- und überblendbaren Mikrofonpositionen, eine detailverliebte und praxisgerechte Aufarbeitung der Samples und mit dem Orchester-Interface, der eDNA Engine und dem VRAL Grid gleich drei intuitive Oberflächen mit flexiblen Modulationsmöglichkeiten. Dass die ebenfalls enthaltenen Percussion Loops im Vergleich zur restlichen Library etwas farblos und uninspiriert wirken, bleibt angesichts der überragenden Qualität der Orchester-Samples und Texturen eine Randnotiz. Mit über 450 Euro ist Albion V Tundra kein Schnäppchen. Wer in die „nordischen“ Klangwelten abtaucht und sich von ihnen inspirieren lässt, wird dennoch schnell feststellen, dass diese Library derzeit einzigartig und definitiv ihren Preis wert ist.
Unser Fazit:
5 / 5
Pro
Orchester-Library mit ungewöhnlichem, inspirierendem Ansatz
hervorragende Klangqualität
drei leicht zu bedienende Sample Player
seltene, außergewöhnliche Spielweisen
vier mischbare Mikrofonpositionen (für Orchestersamples)
musikalische Aufarbeitung der Samples, gute Spielbarkeit
“Stephenson’s Steam Band” und “VRAL Grid” liefern einzigartige Sounds, die sonst nur mit viel Aufwand zu realisieren wären
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