In Zusammenarbeit mit Native Instruments war Thomas Skarbye inzwischen maßgeblich an der Entwicklung von mehreren virtuellen Instrumenten beteiligt: Die Scarbee Vintage Keys reproduzieren den Klang von vier E-Piano Legenden, der Scarbee Funk Guitarist setzt MIDI-Informationen in groovige Rhythmusgitarren-Parts um, und auch bei der Bearbeitung und Programmierung des Sample-Pianos Alicia´s Keys hatte der dänische Sound-Designer die Finger mit im Spiel. Während das Land seiner Herkunft im hohen Norden liegt, lässt sich seine musikalische Herkunft dagegen den tiefen Registern zuordnen. Als Bassist war er bei der Produktion der fünf momentan erhältlichen Scarbee Bässe sicherlich ganz in seinem Metier.
Im Fokus unseres Tests liegen der Scarbee MM-Bass, der Pre-Bass und der Jay-Bass, die abgesehen von letzterem jeweils auch in einer Amped-Version erhältlich sind. Ob die virtuellen E-Bässe aus dem richtigen Stoff gemacht sind, um ein musikalisches Fundament für eure Arrangements zu bilden, erfahrt ihr hier.
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DETAILS
Die einzelnen Libraries Im Gegensatz zu den Bestandteilen der Vintage Keys oder auch der Classic Piano Collection bietet NI die fünf Einzelprodukte aus der Reihe der Scarbee Bässe nicht in einem eigenständigen Bundle an. Die jeweiligen Libraries sind für sich gesehen zwar erschwinglich, bewegen sich in der Summe aber trotzdem in einem preislichen Bereich, von dem zumindest die Standard-Version von Komplete 8 nicht mehr weit entfernt ist – diese enthält dafür mit dem MM-Bass aber auch nur eine der fünf Libraries. Ähnlich wie bei den unterschiedlichen Versionen der Abbey Road Drums, die in Komplete 8 mit den 60s Drums vertreten sind, gibt es die volle Bandbreite nur im großen Komplete 8 Ultimate Paket.
Der Pre-Bass, Jay-Bass und MM-Bass sind Neuauflagen des Blue Bass, Red Bass und des Black Bass, die nach der Besiegelung einer Zusammenarbeit von Scarbee und Native Instruments überarbeitet wurden. Jede dieser drei Libraries konzentriert sich mit einer durchschnittlichen Datenmenge von jeweils etwa 2,5 GB auf die digitale Reproduktion eines einzelnen Instruments. Um welche Instrumente es sich dabei handelt, lässt sich mit einigen E-Bass Basics im Hintergrundwissen relativ einfach erkennen. Der Pre-Bass simuliert einen Fender Precision, der pünktlich zur Geburts-Stunde des Rock´n´Roll Anfang der 1950er Jahre als erster E-Bass der Geschichte in Serienproduktion ging. Seinen Namen verdankt das Instrument der zu dieser Zeit verhältnismäßig spektakulären Tatsache, dass es Bünde hat und somit eine „präzise“ Intonation ermöglicht. So sehr dies inzwischen auch zum Standard geworden sein mag, vor 60 Jahren war es ein Merkmal, das man vom Kontrabass her natürlich nicht kannte.
Das klangliche Vorbild hinter dem Jay-Bass kommt ebenfalls aus dem Hause Fender. Die Library widmet sich dem etwa 10 Jahre nach dem Precision erschienenen Jazz-Bass, obwohl bei der Nachbildung des geschichtsträchtigen Original-Instruments zur Aufnahme ein dänischer Nachbau bevorzugt wurde. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger verfügt der Jazz-Bass nicht über einen kombinierten Split Coil Tonabnehmer, sondern stattdessen über zwei getrennte Single-Coils, die in der Library genauso wie im echten Leben einzeln oder in Kombination verwendet werden können. Gemessen am Namen des Instruments könnte man vermuten, dass es sich dabei um einen ausschließlichen Spezialisten für jazzige Improvisationen und Walking Bass Lines handelt. Davon sollte man sich aber nicht irreführen lassen. Auch wenn der Jazz Bass seinen klanglichen Einfluss auf Jazz-Rock/Pop Fusionen von Miles Davis und Konsorten nahm, war er aber ebenso im Equipment von Led Zeppelin oder der Jimi Hendrix Experience vertreten und ist bis zum heutigen Tag in vielen anderen Rock- und Soul-Produktionen zu hören. Die Library des Jay-Bass bietet als einzige spezielle Slap-Samples, macht im Gegenzug aber Abstriche bei der Anzahl der Velocity-Layers. Statt acht Zonen beim Pre-Bass und neun Zonen beim MM-Bass finden sich für die Standard-Spielweise des Jay-Bass nur vier Samples, zwischen denen sich die Sampling-Engine von Kontakt je nach eingehender Anschlagstärke auf dem Masterkeyboard entscheidet.
Der MM-Bass fällt ein wenig aus dem Rahmen, da die Library laut Thomas Skarbye nicht nur einem einzelnen Instrument, sondern vorrangig dem persönlichen Sound des Bassisten Bernard Edwards gewidmet ist. Dieser sorgte seit Mitte der 1970er Jahre bei der Soul-Formation Chic für den Groove der tiefen Töne und ist beispielsweise der Urheber der charakteristischen Bass-Line des Coverband-Standards „Good Times“. Mr. Edwards war meist mit einem aktiven Music Man StingRay Bass zu sehen, in Skarbyes Anmerkungen zum MM-Bass lässt dieser aber verlauten, dass (ähnlich wie beim Jay-Bass) nicht das originale Vorbild gesampelt wurde. Zum Einsatz kam ein Music Man Sterling Bass, der aufgrund der Verwendung von Flatwound-Saiten vergleichsweise höhenarm klingt – wie ein echter Vintage-Bass eben klingen soll. Generell wirkt der Sound aller Scarbee Bässe relativ real und naturbelassen. Vor allem den im Bass- und Sub-Bass-Bereich extrem kräftigen Sounds aus Spectrasonics Trilian, die man in vielen Fällen erst einmal mit einem Low-Cut behandeln muss, setzen die Libraries einen offeneren Klang gegenüber.
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Pre-BassJay-BassMM-Bass
Wie für Bass-Aufnahmen nicht unüblich, wurden alle Instrumente in den Standard-Versionen der Libraries zur Aufnahme direkt ins Mischpult eingespielt. Prinzipiell ist ein Reamping über Amp-Simulationen und/oder Speaker-Faltungen also jederzeit möglich. Nach dem gleichen Prinzip wurden die Samples der DI-Aufnahmen in den Amped-Versionen von Pre- und MM-Bass durch vier echte Bass-Amps gejagt und wiederum aufgenommen. Die Datenmenge steigt dementsprechend auf das Vierfache der Standard-Libraries und liegt in beiden Fällen bei knapp 12 GB. Die Bezeichnungen der verwendeten Amps verbergen sich dabei hinter Preset-Namen wie Fat, Punchy, Crunchy, Heavy oder Pop.
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Pre-Bass Amped: PunchyMM-Bass Amped: Heavy
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PRAXIS
Bass von allen Saiten Die Benutzeroberflächen von Pre-, Jay- und MM-Bass und auch der beiden Amped-Varianten sind übersichtlich gestaltet und entsprechen sich in ihrer Bedienphilosophie vollständig. Die Unterschiede sind rein optischer Natur und liegen in den Hintergrundgrafiken, die abgesehen vom Sunburst-Finish des virtuellen Precision noch einmal an die frühere Namensgebung von Red Bass und Black Bass erinnern. Wer eine der Libraries kennt, wird sich in den Geschwister-Libraries also sofort zurechtfinden, und auch unter der Haube sind die virtuellen Instrumente konsequent aufeinander abgestimmt. Dank des identischen Mappings ist es kein Problem, ein MIDI-File, das mit einem der Bässe eingespielt oder programmiert wurde, einem anderen Vertreter der Scarbee Bässe unterzujubeln und es ohne weitere Bearbeitung zu verwenden.
Eine Besonderheit der Scarbee Bässe ist, dass alle Saiten komplett gesampelt wurden, und demzufolge für einen Ton mehrere Fingerpositionen zur Verfügung stehen. Als Anwender kann man sich also wie ein echter Bassist aus Fleisch und Blut entscheiden, ob ein großes D auf dem zehnten Bund der E-Saite, dem fünften Bund der A-Saite oder als D-Leersaite gespielt werden soll. Die Steuerung dieser Fingerpositionen läuft über Keyswitches, die auf den ersten Blick etwas schwer zu durchschauen sind, ein Blick in das Benutzerhandbuch kann sich in diesem Fall aber wirklich lohnen, denn dieses Feature bietet die Möglichkeit, deutliche Eingriffe auf den Klang vorzunehmen. Wer sich trotzdem nicht in solcherlei Feinheiten verlieren will, der muss das allerdings auch nicht tun, denn dank des intelligenten Scriptings trifft die Software auch ohne zusätzliche Angaben sinnvolle Entscheidungen, und auch ohne nur eine Keyswitch-Taste zu berühren, lassen sich überzeugende Ergebnisse erreichen. Als Kompromiss-Lösung bieten sich in diesem Fall die drei Player-Profiles an, die je nach Einstellung bevorzugt Töne über dem vierten bzw. sechsten Bund anspielen. Übrigens gibt es in allen Scarbee Bässen auch eine zusätzliche tiefe H-Saite. Diese wird in der GUI allerdings nicht angezeigt und lässt sich als ausschließliche Erweiterung nach unten verstehen.
Auch was die verschiedenen Artikulationen angeht, versuchen die Scarbee Bässe die Verwendung von Keyswitches so weit wie möglich zu umgehen. So werden Hammer-ons und Pull-offs, bei denen der Bassist nur die Finger auf dem Griffbrett bewegt, ohne dabei mit der anderen Hand einen Ton neu anzuschlagen, automatisch erzeugt, sobald Notenüberlappungen vorliegen. Wird dabei das Sustain-Pedal des Master-Keyboards gehalten, entsteht je nach Anschlagstärke ein kürzerer oder längerer Slide. Mute-Sounds werden abgespielt, sobald die Anschlagstärke unter einem festen Schwellenwert liegt, ein Vibrato-Script mit zusätzlich aufgenommenen und regelbaren Nebengeräuschen reagiert auf die Stellung des Modulationsrads, und die Software alterniert ab einem gewissen Tempo automatisch zwischen Samples, die mit dem Zeigefinger und dem Mittelfinger eingespielt wurden. So kann man als Anwender selbst entscheiden, wie tief man sich in die Eingeweide der Software vorarbeiten will, um an der Feinjustierung von Details zu arbeiten. Im folgenden Video seht ihr ein vom Jay-Bass wiedergegebenes MIDI-File im Key-Editor von Cubase 6.
In weiteren Unterpunkten des kleinen Dropdown-Menüs finden sich Presets für die in der Vollversion von Kontakt 5 enthaltenen Effekte und ein integrierter EQ, und Mr. Skarbye scheint auch weiterhin an alles gedacht zu haben. Die Frequenz des Vibratos und die Lautstärke der dabei auftretenden Nebengeräusche können angepasst werden, und für die Release-Samples kann man aus einer tighteren und einer etwas lockereren Version wählen oder über einen Zufallsgenerator mit Verhältnisregler angeben, welche tendenziell öfter verwendet werden sollen. Ähnliches gilt für zufällig eingestreute Pickup-Hits, bei denen der Tonabnehmer direkt berührt wird. Bei Problemen mit der Saitenzuweisung von Akkordtönen hilft ein entsprechendes Script, mit kombiniertem Keyswitch-Einsatz sind sogar Chord-Slides möglich. Abgesehen davon lassen sich alle Parameter über eine Learn-Funktion einem frei wählbaren MIDI-Controller zuweisen.
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FAZIT
Die Scarbee Bässe bieten in Sachen Klang und Bedienung eine sehr schöne Möglichkeit, realistisch anmutende Bass-Tracks zu erzeugen. Ein an sich komplexes System, das an Spielweisen und Artikulationen alles Notwendige bietet, wird von der Benutzeroberfläche anwenderfreundlich präsentiert, und jeder kann selbst bestimmen, wie tief er in die bisweilen etwas komplizierte Materie eindringen will, um das Fine-Tuning an Details vorzunehmen. Stilistisch empfinde ich die drei Bässe als weitestgehend neutral, und nur der MM-Bass schlägt mit seinem ausgeprägten Charakter deutlich in die Kerbe des 70s Soul- und Disco-Sounds. Auch dieser kann aber natürlich frei nach Belieben zweckentfremdet werden. Um die Sammlung etwas kompletter zu gestalten, könnte Scarbee ruhig weiter nachlegen – auch ein mit Plektrum gespielter Bass, ein Fretless-Bass oder ein Kontrabass, die ähnlich natürlich klingen und nach dem gleichen Prinzip arbeiten, wären sicher einen genaueren Blick wert.
Ob man in die Amped-Versions von Pre- und MM-Bass investieren will, ist natürlich eine Frage für sich. Gerade da die Samples exakt denen der Standard-Versionen entsprechen, wäre zumindest zu bedenken, was mit Amp-Faltungen (siehe z.B. Guitar Rig 5) inzwischen alles machbar ist. Wer in diesem Bereich die mit echten Verstärkern „ge-reampten“ Samples bevorzugt, findet aber auch hier einen hervorragend natürlichen Bass-Sound, der bei gekonntem Einspielen und Programmieren hochwertigste Ergebnisse liefert.
Pro:
Natürlicher und detaillierter Sound
Samples von allen Saiten
Viele Spielweisen
Intelligentes Scripting
Contra:
Keyswitches anfänglich etwas unübersichtlich
Features:
Fünf Kontakt-Instrumente
Je ein Instrument pro Library
Jeweils ca. 2,5 GB große Sample-Library, ca. 12 GB bei Amped-Versions
Minimale Systemanforderungen:
PC: Intel Core Duo oder AMD Athlon 64 X2, 2 GB RAM, Windows 7 (32/64 Bit) mit aktuellem Service Pack
MAC: Intel Core Duo, 2 GB RAM, Mac OS X 10.6 oder 10.7
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