ANZEIGE

Korg ARP ODYSSEi App Test

Nachdem Korg mit der Wiederauflage des ARP Odyssey als analoges Gerät große Erfolge feiern konnte, gibt es nun auch für das iPad und iPhone eine App gleichen Namens. Oder immerhin fast gleichen Namens, denn irgendwo musste das typische “i” dann wohl doch noch hin, sodass ARP ODYSSEi daraus wurde.

Den ARP Odyssey gibt es jetzt als App für iPad und iPhone. (Bild: zur Verfügung gestellt von Korg)
Den ARP Odyssey gibt es jetzt als App für iPad und iPhone. (Bild: zur Verfügung gestellt von Korg)


Ja, witzig, aber vielleicht auch ein Hinweis, dass die Korg ARP ODYSSEi App nicht einfach ein Odyssey ist, denn während die analogen Korg ARP Odysseys das Original so originalgetreu wie möglich abbilden und auf Erweiterungen verzichten, sieht das bei der App ganz anders aus. Hier gibt es bis zu acht Stimmen, sechs Effekte, einen Arpeggiator/Sequenzer, zwei XY-Pads und nicht zuletzt ist der ODYSSEi in stereo, was sich beim Unisono und beim Delay bemerkbar macht. Andererseits gibt es zum Beispiel keinen Audio-Eingang. Schauen wir uns die Software also einmal genauer an, natürlich mit einem ausführlichen Vergleich mit der namensgebenden Hardware!

Details

Die Korg Arp ODYSSEi App erscheint zunächst einmal in der schwarz-orangenen Optik des Arp Odyssey Revison 3 auf dem Bildschirm. Wenn sie denn erscheint, denn die 106 MB große und knapp 30 Euro teure App will erst ab iPhone 5s, iPad Air, iPad Mini 2, iPad Pro und iPod touch 6 starten. Besitzer eines älteren iOS-Gerätes bleiben außen vor, was allerdings angesichts des CPU-Heißhungers, den digital signal processing immer noch hat, wohl unvermeidbar ist.
Auf den ersten Blick hat sich bei der Oberfläche gegenüber dem analogen Original nur wenig verändert und wir schauen uns erst einmal die Gemeinsamkeiten an, bevor wir an die Unterschiede gehen. Wie im Original gibt es also zwei Oszillatoren, einen Noise Oszillator, einen Ringmodulator, einen LFO, einen S&H- und Modulationsmixer, ein S&H-Modul (Sample&Hold), je eine AD- und eine ADSR-Hüllkurve, ein selbstresonierendes Tiefpass- und ein Hochpassfilter sowie diverse Spielhilfen. Weil das Handbuch nicht sehr ausführlich auf die einzelnen Elemente eingeht, werde ich die Klangerzeugung hier einmal durchgehen. Wer sich mit dem Arp Odyssey oder seiner Reinkarnation schon auskennt, der darf den folgenden Teil also gern überspringen.

Die Oberfläche gleicht dem analogen Odyssey fast bis ins letzte Detail.
Die ARP ODYSSEi App klingt hervorragend, hat aber ein paar Schwächen bei der Bedienung.

Klangerzeugung

Die beiden Oszillatoren können jeweils mit Coarse und Fine gestimmt werden und man bekommt jeden von ihnen wahlweise als Sägezahn oder Rechteck zu hören. Oszillator 1 kann von der Tastatur abgekoppelt und als LFO eingesetzt werden, Oszillator 2 lässt sich dagegen von Oszillator 1 synchronisieren. Die Frequenzen beider Oszillatoren können jeweils doppelt moduliert werden, wobei insgesamt vier Quellen zur Verfügung stehen. Bei Oszillator 1 geht das zum einen durch den LFO, der entweder als Sinus- oder Rechteckschwingung anliegt, zum anderen hat man die Wahl zwischen dem S&H-Modul und der ADSR-Hüllkurve. Bei Oszillator 2 ist es fast genau das gleiche, allerdings kann hier anstelle der Sinusschwingung des LFO der Output des S&H-Mixers ausgewählt werden. Das hört sich jetzt erstmal kompliziert an, aber das ist auch eines der Markenzeichen des Odyssey: die ziemlich gewiefte Verschachtelung, die schon ein bisschen an einen modularen Synthesizer erinnert – beziehungsweise an den ARP 2600, dessen kleiner Bruder der Odyssey ja ist. Und ganz fertig sind wir mit den Oszillatoren noch nicht, denn bei beiden kann man die Pulsbreite sowohl von Hand einstellen als auch durch LFO oder die ADSR Hüllkurve steuern lassen. Und schließlich soll der Rauschoszillator nicht vergessen werden, der entweder weißes oder rosa Rauschen erzeugen kann.
Damit sind wir bei den Modulatoren, und derer gibt es drei: einen LFO, den S&H Mixer und das S&H Modul. Der LFO kann Sinus- und Rechteckschwingungen in einem Frequenzbereich von 0,2 – 20 Hertz ausgeben. Der Clou des Odyssey ist aber der S&H Mixer, in dem man zwei Quellen zu einer einzelnen Modulationsquelle zusammenmischen kann. Bei der ersten Quelle kann man zwischen den Sägezahn- und Rechteckschwingungsformen von Oszillator 1 auswählen, bei der zweiten Quelle stehen der Rauschoszillator und die Rechteckschwingung von Oszillator 2 zur Verfügung. Was kann man damit anfangen? Nur zwei Beispiele: Zum Einen kann man Oszillator 2 durch Oszillator 1 frequenzmodulieren, zum Anderen lässt sich Oszillator 2 durch insgesamt drei Quellen in der Frequenz modulieren. Damit kann man ziemlich verrückte Sachen machen, wie zum Beispiel kleine Melodien oder Sequenzen abspielen lassen. Zuletzt gibt es noch das Sample&Hold-Modul, das den Ausgang des S&H Mixers als Quelle nimmt und entweder über Tastendruck oder den LFO getriggert werden kann.
Im Mixer werden die Signale der Oszillatoren zusammen geführt und in der Lautstärke geregelt, wobei man erst hier zwischen den beiden Schwingungsformen der beiden Oszillatoren wählt. Außerdem kann man hier noch den Rauschgenerator oder den Ringmodulator hinzumischen.

Fotostrecke: 3 Bilder Auch schick: Die Oberfläche der Revision 1 gibt es als In-App-Kauf, inklusive 50 weiteren Presets.

Weiter geht es zum Tiefpassfilter, das sich wie bei der analogen Neuauflage zwischen den verschiedenen Filtervarianten der drei Originalversionen (Revisions) des Odyssey umschalten lässt und bei dem man Cutoff-Frequenz und Resonanz einstellen kann. Der Cutoff lässt sich dreifach modulieren: durch das Keyboard oder den S&H Mixer, das S&H Modul oder den LFO und durch eine der beiden Hüllkurven. Als nächstes geht es in das nicht resonierende Hochpassfilter, bei dem man nur die Frequenz einstellen kann und das sich nicht modulieren lässt. Netterweise hat Korg auch dem virtuellen ODYSSEi die “Drive Gain” genannte Sättigungseinheit spendiert, die den Sound schön andickt, bevor man eine der beiden Hüllkurven zur Lautstärkesteuerung auswählt. Allerdings gibt es hier einen kleinen Unterschied, auf den wir im Praxisteil zu sprechen kommen werden. Die beiden Hüllkurven, eine zweistufig als AD und eine als ausgewachsene ADSR, sind ziemlich zackig, können aber leider keine richtig langsamen Verläufe darstellen und kopieren so genau die Möglichkeiten des originalen Odyssey. Eine Besonderheit gibt es aber auch hier: Beide können automatisch repetieren, und das entweder nur bei gedrückter Taste oder auch einfach so.
So, wieso habe ich das alles so genau erzählt? Weil genau diese Vielfalt an Modulationsmöglichkeiten den ARP Odyssey auszeichnet und ihn von seinem großen historischen Gegenspieler, dem Minimoog, unterscheidet. Der Minimoog ist von seinen Verschaltungsmöglichkeiten her ja eher bescheiden und kennt zum Beispiel keine Pulsbreitenmodulation, keine Oszillatorsynchronisation, keinen Ringmodulator, kein Sample&Hold, keine Modulationsmatrix und natürlich keine Effekte. Damalige Gegenspieler wie der VCS3 (aka Synthi oder Putney) oder eben der Arp Odyssey hatten und haben da mehr Möglichkeiten und genau das zeichnet diese Synthesizer aus. Selbst ein Moog Sub 37 kann keine Frequenzmodulation eines Oszillators mit dem anderen, hat weder Ringmodulator noch zwei unabhängig von der Tastatur stimmbare Oszillatoren und für eine dreifach gestufte Modulation eines Oszillators muss man sich auch hier in Untermenüs begeben. Beim Odyssey liegt das alles an der Oberfläche und die ODYSSEi App bildet diese Möglichkeiten alle nach. Und das ist gerade bei Dingen wie Frequenzmodulation eines Oszillators oder des Tiefpassfilters im hörbaren Bereich keine Kleinigkeit, weil es viel Rechenleistung erfordert.
Aber kommen wir wieder zurück und besprechen noch kurz die letzten Einstellungen, die der Odyssey so bietet: PPC, also die “Proportional Pitch Control” genannten drei weißen Gummitaster, die für Pitch Bend auf-, ab- und beidwärts (aka Vibrato) sorgen, sind beim ODYSSEi optisch genauso umgesetzt, funktionieren hier aber (natürlich) nicht über Druck sondern über Bewegungen auf- und abwärts. Die Tastatur kann man wie beim Original per Schalter zwei Oktaven nach oben und unten versetzen und zuletzt gibt es noch eine Glide-Funktion. Beim Schreiben der Anleitung ist den Autoren dabei offensichtlich langweilig geworden, denn der Text wurde teilweise wörtlich vom analogen Odyssey übernommen. Hoffentlich nimmt niemand die Anweisung, den Portamento Mode Switch mit einer dünnen Mine hinein zu drücken, wörtlich – es könnte schließlich sein, dass die Garantie erlischt, wenn der Kugelschreiber im iPad steckt… Die Beschreibung des Velocity-Schiebereglers wurde in der Hektik übrigens auch gleich vergessen, aber das ist ja alles eher amüsant als schlimm und zeigt ein bisschen die Geschichte der Instrumente auf. Gut wäre allerdings, wenn man die MIDI-Belegung des ODYSSEi nicht erst als gesondertes Dokument von Korgs Webseite herunterladen müsste, sondern sie gleich im Handbuch nachschlagen könnte.

Fotostrecke: 2 Bilder Die App wurde um Effekte und einen ausgewachsenen Sequencer erweitert.

Erweiterungen im Vergleich zum Original

Im Gegensatz zu den wiederbelebten originalen analogen Odysseys hat Korg dem virtuellen ODYSSEi einige Funktionen spendiert, die die Möglichkeiten sinnvoll und drastisch erweitern. Zu allererst sind hier natürlich die Polyphonie und die Velocity-Erkennung zu nennen. Je nach Rechenleistung des verwendeten iOS-Geräts ist der ODYSSEi bis zu achtstimmig spielbar. Bei meinem iPad mini 4 komme ich auf volle acht Stimmen, was prima ist. Diese acht Stimmen kann man auch zu einem Unisono-Modus zusammen fassen und für besonders dicke Sounds sowohl die Verstimmung als auch die Spreizung im Stereofeld verändern.

Audio Samples
0:00
Unison und Spread

So etwas ist mit dem Original-Odyssey natürlich überhaupt nicht möglich und das erweitert die klanglichen Möglichkeiten enorm. Aber nicht dass Missverständnisse aufkommen: Egal, wieviele Stimmen zu hören sind, es bleibt immer bei einem Filter und einem Amp, auch der virtuelle ODYSSEi ist ein paraphoner Synthesizer. Einzige Ausnahme: der LFO, der bei Bedarf um die Anzahl der benötigten Stimmen erweitert werden kann. Die Velocity, beim analogen Odyssey sehr vermisst, kann man über einen weiteren Regler im Mischer entweder auf Filter oder Verstärker setzen.
Eine weitere große Erweiterung sind die sechs Effekte: Distortion, Phaser, Chorus/Flanger/Ensemble, EQ, Delay und Reverb. Ihre Qualität ist zum Teil sehr gut. Dass aus einer so kleinen Kiste wie dem iPad ein so klarer Hall kommt, der so gut wie nicht flattert, freut mich sehr. Zudem sind die Effekte recht üppig mit regelbaren Parametern ausgestattet. So lässt sich zum Beispiel der Klang der Hallfahne sehr schön variieren, es gibt einen Dreiband-Equalizer mit semiparametrischen Mitten und auch Chorus, Flanger und Ensemble sind richtig schön gelungen. Dafür einen dicken Pluspunkt.
Die letzte entscheidende Ergänzung ist der Arpeggiator, der in Wirklichkeit ein recht potenter 16-Step-Sequenzer ist. Außer Noten kann er auch bis zu drei Klangparameter gleichzeitig steuern, wofür fast alle regelbaren Parameter des ODYSSEi ausgewählt werden können. Das führt im Übrigen zu einer sehr schönen visuellen Animation, denn die Fader werden mit dem Sequenzer bewegt. Das ist immer wieder schön anzusehen!
Auch bei den Spielhilfen wurde erweitert, indem man entweder eine Tastatur mit Oktavwahlschaltern und Rädern für Pitch Bend und Vibrato einblenden lassen kann, oder zwei X/Y-Pads. Mit X/Y-Pads hat Korg durch die KAOSS Pads ja viel Erfahrung, und so bieten die beiden Pads auch viele Möglichkeiten. Das linke Pad dient zur gleichzeitigen Steuerung zweier zuweisbarer Parameter. Das Pad rechts stellt einen alternativen Controller für die Tonhöhe und Akkordumkehrungen dar, wofür man aus 35 verschiedenen Skalen auswählen kann. Auf der X-Achse liegt immer die Tonhöhe. Weiterhin kann man auswählen, ob ein, zwei, drei oder vier Töne als Akkord gespielt werden sollen und die Y-Achse wechselt dann zwischen den verschiedenen Akkordumkehrungen.
Wurde auch etwas weg gelassen? Ja, denn eine App ist bekanntlich keine Hardware. Am wichtigsten dabei ist der Audioeingang, denn es gibt beim ODYSSEi im Gegensatz zum Odyssey keine Möglichkeit, Audio in den Synthesizer einzuspielen. Damit fehlt im Übrigen auch die Option, den ODYSSEi mit sich selber zu übersteuern, indem man den Audioausgang einfach wieder in den Audioeingang führt, wofür dem analogen Odyssey sogar ein Kabel beiliegt. Weiterhin hat die App natürlich keinen Pedaleingang und keine CV-Ein- und Ausgänge, die sich aber durch MIDI ersetzen lassen – dazu später mehr. Und schließlich gibt es eine letzte Veränderung, welche die Overdrive-Stufe betrifft: Anders als bei der analogen Neuauflage lässt diese sich hier nicht nur ein- und ausschalten, sondern ist als Schieberegler ausgelegt. Weggefallen ist dafür aber das Zumischen des Signals durch den Gainregler. Das hat zur Folge, dass man beim ODYSSEi das Signal zwingend durch eine der beiden Hüllkurven leiten muss, was doch sehr schade ist.

Kommentieren
Profilbild von Bernd Tuecher

Bernd Tuecher sagt:

#1 - 21.11.2021 um 15:38 Uhr

0

Den Sound der App finde ich auch gut (wenn auch nicht spektakulär).Aber das GUI ist einfach so grottenschlecht, dass die App eigentlich nur als Preset-Schleuder taugt.
Aber was die mitgelieferten Presets angeht, da bin ich ganz der Meinung des Testers.
Für mich als Soundschrauber ist die App absolut unbrauchbar.
Es ist z.B. ein absolutes Geschicklichkeitsspiel den "Coarse-Slider" (oder andere Slider) auf Null zu setzten (Nein, nix mit "Double-Tap", wie doof ist das denn, sorry Korg...)
Außerdem gibt es noch immer kein AUv3 und die MIDI-Implementation ist auch nicht gerade Zeitgemäß.
Schön, dass die abgespeckte Version in Gadget etwas besser (aber noch lange nicht gut) zu bedienen. Dort fehlt aber leider der Arpeggiator/Sequencer...Meine persönliche Bewertung deshalb: Ein Stern.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.