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Hagstrom Retroscape H8-II Test

Der originale Hagstrom H8 kam 1967 auf den Markt und war der erste achtsaitige E-Bass, der je in Serie produziert wurde. Die Basis des Exoten ist im Grunde ein viersaitiger Shortscale-Bass, jede Saite wird aber mittels einer zweiten Saite verdoppelt, die eine Oktave höher klingt. Die zusätzlichen Oktavsaiten verschaffen dem H8 einen einzigartigen Sound, der sich besonders für abgefahrene Soli und psychodelische Klangexperimente eignet und deshalb sehr gut in die wilden 60er-Jahre und die darauf folgende Hippie-Ära passte. Als prominentester H8-User gilt zweifellos Jimi Hendrix, der sein Exemplar hin und wieder bei ausgedehnten Live-Jams einsetzte und sicherlich auch zu einem Teil für die Popularität des achtsaitigen Basses verantwortlich ist.

Hagstrom_Retroscape_H8II_TSB_TEST


Der originale H8 wurde nur bis 1969 mit einer Stückzahl von 2199 Exemplaren produziert, weshalb die Suche nach einem gut erhaltenen Exemplar durchaus zur Geduldsprobe werden kann. Experimentierfreudige Bassisten müssen aber nicht länger warten, denn Hagstrom hat sich vor einigen Jahren dazu entschieden, ihren Klassiker als Teil der Retroscape-Serie wiederaufzulegen. Der neue H8-II wird als leicht modifizierte Version des Originals in China hergestellt und ist in den drei Finish-Varianten “Wild Cherry Transparent”, “Black Gloss” und “Tobacco Sunburst” erhältlich.

Details

Der Body des H8-II hat wegen seiner kurzen spitzen Korpushörnern zweifellos Ähnlichkeit mit dem Gibson-Klassiker SG und besteht, wie beim originalen H8 aus den Sixties, aus Mahagoni. Der Verrieb hat uns ein Exemplar mit einem klassischen “Tobacco Sunburst”-Finish geliefert. Wie oben erwähnt, kann der Achtsaiter aber auch in “Black Gloss” oder Wild Cherry Transparent” geordert werden.

Fotostrecke: 4 Bilder Der original Hagstrom H8 hat Ende der 60er Jahre nicht nur Bassisten fasziniert, auch Jimi Hendrix setzte ihn gerne bei Live-Jams ein.

Für den angeschraubten Hals setzt Hagstrom kanadisches Ahorn ein, das Griffbrett des H8-II besteht aus sogenanntem Resonator-Holz, einem drucklaminierten Holz-Verbundwerkstoff, der eine sehr dichte und stabile Struktur aufweist. Hagstrom attestiert dem Material ähnliche Klangeigenschaften wie Ebenholz, unerwünschte Nebeneffekte wie “Dead Spots” soll das Resonator-Holz allerdings verhindern – mehr dazu im Praxisteil des Tests.

Speziell ist aber nicht nur das Griffbrett-Material, sondern auch der Halsspannstab des H8-II. Zum Einsatz kommt nämlich der sogenannten H-Expander-Halsstab, der trotz seines niedrigen Gewichts extrem steif ist und für eine enorme Halsstabilität bei den Hagstrom-Instrumenten sorgen soll. Das kann sich sowohl auf den Klang als auch auf den Spielkomfort des Basses durchaus positiv auswirken. Im Griffbrett, welches einen relativ flachen 15-Zoll-Radius besitzt, sitzen schließlich 21 Bünde im Medium-Jumbo-Format und runde Perloid-Lagenmarkierungen.

Fotostrecke: 5 Bilder Der Hals des Hagstrom H8 besteht aus kanadischem Ahorn…

Die leicht abgewinkelte Kopfplatte des H8-II muss logischerweise acht Stimmmechaniken aufnehmen und fällt daher ungewöhnlich groß aus. Auf jeder Seite sitzen zwei kleine und zwei große geschlossene Hagstrom-Tuner in Chrom. Außerdem finden wir auf dem ausladenden Headstock den elegant geschwungenen Hagstrom-Schriftzug und, hinter einer Abdeckung, den Zugang zum Halsspannstab.

Die acht Saiten laufen über einen “Black Tusq XL”- Sattel von GraphTech und werden am Korpusende von einer soliden Hagstrom-Brücke aufgenommen. Dieser Metallsteg macht einen überaus soliden Eindruck – jedes der vier Saitenpaare sitzt auf einem sehr massiven Saitenreiter, der horizontal für die Saitenlage und vertikal für die Intonation eingestellt werden kann. Hagstrom setzen bei ihrer Brücke außerdem auf eine “String Thru Body”-Funktion, bei der die Saiten von hinten durch den Korpus gefädelt werden. Bekanntermaßen erhöht dieses Feature den Auflagedruck der Saiten auf die Brücke, was in der Regel eine bessere Schwingungsübertragung in den Korpus zur Folge hat.

Fotostrecke: 5 Bilder Hagstrom setzt eine sehr solide Brückenkonstruktion ein.

Beim Blick auf den Korpus fällt den meisten Tieftönern aber vermutlich nicht die große Brückenkonstruktion, sondern zuallererst die deutlich interessantere, sehr üppige Schaltergalerie im Cockpit des H8-II, ins Auge – die Schaltung des H8-II ist wirklich speziell und wird in dieser Art nur von Hagstrom verbaut!

Fotostrecke: 8 Bilder Die Elektronik des Hagstrom H8-II fällt sehr speziell und üppig aus.

Mit den ersten beiden Schaltern (von links) werden die beiden Hagstrom Dyna-Rail-Humbucker separat ein- beziehungsweise ausgeschaltet. Die darauf folgenden sind für die Klangreglung zuständig. Der dritte Schalter aktiviert eine Mitten- und Höhenabsenkung, und mit dem letzten kann der Pegel bei gleichzeitiger Höhenabsenkung reduziert werden. Hinter der Schalterreihe sitzt schließlich ein Lautstärkeregler mit Push/Pull-Funktion, der im gezogenen Zustand beide Humbucker in den Singlecoil-Betrieb schaltet.

Aufmerksamen Beobachtern wird außerdem der einsame Schalter in unmittelbarer Nähe des Halstonabnehmers nicht entgangen sein: Hierbei handelt es sich um einen Kill-Switch, der den Bass bei Bedarf komplett stummschaltet!

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Praxis

Bei Vintage-Instrumenten oder Nachbildungen von Klassikern muss man oftmals Abstriche in Sachen Spielkomfort in Kauf nehmen, und auch der Hagstrom H8-II hat aus ergonomischer Sicht ein paar Eigenheiten, an die man sich erst gewöhnen muss. Der erste Punkt ist die weit verbreitete und lästige Kopflastigkeit. Verwunderlich ist das sicherlich nicht, denn die mächtige, mit acht Stimmmechaniken bestückte Kopfplatte zieht den Hals natürlich ordentlich nach unten.
Dazu kommt, dass der vordere Gurtpin aufgrund des extrem kurzen Korpushorns etwa auf Höhe des 16. Bundes sitzt, sodass kaum Gegenzug entstehen kann – der knapp 4,2 kg schwere H8-II hängt also nicht wirklich gut ausbalanciert am Körper. Da man einen derart exotischen Bass aber in der Regel nicht für stundenlange Gigs, sondern auf der Bühne eher als spezielle Klangfarbe bei einzelnen Songs oder eventuell sogar nur als Studio-Tool einsetzt, sehe ich die schlechte Balance beim H8-II nicht allzu problematisch.
Der Hals des H8-II hat ein solides C-Profil mit Jazz-Bass-ähnlicher Haptik und liegt sehr gut in der Hand. Durch die 30,75-Zoll-Mensur sind alle Wege auf dem Griffbrett kurz und die linke Hand bleibt auch bei Grooves in den tiefen Lagen entspannt.

Eine größere Herausforderung stellt da schon eher das exakte Greifen der Saitenpaare dar und es kann schon etwas dauern, bis man sich an das spezielle Spielgefühl mit den Oktavsaiten gewöhnt hat. Gleiches gilt für linke Hand, die ja im Idealfall beide Saiten in etwa gleich stark anschlagen sollte. Den besten Sound erhielt ich für meinen Geschmack mit der klassischen Fingerstyle-Technik – der Bass klang auf diese Weise auf Anhieb fett und das Lautstärkenverhältnis der beide Saiten war am ausgewogensten. Versierte Plektrum-Spieler können dem H8-II aber sicherlich auch extrem coole Sounds entlocken. Letztendlich muss hier jeder selber experimentieren und die Spieltechnik je nach Klangvorstellung an den Bass anpassen. Wie auch immer, mir hat die Eingewöhnungsphase mit dem Hagstrom H8-II sehr großen Spaß gemacht – nicht zuletzt, weil der Achtsaiter schon trocken gespielt einen sehr gesunden und vollen Ton liefert!
Welchen Anteil hier der H-Expander und das spezielle Resonator-Holz spielen, lässt sich schwer sagen, der Bass besitzt aber auf jeden Fall keinerlei Deadspots und verfügt über ein stattliches Sustain in allen Lagen. Was will man mehr?

Der volle und leicht schwebende Oktavsound hat durchaus seinen Reiz, und die spezielle Hagstrom-Schaltung liefert schöne Variationen des Grundklangs.
Der volle und leicht schwebende Oktavsound hat durchaus seinen Reiz, und die spezielle Hagstrom-Schaltung liefert schöne Variationen des Grundklangs.

Kein Wunder, dass der neu aufgelegte Klassiker auch an meinem Test-Amp eine gute Figur macht und wirklich tolle Sounds liefert. Damit ihr euch einen Einruck von den Klangmöglichkeiten des H8-II machen könnt, habe ich wie immer einige Audiobeispiele aufgenommen:

Audio Samples
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Beide Humbucker

Im ersten Beispiel hört ihr beide Dyna-Rail-Tonabnehmer im Humbucker-Modus. Klasse, der wuchtige Oktavsound mit extrem fetten Bässen und klaren Höhen macht schon mal so richtig Eindruck!

Audio Samples
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Neck-Humbucker

Schaltet man nur den Halstonabnehmer scharf, wird der Sound erwartungsgemäß noch voller und etwas hohler.

Audio Samples
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Bridge-Humbucker

Der Halstonabnehmer besitzt mehr Biss, weil er deutlich mehr Hochmitten und Höhen überträgt. Die Oktave tritt auf diese Weise stärker in den Vordergrund, weshalb ich den Sound bevorzugt für Soloeinlagen verwenden würde.

Audio Samples
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Beide PU als Singlecoils, Chords

Im Singlecoil-Modus bekommt der Hagstrom-Achtsaiter abermals mehr Strahlkraft und verführt zum Spielen von opulenten Akkorden. Gerade im Zusammenspiel mit einem Modulationseffekt produziert der H8-II wirklich wunderbar schwebende Sounds für psychodelische Klanglandschaften. Weit gevoicte sparsame Akkorde funktionieren dabei am besten, für komplexere oder engere Voicings ist die Intonation des H8-II leider nicht exakt genug. Da die Saitenpaare jeweils auf einem Reiter liegen, lässt sich die Intonation bedauerlicherweise auch nicht verbessern – sie kann eben immer nur pro Paar und nicht für die einzelnen Saiten eingestellt werden.

Audio Samples
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Neck-Humbucker, Mid-High-Cut, Walking

Die Klangregelung des H8-II besteht aus zwei EQ-Presets und ist damit zwar nicht sonderlich flexibel, gerade der dritte Schalter zum Absenken von Mitten- und Höhenfrequenzen wirkt aber durchaus effektiv. Das EQ-Preset passt wirklich hervorragend für den Walking-Bass-Sound, den ich mit dem Halstonabnehmer des H8-II eingespielt habe. Mit dieser Einstellung klingt der Hagstrom fast wie ein Orgel!

Audio Samples
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Beide Humbucker, Fuzz

Für das letzte Beispiel habe ich mein Lieblings-Fuzz zwischen den H8-II und das Audio Interface geklemmt, weil die Kombination aus Oktavsound und Fuzz erfahrungsgemäß gut funktioniert. Cool, oder? Erderschütternde Synth-Sounds lassen sich mit dem H8-II und einem Fuzz-Pedal super einfach umsetzen!

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Fazit

Der Hagstrom H8-II ist logischerweise kein Bass für Brot-und-Butter-Sounds, sondern ein sehr inspirierendes Instrument für spezielle Songs und Gelegenheiten. Der volle und leicht schwebende Oktavsound hat durchaus seinen Reiz, und die spezielle Hagstrom-Schaltung liefert schöne Variationen des Grundklangs. An der Verarbeitung gibt es an dem in China gefertigten Bass aus der Hagstrom Retroscape-Serie wirklich nichts auszusetzen – in der Tat schwingt die Konstruktion sehr stark und erzeugt einen gesunden, vollen Ton mit viel Sustain. Schade ist, dass sich die Intonation der acht Saiten nicht einwandfrei einstellen lässt und Akkorde in den hohen Lagen deshalb oftmals ziemlich verstimmt klingen. Wer damit leben kann und Lust auf Sound-Experimente mit einem exotischen Shortscale-Achtsaiter hat, sollte sich den Hagstrom H8-II auf jeden Fall mal zur Brust nehmen.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • einzigartiger Retro-Oktav-Sound
  • ordentliche Verarbeitung
  • schöne Vintage-Optik
  • hoher Spaßfaktor
Contra
  • deutlich kopflastig
  • Intonation nicht exakt justierbar
  • Testexemplar war nicht ideal eingestellt
Artikelbild
Hagstrom Retroscape H8-II Test
Der Hagstrom H8-II liefert einen einzigartigen Retro-Oktav-Sound und macht Lust auf Klang-Experimente.
Der Hagstrom H8-II liefert einen einzigartigen Retro-Oktav-Sound und macht Lust auf Klang-Experimente.
Technische Spezifikationen
  • Hersteller: Hagstrom
  • Modell: Retroscape H8-II, achtsaitiger Shortscale-Bass
  • Herstellungsland: China
  • Mensur: 30,75 Zoll, 781 mm
  • Korpus: Mahagoni, Tobacco Sunburst Finish, schwarzes Pickguard
  • Hals, angeschraubt, C-Form, kanadischer Ahorn, H-Expander-Halsstab, Resonator-Holz-Griffbrett (15-Zoll-Radius), 21 Medium-Jumbobünde, Perloid Dots
  • Hardware: Justierbar, String-Thru-Body von Hagstrom, 4 x verchromte Mechaniken 22:1 von Hagstrom, 4 x verchromte Mechaniken 18:1 von Hagstrom, 3 Strap Buttons
  • Tonabnehmer: 2 Dyna-Rail-Humbucker von Hagstrom
  • Schaltung: 1 x Volumenregler mit Push/Pull für Coilsplit, Kill-Switch, Hals aus/an, Brücke aus/an, Klangregelung neutral/mid & high cut, Stummschaltung, nicht aktiv / Pegelreduzierung & High Cut
  • Saiten: Hagstrom HBS-8, G .040 / g .015 (Oktave), D .055 / d .025 (Oktave), A .070 / a .040 (Oktave), E .095 / e .055 (Oktave)
  • Gewicht: 4180 Gramm
  • Preis: 799,- (Ladenpreis im Juli 2018)
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Der Korpus mit den beiden kurzen Korpushörnern besteht aus Mahagoni und ist bei unserem Testbass in Tobacco Sunburst lackiert.

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Marco Heger sagt:

#1 - 04.08.2020 um 11:09 Uhr

0

Wenn ich mir überlege, habe ich meine H8 Version 1.0 noch für 430€ gekauft. Dabei gefällt mir der 5 Fach Drehregler für die verrücktesten Klangvariationen besser als bei der H8II. Aber die Preisinflation bei Hagstöm ist enorm! Wenn ich mir überlege, die vielen kleinen Schalterchen hier, für Live ein schwieriges fehlerhaftes Unternehmen. Da bleibe ich doch besser bei meiner 1.0

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