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Austrian Audio OC818 Test

Austrian Audio OC818: Bei diesem Kondensatormikrofon handelt es sich nicht um irgendein weiteres Mikro irgendeines Herstellers aus Fernost, der den schon gesättigten Markt um noch ein weiteres Mikrofon erweitert.

Austrian_Audio_OC818_Twin_Bluetooth_C414_12

Nein: Austrian Audio ist 2017 von ehemaligen AKG-Ingenieuren gegründet worden, nachdem der neue Eigner so gut wie alle Wurzeln des Unternehmens gekappt hat.
Nicht ohne Stolz schreiben Austrian Audio, insgesamt weit über 300 Jahre Engineer-Erfahrung mit in das neue Unternehmen gebracht zu haben. Mikrofone sind nur eine Produktsparte unter mehreren. Was liegt aber näher, als an ein Mikrofon anzuknüpfen, welches über Jahrzehnte hinweg ein Aushängeschild von AKG war. Gemeint ist weder das Klassiker-Röhrenmikrofon AKG C12 noch das markante Bassdrum-Mikrofon AKG D112, sondern das AKG C414. Wer sich ein wenig mit der Historie des Mikrofons und seiner Rezeption beschäftigt hat, der wird festgestellt haben, dass besonders die ersten Versionen in der Gunst der Engineers sehr hoch stehen. Vor allem das ab 1976 gebaute AKG C414 EB mit „Brass Capsule“, also mit bronzenem Spannungsring auf der Membran, ist aufgrund seines Klangs beliebt. Kunststück: Diese CK12 -Kapsel war auch im C12 verbaut und genießt weltweit einen ähnlichen Ruf und wird ähnlich oft kopiert wie die M7 (Neumann U47). Die recht verbreitete Meinung unter Tontechnikern ist, dass die Entwicklung des 414 durch die Jahre und Jahrzehnte nicht gerade zum klanglichen und bedienerischen Vorteil verlief. 

Details

Nicht CK12, sondern CKR12

Das AA OC818 als Weiterentwicklung des AKG C414 zu bezeichnen, ist sicher korrekt. Es gibt einige technische Neuerungen oder Erweiterungen, die ich im Folgenden kurz erklären möchte. Zunächst jedoch ein paar grundlegende Dinge: Das Austrian Audio OC818 ist ein Doppelmembran-Kondensatormikrofon mit Randkontaktierung der Mylar-Membranen. Anstatt des verschraubten Rings der ursprünglichen und bis zum C414 EB verbauten CK12-Kapsel kommt in der CKR12 heute ein hochdichter Keramikring zum Einsatz, der viele Probleme in der Fertigung des Metallrings hinter sich lässt und in engeren Fertigungstoleranzen gebaut werden kann. Die Kapselvorspannung wird nicht etwa aus einem Elektretmaterial der Backplate gewonnen, sondern aus der 48 Volt Versorgungsspannung abgeleitet. Dieses Bias wird von einem Prozessor kontrolliert. Für beide Kapselseiten geschieht das getrennt, wodurch klar sein dürfte, dass es sich um eine Dual-Backplate-Kapsel handelt. Die Dimensionen der Kapsel, einschließlich der Größe der Luftreservoirs und der Lage der Bohrungen, entspricht genau der der CK12. Ganz anders geht man mit Störschall um, ob mit reflektiertem im Korb oder mit über den Körperweg übertragenen. Die Kapselkonstruktion ist, das lässt sich bei Gegenlicht gut betrachten, elastisch im Korb aufgehängt. 

Fotostrecke: 3 Bilder Weiterentwicklung der legendären CK12 “Brass Capsule”: Die CKR12 mit Keramikring.

Zusätzliche Buchse auf der Rückseite des OC818 führt rückwärtiges Kapselsignal heraus

Die Verschaltung auf der Vorderseite entspricht den klassischen Settings Niere, Acht, Kugel und Hyperniere. Die Nierencharakteristik wird von Austrian Audio auch „Dual Cardioid“ genannt. Und es gibt ein Setting „Preset“. Für beides muss ich ein wenig ausholen. Dreh- und Angelpunkt ist die kleine zusätzliche Buchse (Format: Mini-XLR 5pin) auf der Rückseite des AA-Mikrofons. Darin kann ein kurzes, mitgeliefertes Adapterkabel auf XLR eingesteckt werden. Mit diesem Adapter kann das Signal der rückseitigen Kapsel separat herausgeführt werden. Liegen beide Kapselsignale einzeln am Mischpult oder Preamp an, benötigen sie zwar zunächst doppelte Ressourcen, doch lässt sich das, was sonst innerhalb des Bodys eines Doppelmembran-Kondensatormikrofons passiert, außerhalb regeln. Die Vorteile liegen auf der Hand und sind schon bei den Tests des Microtech Gefell UM 930 twin und des Sennheiser MKH 800 TWIN beschrieben. Nimmt man beide Signale in der DAW als einzelne Spuren auf , lassen sich Richtcharakteristika auch nachträglich einstellen und automatisieren. Austrian Audio hält ein Plug-In namens PolarDesigner bereit, welches in Stereotracks direkten Zugriff auf die Richtcharakteristika bietet und diese für bis zu fünf verschiedene Frequenzbereiche unterschiedlich einstellen lässt. 

Fotostrecke: 4 Bilder Hinter einer Kunststoffkappe verbirgt sich ein fünfpoliger Mini-XLR-Anschluss.

Austrian Audio PolarDesigner Plug-in

Wer die Twin-Funktionalität des OC818 nutzt, der kann sich zwar mit selbstgebauten Möglichkeiten in Mischpult oder DAW behelfen, wird das Freeware-Plug-In PolarDesigner (Mac & PC, AU, VST3 und AAX) doch sicher bevorzugen. Hier kann nicht nur einfach das resultierende Pattern gewählt werden, sondern die Pattern können in bis zu fünf unterschiedlichen, frei wählbaren Frequenzbereichen ausgewählt werden. Die einzelnen spektralen Bereiche können im Level eingestellt, stummgeschaltet und solo abgehört werden. Dazu gibt es ein paar weitere praktische Zugaben, wie eine „Proximity Control“ und „Termination Control“. Das hat nichts mit diesem muskulösen Exilösterreicher zu tun (Arnulf Schwarzenberger? Armin Schwabenärger?), sondern erlaubt, automatisch den Ort einer Störschallquelle zu detektieren und ein Pattern mit entsprechend liegender Off-Axis zu wählen.

Das OC818 kann noch mehr: Bluetooth-Steuerung mit optionalem OCR8

Der zusätzliche Ausgang am OC818 kann statt für die Ausgabe der nach hinten zeigenden Niere auch für etwas anderes genutzt werden: Der Austrian Audio OCR8 ist ein kleiner Bluetooth-Dongle, welcher dort eingesteckt werden kann. Damit ist es möglich, das OC818 mit der App PolarPilot (iOS und Android, kostenfrei) fernzusteuern, welche Hochpassfilter und Pad fernumschaltbar macht und Zugriff auf die Richtwirkung des Doppelmembranmikros gibt. Neben den am Mikrofon einstellbaren Stufen sind viele Zwischenstufen möglich, allerdings keine frequenzabhängigen oder rückwärtigen Patterns wie bei Nutzung des PolarDesigner-Plug-Ins. Zudem werden anliegendes Signal und auch registrierte „Overs“ in einer einminütigen History angezeigt (was mir ja auch bei Lewitt-Mikrofonen gut gefällt). Aber: Ein Clipping würde ich schon gerne auch nach zehn Minuten angezeigt bekommen!
Die Voraussetzung für die Fernbedienungsfunktion ist, dass am Mikrofon selbst der Pattern-Wahlschalter auf dem zuvor beschriebenen Punkt „Preset“ ganz nach rechts gestellt wurde – und, dass man diesen kleinen Dongle für sportliche 149 Euro zum Mikrofon dazugekauft hat. Der Preis ist sicher ein „Downer“. Dafür darf man nicht vergessen, dass das gesamte OC818 durchaus preiswert ist – als in Europa entwickeltes und gefertigtes Präzisionsgerät. 

Fotostrecke: 2 Bilder Alternativ kann in die rückseitige Buchse das optionale Bluetooth-Modul OCR8 eingesteckt werden.

Hohe Impedanz

Den Frequenzgang gibt Austrian Audio mit einer gewissen Gleichgültigkeit mit „20 Hz – 20 kHz“ an. Wer sich mit Mikros beschäftigt, der weiß, dass diese Aussage alleine nicht viel Wert besitzt. Aber seien wir mal ehrlich: Neben Abfallwerten an den genannten Frequenzen, Abweichungen dazwischen, ja eigentlich genauem Pegel- und vielleicht auch Phasenfrequenzgang für die unterschiedlichen Patterns und natürlich die verschiedenen Schalleinfallsrichtungen ist es kaum möglich, von derartigen Angaben auf den tatsächlichen Klang eines Doppelmembran-Kondensatormikrofons zu schließen. Wichtiger ist schon die Empfindlichkeit, die mit 13 mV/Pa angegeben ist. Die Impedanz beträgt für beide Ausgänge 275 Ohm. Das ist verhältnismäßig hoch, sollte aber bei nicht antiken Mikrofonvorverstärkern keinerlei auffällige Klangabweichungen bewirken, da diese eingangsseitig meist mi 1 kOhm oder höher arbeiten. Umgekehrt kann man von etwas auffälligeren Änderungen ausgehen, wenn man einen Preamp verwendet, dessen Eingangsimpedanz veränderbar ist und geringe dreistellige Werte annehmen kann. Als maximale Kabellänge gibt AA 30 Meter an. 

HPF und Pad in gewohnt österreichischer Opulenz

AKG-Mikrofone sind in Sachen Tiefpassfilterung und Vordämpfung oft umfangreich ausgestattet. Das machen auch Austrian Audio nicht anders und geben dem Engineer reichlich Wahlmöglichkeiten an die Hand. Die Hochpassfilterung, links mit dem Schiebeschalter einzustellen, kann mit 40, 80 oder 160 Hz erfolgen. Wichtig dabei: 40 und 80 sind halbwegs steilflankige 12dB/oct-Filter, 160 eine Kombination aus dem zweipoligen 80Hz-Filter und einem zusätzlichen 6dB/oct-Rolloff bei 160 Hz.

Frontseite: Hier stellt man die Richtcharakteristika ein (bzw. Twin- oder Bluetooth-Funktionalität), Filterung und Vordämpfung.
Frontseite: Hier stellt man die Richtcharakteristika ein (bzw. Twin- oder Bluetooth-Funktionalität), Filterung und Vordämpfung.

Die Vordämpfung kann mit 10 oder 20 dB erfolgen. Wobei: Eigentlich ist diese Aussage so nicht richtig, denn für 10 dB Pad wird zunächst die Kapselvorspannung reduziert, bei der Schalterstellung 20 dB kommt eine Dämpfungsschaltung in der Elektronik hinzu. Der maximale Schalldruckpegel beträgt 148 dB SPL. Dieser Wert gilt ohne Pad. Und: Der Wert gilt für maximal 0,1% %THD! Und gibt es als Trade-Off ein hohes Eigenrauschen? Nein, mit 9 dB(A) ist auch hier ein sehr guter Wert erreicht worden – unabhängig vom gewählten Pattern. 

Zubehör des Austrian Audio OC818

Das Mikrofon wurde in einem (aber sicher nicht ebenfalls in Österreich gefertigten) Metallköfferchen geliefert, in dem neben dem OC818 auch das kleine Adapterkabel, ein einfacher Mikrofonhalter, eine recht kompakt aufgebaute Spinne und ein Überzug-Windschutz beheimatet sind. Ein wenig Papierwerk vervollständigt das Paket, der Dongle ist wie angegeben nicht Bestandteil des Mikrofons.

Zum Studio Set gehört ein einzelnes OC818, ein Halter, eine Spinne, ein Windschutz und das Adapterkabel. Den Bluetooth_Adapter muss man separat erwerben!
Zum Studio Set gehört ein einzelnes OC818, ein Halter, eine Spinne, ein Windschutz und das Adapterkabel. Den Bluetooth_Adapter muss man separat erwerben!
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Praxis

Bedienung des Austrian Audio OC818

„Die Brikettform bleibt aber!“, wird bei der Konzeption des OC818 jemand gerufen haben. Gut so: Die „österreichische Mikrofonform“ ist praktisch und gleichzeitig markant. Das Handling ist insgesamt gut. Wenn man den Bluetooth-Adapter und die Spinne gleichzeitig nutzen möchte, muss der OCR8 erst eingesteckt und dann in der Spinne installiert werden. Das Mini-XLR-Kabel hingegen sollte zuerst von unten durch die Spinne geführt, dann eingesteckt werden, danach erfolgt die Installation in der Spinne. Einmal muss man es wohl jeweils falsch machen, danach weiß man es. 

Fotostrecke: 3 Bilder OC818 mit Windschutz in der Spinne

Preiset den „normalen“ Schalter!

So richtig superflüssig und mit bester haptischer Rückmeldung lief der Patternschalter bei meinem Testsample des OC818 zwar nicht, doch immerhin ist es einer! Ich nöle bei jeder Gelegenheit über diese Schaltwippen mit LEDs oder sonstige Lösungen (z.B. Neumann TLM 107, die nur bei anliegender Phantomspeisung funktionieren und es unmöglich machen, das Mikrofon erst anzuschließen und dann beispielsweise unter die Snare zu hängen. Übrigens reicht es dem AA OC818, wenn am Main Output Phantomspeisung anliegt. (In einer früheren Version des Tests hatte ich geschrieben, dass das 818 auch mit Phantom ausschließlich am Mini-XLR-Zusatzausgang funktioniert. Das gilt aber nur, wenn vorher zum “Hochfahren” auch am Hauptausgang einmal Phantomspeisung anlag.)

OCR8 nicht gerade “billig”

Ein wenig schade ist schon, dass die Bluetooth-Funktionalität recht teuer erkauft werden muss und sich nicht gleichzeitig mit den Twin-Fähigkeiten nutzen lässt. Wenn ich also ein geflogenes OC818 nutze oder es weit über dem Drumkit hängt, dann kann ich nur einen der beiden Vorteile nutzen. Was mich kurz verwirrt hatte: Als ich das erste Mal das OC818/OCR8 mit meinem Telefon verkoppeln wollte, wurde ich gebeten, den „auf dem OCR8 gezeigten Code“ einzugeben. So ohne Display erschien mir das irgendwie komisch. Letztlich ist es die (natürlich nur aufgedruckte) Seriennummer gewesen!

Der "gezeigte" Code ist schlichtweg aufgedruckt. Allerdings auf der Innenseite des OCR8. Und zum Koppeln muss es natürlich mit Spannung versorgt werden. Und dazu muss es eingesteckt sein. Aber dann kann man diesen Code nicht lesen. Aber es gibt nun wirklich schlimmere Dinge im Leben…
Der “gezeigte” Code ist schlichtweg aufgedruckt. Allerdings auf der Innenseite des OCR8. Und zum Koppeln muss es natürlich mit Spannung versorgt werden. Und dazu muss es eingesteckt sein. Aber dann kann man diesen Code nicht lesen. Aber es gibt nun wirklich schlimmere Dinge im Leben…

Kleinere Probleme mit Ursprung außerhalb von Österreich gibt es ebenfalls: Bluetooth ist nicht für Multigeräte-Kontrolle entwickelt worden. Wenige Mobile Devices beherrschen die Kommunikation mit mehreren Bluetooth-Geräten, wodurch man dann nicht so einfach zwischen verschiedenen OC818 umschalten kann. Allerdings ist laut Hersteller der Vorgang, zwischen verschiedenen (benennbaren!) OC818/OCR8 umzuschalten, aus der App möglich, sodass nicht der Umweg über das Einstellungsmenü des Smartphones oder Tablets nötig ist. Ein Stereogrouping gibt es dementsprechend auch nicht, ist aber schon programmierseitig angedacht, wenn die verfügbaren Hardwarearchitekturen der Smart-Geräte das hergeben. In jedem Fall lassen sich aber Settings speichern und auf andere 818-Mikrofone kopieren.
Dass der zweite Ausgang mit Adapterkabel genutzt werden muss, ist eher unpraktisch. Mir ist bewusst, dass alle Twin-Mikrofon und auch ausladende Stereomikros wie das AEA R88 mit Adaptern/Split-Kabeln arbeiten, aber irgendwie wäre es sicher machbar gewesen, das als typischen XLR auszuführen, oder? Denn jeder Adapter ist irgendwann entweder „weg“ oder erleidet in denkbar ungünstigen Situationen einen Kabelbruch. Ich spreche da aus einer gewissen leidvollen Erfahrung… Vielleicht wäre es technisch recht einfach umsetzbar gewesen, den zweiten Ausgang auch dann zu benutzen, wenn nicht die Twin-Funktionalität genutzt wird. Beispiele: Wird eine Hyperniere eingestellt, gibt der zweite Ausgang dennoch die (vordere) Niere aus, falls sich der Künstler doch stärker bewegt als gedacht. Oder: Der zweite Ausgang gibt ein mit dem Haupt-Output identisches Signal aus. Das ist einerseits für die Verwendung unterschiedlich klingender Preamps interessant und bringt etwa im Broadcasting den Nutzer ein wenig näher in Richtung tatsächlicher Redundanz, erhöht also die Betriebssicherheit. 

Austrian Audio OC818: Klang

An einem Preamp angeschlossen, zeigt das Mikrofon nur sehr unauffälliges, verhaltenes Rauschen. Und während schon beim ersten Einatmen bei einigen Mikrofonen eine etwas unnatürliche Färbung auftritt, bleibt dieser Eindruck beim OC818 zunächst aus: Es klingt auch leicht seitlich besprochen recht natürlich, tiefe Einschnitte im Frequenzgang und zu auffälliges phasiges Klingeln bleiben aus.  

Schon der axiale Direktschall der vorderen Kapsel (also Nierencharakteristik) zeigt, dass das Klangbild ordentlich fleischig und durchaus anreichernd, aber gleichzeitig offen, transparent und schnell ist. Das kommt bei der menschlichen Stimme einerseits Konsonanten zugute, die einen merklichen, aber insgesamt nicht zu aufdringlichen Zuckerguss erhalten, Vokale und geräuschhafte Signalbestandteile (vor allem Atmer) bekommen eine enorme Tiefe und Griffigkeit. Was sich hier vielleicht etwas nüchtern liest, hat mich im Test begeistert und nachhaltig beeindruckt. Dieses Mikrofon ist klanglich ein ganz großer, edler Schallwandler. Ich will sogar so weit gehen, zu behaupten, dass es eines der „am teuersten klingenden Mikrofone unter 1000 Euro“ ist. Und nein: Einen derartigen Listenartikel gibt es bei bonedo nicht… 

Audio Samples
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AA OC818, Niere, 10 cm AA OC818, Niere, 10 cm, HPF 160 Hz AA OC818, Niere, 30 cm AA OC818, Niere, 30 cm, 45 Grad AA OC818, Niere, 30 cm, 90 Grad AA OC818, Niere, 30 cm, HPF variabel AA OC818, Niere, 90 cm Audio-Technica AT5045, 10 cm Audio-Technica AT5045, 30 cm Audio-Technica AT5045, 30 cm, 45 Grad Mojave MA-201FET, 10 cm Mojave MA-201FET, 30 cm Aston Spirit, Niere, 30 cm

Im Test fühlte ich mich immer wieder daran erinnert, wie ich vor knapp zwanzig Jahren das erste Mal ein C414 EB (Brass Capsule) benutzt habe. Ich kannte bis dato nur C414 B-ULS und C414 TL II, habe den Fader hochgezogen und fast gleichzeitig die Augenlider aufgerissen. Und das edle Top-End, der dicke, aber trockene Bass, die reichen Tiefmitten und die eher vornehmen Hochmitten/Präsenzen, das höre ich auch beim AA OC818.

In den Audiobeispielen ist gut zu erkennen, wie auch nicht axial eintreffender Schall diese Eigenschaften weitestgehend beibehält. Das ist für übersprechende Signale, ausgedehnte Schallquellen und Reflexionen ein gutes Vorzeichen. Der Vergleich mit dem Mojave Audio MA-201FET macht deutlich, dass bei diesem die Farbe schneller als ein Störfaktor wahrgenommen werden kann, der dem Signal aufgepflanzt wurde, während er beim 818 wie ein integraler Bestandteil wirkt. Nach meinem Dafürhalten liegt das daran, dass die Farbe des 201 kontinuierlicher ist, während sie beim 818 stärker und in Einklang mit dem Signal moduliert. Ebenfalls aussagekräftig ist der Wechsel zu einem sehr cleanen und technischen Großmembraner, dem Audio-Technica AT5045. Dieses klingt im Vergleich fast wie ein linearer Kleinmembraner.

Nah besprochen „basst“ das Austrian Audio OC818 zusehends, gerät aber erst sehr spät (also: nah) ins Schwimmen. Bei 10, ja sogar noch bei 5 cm Besprechungsabstand ist noch ausreichend Kontrolle im Bass vorhanden, der Frequenzbereich beeinträchtigt kaum die Mittenzeichnung. Dadurch ist das 818 auch als Sprechermikrofon interessant! Die Poppempfindlichkeit ist recht gering, wenn man bedenkt, dass die Kapsel nicht hinter dichtestem Gewebe versteckt wird. Die 10cm-Files wurden jedoch mit Poppschutzgemacht, weil sonst die Gefahr von Plopps zu hoch war. Und auch ohne Spinne ist die Trittschallempfindlichkeit angenehm gering. Die elastische Aufhängung der CKR12 funktioniert also sehr gut. 

Kugel, Acht und all die anderen

Das Umschalten auf andere Patterns ist erstaunlich unspektakulär, denn besonders starke Änderungen in Klang oder Pegel bleiben aus. Das ist bei Verwendung als Studio-Gesangsmikrofon nicht überlebenswichtig (im Gegenteil will man dort gerne mal Klangänderungen und kann auf Pegelunterschiede recht gut reagieren), aber es erleichtert das Vergleichen und ermöglicht die strikte Auswahl von Richtwirkungen unabhängig von den Klangeigenschaften. Dennoch: Die Acht klingt minimal kerniger. Die Kugel und die Breite Niere bleiben erstaunlich „nah“ und konkret, weshalb man sie auch sehr gut bei Vocal-Recordings einsetzen kann – wie auch schon die Kugel beim AKG C414 EB. Eindrucksvoll zeigt das Audiofile , bei dem ich die Charakteristik ändere, während der Sänger einsingt, die nur sanften Patterneigenschaften.

Audio Samples
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AA OC818, variiertes Pattern, 30 cm AA OC818, Niere, 30 cm AA OC818, Breite Niere, 30 cm AA OC818, Hyperniere, 30 cm AA OC818, Acht, 30 cm AA OC818, Acht, 10 cm AA OC818, Acht, 10 cm, HPF 80 Hz AA OC818, Acht, 10 cm, HPF 160 Hz Aston Spirit, Niere, 30 cm Aston Spirit, Acht, 30 cm

Software-Funktionalität von PolarPilot und PolarDesigner

Die Bluetooth-Steuerung mit der iOS-App Austrian Audio PolarPilot funktioniert einwandfrei. Ab und an musste ich aufgrund der Bluetooth-Verbindung ein wenig warten, bis die Settings umgesetzt waren, aber das ist AA nicht anzulasten. Und wer die Bluetooth-Funktionalität für ein Gimmick hält: Bei Mikros auf einem Chorstativ, als Schlagzeug-Overheads oder schlichtweg dann, wenn sie sich im Aufnahme- und der Engineer im Regieraum befindet, ist das absolut praktisch.

Nach dem Download der Version 1.0.8 des PolarDesigner und problemloser Installation als VST3 unter Presonus Studio One 4, konnte ich mich von der einfachen Bedienbarkeit des Plug-Ins überzeugen. Ob nun beide Kapselsignale im Mikrofon auf analogem Wege, per DAW oder erst im Plug-In gemischt werden, machte keinen Unterschied, den ich klanglich eindeutig hätte zuordnen können. Es macht Spaß und ist durchaus technisch sinnvoll, in unterschiedlichen Frequenzbereichen verschiedene Patterns einzustellen.

Fotostrecke: 6 Bilder Die Software in so gut wie ungenutztem Zustand: Trotz fünf Bändern sind die Settings hier gleich.

Einen vollständigen Reset gibt es nicht, doch per Alt-Klick lassen sich die Schieber einzeln auf die Ausgangsposition zurückstellen. Eine meiner ersten Handlungen war eine Niere bis 7 kHz, darüber eine Kugelcharakteristik einzustellen. Dafür benötigte ich nur zwei Bänder. Dann jedoch wollte ich eine Acht für Bässe und Tiefmitten hinzunehmen und schaltete auf drei Bänder. Ein neu entstandenes Band erscheint aber immer rechts, also im höheren Frequenzbereich. Allerdings gibt es sooo viel nun auch nicht einzustellen, sodass die Settings der jeweiligen Bänder schnell wieder hergestellt werden können.

Audio Samples
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Twin-Signal, unbearbeitet Acht am Mikrofon eingestellt Acht mit PolarDesigner, ein Frequenzband Rückwärtige Niere (RN), ein Frequenzband Patternvariation N, A, N, K, RN zwei Bänder, N bis 3 kHz, darüber K zwei Bänder, N bis 3 kHz, darüber RN drei Bänder, A bis 0,5, N bis 7 kHz, darüber rückwärtige BN fünf Bänder “crazy” Setting (siehe letztes Bild obiger Screenshot-Galerie) Nierensignal Nierensignal, Proximity -0,55

Das Pattern lässt sich auch invertieren, aber leider von der Kugel aus nur über Breite Niere bis zur Niere. Ich denke, dass gerade die invertierte Acht durchaus sinnvoll wäre. Bei versehentlich verkehrt herum aufgestelltem S-Mikrofon im MS-Modus wird auch der Phaseninvertierer an Preamp oder in der DAW helfen (außerdem benötigt man dafür gewiss keine Twin-Funktionalität, doch besonders bei Ambience-Mikrofonierung ist es durchaus spannend, verschiedene Reflexionen aus verschiedenen Richtungen zu kombinieren oder einfach mal das Mikrofon (bzw. Frequenzanteile davon) herumzudrehen. Ein Mitarbeiter von Austrian Audio meinte aber, dass laut über einen „Expert Mode“ nachgedacht wurde und wird. Damit wäre vielleicht auch die von mir angefragte Möglichkeit zu weicheren Verläufen zwischen den einzelnen Frequenzbändern aktivierbar. Besonders bei nicht so heftigen Verläufen wie von Kugel zu Breiter Niere fände ich das durchaus reizvoll! Aktuell sind die Trennungen der Bänder sehr steil, um Phasenproblematiken zu minimieren – das ist auf jeden Fall eine klangliche „Fail Safe“-Lösung.

Toll ist, dass die App natürlich auch für andere Signale genutzt werden kann, nicht nur mit anderen Twin-Mikros, von denen es nur eine Handvoll gibt (Microtech Gefell, Sennheiser, Pearl, Lewitt, Austrian Audio…), sondern auch mit Dual-Cardioid-Packs aus zwei Mikrofonen. In diesem Fall sollten sich die Kapseln sehr nah sein und die Schallquellen relativ weit entfernt. Sogar an eine kreative Sounddesign-Nutzung der App ist zu denken, indem man etwa Stereo-Pads verdreht!

Die Terminate-Funktion arbeitet zuverlässig und ist durchaus ein Zeitsparer in stressigen Recordingsituationen. Erst hinstellen, dann kurz das Spill-Signal alleine spielen lassen – fertig. Ich habe im Praxisbetrieb mit fünf Bändern die besten Ergebnisse erzielt, allerdings teilweise extreme Einstellungen in Richtung Niere oder Kugel geglättet. Die Proximity-Control arbeitet mit einem EQ und erzielt bessere Ergebnisse beim Verringern der durch nahe Besprechung auftretenden Effekte.

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Fazit

Aus Österreich kamen und kommen nicht nur viele künstlerische, kulinarische und weitere Besonderheiten: Wichtige tontechnische Entwicklungen fanden dort statt – und tun dies immer noch. Unbegreiflich genug, wie ein internationales Unternehmen wie Harman so wichtige Ressourcen wie die von AKG nicht weiter nutzen will und an kaum mehr als an einem großen Audio-Label Interesse zu haben scheint.
Ich finde es daher schön, dass sich mit Austrian Audio ein erfahrener Personenkreis mit neuen Ideen und Visionen zusammengetan hat, um der Audiowelt Gutes zu tun. Irgendwie wirkt es, als hätten AKGler nach Jahr(zehnt)en endlich einmal all das umsetzen können, was sie für wichtig erachtet haben. Dass man Ingenieuren öfters mal freie Hand lassen sollte, zeigen hervorragende Mikrofone wie das Audio-Technica AT5040, welches auch als „Macht mal, was ihr wollt“-Projekt gestartet ist. Herausgekommen ist bei Austrian Audio ein Mikrofon, welches sowohl auf großen Traditionen fußt als auch die Anforderungen bedient, die man im heutigen Produktionsalltag an Werkzeuge stellt. Dazu gehört unter anderem ein fairer Preis.
Langer Rede kurzer Sinn: Das Austrian Audio OC818 ist ein durch und durch gelungenes Mikrofon, das klanglich und vom Handling her eine wirklich gute Figur abgibt. Das 818 ist für jeden Interessenten eines Großmembran-Kondensatormikrofons eine Erwägung wert und macht Lust auf weitere Produkte aus dem Hause AA. Ob die Twin-Optionen und die Software-Funktionalität wirklich genutzt werden, muss jeder für sich entscheiden. Doch selbst ohne diese zusätzlichen Möglichkeiten wäre das OC818 einfach ein sehr durchdachtes, hervorragend klingendes und gut verarbeitetes und keineswegs zu teures Mikrofon. 

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • sehr edler und hochwertiger grundsätzlicher Klangcharakter
  • geringe Baugröße trotz hoher Funktionalität
  • auch ohne Spinne gute Trittschalldämpfung
  • hervorragende Fein- und Grobdynamik
  • verschiedene Patterns haben gleiche Empfindlichkeit und sehr ähnlichen Charakter
  • einfache Fernbedienbarkeit
  • Twin-Fähigkeiten, gutes Plug-In
  • fairer Preis
Contra
  • Bluetooth- und Twin-Funktionalität schließen sich gegenseitig aus
Artikelbild
Austrian Audio OC818 Test
Für 999,00€ bei
Austrian_Audio_OC818_Twin_Bluetooth_C414_5
OC818 mit Windschutz in der Spinne

Features und Spezifikationen

  • Großmembran-Kondensatormikrofon
  • Doppelkapsel, randkontaktiert
  • Richtcharakteristika: Kugel, Niere, Acht, Hyperniere, weitere über App oder Plug-in (Twin-Funktionalität
  • Pad: 10 und 20 dB
  • Hochpassfilterung: 40, 80 und 160 Hz
  • hinteres Kapselsignal separat herausführbar
  • fernbedienbar (optionale OCR8-Bluetooth-Fernbedienung)
  • max. Schalldruckpegel: 148 dB SPL (0,1% THD+N)
  • Feldleerlauf-Übertragungsfaktor: 13 mV/Pa
  • Eigenrauschen: 9 dB(A)
  • Ausgangsimpedanz: 275 Ohm (jeder Ausgang)
  • Spannungsversorung: P48 über einen der Ausgänge (oder beide)
  • Lieferumfang: Halterung, Spinne, Windschutz, Adapterkabel
  • PolarDesigner: VST3, AU, AAX (Mac/PC Freeware)
  • PolarPilot: iOS, Android, Freeware
  • Preis OC818 Einzelmikrofon: € 999,– (Straßenpreis am 25.6.2019)
  • Preis OC818 Stereoset (ohne Spinnen): € 1899,– (Straßenpreis am 25.6.2019)
  • Preis OCR8 Bluetooth-Dongle: € 149,– (Straßenpreis am 25.6.2019)
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