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AMT Chameleon CN-1 Test

Die sibirischen Pedalbauer um Sergey Marichev widmen sich in ihrem Portfolio nicht nur dem gemeinen Zerrer, sondern kümmern sich auch um Effekte, die sich einer speziellen Problematik annehmen. Eines dieser ganz speziellen Geräte nennt sich Chameleon und im Pedalgehäuse steckt ein sogenannter Cabinet Simulator. Nennt man das Kind beim Namen, dann haben wir es hier mit einem analogen Lautsprecher-Simulator zu tun, der sich im Laufe unseres Tests zudem auch noch als sehr wandlungsfähig erweist. Eine Eigenschaft, die auf ein breites Einsatzgebiet schließen lässt. 

AMT_CN1_008FIN


Eines allerdings sollte vorab klar sein: Zwar handelt es sich beim Chameleon um einen Speakersimulator, aber sein Einsatzgebiet ist keinesfalls der Lautsprecherausgang eines Röhrenverstärkers. Wegen der fehlenden Load-Funktion – Lastwiderstände gibt’s hier keine – würde unser Amp früher oder später die Grätsche machen. Der Haupt-Einsatzbereich unseres Kandidaten findet sich zum Beispiel eher am Ende der Signalkette eines Effektboards. Hat man keine Lust, seinen Amp zur Probe mitzuschleppen, schaltet man einfach das Chameleon hinter das Pedalboard und geht direkt ins Proberaum-Pult. So gesehen könnte es auch als Lösung für den Fall dienen, dass der Amp beim Gig die Mitarbeit einstellt. Ein Ersatz-Verstärker ist nicht immer zur Hand, aber der kleine Gig-Retter passt locker in die Gitarrentasche. Und last, but not least wäre auch der Einsatz beim Silent Recording denkbar. 

DETAILS

Gehäuse/Optik
Das Chameleon kommt im grauen Stahlblechgehäuse und passt gottseidank im Gegensatz zum Namensvetter aus der Tierwelt seine Farbe nicht dem Untergrund an. Auf der Oberseite sind vier Regler in zwei Reihen angeordnet, einen Schalter sucht man vergeblich. Hier ist Dauerbetrieb angesagt, und sobald das Pedal mit Strom versorgt wird, erwacht es zum Leben. Bei Batteriebetrieb reicht es, ein Kabel an den Input anzuschließen. Da sich das Batteriefach im Gehäuse befindet, muss man zum Öffnen die beiden Schrauben an Vorder- und Rückseite lösen. Ich würde auf jeden Fall die Netzstromversorgung vorziehen, denn ein spontaner Batteriewechsel auf einer spärlich beleuchteten Bühne wird schnell zur nervigen Fummelei. Über den Stromverbrauch hat der Hersteller keine Angaben gemacht, aber betrachtet man die anderen AMT Pedale, die allesamt mit sehr wenig Energie auskommen, sollte das Chameleon keine Ausnahme sein.

Die Anschlüsse befinden sich auf den beiden Seiten, die Eingänge links und die Ausgänge rechts. Plural deshalb, weil es zum normalen Input (6,3 mm Klinke) für das Gitarrensignal einen zusätzlichen Aux-Eingang (3,5 mm Klinke) für MP3-Player oder sonstige Audio-Gerätschaften zum Jammen gibt. Analog dazu findet man bei den Ausgängen den normalen Output mit großer Klinke zum Anschluss an ein Mischpult und einen Kopfhöreranschluss im Miniklinken-Format. Die Standard 9V-DC-Buchse für das optionale Netzteil sitzt ebenfalls auf der rechten Seite. Das Pedal macht einen robusten Eindruck und steht rutschfest auf vier großen Gummifüßen. 

Bedienung

Das Chameleon simuliert mit Lautsprecherbox und Mikrofon zwei Faktoren, die den Klang bei herkömmlicher Lautsprecherabnahme maßgeblich beeinflussen. Jeweils zwei Regelmöglichkeiten stehen zur Verfügung, für die Box sind das Size Cab und Magnet. Das erste Poti bestimmt die Größe der simulierten Box und mit Magnet wird das Klangverhalten des Lautsprechers eingestellt. Das imaginäre Mikrofon kann in seiner Entfernung von der Box (Position) und der Positionierung am Lautsprecher (Turn) variiert werden. Sehr clevere Einstellmöglichkeiten bieten sich hier an und ich bin gespannt, wie sich das Ganze tatsächlich auf Sound auswirkt. 

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PRAXIS

Direktvergleich: Ampsignal vs. Chameleon
Zu Beginn gibt es sofort den absoluten Härtetest, denn das Chameleon wird von einem etwas älteren Landsmann herausgefordert: Mein Sovtek MIG-50 steht in den Startlöchern, angeschlossen an eine alte Marshall 4×12 Box und abgenommen mit einem Shure SM57. Das SM57 deshalb, weil es vor allem auf der Bühne das meistbenutzte Mikrofon ist. Davor habe ich mein Pedalboard geschaltet und über einen Rocktron Tripler wird das Signal gleichzeitig auf den Sovtek und das Chameleon geschickt. Beide Signale laufen in einen zweikanaligen Preamp (Mindprint DTC) mit identischen Einstellungen. Ziel ist ein A/B-Vergleich, bei dem ich versuche, das Chameleon so einzustellen, dass es an den Sound des Sovteks mit der oben genannten Peripherie herankommt. Hier noch einmal der Versuchsaufbau:

Gitarre > Pedalboard >

a) Sovtek > Marshall 4×12 > SM57 > Preamp > Audio Interface 

b) Splitbox Chameleon > Preamp > Audio Interface

Klar, dass wir den Ampsound nicht 1:1 erreichen werden, weil einfach zu viele Faktoren den Klang und das Spielgefühl beeinflussen. Das schreibt übrigens auch der Hersteller auf seiner Website. Aber mir geht es darum, einmal zu testen, wie weit wir tatsächlich vom Original entfernt sind und ob das Chameleon eine Alternative zum Amp oder auch eine Notfall-Lösung abgeben könnte. Hier sind die beiden Ergebnisse.

Audio Samples
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Das Signal mit Amp und mit dem AMP Chameleon
GitarreSize CabMagnetTurnPosition
SG14,510717

Hut ab! Auf ein so gutes Ergebnis war ich nicht gefasst. Der Höhenbereich wird beim Chameleon sehr gleichmäßig abgesenkt, wodurch es gegenüber dem Ampsignal etwas an Charakter verliert. Das spezifische Obertonverhalten beim Lautsprecher fällt nämlich in der Regel nicht immer gleichmäßig aus. Auch zeigen sich die unteren Mitten etwas dünner. Aber unter dem Gesichtspunkt, dass ein ebenbürtiges Klangergebnis ohnehin nicht zu erwarten und auch nicht erreichbar ist, muss man dem Sound des Chameleon absolut Respekt zollen.

Speaker Simulation

Nachdem das Pedal den Vergleich mit dem Amp gemeistert hat, geht es in die nächste Runde. Wir werden uns nun den einzelnen Parametern widmen, die jede Menge Feineinstellungen und damit auch unterschiedliche Resultate ermöglichen. Wir beginnen mit dem simulierten Lautsprecher, der mit den oberen beiden Reglern eingestellt wird. Die Größe der Lautsprecherbox wird vom Size Cab Regler bestimmt, der dafür sorgt, dass beim Aufdrehen der Sound fetter wird und mehr Fundament erhält. Der Klangunterschied ist aber nicht sehr drastisch, hier werden lediglich die unteren Mitten und Bässe etwas angehoben. Als Zerrpedal habe ich beim folgenden Beispiel einen Boss Blues-Driver vorgeschaltet.

Audio Samples
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Size Cab 7 Size Cab 12 Size Cab 17
GitarreSize CabMagnetTurnPosition
Les Paul7-12-171277

Der zweite Regler allerdings beeinflusst den Sound schon erheblich mehr. Hier geht es um den typischen klanglichen Charakter des Lautsprechers, vom körnigen Anfang bis zum weichen Sound am Ende des Regelwegs in der 17-Uhr-Position. Mit ihm kann der Klang von Verzerrer und Gitarre angepasst und der sogenannte Sweet Spot für die individuelle Klangvorstellung gefunden werden. Mit diesem Regler sollte man seine Experimente starten und seinen Grundsound einstellen. Mitunter sind die Ergebnisse nicht berauschend, aber das ist völlig normal, denn jeder vorgeschaltete Verzerrer hat ein anderes Frequenzverhalten, das sich in manchen Einstellungen auch schon mal extrem mit dem Chameleon beißen kann. Damit ihr wisst, wovon ich spreche, folgen jetzt fünf verschiedene Einstellungen des Magnet-Reglers, diesmal mit einem vorgeschalteten E-Drive vom gleichen Hersteller. 

Audio Samples
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Magnet 7 Magnet 9 Magnet 12 Magnet 15 Magnet 17
GitarreSize CabMagnetTurnPosition
Les Paul147-9-12-15-17717

Mikrofon Simulation

Mit dem Position-Regler wird die Entfernung des Mikrofons vom Lautsprecher bestimmt. Bei einem niedrigen Wert ist das imaginäre Mikrofon weit entfernt, dreht man den Regler weiter auf, dann rückt es immer näher. Klanglich macht sich das so bemerkbar, dass der Sound bei niedrigen Einstellungen etwas indirekter, aber auch weicher klingt. Die Resultate sind sehr realistisch. Beim folgenden Beispiel hört ihr drei Einstellungen (7, 12 und 17 Uhr), diesmal mit einer Tele und dem Blues Driver.

Audio Samples
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Position 7 Position 12 Position 17
GitarreSize CabMagnetTurnPosition
Telecaster151277-12-17

Die Einstellmöglichkeiten und Klangergebnisse sind sehr gut und für Bühne und Recording geeignet. Was ich etwas vermisse, ist die dynamische Ansprache und eine gewisse Transparenz. Der Sound wird sehr schnell dicht und komprimiert. Hier merkt man, dass das Reaktionsverhalten eines Röhrenamps fehlt, bzw. nicht simuliert wird. Das ist auch prinzipiell nicht der Job des Chameleons, aber erwähnt werden sollte es. Ein weiterer Kritikpunkt ist das Fehlen eines symmetrischen Ausgangs, wobei klar ist, dass bei einem solchen Preis Extrawünsche nicht unbedingt erfüllt werden können. Schön wär’s trotzdem. Ideal, wenn man sich für ein paar Euro mehr gleich noch die DI-Box sparen könnte. Die sollte man nämlich für den Bühneneinsatz auf jeden Fall einkalkulieren.

Weiter geht es mit dem letzten Poti, Turn genannt, das die Position des Mikrofons um die Mitte des Lautsprechers festlegt. Man kennt es ja aus der Praxis: Ist das Mikrofon in der Mitte des Speakers positioniert, erhält man einen höhenreichen, mitunter bissigen Sound. Bewegt man es mehr aus der Mitte heraus, wird es etwas weicher, mitunter aber auch ein wenig indirekt. Genau diese Parameter werden mit Turn bestimmt und das Klangergebnis kann sich hören lassen. Der Regler steht erst auf 7, dann auf 12 und schließlich auf 17 Uhr. Auch hier ist wieder der Blues-Driver im Einsatz. 

Audio Samples
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Turn 7 Turn 12 Turn 17
GitarreSize CabMagnetTurnPosition
SG15127-12-1717
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FAZIT

Ein Speakersimulator für unter 100 Euro, der ohne Aufwand hinter das Pedalboard geschaltet werden kann und auch noch klanglich einen guten Job macht, ist eine wunderbare Sache. Wenn sich dazu noch bei der simulierten Lautsprecherbox und dem virtuellen Abnahme-Mikrofon die jeweils wichtigsten Parameter so einstellen lassen, dass die Ergebnisse der Realität sehr nahe kommen – was will man mehr. Zudem lässt sich das Chameleon auch noch optimal auf die vorgeschalteten Verzerrer und weitere Pedale einstellen.

Natürlich kann man keinen hundertprozentigen Ersatz für einen Röhrenamp mit Box erwarten, das sagt auch der Hersteller, und in Sachen Dynamik und Transparenz sind naturgemäß ebenfalls ein paar Abstriche fällig. Aber hier geht es eher um eine Alternativ-Lösung, sei es, weil man leise sein will oder muss, oder einen Gig-Retter braucht, der den defekten Amp kurzfristig ersetzt. Einfach schnell das Chameleon hinter das Pedalboard geschaltet, fertig. Wer ohne Krach aufnehmen oder seine Gitarre für eine Probe (oder beim Gig) direkt an die PA anschließen möchte, der sollte das Chameleon unbedingt antesten.  

Pro

Contra

AMT_CN1_013FIN
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Regelmöglichkeiten
  • Aux In und Phone Anschluss
  • Sound
  • Preis
Contra
  • Abstriche in Dynamik und Klangtransparenz
  • Kein symmetrischer Ausgang
Artikelbild
AMT Chameleon CN-1 Test
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Doc Schneider sagt:

#1 - 14.09.2012 um 06:39 Uhr

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Wow! Super Test! Ich war schon länger auf der Suche nach einer brauchbaren und erschwinglichen Speakersimulation. Der Test hat mir dabei sehr geholfen! Verdammt gute Arbeit! Vielen Dank! Doc Schneider

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