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Beyerdynamic M 130 Test

Das Bändchenmikrofon Beyerdynamic M 130 hat seinen Weg zum Test bei bonedo gefunden. Eine Produktneuheit ist das Ribbon-Mikrofon allerdings nicht, sondern das ganz eindeutige Gegenteil: Wenn ein Mikrofon seit Mitte der 1950er Jahre ununterbrochen und ohne signifikante Veränderung gebaut wird, dann darf es sich getrost Klassiker nennen. Und – so viel wird klar sein – besonders schlecht wird es nicht sein, sonst hätte es nicht die Jahre der Umstürze in der Tontechnik und der Musik überlebt und wäre durch Nichtkauf gestraft worden. Dass das Ende des Mikrofons nicht in den 1980ern eingeläutet worden ist, der Epoche der bedingungslosen klanglichen Härte, Kälte und Kontrolliertheit, spricht sehr für das Mikrofon. Denn eine ähnlich lange und bis heute andauernde Historie haben meines Wissens nur das Geschwisterchen Beyerdynamic M 160 sowie das englische Coles 4038, welches allerdings zwischendurch den Hersteller gewechselt hat.

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Doch trotz des Vintage-Hypes in der Tontechnik sind es eher Tauchspulen- und Kondensator-Mikrofone, die die Positionen der begehrtesten Werkzeuge erklommen haben. Was unter den Preamps Neve 1073 und Siemens V76, den EQs der Pultec und den Kompressoren 1176und LA-2A, ist bei den Mikrofonen üblicherweise Neumann U 47, U 67, Shure SM57, SM58, Electro-Voice RE-20 – und selbst bei Nennung des Namens Beyerdynamic eher das M 88 und das M 69. Wo bleibt da das M 130? Ganz ehrlich: Ich verstehe das auch nicht und zähle daher M 130 (M 160 übrigens auch!) zu den am meisten unterschätzten Geräten der Tontechnik. Dies sind allerdings hervorragende Voraussetzungen für – in diesem Zusammenhang darf das abgedroschene Wort ruhig fallen – einen Geheimtipp!

Details

Mikro-Mikros

Was man auf den Fotos in Ermangelung maßstabgebender Vergleichsmöglichkeiten nicht sofort erkennt: So ein Beyerdynamic M 130, das ist ganz schön klein. Lediglich 12,8 Zentimeter lang ist es, der Korbdurchmesser liegt bei 3,8 Zentimetern. Der Messingkorpus hat nur 2,3 Zentimeter Durchmesser, und mit 150 Gramm ist das Mikrofon zudem erstaunlich leicht.

Der Korpus des M 130 ist nicht größer als der eines üblichen Kleinmembran-Kondensers.
Der Korpus des M 130 ist nicht größer als der eines üblichen Kleinmembran-Kondensers.

Doppelband mit Furchen

Der Satz „Im M 130 arbeitet ein Bändchen“ ist sachlich nicht ganz korrekt. Im Erbsenzählermodus müsste man spezifischer werden: „Im M 130 arbeiten zwei Bändchen.“ Anders als bei Doppelmembran-Kondensatormikrofonen lassen sich deren Signale jedoch nicht getrennt abgreifen und das würde auch nicht sinnvoll sein. Sie liegen aufeinander, mit gerade einmal einem halben Millimeter Luft dazwischen. Dadurch, dass sie natürlich gespannt und für Bändchen mit 30 mm Gesamtlänge nur recht kurz sind, berühren sich die beiden Ribbons aus reinstem Aluminium nicht. Der Zweck ist einfach: Die Länge der im Magnetfeld bewegten Membrane wird verdoppelt, von dem Magnetfeld effektiv ausgesetzten 22 Millimetern also auf 44 Millimetern. Dadurch kann der Übertragungsfaktor immerhin 1,3 mV/Pa betragen. Auch die Richtcharakteristik des M 130 wird durch die Doppelbändchen-Technik nicht beeinflusst, so dass es wie fast alle Ribbons eine Acht ist.

Fotostrecke: 3 Bilder In dieser Kapsel verrichten zwei Bändchen ihren Dienst…

Anders als viele andere Bändchen sind die des Herstellers Beyerdynamic geriffelt (vor allem in Längsrichtung), anstatt zick-zack gefaltet zu sein. Bei Beyerdynamic werden diese Furchen „Siggen“ genannt und dienen der Versteifung des Aluminiumbandes. Der Vorteil davon ist, dass ein derartig bearbeitetes Ribbon eine recht parallele Schwingung ausführen kann.

Typischer Roll-Off

Von 200 Hz bis 6 kHz ist der Frequenzgang recht eben, für die genauen Abweichungen des jeweiligen 130ers hilft ein Blick in das beigefügte Messprotokoll. Wie bei Bändchen üblich, verfügt auch das Beyerdynamic M 130 über einen Roll-Off in den Höhen. Dieser setzt aber sanft ein und nimmt sehr gleichmäßig an Dämpfung des Frequenzgangs zu, bis bei 20 kHz 10 Dezibel Unterschied zum Messpunkt bei 1 kHz eingetreten sind. Auch in den Bässen findet sich eine Absenkung, der jedoch von 100 bis 200 Hz eine kleine Überhöhung vorhergeht. Wer in das Datenblatt des 130ers blickt, wird sich vielleicht wundern, weder Angaben zum Rauschen noch zum Grenzschalldruckpegel sind zu finden. Diese wurden einfach nicht erhoben. Die Bändchen liegen zwar sehr geschützt im Korb, doch sollte man dennoch vorsichtig im Umgang sein – wie es bei Ribbons immer geschehen sollte: Heftige Luftbewegungen gilt es also zu vermeiden. Aufgrund des nicht gerade ewig langen resultierenden Aluminiumstreifens, der im ebenfalls nicht sonderlich großen Magneten bewegt wird und nach dem dynamischen Prinzip eine Spannung induziert, ist es ratsam, einen wirklich hochwertigen Vorverstärker einzusetzen. Mit 200 Ohm Impedanz verhält sich das Beyerdynamic-Bändchen aber wie ein übliches Tauchspulenmikrofon.

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Praxis

Es gibt unter euch Lesern jetzt sicher einige, die in sich hineingrinsen und denken: „Ich arbeite schon seit vielen Jahren mit diesem Mikrofon. Und ich weiß auch warum.“ Diese Aussage kann ich verstehen: Generell eignen sich Achtermikrofone gut für MS- und andere Stereotechniken, sind frequenzstabil und haben eine hervorragende Off-Axis-Dämpfung, Bändchenmikrofone zählen zu gutmütigen Wohlklang-Geräten, die zwar ein wenig höhenarm sind, aber dennoch flott genug, um auch klangliche Details der Schallquellen einzusammeln. Das Beyerdynamic M 130 im Speziellen bringt weitere Eigenschaften mit, die viele andere Ribbons nicht liefern können, maßgeblich Robustheit und Kompaktheit. Beides ist nicht unerheblich, wenn ich daran denke, mit welcher Behutsamkeit ich mit meinen riesigen, empfindlichen und sehr schweren Coles herumoperieren muss. Und noch etwas ist es, was für viele hochwertige Bändchen nicht oder nur eingeschränkt gilt: Mit 500 Euro Ladenpreis ist es erstaunlich preiswert! Denn Begriffe wie „Präzisionswerkzeug Made In Germany“ und „Klassiker“ verheißen üblicherweise exorbitante Preise.

Fotostrecke: 3 Bilder Zwei M 130 lassen sich hervorragend für Blumlein-Stero nutzen…

Klanglich gehört das M 130 wie sein Geschwisterchen M 160 nicht zu den brutalen Soundbuildern, die Audiosignalen ihren dicken Stempel aufdrücken. Den sehr weichen, runden, sämigen Sound amerikanischer und englischer Klassiker findet man bei Beyerdynamic nicht, aber das ist wie so oft nicht einfach positiv oder negativ zu sehen. So lassen sich beispielsweise sehr viele Unterschiedliche Signale mit einem M 130 aufzeichnen und in der Mischung verwenden, ohne dass sich das Mikrofon „nach vorne spielt“ – gut zu hören hier beim MD 421. Der Bändchencharakter ist zwar eindeutig vorhanden, jedoch zurückhaltend genug. Wenn man Einzelsignale separat betrachtet, fällt in den Höhen eine leichte Texturierung auf, die ich am liebsten mit „staubig“ benennen möchte. Diese leichte Mattigkeit gibt den Signalen – hier besonders bei den Vocals zu bemerken – einen edlen Touch. Natürlich vermisst man im Direktvergleich Höhen, doch sollte man sich bewusst sein, dass im Mixdown in vielen Signalen die Höhen beschränkt werden müssen. Und falls nicht: Das 130 verträgt die Bearbeitung mit EQs, besonders Treble-Boosts sehr gut. Und obwohl das Beyer kein typisches Vocal-Mike ist, schlägt es sich gut und lässt sich ebenso im Mix unterbringen.

Audio Samples
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Vocals close Vocals far Vocals (45 Grad vertikal gedreht) Overheads Spaced Overheads Blumlein

Im Bassbereich kann man über den Roll-Off nur froh sein, denn als offener Gradientenempfänger hat auch das M 130 einen ausgewachsenen Nahbesprechungseffekt. Der kleine Boost zwischen 100 und 200 Hz ist auch bei weiter entfernter Mikrofonierung merklich. Gerade an Gitarren-Cabinets, einem nicht unüblichen Einsatzort für Beyerdynamic Ribbons, sorgt das für eine leichte Betonung des Grundtonbereichs und somit für ein festes, kräftiges Fundament. Der mächtige Sound kollidiert durchaus mit dem grazilen Äußeren des winzigen Schallwandlers. An Amps fühlt sich das Mikrofon sehr wohl, denn es kann einen etwas zu spitzen Sound hervorragend abrunden und „größer“ machen. An Instrumenten des Drumkits gilt das genauso, besonders Hi-Hats (hier Vorsicht mit kurzen Peaks, besonders aber Luftbewegungen durch sich schließende Becken!) beißen weniger als mit Kleinmembranern mikrofoniert. Mir persönlich behagt der „Bigger Than Life“-Sound der Coles 4038 mehr, aber das ist nicht nur eine Frage des Geschmacks, sondern auch der Musikrichtung. Die Beyerdynamic liefern auch am Drumkit ein deutlich flexibleres Signal. Am Kit lässt sich auch erkennen, dass das kleine Mikrofon aus Heilbronn als rotationssymmetrisch bezeichnet werden kann. Das ist nicht bei allen Ribbon-Mics so und wahrscheinlich der kurzen Doppelbändchen-Technik geschuldet.

In vielen kleineren Mikrofonsammlungen fehlt noch ein Bändchen. Wird eines gesucht, welches hochwertig gearbeitet ist, nicht zu viel kostet, klanglich herrvorragende Ergebnisse liefert und gleichzeitig verschiedenste Recording-Situationen meistern kann, dann kann ich das beyerdynamic M 130 bedenkenlos empfehlen. Ich wage aufgrund des vornehmen Charakters einen Vergleich mit deutlich teureren Bändchenmikrofonen, die ebenfalls nicht den dicken Soundstempel aufdrücken: Wer Royer-Mikrofone liebt, sich aber keines leisten kann oder möchte, sollte sich ein M 130 einmal genau anhören!

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Fazit

Nun, es ist bei dem Beyerdynamic M 130 wie bei den meisten Klassikern: Man könnte höchstens Kleinkram bemängeln oder Prinzipbedingtes. Zum Mosern bietet das kleine Bändchenmikrofon kaum Angriffsfläche, denn stark überholte Details wie die „diskussionswürdigen“ Halterungen einiger Sennheiser-Klassiker hat das M 130 nicht. Und dafür, dass es ein Bändchen ist, ist es sogar noch recht unempfindlich gegenüber äußeren Einflüssen. Was also bleibt, ist ein Schallwandler, der die Vorteile des Prinzips ausschöpft und die Nachteile wahrscheinlich besser minimiert hat als jedes andere Exemplar dieser Gattung. Klanglich wird von manchen Usern ein noch stärkerer Charakter gewünscht, wie ihn etwa Coles oder AEA bieten können. Mit dem Beyerdynamic M 130 erhält man aber in jedem Fall ein Mikrofon, welches sich an sehr vielen Instrumenten behaupten kann – zwar koloriert es leicht und schön, liefert aber ein Signal, das sich bei Bedarf noch stark bearbeiten lässt, ohne zu „zerfallen“. Die lange Geschichte des M 130 ist voll und ganz nachvollziehbar – und ich wäre nicht verwundert, wenn wir es noch viele Jahrzehnte auf dem Markt sehen würden.

Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • robust (für ein Bändchen)
  • geringe Baugröße
  • charakteristisch, aber dennoch sehr flexibel
Contra
Artikelbild
Beyerdynamic M 130 Test
Für 749,00€ bei
Qualitativ hochwertig, vielseitig, robust, preislich in Ordnung: Beyerdynamic M 130
Qualitativ hochwertig, vielseitig, robust, preislich in Ordnung: Beyerdynamic M 130
Spezifikation
  • Empfängerprinzip: Druckgradientenempfänger
  • Richtcharakteristik: Acht
  • Wandlerprinzip: dynamisch (Doppelbändchen)
  • Frequenzgang: 40 Hz – 18 kHz (-3 dB)
  • Übertragungsfaktor: 1,3 mV/Pa
  • Preis: Euro 575,- (UVP)
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