Anzeige

Shure Motiv MV88 Test

Seit Anfang der 1930er Jahren stellt die amerikanische Firma Shure Mikrofone her.

Shure_MV_88_6

Nicht mehr wegzudenken ist das SM58, ein Arbeitstier unter den Livemikros, das auf fast keiner Bühne, in annähernd keinem Proberaum un dauch nur in wenigen Studios fehlen dürfte. Andere Klassiker hören auf Spitznamen wie “Elvismikro“ oder „Fahrradlampe“ und haben sich über die Jahre als verlässliche Mikros für den täglichen Gebrauch etabliert.
Das MV88 geht für € 159,– über den Ladentisch, wird am Lightning-Anschluss eines sogenannten iOS-Gerätes (also iPhone, iPod und iPad) angeschlossen und benötigt keinerlei zusätzliche Kabel zur Signalübertragung oder Stromversorgung. Der Hersteller preist es als Allroundmikro an, das sowohl für Livemusik als auch für Sprache oder Aufnahmen in der Natur geeignet sein soll. Im Test soll geklärt werden, ob es diesen unterschiedlichen Ansprüchen tatsächlich gerecht werden kann. 

Details

Sehr kleines, schickes Gehäuse mit Klumpfuß

Das MV88 ist knappe 7x3x4 cm klein, wird mit einem aufsetzbaren Schaumstoff-Poppschutz, einem kleinen Verlängerungskabel für die Miniklinken-Buchse und mit einer stabilen Transporttasche geliefert. Dieses kleine Täschchen ist aus dünnem, aber festen Material und leicht versteift, um das Mikrofon vor kleineren Rempeleien und allzu viel Druck zu schützen. Seine Ausmaße sind wirklich nur einen Hauch größer als das Mikro inklusive Ploppschutz selbst. Es besitzt keine Ecken oder harten Kanten, sondern ist organisch abgerundet, sodass man sich das Teil so gerade eben noch in die Hosentasche stecken kann. Das kleine Verlängerungskabel, mit dem man den Miniklinken-Anschluss der i-Geräte um ein paar Zentimeter verlängern kann, ist ein schönes Add-on, wird aber sicher von den wenigsten benötigt. Aber da das MV88 einen relativ massiven, breiten Sockel besitzt, könnte es bei manchem Zubehör, etwa einem ebenfalls installierten Kopfhörerstecker, vielleicht zu eng werden, sobald das Mikro aufgesteckt ist. In diesem Fall täte das kurze Kabel einen hervorragenden Dienst. Außerdem lässt sich durch einstecken dieses Kabels das interne Gerätemikrofon der iDevices mechanisch ausschalten. So kann man sicher sein, dass auf keinen Fall das interne Mikro, sondern ausschließlich das MV88 für Aufnahmen benutzt wird – sehr praktisch. Der mitgelieferte Ploppschutz macht einen sehr stabilen und festen Eindruck, und hält dank Plastikkorb sicher auf dem Mikrofongehäuse. 

Fotostrecke: 5 Bilder Das MV88 kann auf einer Achse verdreht werden – und wird dadurch ausgerichtet.

Das MV88 wurde mit einem Gelenk ausgestattet, das es erlaubt, das Mikro stufenlos um bis zu 90 Grad anzuwinkeln und auch noch um die eigene Achse zu drehen, um die Einsprechrichtung anpassen zu können. Legt man das iDevice auf eine flache Unterlage, macht es Sinn, das Mikro auf 90 Grad anzuwinkeln. Zielt man aus der Hand haltend auf Schallquellen, so hält man ein iPhone oder iPod ja meistens leicht schräg vor sich, so dass man den Winkel des Mikros zur Schallquelle meist auf eine Postion von ca. 45 Grad stellen wird. Diese Gelenkigkeit vereinfacht das Handling ungemein. Manche anderen iDevice-Mikros besitzen leider kein solches Gelenk.

Ohne eigene App läuft nicht viel

Schließt man das MV88 an einen dafür vorgesehenen Lightning-Anschluss an, so wird man direkt zur „MOTIV“-App im App-Store geleitet. Ohne diese kostenlose App läuft nicht viel, denn die verschiedenen Einstellungen, die vorzunehmen sind, lassen sich ausschließlich über MOTIV vornehmen. Da die MOTIV-App aber kostenlos zur Verfügung gestellt wird, ist dies für mich keinen echter Nachteil. Sie ist auf das nötigste reduziert, und bietet ohne viel Schnickschnack eine Aufnahme-Ansicht, eine weitere Ansicht mit Zugriff auf die Settings für die diversen Mikrofoneinstellungen und Features, und eine Liste zum Verwalten und Versenden der Aufnahmen.

Unter dem Menüpunkt „MOTIV-Einstellungen“ gelangt man zur Ansicht der Mikrofon-Einstellungen und der DSP-Effekte. Am auffälligsten ist die Justierbarkeit der Stereobreite. Mit Hilfe einer stilisierten Grafik des MV88 lässt sich per Fingerwisch die gewünschte Stereobreite zwischen 60 und 130 Grad festlegen. Die Stereofonie wird mit Hilfe einer sogenannten M/S-Mikrofontechnik erreicht, bei der zwei Mikrofonkapseln eingesetzt werden: eine Kapsel, die in Richtung Aufnahme-Quelle ausgerichtet ist, eine zweite Kapsel mit Achter-Charakteristik, die das Seitensignal einfängt. Mit Hilfe dieser Konfiguration lassen sich durch Pegeladdierung oder Subtraktion verschiedene Aufnahmewinkel realisieren. Man hat zudem die Wahl, das reine Mittensignal aufzunehmen, um beispielsweise eine Sprachaufnahme in Mono zu machen. Das Signal der bidirektionalen Achter-Kapsel ist ebenfalls wählbar, oder, was den meisten Anwendern genügen dürfte: Man bemüht beide Kapseln für eine Aufnahme und wählt das M/S Signal, was innerhalb der App in ein Stereosignal dematriziert wird. Als Puristen-Goodie stellt die Software einen Modus zur Verfügung, mit der man das rohe M/S-Signal aufzeichnen, und zur manuellen Dekodierung und Weiterverarbeitung in einer Softwareumgebung seiner Wahl verwenden kann. Hierbei wird das Mittensignal der Niere auf die linke Spur, und das Seitensignal der Acht auf die rechte Spur ausgegeben.

Fünf Presets, die eine gute Ausgangsbasis für schnelles Arbeiten bieten

Innerhalb der MOTIV-Sotware stehen den Preset-Liebhabern fünf auswählbare Modi zur Verfügung, die die Einstellungen für Gain, Stereobreite, Equalizer und Komprimierung für ganz spezifische Aufnahmesituationen optimieren. Die Software-Entwickler von Shure haben einen Modus für Sprache, einen für Gesang, einen für akustische Instrumente und leise Umgebungen, einen für laute Bands und Aufnahmen in lauter Umgebung und natürlich einen, der das Audiosignal zur späteren Verarbeitung völlig unbearbeitet lässt, zur Verfügung gestellt. Ich persönlich bevorzuge, das unbearbeitete Signal zur Verfügung zu haben, aber wer auf die Schnelle und ohne zwingend nachbearbeiten zu wollen, eben mal rasch eine Aufnahme machen möchte, wird sich gerne dieser Presets bedienen.

Settings

Des Weiteren steht ein mit „Windgeräuschreduzierung“ betitelter Schalter zur Verfügung, der nichts anderes als ein steilflankiges Hochpassfilter ist. Zusammen mit dem Ploppschutz stellt dies eine wirkungsvolle Waffe gegen ansonsten pegelvernichtende Windgeräusche dar. Wem dies noch nicht reicht, der kann den zusätzlich erhältlichen, nicht im Lieferumfang befindlichen, „Rycote Windjammer“ erwerben, der passgenau auf den vorhandenen Schaumstoff-Ploppschutz passt.

Im Windschutz verstecktes iOS-Mikrofon
Im Windschutz verstecktes iOS-Mikrofon

In einem weiter Fenster namens „Erweitere Funktionen“ können die Equalizer-, Limiter- und Kompressor-Einstellungen fein abgestimmt werden. Hat man sich für einen der fünf Preset-Modi entschieden, so kann man hier noch einmal weiteren Einfluss auf die DSP-Bearbeitung nehmen. Die jeweiligen Charakteristika der Presets werden hier nicht abgebildet, die vom Benutzer vornehmbaren Justierungen werden zusätzlich auf das Signal draufgerechnet. Als Aufnahme-Format kann sich der gemeine Nutzer zwischen 16Bit/44,1kHz und 24Bit/48kHz im unkomprimierten WAV-Format entscheiden. Die verbleibende Aufnahmezeit, mit der sich das iGerät bespielen lässt, wird entsprechend dem freien Speicher umgerechnet und in Stunden und Minuten angezeigt. Sehr praktisch für alle, die Aufnahmen machen wollen und nur noch wenig Speicher zur Verfügung haben.

Anzeige

Praxis

Ich stecke das Shure MV88 auf den Lightning-Anschluss eines iPhones und werde prompt in den AppStore geschickt um die MOTIV-App zu installieren. Gesagt, getan. Ich starte ich sie, und schon nach kurzer Zeit leichtet einen kleine LED am Mikrofonsockel, die mir die Bereitschaft des MV88 zur Verwendung signalisiert. Dank des umkehrbaren Lightning-Anschlusses kann ich das Mikro in beiden möglichen Ausrichtungen aufstecken. Ich befinde mich in der Aufnahme-Ansicht und kann sofort per Druck auf den Record-Button in Aufnahme gehen. Während der Recordings lässt sich der Mikrofonpegel problemlos an einem Schieberegler nachjustieren. Eine Pegelanzeige, die ab -12 dB FS mit gelben und ab -3 dB FS mit roten Segmenten leuchtet, hilft, ordentlich zu pegeln und dabei Übersteuerungen zu vermeiden. Nach getaner Arbeit soll ein Dateiname für die Aufnahme vergeben werden. Hat man dies getan, ist die Aufnahme auch schon fertig im Kasten. Sie kann dann verschifft werden, oder zum einfachen Abhören innerhalb der MOTIV-App gelagert bleiben.

Hier sieht man die querliegende Membran des MS-Mikrofons. Damit das Stereobild nachher auch richtigherum ist, wird angegeben, wo Links und wo Rechts ist.
Hier sieht man die querliegende Membran des MS-Mikrofons. Damit das Stereobild nachher auch richtigherum ist, wird angegeben, wo Links und wo Rechts ist.

Um den Sound des Shure-Mikros einschätzen zu können, entscheide ich mich dazu, eine Akustikgitarren-Aufnahme zu machen und mit dem internen iPhone-Mikro zu vergleichen. Hierzu habe ich einen relativ geringen Abstand zur Gitarre (etwa 20 Zentimeter vom 12. Bund entfernt, senkrecht zur Gitarrenoberfläche) gewählt und jeweils eine Aufnahme mit den beiden Mikros gemacht. Die Unterschiede sind enorm:

Audio Samples
0:00
Akustikgitarre MV88 Akustikgitarre iPhone

Das Shure MV88 spielt nicht nur das interne Mikrofon des iPhone an die Wand, sondern kann durchaus mit den Studiomikrofonen dieser Welt mitspielen. Ein sauberer, satter, druckvoller, warmer Sound, mit feinen Höhen und schöner Impulstreue. Die aufgenommene Gitarre hört sich in der Aufnahme genauso an, wie ich sie live gehört habe. Wenn man das iPhone-Mikro dagegen anhört, wird der saubere Sound des Shuremikros noch besser abgegrenzt. Das iPhone klingt mittig, ohne satte Bässe, mit viel Räumlichkeit (was sicherlich durch den Einsatz von Kompression die Sache noch zusätzlich verschlimmbessert). Jetzt sollte man natürlich sagen, dass das iPhone-Mikro dafür gar nicht gedacht bzw. nicht dafür optimiert wurde, sondern beim Telefonieren zu glänzen hat. Dennoch erinnere ich mich daran, dass ich mich immer mal selbst dabei erwischt habe zu sagen, dass das interne Mikrofon gar nicht mal so schlecht sei. Es ist aber im Vergleich zum MV88 tatsächlich leider schlecht, wie man hören kann.
Mikrofon-Klassiker, die sich über Jahre oder Jahrzehnte bewährt haben, kann man mit dem MV88 natürlich nicht ersetzen, aber wenn ich mir nun vorstelle, mit welch kleinem Zusatztool man hochwertige Tonaufnahmen machen kann. So gibt es eigentlich keinen Grund für den Gelegenheits-Aufnehmer, sich die großen Mikrofon-Verwandten nebst Preamps, XLR-Kabeln und Audioschnittstellen zuzulegen, um eben mal eine gute Aufnahme zu machen. Zumal man hier auch noch eine relativ flexible M/S-Technologie in die Finger bekommt, die sich bei Bedarf nachträglich tweaken und an die unterschiedlichsten Bedingungen anpassen lässt. Möchte ich eine Sprachaufnahme für ein Video machen, ist es sicher nützlich, eine Monoaufnahme mit Hilfe der Nierenkapsel zu machen. Möchte ich dagegen eine Atmo in freier Natur aufnehmen, bietet sich ein breites Stereobild an. All dies ist mit dem MV88 leicht zu bewerkstelligen. Und hat man die Aufnahme im Kasten, lässt sie sich wie von aktueller Technologie gewohnt, über die üblichen Kanäle wie SMS, Email, Dropbox und dergleichen transferieren und versenden.

Um einen Eindruck der Stereoauflösung und der feinen Abbildung zu bekommen, folgt eine Atmo-Aufnahme von einer wenig befahrenen Einkaufsstraße, mit der maximal wählbaren Stereobreite von 135 Grad. Autos fahren durchs Stereobild, und der Fussgänger (gegen Ende) wird präzise abgebildet. Die Aufnahme klingt sehr natürlich, und ließe sich durch anheben der Bässe noch ein wenig aufdonnern, ich habe das Signal aber bewusst unbearbeitet gelassen, und den unverfälschten Klang beurteilen zu können:

Audio Samples
0:00
Atmo
Anzeige

Fazit

Das Shure MV88 gehört zum Besten, was ich an iOS-Mikros bisher gehört habe, und ist seine € 159,– in jedem Fall wert. Es liefert nicht nur eine erhabene Aufnahmequalität, sondern bietet mit seiner M/S-basierten Stereotechnologie große Flexibilität mit gleichzeitig optimaler Monokompatiblität. Mit seinen 40 Gramm ist es ein echtes Leichtgewicht und geniales Tool für viele Aufnahmesituationen – sei es als hochwertiges Mikro bei Videoaufnahmen, oder einfach nur mal schnell für einen glasklaren Proberaum-Mitschnitt, ohne die üblichen Pegel- und Klangbreiprobleme, oder für spontane Atmo- und Geräuscheaufnahmen in freier Natur.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • klein, leicht und einfach zu bedienen
  • hervorragende Soundqualität
  • regelbare Stereobreite
  • auch für laute Signale wie Proberaum-Situationen geeignet
  • wählbare Richtcharakterstatistik
Contra
Artikelbild
Shure Motiv MV88 Test
Für 132,00€ bei
Shure_MV_88_9
Features und Spezifikationen
  • für alle iOS-Geräte mit Lightning-Anschluss
  • Kapseltyp: Kondensator
  • M/S-Stereophonie mit Niere-/Achter-Kapseln
  • Übertragungsbereich 20 Hz – 20 kHz
  • Empfindlichkeit: -37 dBV/Pa @ 1 kHz
  • schaltbare DSP Modes: Sprache, Gesang, Acoustic, Loud, Flat
  • 24Bit/48kHz oder 16Bit/44,1kHz, WAV
  • regelbare Stereobreite
  • Maximum SPL: 120 dB SPL
  • mitgelieferter Windschutz und Tragetasche
  • ShurePlus MOTIV Mobile Recording App im Apple App Store erhältlich
  • Gewicht: 40,5 g
  • Maße: 67 × 25 × 35 mm (H × B × T)
  • Preis: € 159,– (UVP)
Hot or Not
?
Shure_MV_88_6 Bild

Wie heiß findest Du dieses Produkt?

Kommentieren
Profilbild von Ilse

Ilse sagt:

#1 - 12.12.2015 um 08:54 Uhr

0

Auch ich bin restlos begeistert vom MV88. Einziger Wermutstropfen: Als Radioreporterin will ich auf Kopfhörern mithören, was ich
aufnehme. Das scheint beim MV88 nicht zu funktionieren. Obwohl ich das Kopfhörermonitor-Anpassungskabel verwende kommt kein Ton aus dem Kopfhörer! (Erst wenn ich die Aufnahme beendet habe und sie mir anhören möchte, funktioniert der Kopfhörer einwandfrei.Mache ich etwas falsch, oder kann ich tatsächlich während
einer Aufnahme nicht mithören?Danke für eure Hinweise!

    Profilbild von Patric

    Patric sagt:

    #1.1 - 12.12.2015 um 17:07 Uhr

    0

    Hallo Ilse,
    du musst in der Motiv-App ins "Info"-Menü und dort "Eingangsmonitor" einschalten, dann kannst du aufm Kopfhörer mithören.
    Schönen Gruß
    Patric

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bonedo YouTube
  • Subtle Compressor Tones with the Wampler Mini Ego 76 Compressor!
  • Fender American Professional Classic Stratocaster HSS | First Look
  • Quilter Labs Elevate – Review & Sound Demo | Modeling reimagined?