Wie geht das eigentlich mit der Musikkarriere? Das Musikgeschäft gleicht ein wenig dem Wilden Westen. Es gibt kein Handbuch, keine Regeln, keine Sicherheiten und keine Gewerkschaft. Man ist letztendlich auf sich selbst gestellt – und das ist Fluch und Segen zugleich. Für viele Newcomer*innen ist die Frage, wie man seine Leidenschaft in eine nachhaltige Karriere verwandelt, eine ständige Herausforderung. Wo fängt man an? Welche Schritte sind entscheidend? Und wie setzt man seine Ressourcen so ein, damit wirklich etwas ins Rollen kommt? Warum gilt die eigene Haltung als wichtigste Währung im Musikgeschäft?

- Auf die Ernsthaftigkeit kommt es an
- Begeisterungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Freundlichkeit
- Kreatives Experimentieren als Grundstein für den Karriereaufbau
- Lernen zu scheitern und lernen, sich richtig zu vergleichen
- Die Musik ist das wichtigste Investment
- Social Media als Business Tool
- Teambuilding, Selbstreflexion, Win-Win-Situationen und stimmiges Image
- Simpel, aber nicht einfach: die Dinge müssen getan werden
- Ein Praktikum bei sich selbst machen
- Weg von Hustle Culture und hin zu gesunden Vorbildern und bewussten Entscheidungen
Einer, der Antworten geben kann, ist Helge Preuss, Produzent aus Hannover. Er hat sich sowohl in Newcomer-Kreisen als auch bei Major Labels einen Namen gemacht – und zwar nicht zuletzt, weil er Newcomer*innen über die Musikproduktion hinaus beim Karrierestart unterstützt. Wir haben mit ihm über seine Sicht auf das Thema Artist Development gesprochen, um der Frage nachzugehen, wo man am besten ansetzt, wenn die eigene Musikkarriere Fahrt aufnehmen soll.
Auf die Ernsthaftigkeit kommt es an
Auf welchen Ebenen findet Artist Development denn überhaupt statt? Viele denken dabei sofort an Marketing, Image, Business oder Networking. Aber wo fängt man in diesen Bereichen überhaupt an?
Für Helge Preuss beginnt Artist Development deutlich früher, nämlich beim Inhalt. Und das meint nicht nur die Musik selbst, sondern auch die Haltung. „Entscheidend ist, mit welcher Ernsthaftigkeit Musiker*innen ihr Projekt betreiben. Wenn ich bei jemandem Potenzial sehe, dann will ich es so fördern, dass die Künstler noch stärker an ihr eigenes Projekt glauben und es selbst feiern können. Das ist die Grundlage“, sagt er.
Oft sei der Druck groß, möglichst schnell professionell zu wirken: Social-Media-Präsenz, Content, Marketing. Doch genau das könne kontraproduktiv sein. „Wenn die inhaltliche Arbeit am Projekt noch gar nicht ausreichend stattgefunden hat, fehlt die Basis. Wer noch gar nicht weiß, was das eigene Projekt ausmacht, kann das auch nicht überzeugend nach außen tragen.“ Ein wesentlicher Teil von Artist Development sei deshalb, das eigene Projekt ernst zu nehmen. „Manchmal ist es unabhängig von der Musik schlicht nicht möglich, den nötigen Fokus aufzubringen, weil es gerade nicht ins Leben passt. Der erste Schritt wäre also, sich ehrlich zu fragen: Kann ich das überhaupt realisieren? Ist mein Leben so aufgestellt, dass ich den Fokus aufbringen kann?“
Auch die Frage nach der Motivation spielt eine Rolle. „Viele sagen, Musik wird schlecht bezahlt. Aber wenn man bezahlt werden möchte wie in einem 40-Stunden-Job, müsste man vielleicht auch 40 Stunden in sein Projekt investieren. Das bedeutet nicht, dass man sofort denselben Gegenwert erhält, aber es zeigt, mit welchem Anspruch man an die Sache herangeht: Ich nehme mein Projekt als das Wichtigste für mich.“
Für Preuss ist diese Haltung entscheidend. „Man muss bereit sein, in Vorleistung zu gehen, überzeugt zu sein und alles dranzuhängen. Nur dann hat man eine realistische Chance, sich im Musikgeschäft zu behaupten. Es geht um die Ernsthaftigkeit, mit der man sein Künstlerdasein betrachtet.“
Begeisterungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Freundlichkeit
Die Haltung, mit der Musiker*innen an ihr Projekt herantreten, ist deshalb so entscheidend, weil sie sich in allen Teilbereichen widerspiegelt. Neben der Ernsthaftigkeit geht es auch um die Begeisterungsfähigkeit gegenüber anderen, um Zuverlässigkeit, Professionalität und respektvollem Miteinander. Es gibt keinen Aspekt eines Projektes, den diese Haltung nicht betrifft und entscheidend beeinflusst – vor allem dann, wenn es um die Professionalisierung eines Projektes geht.
Manche Projekte seien allein deshalb unwiderstehlich, weil die Beteiligten so überzeugt von sich selbst sind, dass sie andere automatisch mitreißen. „Da willst du einfach dabei sein, selbst wenn noch gar kein Song geschrieben wurde. Das hat manchmal weniger mit Musik als vielmehr mit der Energie zu tun, die jemand ausstrahlt. Und selbst wenn es am Ende nicht klappt, bleibt das Gefühl, eine gute Zeit gehabt zu haben. Dieses Momentum entsteht aus den Menschen selbst heraus.“
Umgekehrt zeige sich Haltung oft in scheinbar kleinen Dingen. Preuss veranschaulicht es mit einem Beispiel: „Stell dir eine Band vor, die pünktlich zur Probe erscheint – aber der oder die Frontperson kommt jedes Mal eine halbe Stunde zu spät. Das sendet ein völlig anderes Signal, als wenn jemand eine Viertelstunde früher da ist, Brötchen für alle mitbringt und noch Kaffee kocht. Es sind einfache Gesten, die zeigen, wie wichtig einem die Sache ist.“

Was vielen Newcomern zum Verhängnis wird und wie jedes Bandmitglied mithelfen kann, das zu verhindern.
Solches Verhalten strahle nach außen und wird sowohl in der Zusammenarbeit als auch auf Social Media schnell Früchte tragen. „Der Beweis für mich ist, dass die erfolgreichsten Musiker, mit denen ich gearbeitet habe, auch die freundlichsten und wertschätzendsten Menschen waren. Die hätten es gar nicht nötig, so aufzutreten. Wahrscheinlich waren sie schon zu Beginn ihrer Karriere so nett und sind es bis heute geblieben.“
Gerade in den Anfangsphasen eines Projekts, wenn noch kein Geld fließt und viel Zeit und Energie investiert, sei diese Haltung entscheidend. „Abgesehen von der Musik selbst ist es oft das Einzige, was andere motiviert, dabei zu sein: ein gutes Gefühl und dass die Zusammenarbeit Freude macht. Und das alles fällt für mich in die Kategorie Haltung“, sagt Preuss.
Kreatives Experimentieren als Grundstein für den Karriereaufbau
Jedes Haus hat einen Grundstein. Bis heute wird die Grundsteinsetzung als oft festlicher Anlass zelebriert, um die Bedeutung einer stabilen Basis zu unterstreichen. Für Musiker*innen gilt dasselbe: Am Ende geht es um die Musik. Kein Businessplan und keine noch so überzeugende Haltung werden zu Riesenerfolg führen, wenn die Musik nicht stimmt.
Wenn die Haltung gegeben ist, folgt der nächste entscheidende Schritt: intensiv an der Musik arbeiten und sie auf ein nächstes Level bringen, indem man experimentiert, schreibt und produziert. Denn mit jedem Song lernt man etwas dazu – über die eigenen Stärken, individuellen Ausdruck oder darüber, was man eigentlich will.
„Der Großteil der Arbeit geht natürlich erstmal in die Musik: ins Songwriting, in die Texte, in die Produktion. Dabei findet man auch heraus, ob man alles alleine schaffen kann oder ob man Unterstützung braucht. Und diesem Prozess sollte man viel Zeit einräumen“, erklärt Helge Preuss.

Fehler sind kein Tabu, sondern liefern euch Inspiration und Kreativität. Wir haben die Magie von Fehlern genauer untersucht.
Gerade am Anfang entstehe oft eine gewisse Euphorie. „Bei Newcomer-Projekten höre ich häufig nach den ersten Aufnahmen: Das ist das Beste, was wir je gemacht haben! Doch spätestens bei Song fünf, sechs oder sieben merkt man, dass noch viel mehr möglich ist. Mit den Erfahrungen aus späteren Songs könnte man die ersten Stücke oft noch einmal deutlich verbessern.“
Diese Entwicklung sei nicht nur normal, sondern entscheidend. „Experimentieren ist so wichtig, weil alle weiteren Schritte im Karriereaufbau umso besser funktionieren, wenn die Musik wirklich stark ist.“
Lernen zu scheitern und lernen, sich richtig zu vergleichen
Wer kreativ experimentiert, stößt an Grenzen und macht Fehler. Man probiert etwas aus, man verwirft es und fängt von vorne an. Nicht jeder Song wird großartig. Fehler gehören dazu und sind notwendig, um zu wachsen und zu lernen.
Wachstum bedeutet dabei nicht allein Zahlen, Klicks oder Reichweite, sondern vor allem handwerkliche und persönliche Weiterentwicklung.
„Für mich gehört Scheitern zum Alltag“, sagt Helge Preuss. „Ich habe ständig Ideen, die ich genial finde, bis ich sie umsetze und merke: Das funktioniert nicht. Aber dann weiß ich wenigstens, dass es nicht passt, und lasse es weg. Der Song selbst sagt mir in dem Moment: Danke fürs Ausprobieren, aber probier etwas anderes. Das ist für mich kein Scheitern, sondern ein Lernprozess.“
Und bei Social Media? Auch da ist Scheitern erlaubt, wenn auch deutlich schwieriger, weil es dort öffentlich passiert. Wenn ein Posting nicht besonders viele oder gute Resonanzen hervorruft, sieht man darin schnell einen Rückschritt. Besonders, wenn man gutlaufende Posts von anderen Acts oder Bands sieht – wir kennen es alle. Und genau in so einem Moment kommt es ganz darauf an, wie man diesen Vergleich bewerten.
„Vergleichen ist nicht grundsätzlich schlecht, es kommt nur darauf an, womit. Kontraproduktiv ist es, wenn ein Act mit 1.000 Followern auf den schaut, der 1.500 hat. Daraus lernt man nichts. Wer sich aber sehr erfolgreiche Accounts mit einer Million Follower ansieht, kann viel mehr lernen: Die machen irgendetwas sehr richtig. An solchen Beispielen kann man sich orientieren, nicht um sich klein zu fühlen, sondern um zu experimentieren: Könnte das auch bei mir funktionieren oder brauche ich eine eigene Variante?“
Preuss zieht auch Parallelen zu Live-Konzerten. „Ich gehe gerne auf riesige Shows, Bruce Springsteen oder Pink zum Beispiel. Da sitzt jede Sekunde, vom ersten bis zum letzten Moment ist man komplett eingenommen. Kleine Acts können sich davon inspirieren lassen und überlegen: Wie kann ich in meinem Setting – egal wie groß die Venue ist – das bestmögliche Erlebnis schaffen? So wird klar, dass vieles nicht bloß Glück ist, sondern Ergebnis von Vorbereitung und Haltung.“
Die Musik ist das wichtigste Investment
Zeit, Geld, Energie – Ressourcen sind immer begrenzt. Jeder muss entscheiden, wie sie oder er diese Ressourcen einsetzt. Angenommen, die Haltung stimmt, die Musik auch, zwei bis drei Tage pro Woche sind für das Projekt reserviert und ein kleines Budget ist vorhanden: Wohin fließen diese Ressourcen am sinnvollsten? Für Helge Preuss ist die Antwort eindeutig – in die Musik.
„Das sage ich nicht, weil ich Produzent bin, sondern weil es die Grundlage ist. Man sollte das verfügbare Geld in den Inhalt stecken, also in die Musik. Ohne sie hat man nichts, worauf man aufbauen kann.“
Dabei gehe es nicht darum, möglichst teure High-End-Produktionen zu realisieren, sondern den im jeweiligen Genre bestmöglichen Ausdruck zu erreichen. „In einer Rock-Produktion etwa lohnt es sich, in einen guten Drum-Engineer und einen geeigneten Raum zu investieren. Das sind Faktoren, die den Unterschied machen.“
Weniger sinnvoll sei es hingegen, früh große Summen in aufwendige Musikvideos zu stecken. „Viel wichtiger ist, dass man langfristig denken kann. Wenn es nötig ist, regelmäßig dasselbe Studio zu buchen, dann sollte man dafür Geld einplanen und sicherstellen, dass man es auch öfter machen kann. Wer alles auf einen einzigen Song setzt und danach keine Ressourcen mehr hat, geht ein viel zu hohes Risiko ein.“
Das bedeutet jedoch nicht, dass man andere Bereiche komplett ausklammern sollte. „Wenn man schon Zeit und Mühe in Social Media investiert hat, kann es sinnvoll sein, bestimmte Posts zu bewerben, um etwas leichter Reichweite zu gewinnen. Aber das Wichtigste bleibt: Die Musik muss stimmen. Und zwar nicht nur einmal, sondern langfristig.“

Mit dem Meta Ad Manager kann man auf Instagram und Facebook werben. Wir zeigen dir die wichtigsten Tricks und eine Step-by-Step-Anleitung,.
Social Media als Business Tool
Musik ist das eine – das Musikgeschäft das andere. Dazu gehört auch Social Media, das für viele Künstler*innen ein notwendiges Übel ist. Vielleicht hat jemand 15 Jahre lang Gitarre, aber sicher nicht 15 Jahre lang Instagram geübt. Aber wenn man ein Projekt ernsthaft aufbauen will, führt kein Weg daran vorbei.
„Viele sagen, Social Media sei toxisch – und das stimmt auch in gewisser Weise. Aber man hat immer die Wahl, wie man es nutzt. Ich selbst verwende es gar nicht privat, sondern nur als Business-Tool. Dadurch ist es für mich nicht so wahnsinnig toxisch“, erklärt Helge Preuss.
Problematisch werde es, wenn Künstler*innen versuchten, Trends um jeden Preis zu kopieren. „Wenn einem Social-Media-Berater raten, bestimmte Hypes mitzumachen, kann ich verstehen, dass viele Artists eine Abwehrhaltung entwickeln: Das bin ich nicht, das passt nicht zu mir. Aber genau daraus kann etwas Produktives entstehen: Dann mache ich eben etwas Eigenes, etwas, das zu mir passt und in mein Leben integrierbar ist – vielleicht nur zehn Minuten am Tag, nicht acht Stunden.“
Wichtig sei dabei, Social Media wie ein Handwerk zu betrachten. „Man muss es erst einmal lernen, wie ein Schüler. Mit konsequenter Ablehnung kommt man nicht weit. Wenn Social Media ein Multiplikator sein kann, dann sollte man es bewusst und sinnvoll nutzen.“
Teambuilding, Selbstreflexion, Win-Win-Situationen und stimmiges Image
Früher oder später wächst jedes Projekt an einen Punkt, an dem man Unterstützung braucht: jemanden, der mit der Kamera begleitet, ein Management, ein Label oder ein Booking-Team. Doch wie entstehen solche Partnerschaften? Kommen sie von allein – oder muss man aktiv auf potenzielle Partner*innen zugehen? Für Helge Preuss ist die Antwort eindeutig: Meistens ergeben sie sich aus der eigenen Arbeit heraus.
„Das direkte Draufzugehen aus dem Nichts funktioniert nur sehr bedingt. In der Regel ist es eher so, dass man etwas in die Welt schickt, das man selbst feiert und darauf reagieren andere. Deshalb sollte man sich sehr genau überlegen, wie man öffentlich wahrgenommen werden möchte. Denn wenn jemand auf dich aufmerksam wird, muss das Bild stimmen. Und das Erste, was die meisten machen, ist googeln.“
Gerade hier könne ein inkonsistenter Auftritt fatale Folgen haben. „Stell dir vor, du siehst einen Artist live, suchst nach ihm und findest nur alte, chaotische Inhalte. Das zerstört sofort den ersten Eindruck. Deshalb habe ich mit vielen Newcomern erst einmal das Internet aufgeräumt: alte Sachen löschen, die nicht mehr passen, und ein klares Bild schaffen. Labels und A&Rs erwarten, dass ein Projekt sofort schlüssig wirkt. Wenn bei Google und auf Instagram dasselbe Gefühl entsteht wie live, ist der Weg zu einem Kontakt viel kürzer.“

Image, USP & Co – Hier findest du die Checkliste für dein Band-Image!
Doch Teambuilding gehe über Labels hinaus und funktioniere oft über Win-Win-Situationen. „Man kann nicht immer alle sofort bezahlen. Aber man kann Anreize schaffen: Für Musikerinnen in der Band, für Produzentinnen oder andere Beteiligte. Für mich persönlich ist es spannend, wenn ich durch ein Projekt etwas Neues lernen oder mich weiterentwickeln kann. Am wichtigsten ist aber: Die Hauptperson muss so überzeugt sein, dass ich glaube, sie trägt das Projekt langfristig. Daraus kann ein echter Win-Win entstehen.“
Preuss betont, dass ihn oft gerade die kleinen, nischigen Projekte weitergebracht haben. „Das waren nicht die Sachen mit den meisten Streams oder dem besten Honorar, sondern Liebhabersachen, die zu Folgeaufträgen geführt haben, weil ich wirklich dahinterstand.“
Gleichzeitig müsse man ehrlich über Erwartungen sprechen. „Wenn Leute zu freundschaftlichen Konditionen mitarbeiten, ist es umso wichtiger, dass sie sich verwirklichen können. Sobald das nicht mehr gegeben ist, bleibt es nur schlecht bezahlte Arbeit, die besser verkauft wurde. Das ist ein schmaler Grat – besonders, wenn man eine klare Vision hat. Man muss lernen, das einzuschätzen und transparent zu kommunizieren.“
Simpel, aber nicht einfach: die Dinge müssen getan werden
Am Ende gibt es bestimmte Aufgaben, die man erledigen muss, wenn man sich als Musiker*in erfolgreich professionalisieren will. Manche Leute tun diese Dinge und andere tun sie nicht. Genau hier entscheidet sich oft, wer weiterkommt und wer nicht. Das klingt einfach und gut, in der Umsetzung aber ist die eigentliche Herausforderung ins Handeln zu kommen und dranzubleiben.
„Es gibt Acts, die verharren in diesem Modus: ‚Das nervt mich, das ist mir zu stressig, das mache ich lieber nicht.‘ Aber so funktioniert es nicht. Man muss ins Handeln kommen, die Dinge aktiv angehen, auch wenn sie anstrengend wirken. Dazu gehört Ernsthaftigkeit, der Wille zur Professionalität und eine klare Arbeitsmoral. Erfolgreiche Acts sind nicht zufällig da, wo sie sind, sondern weil sie über Jahre konsequent Einsatz gezeigt haben.“
Gerade diese Arbeitsmoral spiele eine zentrale Rolle im Musikgeschäft. „Oft ist sie wichtiger als der musikalische Geschmack. Viele arbeiten lieber mit netten, zuverlässigen Leuten an Musik, die ihnen nicht hundertprozentig gefällt, als mit genialen, aber unzuverlässigen Künstlerinnen. Und damit sind wir wieder beim Thema Haltung: Sie entscheidet letztlich, ob man im Geschäft eine realistische Chance hat.“
Ein Praktikum bei sich selbst machen
Der hohe Workload im Musikbusiness kann auch Zweifel wecken, ob dieser Weg der richtige ist. Lohnt sich der enorme Aufwand am Ende auch persönlich? Helge Preuss empfiehlt, das frühzeitig herauszufinden. Wie? Indem man ein Praktikum bei sich selbst macht.
„Viele sagen: Ich möchte Singer-Songwriter sein, oder ich will Produzent werden. Wenn man es sich leisten kann, vielleicht ein wenig Geld gespart hat, sollte man sich einfach mal einen Monat lang die Zeit nehmen, nur das zu machen – die ganze Woche über. Das ist im Grunde ein Praktikum bei sich selbst. So bekommt man ein echtes Gefühl dafür, wie dieser Alltag aussieht und ob er einem liegt. Stell dir vor, du machst den ganzen Wahnsinn, es funktioniert – und dann merkst du, dass du gar keine Lust auf diesen Tagesablauf hast. Das kann passieren. Wer es vorher ausprobiert, erspart sich im Zweifel einen langen Umweg. Und wer dabei merkt, dass es genau das Richtige ist, geht umso bestärkter weiter.“
Weg von Hustle Culture und hin zu gesunden Vorbildern und bewussten Entscheidungen
Mal angenommen, man entscheidet sich für diesen Weg. Wie macht man all das, ohne entweder nach einem Jahr völlig ausgebrannt, völlig entnervt, einsam oder alles drei zu sein. Viele Musiker*innen kämpfen jahrelang auf Kosten ihrer Gesundheit und ihres Privatlebens, sodass sie Gefahr laufen, den ersehnten Erfolg entweder nicht mehr zu erleben oder nicht genießen zu können. Eine mögliche Lösungsansatz für diese Problematik: gesunde Vorbilder.
„Zwei Dinge sind entscheidend“, sagt Helge Preuss. „Zum einen: die richtigen Beispiele im Umfeld. In der Musik-Bubble ist Hustle Culture weit verbreitet. Viele glauben irgendwann, dass man 16 Stunden am Tag arbeiten, genervt sein und schlecht bezahlt werden muss – und dass das einfach dazugehört. Ich glaube das nicht. Natürlich gibt es Schwierigkeiten im Musikgeschäft, aber oft ist es die eigene Haltung, die den Stress verstärkt. Mir haben Vorbilder gezeigt, dass es auch anders geht und das war extrem hilfreich. Man merkt: Man kann sich den Alltag so gestalten, dass er zu einem passt. Dafür sollte man aktiv den Austausch mit solchen Menschen suchen.“
Der zweite Punkt betrifft die innere Motivation. „Ob man zwei oder 80 Stunden pro Woche arbeitet: Wenn man keinen Sinn in dem sieht, was man tut, wird es einen zermürben. Natürlich gibt es nervige Tage, aber wenn der gesamte Alltag so aussieht, muss man etwas ändern. Entscheidungen sollten aus den richtigen Gründen getroffen werden, nicht ausschließlich wegen Geld. Manchmal ist ein Nebenjob gesünder, wenn er ermöglicht, musikalisch das zu tun, was man wirklich will. Das größte Risiko für Kreative ist, ihr Geschenk, kreativ zu sein, zu verlieren – das wäre das Schlimmste.“
Preuss spricht offen über eigene Erfahrungen: „Ich habe eine Zeit lang Aufträge angenommen, die ich gar nicht mochte, weil sie gut bezahlt waren. Irgendwann wollten mich Leute genau für solche Sachen buchen und ich stand in einem Kreislauf, aus dem ich kaum herauskam. Finanziell lief es, künstlerisch aber passte es nicht. An diesem Punkt war es wichtig, eine Entscheidung zu treffen. Ich habe irgendwann gesagt: Bestimmte Produktionen mache ich nicht mehr. Das war schwer, und eine Zeit lang habe ich kein Geld verdient. Aber langfristig hat es mich enorm weitergebracht. Ich war stolz auf das, was ich danach gemacht habe und andere haben es auch anders wahrgenommen. Solche positiven Kreisläufe kann man selbst in Gang setzen.“
Seine Botschaft: bewusste Richtungswechsel lohnen sich. „Manchmal haben diese Entscheidungen viel mehr Wirkung, als man im Moment glaubt. Darauf sollte man immer wieder achten und rechtzeitig die Weichen neu stellen.“



















