Preset-Namen: Die absurde Welt der Synth-Sprache

Synthesizer-Preset-Namen gehören zum Alltag aller Tastenalchemist*innen. Vor allem VST-Plugins bieten eine Vielzahl an Quellen für endlose Listen an Patches. Diese wollen alle benannt werden. Genau hier entsteht eine oft übersehene Kunst in der Synth-Kultur, welcher dieser Artikel ihren gebührenden Respekt zollen will.

Quelle: nanosquirrel, wikimedia commons

Die Geburt der Preset-Namen

Angefangen hat es mit den Synthesizern in akademischen Kreisen. Wissenschaftliches Testequipment wurde so verkabelt, dass ein Ton herauskam. Die dort gesammelten Techniken wurden dann über die Jahre weiterentwickelt, sodass in den 60er-Jahren die ersten wirklichen Synths auf den Markt kamen. Bob Moog und Don Buchla waren mit ihren modularen Geräten Pioniere auf dem Gebiet. Modular ist jedoch erst einmal das Gegenteil von einem Preset. Man kann keine Klänge im Synth selber speichern, sondern muss für jedes Patch alle Kabel passend verlegen. Noch bedarf es den Musiker*innen nicht an Preset-Namen.

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Zwar wurden die Synthesizer in den 70ern kompakter, jedoch änderte dies nichts an dem analogen Aufbau und somit an der Speicherfähigkeit von Presets. Synths wie das Model D von Moog machten den Zugang zur Klangsynthese preislich, aber auch theoretisch zugänglicher. Das lag unter anderem an den beiliegenden Anleitungen oder Patch-Sammlungen, in denen die ersten Synthesizer-Preset-Namen auftauchten. Durch diese konnten die Käufer*innen schnell ihren Synth so einstellen, dass ein musikalischer Ton herauskam. Man muss bedenken: Zu dieser Zeit hatten nur die wenigsten Leute ein Grundverständnis von Synthesizern.

Ein Blick in das originale Patch-Book der ARP 2600 aus dem Jahr 1971 verrät schnell, dass Preset-Namen damals noch sehr konservativ gestaltet waren. Patches mit Namen wie „Flute“ oder „Jazz-Guitar“ findet man häufig. Ähnlich sieht es bei Korgs MS-20 aus dem Jahr 1978 aus. Presets wie „Hammond-Organ“ und „Voice“ findet man in der damaligen Anleitung. Schaut man jedoch genauer hin, wird schnell klar, dass es auch damals schon Wege geben musste, den futuristischen Klang des Synthesizers zu benennen. Im Patch-Book der ARP findet man daher auch vereinzelt Klänge mit Namen wie „Wampus Monster“ oder „Jonathan Synthesized Seagull“.

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Die digitale Vielfalt braucht Namen

Mit der Einführung des Oberheim OB-X im Jahr 1979 war es plötzlich möglich, seine geschaffenen Klänge und Einstellungen zu speichern. Außerdem konnte man sie über ein alphanumerisches Display benennen. Dies war die Geburtsstunde der Preset-Namen, wie wir sie heute kennen. Die Factory-Presets bewegten sich namentlich jedoch immer noch im gediegenen Gefilde. Namen wie „Electronic Piano“ oder „Bells“ sollten den Nutzenden schnell einen Eindruck vom Klang des Presets geben. Bereits existierende Klänge machten Assoziationen leichter, formten aber auch Standards. Bis heute findet man in Synths Patches mit Namen wie „Strings“ oder „Harpsichord“.

Spätestens mit Yamahas DX7 aus dem Jahr 1983 war dann endgültig klar, dass die Komfortzone von Synthesizern nicht unbedingt von Klängen echter Instrumente geprägt ist. Zwar glänzt das DX7 auch in akustischen Sounds wie „E. Piano 1“ oder „Marimba“, doch gab es auch weitaus experimentellere Patches. Diese wurden übrigens über Cartridges vertrieben. So findet man auf Yamahas ROM-3A Klänge mit Namen wie „Train“ oder „Lasersweep“.

VSTs starten den Wahnsinn

Spätestens seit der Einführung des VST-Standards durch Steinberg im Jahr 1999 sind der Kreativität bei Synthesizer-Patch-Namen keine Grenzen mehr gesetzt. Alle Nutzenden können ihre Sounds speichern und online vertreiben. Das erschafft unendlich große Datenbanken mit Presets und ihren zugehörigen Namen. Jede kleine Phrase ist die persönliche Note der Erschaffenden, die ihren Klang in Worte fassen soll.

Früher waren die Limitierungen in der Namensgebung durch Zeichenbegrenzungen gesetzt; heute sind die Synths so komplex im Klang, dass der weltliche Bezug in der Sprache fehlt. Zwar helfen etablierte Standards immer noch für eine grobe Zuordnung, jedoch klingt ein Sound nach vier Effektinstanzen und dreidimensionalen LFOs oft nicht mehr nach einfachen Strings. Hier ist Kreativität gefragt.

Zwischen Kunst und Kitsch – Die Sprache der Preset-Namen

Viele Synthesizer-Preset-Namen vermitteln heutzutage eher ein Gefühl als einen direkten Vergleich. So weiß niemand, wie ein „Bubblegum-Swirl“ in Wirklichkeit klingt, jedoch kommt dieses DX7-Psy-Preset dem schon ganz schön nahe. Selten kommen wir in den Genuss, uns in „Gods Bathtub“ zu legen, jedoch können wir uns diese wenigstens durch den Korg Triton anhören.

Was manchen kitschig erscheinen mag, ist die natürliche Weiterentwicklung der Sprache. Seit der Erfindung des Synthesizers ist die Menschheit mit Klängen konfrontiert, die sie davor noch nie gehört hat. Dafür bedarf es der passenden Kommunikationsform, welche sich langsam, aber sicher etabliert. Unterhalten sich zwei Synth-Nerds, wissen beide sofort, was mit „Reese“, „Lush Clouds“ oder „Triple-Wobble“ gemeint ist – und das ist doch irgendwie schön.

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