Der Eurorack Hersteller Intellijel ist gerade auf der Erfolgsspur: Nach dem extrem erfolgreichen Delay Sealegs haben die Modul-Erfinder aus Kanada zur Superbooth 2025 das neue Multigrain vorgestellt – einen granularen Sampler mit spannenden Steuerungsmöglichkeiten, vielseitigen Preset-Optionen und dynamischem Stereosound. Es kann bereits an dieser Stelle gesagt werden: Dieses Gerät ist der neue Platzhirsch im Bereich der Granularsynthese für das Eurorack. Klären wir also im Folgenden noch, was das Intellijel Multigrain im Detail so besonders macht.
Bildquelle: Intellijel
Intellijel Multigrain: Das Wichtigste in Kürze
Granularsynthese-Modul für das Eurorack
Stereo-Sampling und Stereo-Granularsynthese
Bis zu 48 Presets mit je acht Sounds
Reverb, Zufallsmodulation und Quantisierer integriert
Drei frei zuweisbare Modulationseingänge und zwei Modulationsausgänge
Es ist nicht zu leugnen: Auf den ersten Blick flößte uns das Intellijel Multigrain beim Test durchaus Respekt ein: Das gerade einmal 20 TE breite Modul ist vollgepackt mit Patchpunkten, Reglern und Buttons – letztere in der Regel mit Mehrfachbeschriftung. Bei genauerem Hinsehen sortiert sich aber so einiges. Das Layout des Multigrain erweist sich dabei als intuitiv und übersichtlich: Oben links gibt es Stereo-Inputs für das Sampling von Sounds auf die mitgelieferte SD-Karte, oben rechts kommt das Klangergebnis des Eurorack-Moduls raus. Acht CV-Inputs gibt es dazwischen, auch zwei schwarz hinterlegte CV-Outputs – alles am oberen Modulrand.
Darunter gruppieren sich zehn Regler für die Soundparameter, wiederum eine Ebene drunter finden Fader und zwei Buttonreihen Platz. Drückt man die Buttons nach dem Einschalten, kommt direkt Sound aus dem Modul: Sie greifen auf Sound-Dateien mit einer Länge von bis zu 32 Sekunden zu.
Mit dem eingebauten Fader kann man zwischen zwei Granular-Soundeinstellungen morphen. (Bildquelle: Intellijel)
Die Sound-Engine des Intellijel Multigrain
Für die Bearbeitung dieser Sounds stehen über die zehn Regler die Parameter der Granularsynthese des Moduls bereit. Das Multigrain bietet Kontrolle über den Start- und Endpunkt des Samples, den Bereich also, aus dem in der Folge Grains „extrahiert“ werden. Mit einer Scan-Funktion kann durch diesen Bereich auch „durchfahren“ werden. Über die Regler „Rate“ und „Size“ wird die Häufigkeit und Länge der erzeugten Grains eingestellt. Kleine „Size“-Einstellungen sorgen für wenige Millisekunden lange Mikrotöne, die ins Abstrakt-Glitchige reichen, größere erzeugen flächige Loops, bei denen sich einzelne Soundelemente überlagern.
Über den „Pitch“-Regler steht eine Steuerung der Grain-Tonhöhe zur Verfügung, ein „Tone“-Regler filtert hohe oder tiefe Frequenzen – und natürlich gibt es auch eine „Level“-Kontrolle der Lautstärke sowie eine Hüllkurven-Einstellung für die Grain-Verstärkung. Das Ergebnis geht bei Bedarf noch in einen Reverb mit der Bezeichnung „Blur“, der aus einzelnen Grains riesige Ambientsounds machen kann.
Der integrierte „Blur“-Reverb des Intellijel Multigrain schickt die generierten Grains ins spacige All. (Bildquelle: Intellijel)
Flexible und effiziente Projektstruktur
Abschließend noch ein paar Worte zur Software-Struktur des Multigrain: Das Modul ist in der Lage, 48 Projekte mit acht unterschiedlichen Sounds zu speichern, die flüssig ineinander übergehend geladen werden können. Zusätzlich können auf der mitgelieferten SD-Karte einzelne WAVs neben live mit dem Modul gesampleten Sounds abgespeichert werden. Ein Web-Updatetool versorgt das Multigrain mit Firmware-Updates, von denen seit der Veröffentlichung des Moduls vor wenigen Monaten bereits zwei erschienen sind – zu einigen ihrer Funktionen werden wir im folgenden Praxisteil auch noch mehr zu sagen haben.
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Das Intellijel Multigrain in der Praxis
Obwohl die Geschichte der granularen Synthese bis in die 90er-Jahre zurückreicht, gibt es nach wie vor eine recht geringe Auswahl rein granularer Synths am Markt. Schaut man auf den Eurorack-Markt, sieht es besonders dünn – hier konnte man bisher nur zwischen dem Instruo Arbhar und dem Qu-Bit Nebulae wählen, wenn man echte Granularsynthese betreiben wollte. Granular-Effekte hingegen gibt es wie Sand am Meer, angefangen beim legendären Mutable Instruments Clouds bis hin zu modernen Modulen wie dem Noise Engineering Melotus Versio. Ein Modul, das beides vollumfänglich kann, gab es aber bislang nicht.
Intellijel Multigrain: Ein Alleskönner im Eurorack
Hier setzt das Intellijel Multigrain an: Seine Entwickler wollten ganz offenbar nicht weniger erreichen als ein Granularmodul, das alles kann – und das haben sie auch geschafft. Immer wieder stellt man sich beim Komponieren und Spielen mit dem Multigrain die Frage: Ob es wohl dies oder jenes kann? Und in der Regel ist die Antwort: Ja, kann es. So ist es zum Beispiel möglich, aus rhythmisch und synchron zu einem Patch eingestellten Sounds, zwischen denen mit Gates gewechselt wird, einen experimentellen und sich immer wieder verändernden Drumbeat zu generieren. Oder man nutzt den erwähnten „Scan“-Regler, um einen granularen Loop aus einem Sprachsample zu erzeugen. Auch gibt es unter den vielen hervorragenden Presets auf dem Modul Wavetables als Samples, die man quantisiert sequenzieren kann – dann wird das Multigrain zur Synthvoice mit integriertem Sequenzer.
Liste: Mit kompakten Synthvoice-Modulen fürs Eurorack lassen sich inzwischen fast schon komplette Tracks produzieren. Wir präsentieren in diesem Feature die aktuellen Highlights in diesem Segment.
Geht man von solchen Ideen aus noch einen Schritt weiter, wird das Modul tatsächlich noch faszinierender. Denn nicht nur ist die Granular-Engine mit ihren zehn Parametern herausragend gut durchdacht, auch die Modulation dieser Parameter ist perfekt umgesetzt. Es gibt zwei Wege, um den Klang dynamisch zu verändern: Einerseits verfügt das Multigrain über interne Zufallsgeneratoren. Sie können mit einem Druck auf den Button „Rand“ ausgewählt und dann per Drehbewegung am Zielparameter eingestellt werden. Ähnlich funktioniert es mit externen Modulationen, die über die Eingänge „X“, „Y“ und „Z“ ins Multigrain gelangen. Einfach auf einen der Buchstaben-Buttons drücken und die Parameterregler werden zu Abschwächern für die eingespeisten Modulationssignale. Dabei wurde wieder an alles gedacht: Kleine LEDs unter den Zielreglern zeigen die Intensität und die Polarität der Modulation an – die pro Sound und Szene unterschiedlich ausfallen kann.
Alles immer im Blick
Natürlich lässt sich bei dieser Funktionsdichte nicht leugnen, dass man für einige der Funktionen durchaus ein paar Shortcuts lernen muss, die mit farblich markierten Submenüs oder Button-Kombinationen zusammenhängen. Aber dennoch hat man am Multigrain immer alles im Blick: Die leuchtenden Buttons zeigen alles an, was wichtig ist: welchen Sound man gerade hört bzw. bearbeitet, welche Noten für den „Pitch“-Regler im Quantisierer aktiv sind, in welchen freien Slot gesamplete Sounds abgespeichert werden können und mehr. Zudem bleibt dank der oben angebrachten Patchpunkten selbst bei komplexen Patches das Panel immer sichtbar und der Fader sowie die Buttons immer erreichbar.
Und wie klingt es nun? Das ist, wie so oft bei samplebasierten Modulen, nicht so einfach zu sagen. Je nach Grundsound liefert das Multigrain komplett andere Ergebnisse. Daher geben wir anstelle einer zu einseitigen Beurteilung an dieser Stelle lieber noch einen weiteren Workflow-Tipp: Mit einem Kombi-Druck auf den erwähnten „Rand“-Button und einen der acht Soundbuttons werden dessen Parameter und Modulationen komplett zufällig eingestellt. Es entsteht also auf Knopfdruck eine komplett neue Klangwelt. Das wird schon bei einem einzigen Sound so schnell nicht langweilig, geschweige denn bei acht – zwischen denen übrigens mit Gates und CV kontrolliert und automatisiert gewechselt werden kann.
Live Sounds und Sampling
Zum Schluss ist noch kurz auf die durchdachte Sampling-Funktionen des Multigrain einzugehen: Der Sound, der über die Stereo-Inputs ins Modul geht, kann zum einen mit einem Druck auf den Recording-Button aufgenommen werden. Ein Buffer „hört mit“, sodass auch zufällig entstandene Sounds nachträglich gesichert werden können.
Seit dem jüngsten Update von Anfang Juli 2025 (Stand: 8.7.2025) ist zudem noch Live-Sound-Bearbeitung möglich. Eine Looping-Recorder-Funktion erfasst als Granular-Effekt in solchen Situationen den eingehenden Sound und generiert auf dessen Basis mit den Einstellungen auf dem Panel zugehörige Grains. Mit einer Zuweisung dieses Buffers auf einen neuen Sound-Slot kann übergangslos zwischen dieser Live-Bearbeitung und Granularsynthese auf Basis eines finalen WAV-Samples gewechselt werden. Mehrere gespeicherte und Live-Sounds können auch gemeinsam Projekte bilden. Man sieht auch in diesem Fall: Das Multigrain kann einfach alles, was man sich nur von ihm wünschen kann.
Über fünf Modulations-, zwei Gate- und einen Sync-Eingang kann das Intellijel Multigrain flexibel moduliert werden – hier etwa mit einem Joystick. (Bildquelle: Intellijel)
Intellijel Multigrain: Das sind die Alternativen
Wie bereits angemerkt, gibt es nicht so viele Optionen neben dem Multigrain, wenn man „echte Granularsynthese“ im Eurorack haben will. In der Tabelle unten steht das neue Intellijel-Modul daher nicht nur neben dem Instruo Arbhar, sondern auch dem Make Noise Morphagene. Das ist zwar eigentlich ein Sampler mit Tapeloop-Ästhetik, doch aufgrund seiner Live-Sampling-Optionen und mikrotonalen Features ist es dem Multigrain konzeptuell dennoch recht nah.
Intellijel hat mit dem Multigrain einen heißen Anwärter für den Titel „Modul des Jahres“ 2025 entwickelt. Es schließt eine große Lücke im Eurorack-Markt, denn eine derart umfangreiche, vielseitige und durchdachte Option für Granular-Synthese und zugleich -Effektbearbeitung gab es bisher nicht.
Wer bereit ist den hohen, aber auch ziemlich fairen Preis von 539 Euro zu zahlen, wird vom Multigrain garantiert nicht enttäuscht werden. Dieses Modul ist ein kompletter Mini-Synthesizer, ein ebenso fähiges Effektgerät und eine absolute Inspiration für alle, die im Eurorack moderne elektronische Musik kreieren wollen. Parallel ist es auch eine absolute Fundgrube für experimentelle Sounds, an dem zufällige Funde an der Tagesordnung sind. Es hat viele tiefgreifende Optionen, von denen wir einige nur kurz anreißen konnten. Fest steht aber dennoch: Dieses Modul ist eine Empfehlung, wie sie deutlicher kaum ausgesprochen werden kann!
Intellijels Multigrain überzeugt mit Tiefe, Vielseitigkeit und innovativem Sounddesign. (Bildquelle: Intellijel)
Pro Sound kann ein Stereo-Sample (16 Bit / 48 kHz, max. 32 s) von der microSD Karte abgespielt, das Eingangssignal bearbeitet oder das Ausgangssignal re-samplet werden
Zwei Parametersätze (Szene A und B) pro Sound, zwischen denen per Fader und CV überblendet werden kann
Pitch-Quantisierer pro Sound
10 Regler für direkten Zugriff auf: Start, Warp, Scan, Grain-Shape, Blur (Reverb), Level, Rate, Size, Pitch und Tone
Speicherplätze für 48 Projekte mit je 48 Presets
3 zuweisbare CV-Eingänge sowie interner Zufallsgenerator zur Modulation
Sync Eingang
Next, Gate und Select CV-Eingänge zur Anwahl und Umschaltung von Sounds
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