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Arturia Pigments Test

Arturia aus Frankreich sind auf dem Feld der Software-Synthesizer ein echtes Schwergewicht. Seit gut 20 Jahren sind sie, wenn es um Emulationen großer Synthesizer-Legenden wie Moogs Minimoog oder Yamahas CS-80 geht, ganz vorne dabei. Auch bei Hardware-Synthesizern und -Samplern wie dem MatrixBrute, DrumBrute oder MiniBrute und Controllern wie dem Beatstep Pro oder der Keylab-Reihe haben Arturia eine große Fangemeinde. 

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Die Überraschung war groß als Pigments vergangenen Oktober angekündigt und im Januar dieses Jahres veröffentlicht wurde. Arturia? Waren das nicht die, die mittlerweile quasi ALLE Synthesizer-Legenden nachprogrammiert hatten? Egal ob Arp2600, DX7, Juno60, Prophet V oder Synclavier – Arturias V-Collection hat sie. 
Mit effektgeladenem Vorstellungsvideo und einer gut durchdachten Promo-Kampagne, bei der im Vorfeld der Veröffentlichung einige prominente YouTuber aus dem Synth-Bereich wie Andrew Huang zur Beteiligung eingeladen wurden, zeigte Arturia, dass man es mit Pigments ernst meint. 
Bei der Auswahl der Presets schauen Synth-Hersteller auf die aktuellen Trends. Trap ist langsam vorbei und EDM im Winterschlaf, Lofi Hiphop und Synthwave sind die Genres der Stunde, Psytrance wächst und auch bei vielen Film- und TV-Kompositionen werden ungewöhnliche Synth-Sounds immer wichtiger. Also holt man sich Produzenten und Sounddesigner ins Boot, die in diesen Genres unterwegs sind. Auch Arturia hat seine Hausaufgaben gemacht: Künstler und Sounddesigner wie Maxime Dangles (Electro), Cubic Spline (Psytrance), Jörg Hüttner (Filmmusik), Robert Dudzic (Filmmusik) oder Starcadian (Electro) wirkten bei der Preset-Erstellung mit.

Details

Arturia Pigments gibt es als Standalone und in den Plugin-Formaten VST2.4, VST3, AU und AAX. Der Soft-Synth bringt zwei sogenannte Engines mit. Eine, die klassische Analog-Synth-Wellenformen erzeugt, insgesamt sechs Oszillatoren hat und dementsprechend „Virtual Analog triple oscillator engine“ heißt, und eine weitere, die wie Massive oder Serum mit Wavetable-Synthese arbeitet und sich „Complex Wavetable engine“ nennt. Dazu kommen zwei Filter-Slots mit einigen Filtern, die man aus den Hardware-Emulationen Arturias kennt, dreizehn Effekte und eine sehr vielseitige Modulationsengine. 

In der Wavetable-Engine gibt es neben verschiedenen Unison-Modes vier typische Wavetable-Effekte: Freq Mod, Phase Mod, Phase Distortion und Wavefolding
In der Wavetable-Engine gibt es neben verschiedenen Unison-Modes vier typische Wavetable-Effekte: Freq Mod, Phase Mod, Phase Distortion und Wavefolding

Pigments – Modulationswunderkind

Pigments bringt vieles mit, was man kennt: Analoge und digitale Oszillatoren, verschiedene Filtertypen und -routings, jede Menge Modulations- und Raumeffekte und eine Vielzahl an Modulatoren wie Hüllkurven, LFOs, MIDI-Controller-basierte Parameter wie Aftertouch und neuartige Möglichkeiten wie Kombinatoren und komplexe Zufallsgeneratoren. Trotzdem aber weitestgehend alles bekannt. Was aber sofort ins Auge fällt im Vergleich zur Konkurrenz, ist  die Visualisierung. Alle 23 Modulatoren sind immer zu sehen, egal welche Module oder Bereiche man rundherum gerade bearbeitet. So ist man sofort dabei zu modulieren, was das Zeug hält.

Lieber besser als neu

Auch sonst ist dem Software-Synthesizer anzumerken, dass Arturia viel Wert auf das Bessermachen legen und nicht so viel darauf, es anders zu machens. Im Laufe des Tests passierte es im Workflow immer wieder, dass ich mich freute, wie durchdacht die Oberfläche ist und wie schnell Sounds erstellt und verändert werden können. Auch Dinge wie Preset-Playlisten, die sehr einfache und übersichtliche Verknüpfung von Modulatoren und Parametern und ein Routing, das sehr komplexe Sounds durch verschiedene serielle und parallele Kombinationen zulässt, zeigen, dass hier Synthesizer-Freaks am Werk waren, die den ganzen Tag nichts anderes tun.

Diese Tipps gibt es für jedes Preset. Sie werden mit Klick auf die Glühbirne oben rechts angezeigt.
Diese Tipps gibt es für jedes Preset. Sie werden mit Klick auf die Glühbirne oben rechts angezeigt.

Was ist drin in Pigments?

Ansonsten hat man gepackt, was bekannt ist, aber dann immer noch eine Schippe draufgelegt: Zwei Filtermodule mit acht Filtertypen, die man teilweise aus Arturias V Collection kennt, wie beispielsweise den Filtern des Matrix 12 oder des Minimoog aber auch effektvollere Filter wie ein Comb-Filter, der stark an den MS-20-Filter erinnert, und einen Formant-Filter. Im Effektbereich gibt es zwei Insert-Effekt-Module und ein Send-Modul, in denen sich jeweils drei der dreizehn Effekte kombinieren lassen. Eine Preset-Bank ist dabei, die von Haus aus ordentliche 662 Presets mitbringt. Dazu ein Browser, wie man ihn aus Arturias Analog Lab 3 kennt, wo sich Sounds nach Typ und Genre suchen lassen und man gleich Zugriff auf vier Makros hat und den Sound verändern kann.

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Praxis

Be-GUI-sterung – Instant Sounddesign durch durchdachte Oberfläche
Im Gegensatz zur monochromen Ödnis von Massive und der etwas unübersichtlichen Modulationsmatrix in Serum ist man in Pigments quasi sofort dabei, Sounds zu verändern. Eine sehr einsteigerfreundliche Oberfläche, die beständig zeigt, was wo wie stark moduliert wird und per Mausklick zuschaltbare Tipps von jedem Preset-Designer, wie der Sound entstanden ist und wie man ihn besonders effektvoll verändert, laden ein einfach mal zu drehen und zu spielen. Vorbildlich.

Jeder aktivierte Modulator ist animiert. Mit Klick darauf werden die Parameter angezeigt, die von ihm moduliert werden.
Jeder aktivierte Modulator ist animiert. Mit Klick darauf werden die Parameter angezeigt, die von ihm moduliert werden.

Auch bei den Presets hat Pigments eine Funktion, die man nicht mehr missen möchte: Playlisten. Beispiel: Eine Liste mit Sounds für ein Live-Set, eine mit filmischen Pad-Sounds und eine mit Lead-Sounds, die besonders analog klingen. So kann man über die Zeit aus der Preset-Library aussieben und die Sounds nach seinen Bedürfnissen kategorisieren.

Audio Samples
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01. Synthwave Reverses 02. Aggressive Squared Bass 03. Alley Investigation 04. 90’s Poly Leys 05. Aggrestap 06. Suspik 07. Stress

Wenn es um Sounddesign und die Entwicklung eigener Klangwelten geht, ist das Importieren eigener Audiofiles oder Wavetables ein Weg, weg von den Preset-Sounds zu kommen. Die mitgelieferten 98 Wavetables bieten zwar bereits viele neue Sound-Möglichkeiten, so kommt man aber noch direkter zu einem eigenen Sound. Das Importieren einzelner Wav-Dateien oder ganzer Ordner ist denkbar einfach: In der Wavetable-Bibliothek auf „Imported“ gehen und oben rechts im Fenster entweder das Ordner- oder das Wellensymbol anwählen. 
Bei den zwei Filterslots kann man unter anderem Filter aus Arturias bekannten Minimoog- und Matrix 12-Emulationen einsetzten. Mit einem kleinen Wermutstropfen: Insgesamt machen diese ihre Arbeit schon sehr gut und bringen bei entsprechendem Pegel und erhöhter Resonanz auch ordentlich Verzerrung mit, aber wie auch in der Collection V fehlt es hier im Vergleich zu anderen Analog-Emulationen an nötigem Biss. Bei Monark von Native Instruments und Diva oder Repro-1/5 von U-he sind die Filter-Verzerrungs-Algorithmen gerade bei Bass- oder Lead-Sounds um einiges bissiger.

Audio Samples
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08. Filter Bypass 09. Multimode-Filter (mit LFO) 10. SEM-Filter (mit LFO) 11. Matrix 12-Filter (mit LFO) 12. Mini(moog)-Filter (mit LFO) 13. Surgeon-Filter (mit LFO)

Modulate this! – Modulationsmöglichkeiten
23 Modulatoren gibt es in Pigments. Sie sind immer zu sehen und prominent in der Mitte des Plugins platziert. Sobald sie eingesetzt werden, wird die ausgehende Kurve angezeigt, genauso wie die Bewegung der modulierten Parameter. Neben bekannten Modulatoren wie drei Envelopes, drei LFOs, fünf Modulationsquellen vom MIDI-Controller (Aftertouch, Modwheel, Pitch, Velocity und Expression) und vier Makroreglern, mit denen sich – wie man es aus Massive oder Serum kennt – mehrere Parameter gleichzeitig steuern lassen, gibt es acht Modulatoren, die man in den meisten Synthesizern so nicht findet. Drei hat Arturia Function genannt, bei genauerem Hinschauen entpuppen sie sich als Multi-Stage-Envelope-Generatoren. Man kann seine eigenen Hüllkurven mit beliebig vielen Schritten einzeichnen, ähnlich wie in Alchemy oder Kontakt.

Durch die Möglichkeit, den verschiedenen Parametern verschiedene Taktlängen zu geben, kann man sehr komplexe, polyrhythmische Verläufe erzeugen.
Durch die Möglichkeit, den verschiedenen Parametern verschiedene Taktlängen zu geben, kann man sehr komplexe, polyrhythmische Verläufe erzeugen.

Dann wurden drei Zufallsgeneratoren dazugepackt, die ihre Werte auf verschiedene Weisen erzeugen. Das Turing-Modul erzeugt sich kontinuierlich verändernde Sequenzen an Zufallswerten. Sample&Hold werden die meisten aus Modular-Synthesizern kennen. Binary wiederum spuckt ganz dem Namen nach nur binäre On/Off-Sequenzen aus, deren Abfolge und Geschwindigkeit aber nach einstellbaren Zufälligkeiten.

Hier das Resultat, wenn ein LFO mit dem Binary-Zufallsgenerator kombiniert wird.
Hier das Resultat, wenn ein LFO mit dem Binary-Zufallsgenerator kombiniert wird.

Das Prinzip der Combinate-Module erinnert ebenfalls stark an Modular-Synthesizer, bei denen man oft mehrere Modulatoren kombiniert, ein Signal dämpft, anhebt oder per Sidechain zusätzlich verändert. So kann man zwei verschiedene Wellenformen und Modulatoren miteinander addieren, subtrahieren, multiplizieren und dividieren. So weit, so Grundschule. Wie sieht das in der Praxis aus? Kombiniert man beispielsweise einen LFO mit einem der Makroregler und stellt ein, dass der LFO-Wert durch den Makrowert dividiert wird, bekommt man einen waschechten Attenuator. Die LFO-Stärke wird nicht nur am Parameter selbst bestimmt, sondern auch noch mal global. Eine tolle Spielwiese.

Audio Samples
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14. Sample Bypass 15. Sample als Wavetable 16. Arpeggiator 17. 9x Reverb 18. 9x Delay (mit LFO auf Stereo-Spread)

Effekte

Bei den 13 von Pigments mitgelieferten Effektenn ist wenig besonders Spektakuläres dabei, muss es aber auch nicht. Die Besonderheiten sind hier, dass sich in den insgesamt neun Slots der zwei Insert-Module und des Send-Moduls Effekte auch doppelt nutzen lassen. Warum also nicht einfach mal neun Reverb-Effekte hintereinanderschalten, wenn man es kann? Diese Möglichkeit zusammen mit den erwähnten polyrhythmischen Sequenzer-Einstellungen lassen mit drei Mausklicks die komplexesten Drone- und Padsounds entstehen. 

Oben zu sehen: die zwei Insertslots und der Send-Slot. In jedem können jeweils drei unterschiedliche Effekte geladen werden.
Oben zu sehen: die zwei Insertslots und der Send-Slot. In jedem können jeweils drei unterschiedliche Effekte geladen werden.
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Fazit

Pigments macht Furore. Da hat man sich sehr, sehr viele Gedanken gemacht, seine eigene Software- und Hardware-Synthesizer-Expertise zusammengenommen und eine grafisch bestens durchdachte Oberfläche entworfen. Selten hat man so schnell so komplexe Modulationen erzeugt und verändert, selten war der Einstieg in das Thema Wavetable-Synthesizer so leicht. Pigments ist DER Synthesizer für Anfänger. Die Oberfläche ist vorbildlich groß und übersichtlich, die Parameter nicht zu versteckt. Leider plagt auch dieses Arturia-Produkt ein wenig der zu cleane Sound, was mächtigen Bässen und Lead-Sounds nicht unbedingt hilft. Bei komplexen Pads, Sounddesign für Film und Fernsehen oder wandernden Streichersounds wird aber in Zukunft kein Weg an Pigments vorbeiführen. Wenn man jetzt noch die tollen Ideen wie die Modulationstipps weiterdenkt, in der Suche beispielsweise auch nach Modulationsparametern oder Preset-Erstellern suchen kann („Zeige alle Presets, die Andrew Huang gemacht hat“) und ein paar mehr Tutorials dazupackt: Dann wird Pigments eine große Fangemeine bekommen und behalten.

Pro
  • Modulationen alle grafisch dargestellt und besser nachvollziehbar
  • Sounddesign-Tipps vom Preset-Ersteller
  • Import von eigenen Wavetable-Files
  • Riesige Preset-Library
  • Komplexe Pad-Sounds einfach erstellen
  • Schnelle Preset-Veränderung durch die Makros
Contra
  • Soundqualität bei Bass- und Lead-Sound etwas zu clean
  • Bei komplexen Sounds sehr CPU-hungrig
  • Suchfunktion etwas zu einfach
Arturia_Pigments_Test_01_Test
Features
  • 662 Presets
  • Zwei Synth-Engines: „Virtual Analog triple oscillator“ (Bis zu 6 Oszillatoren und Hard-Sync) und „Complex Wavetable“ (vorgegebene und eigene). Lassen sich kombinieren
  • Zwei Filtermodule mit 8 Filtertypen: Multimode, SEM, Matrix 12, Mini, Surgeon, Comb, Phaser, Formant
  • Drei Effektmodule mit 13 Effekten: Multi-Filter, Param EQ, Compressor, Distortion, Overdrive, Wavefolder, Bitcrusher, Chorus, Phaser, Flanger, Stereo Pan, Delay, Reverb
  • Sequencer und Arpeggiator
  • Modulation: Drei Hüllkurven, drei LFOs, fünf MIDI-Controller-basierte Modulatoren (Aftertouch und Co.), drei komplexe Hüllkurvengeneratoren (Functions), drei Zufallsgeneratoren, zwei Kombinatoren, vier Makros
  • Systemvoraussetzungen Mac: 10.10 (Yosemite) oder neuer; Windows: Win 7+ (64 Bit) oder neuer; 4 GB RAM; 2.5 GHz CPU. 1 GB Festplattenspeicher; OpenGL 2.0 kompatible GPU
  • Plugin-Formate: Standalone, AudioUnit; AAX (64 Bit); VST 2.4; VST 3
Preis
  • 148,- EUR (Straßenpreis: 25.02.2019)
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Modulationen alle grafisch dargestellt und besser nachvollziehbar
  • Sounddesign-Tipps vom Preset-Ersteller
  • Import von eigenen Wavetable-Files
  • Riesige Preset-Library
  • Komplexe Pad-Sounds einfach erstellen
  • Schnelle Preset-Veränderung durch die Makros
Contra
  • Soundqualität bei Bass- und Lead-Sound etwas zu clean
  • Bei komplexen Sounds sehr CPU-hungrig
  • Suchfunktion etwas zu einfach
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Arturia Pigments Test
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