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Vestax TR-1 Kaito Test

Intro

Vestax_TR1

„Klotzen, nicht kleckern“ scheint die Devise im Lager Vestax zu lauten, wenn es um die Konstruktion DJ- und Performer-tauglicher MIDI-Konsolen geht. Nachdem die Japaner mit VCI-100 den Wegbereiter für eine neue Klasse qualitativ hochwertiger Controller konstruierten, folgten mit Kompaktlösungen wie VCM-100 oder VCM-300 für Serato Itch und Ableton Mischpult VCM-600 weitere trendige Steuer-Konzepte. In Kürze steht mit Spin samt Mac Software DJAY3 auch schon Release Nummer sechs in europäischen Verkaufsregalen. Mit einer UVP von 265 Euro wendet Letztgenannter sich wohl eher an Einsteiger. In den USA ist das Gerät bereits seit zwei Monaten ausschließlich über den Apple Store zu beziehen.

Vestax Konsolen haben nicht nur aufgrund der außergewöhnlich guten Verarbeitung und Qualität der Bedienelemente einen gewissen Kultstatus in der Controllerszene erlangt. Gerade der VCI-100 hat eine treue Gefolgschaft und trägt dank zahlreicher Modifikationen, Overlays und ausgezeichneter Third Party-Unterstützung, zum guten Image bei. Mein heutiger Testkandidat TR-1, das Kaito-Signature-Model, wendet sich an Traktor-DJs und trumpft mit vollwertiger Vier-Deck-Kontrolle auf. Ob er diesen Erfolg wiederholen kann?

Eines ist deutlich zu erkennen. Wurden zu Beginn des Controllerism zunächst eher Universalgeräte mit breitgefächerter Software-und Layout-Kompatibilität konstruiert, sind nun – sicherlich auch bedingt durch den Siegeszug digitaler Vertriebsformen – immer mehr Einheiten mit genrespezifischen Eigenschaften gefragt. Ein Mainstream- oder Wedding-DJ stellt nun einmal andere Ansprüche an einen Controller, als ein Lounge-DJ. Zum Beispiel einen Mikrofoneingang. Den könnten auch scratchende MCs für sich beanspruchen und benötigen zudem große Jogdials. Reiselustigen Bar-Beschallern reicht unter Umständen eine kompakte zwei Kanal-Konsole mit EQ aus. In technoiden Klangspektren verzichten DJs nicht selten auf Jogwheels und steuern die Tracks statt dessen über Taster. Der so gewonnene Platz lässt sich für Effekt und Loopsektionen einsetzen, die in elektronischen Sparten mittlerweile zum Pflichtprogramm gehören. Gemixt wird mit den Linefadern. So auch beim TR-1. Vestax und Produktionspate Hiroshi Watanabe a.k.a. Kaito schaffen in diesem Zug neben den Jogdials auch gleich den Crossfader ab.

Mit einer UVP von 594 Euro und einem aktuellen Straßenpreis von 499 Euro ist unser interfaceloses Testgerät eines der teuersten seiner Klasse. Es kostet deutlich mehr als Hercules Control-Steel (198 €) oder Numarks Stealth-Control (249 Euro). Der Teufel muss also im Detail stecken, oder?

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Details

TR1 Co-Producer Hiroshi Watanabe, so der bürgerliche Name, wurde 1971 in Tokio geboren und ist ein japanischer Techno- und Trance-Musiker. In Deutschland wurde er vor allem durch seine Veröffentlichungen auf dem Kölner Label “Kompakt” unter dem Pseudonym „Kaito“ bekannt. Er studierte am “Tokio College of Music” Kontrabass. Am amerikanischen “Berkeley College of Music” erlangte er einen Abschluss in Komposition. Mitte der 90er spielte er als DJ in New Yorks legendären Clubs Twilo und Tunnel, wo Szene-Legenden wie David Morales, Junior Vasquez oder Danny Tennaglia sich die Scheiben in die Hand gaben. Neben eigenen Techno-Tracks produziert Watanabe TV-Jingles und Musik für Theaterstücke.

Kontaktaufnahme

Das Erste, was mir beim Befingern der 55 Millimeter hohen metallgebürsteten Kommandozentrale für angehende Effektdirigenten einfällt, ist: Beinhart wie n Rocker. Die 2,6 kg schwere Konsole ist absolut solide verarbeitet, zudem sehr kompakt für einen Vier-Deck-Controller und wirkt zu keinem Zeitpunkt überladen. Schuld daran sind zwei Kippschalter, die während des laufenden Betriebes Decks C und D aktivieren und ihnen die gesamte Bedienoberfläche zur Verfügung stellen. Traktor LE ist bereits im Lieferumfang enthalten. Ich habe ehrlich gesagt berechtigte Bedenken, dass die Software sämtliche Controllerfeatures voll ausreizen kann. Der Praxistests wird’s zeigen. Außerdem förderte der Karton das Benutzerhandbuch, einen Satz Aufkleber und ein USB-Kabel ans Tageslicht.

Das Backpanel offeriert einen USB-Port zum Anschluss an den Computer sowie eine Buchse für ein externes Netzteil, was besonders wichtig ist, wenn die USB-Steckplätze am Rechner etwas schwach auf der Brust sind. Zum Wechseln der Versorgungsquelle ist löblicherweise ein Schalter verbaut, der die Kontrolleinheit auch komplett abschalten kann. Seltsam, dass es noch immer Manufakturen gibt, die von dieser Art Anwenderfreundlichkeit nichts zu halten scheinen.

Vestax_TR1_Backpanel

Bedienelemente
359 x 200 Millimetern mißt die Oberfläche meines heutigen Prüflings. Hier bringen die Produktdesigner 23 Drehregler, vier 60-Millimeter-Fader, einen Joystick, zwei Kippschalter, 37 normale Buttons, 2 Shift-Buttons und 10 Mikrotaster unter. Dazu kommen noch zwei frontseitige Mini-Drehregler. Der Linke passt die Flankensteilheit der Linefader-Kurve an, der Rechte steuert die Intensität der LEDS. Das ist besonders in strobobefeurten, aber ansonsten stockdusteren Spelunken von Vorteil. Warum? Der DJ muss keine Bergbau-Taschenlampe zur besseren Identifikation der Bedienelemente auf dem Kopf tragen. Er kann stattdessen einfach den Kontrast der Button-LEDs erhöhen und dadurch für eine gewisse Grundbeleuchtung der Schaltflächen im Off-Status sorgen. Praktisch.

Fotostrecke: 4 Bilder Niedriger Kontrast

TR-1 sendet mit 81 Bedienelementen bis zu 160 MIDI-Parameter. Falls es während der Performance partiell zu einer weniger filigranen Behandlung kommt, keine Panik. Der Effekt-Akrobat steht rutschsicher auf vier gummierten Füßen. Sollte das Verbindungskabel trotzdem einmal versehentlich entfernt werden, schützt traktorseitige Hotplug-Erkennung zwar nicht vor kurzzeitigem Kontrollverlust, bindet TR-1 aber nach erneutem Anstöpseln direkt wieder ins Spielgeschehen ein.

Was die Qualität der Bauteile angeht, hat sich Vestax im Vergleich zu den Vorgängermodellen noch einmal kräftig ins Zeug gelegt. Der Durchmesser der fingerfreundlichen Potikappen ist etwas größer als bei den Geschwistermodellen, sie sind zudem feiner geriffelt und griffiger. Das Design erinnert stark an die PMC-06 Pro-A Battlemixer Pendants, denn sie unterscheiden sich lediglich in der Farbgebung um Nuancen. Auch die äußerst sanft gleitenden Fader, denen ein gebührender Regelweg von 60 Millimetern zugesprochen wurde, hinterlassen einen rundweg positiven Eindruck. Die Schieber sind handlich, ihr Spiel ist marginal, die Kappen sitzen fest. Diese Fader gehören zu den Besten, die mir bisher bei DJ-MIDI-Controllern unter die Finger gekommen sind. Im Zusammenspiel mit Traktor Pro liefern sie pitchseitige Feinabstufungen von etwa 0,05 Prozent.

Fotostrecke: 3 Bilder

Vestax spendiert der Kaito-Edition vier unterschiedliche Buttontypen. Größen, Andrucktiefen und Druckpunkte der stabilen Kunststoffknöpfe sind gut an die einzelnen Funktionen angepasst. Bis auf die kleinen, schwarzen Mikrotaster sind sämtliche Schaltflächen beleuchtet und geben ein optisches Statusfeedback. Die Kippschalter zum Wechseln der Decks bedürfen eines gewissen Kraftaufwandes, was ein versehentliches Umlegen erschwert.

Statt eines Clickwheels verbauen die Japaner einen Joystick, der, im Gegensatz zu den Turntable- oder CD-Varianten, eine integrierte Button-Funktion vorweisen kann. Das Stäbchen besitzt eine angenehme Rückfederung und ein durchaus gangbares Druckverhalten, hat man die Handhabung einmal adaptiert.

Vestax_TR1_Joystick

Layout
Das Gesamtlayout orientiert sich traditionell an einem Standard DJ-Set, indem es die Mixersektion im Zentrum arrangiert und an ihren Flanken Abspielsektionen und Kreativabteilungen positioniert. Die Pitchfader sind an die äußeren Enden verlagert. Leider haben die Konstrukteure auch beim vorliegenden Modell nicht an eine Vorrichtung für einen Schutzdeckel gedacht. Wer das Kistchen fest ins Studio integriert, muss also eine selbst angefertigte Staubschutzhülle verwenden. Der reiselustige Notebook-DJ sollte auf jeden Fall eine geeignete Transporttasche anschaffen, die TR1 gegen ein Verbiegen der Temposlider schützt. Schade, dass die Konsole nicht auch mit Interface verkauft wird. Eigentlich spricht doch nichts dagegen zwei Versionen zu fertigen, so wie Numark und Hercules dies bei ihren aktuellen Controller-Generationen umsetzen. Gerade wer einzig mit Controller und Laptop auflegt, könnte so einiges an Verkabelungsaufwand und zusätzlichen Fehlerquellen durch die externe Audio-Lösung vermeiden. Vielleicht hat diese Entscheidung aber auch mit einer optionalen Traktor-Scratch Verwendung zu tun. Denn grundsätzlich lässt sich das MIDI-only Modul auch im Timecode-gesteuerten Mehrdeck-Betrieb verwenden. Egal ob mit zwei oder vier Plattenspielern. Egal ob mit internem oder externem Mischpult. Und in der Regel besitzen Traktor Scratch User bereits ein Native-Instruments-Interface. Trotzdem schade.

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Praxis

TR1 + Traktor LE= TR1-LE. Stimmt diese Gleichung?
Traktor LE bietet mit zwei Abspielsektionen, einem Mischpult mit 3-Band-EQ, automatischer BPM-Analyse und Beatsynchronisation das Grundrüstzeug für den Digi-DJ. Auch die Effekte Delay, Flanger und Reverb sowie eine kleine Loopsektion sind mit an Bord. Die Decks liefern wichtige Informationen zum abgespielten Musiktitel und zeigen die Wellenform der Musikstücke in einer vergrößerten Ausschnittsbetrachtung mit Beatgrid an. Das Phasenmeter schlägt aus, wenn die Tracks aus dem Gleichschritt geraten. Dadurch bekommt der DJ eine optische Hilfe zum perfekten Mix an die Hand. Komfortabel gestaltet sich die Musikverwaltung. Bereits vorhandene Traktor-Kollektionen, Musik- oder Itunes-Ordner importiert der Treckerfahrer auf Knopfdruck. Mit der tag-orientierten Kategoriesuche lokalisiert er seine Tracks selbst in umfangreichen Musikbibliotheken zügig. Der Layout-Manager und eine individuelle Deck- und Browseranpassung fielen leider dem Rotstift zum Opfer.

Traktor_LE_02

Um die japanische Kontrolleinheit ins Geschehen einzubinden, führt der Weg über den Setup-Wizard. Er fragt Schritt für Schritt Hardwarekomponenten ab und richtet diese dann ein.

The "wizard"
The “wizard”

Mit den Linefadern reguliert der Disc-Jockey die Lautstärke der jeweiligen Decks, die zentrale Mixersektion arbeitet prinzipiell der Beschriftung entsprechend. Lediglich das Filter-Poti steuert hier Gain, was nicht weiter verwundert, denn Native-Instruments haben Traktor LE doch die praktischen Pro Features Autogain und Master Limiter vorenthalten. Es ist also etwas mehr Handarbeit, oder vielmehr Ohrarbeit gefordert, was ja bekanntlich nicht schadet und als Grundlage fundierten Mixings immer mal wieder trainiert werden sollte. Damit es nicht zu laut im Gehörgang scheppert, kann der DJ Haupt- und Vorhörsignal sowie Cue-Mix in der Mastersektion regulieren.

Die Effektsektionen kontrollieren für jeweils einen Effekt den Dry/Wet Anteil und einen Parameter sowie das bipolare Filter. Mit den zugeordneten Buttons wechselt und aktiviert man die FX. Einer der Regler ist allerdings nicht belegt.

Die Effektsektion unbeleuchtet
Die Effektsektion unbeleuchtet
Audio Samples
0:00
Delaymodulation Filtermodulation Flangermodulation

Mithilfe der Loop-Abteilung lassen sich sowohl handgemachte als auch computergestützte Schleifen recht komfortabel anlegen. Manuelle Loops setzt man mit den Tasten CUE-BACK und CUE FWD, sie ersetzen IN/OUT. LOOP loopt automatisch. Die Move-Unit arbeitet nicht wie beschriftet. Die Längen der Audiozyklen lassen sich zwar modifizieren, Einfluss auf den Modus-Operandi (Move-Mode: LOOP IN, OUT, BEAT) hat der DJ jedoch nicht. Auch lässt sich die gesamte Schleife nicht on-the-fly verschieben. Die FX-Tasten der Transportsektion sind nicht belegt. Traktor LEs Effekte werden grundsätzlich nicht am Kanal, sondern durch den Effektbutton in der FX-Unit abgeschaltet.

Zwischenbilanz
Wie erwartet kann der Vierdeck-Controller im vorliegenden Bundle seine Stärken nur im Ansatz ausspielen, dennoch ist auch die eingeschränkte Traktor-Fassung durchaus für weniger komplexe Mixsession geeignet. Sämtliche 28 Traktor Effekte, ausgefeiltes Loop- und Cuejuggling mit Quantisierung, Master- und MIDI-Clock, Recording oder Broadcasting sind den großen Brüdern vorbehalten. Das Upgrade auf Traktor Duo (sechs Chained-FX, zwei Decks, kein Recording, kein Broadcasting) schlägt mit 69 Euro zu Buche, für Traktor Pro werden 129 zusätzliche Euronen fällig. Wer sich für das Kaito Sondermodell entscheidet, hat diese Kosten wahrscheinlich schon eingeplant.

Mit dem Tiger in der Höhle
Nicht alle Regler kommen in den Genuss einer zweiten Funktionszuweisung, wie die Beschriftung zweifelsfrei erkennen lässt. Das Traktor-Pro-Mapping entspricht dieser exakt und ist im Nu adaptiert.

Deck-Sektion

Die Deck-Sektion steuert die Synchronisation der Software-Player, die automatische Tonhöhenkorrektur und lässt bis zu zwei Effekt-Einheiten auf jeden Kanal wirken. Play/Pause ist etwa doppelt so groß wie die übrigen Buttons, löst auf der vollen Fläche aus und ermöglicht so auch in trüben Gewässern mit Erfolg zu fischen. Vergleichsweise klein geraten erlaubt die Drei-Tasten Cue-Truppe das Anlegen von maximal acht Lesezeichen während des Betriebes. Zwischen den Markierungen darf vor oder zurückmanövriert werden, in Verbindung mit der Shift-Taste spult der DJ im Song. Einen Cuepunkt direkt anzuspringen ist nicht möglich.

Pitchabteilung
Pitchregler und Bend-Buttons sind in ihrer Funktion mit LE identisch. T(S)P gestattet ferner die Auflösung des Temposchiebers (8,10, 35,50,100 Prozent) anzupassen, allerdings nicht von der Hardware aus. Über dem Fader positioniert, verschiebt KEY die Tonart auf Wunsch in einem Wertebereich von + /- 12 Halbtönen während des Abspielvorgangs. Hier ist ein Audiobeispiel.

Vestax_TR1_Keycontrol

Effekte und Loops
An der Spitze des Controllers thronen die Effekt-Batallione und warten auf ihren Einsatz am Dancefloor. Praktischerweise wechseln Mikrotaster jederzeit zwischen Chained- und Advanced-Mode. Im erweiterten Modus lässt sich jeweils ein Effekt mit maximal 3 Parametern beackern. Die Regler arbeiten sehr genau und lassen eine äußerst präzise Steuerung der Parameter zu. Schaltet der DJ in den verketteten Modus, kann er drei FX gleichzeitig auf die Zuhörer abfeuern. Jeder Regler modifiziert dann eine Eigenschaft, Dry/Wet mischt den Gesamtanteil. Hier zeigt der Tiger seine Krallen, denn die Effektsektionen arbeiten in klangmanipulativer Hinsicht sehr effizient, der Workflow ist aufgrund des ergonomischen Layouts und der Kippschalter vortrefflich. Von Wertesprüngen beim Player-Wechsel keine Spur, die einzelnen Reglerpositionen müssen bei erneuter Aktivierung des Decks abgeholt werden. Selbst der spezifische LED-Status bleibt erhalten. Toll.

Auch die hardwareseitige Umsetzung der Loop-Abteilung ist geglückt. Schleifen können direkt am dazugehörigen Deck aktiviert werden, Move-Control erlaubt dann weiterführendes Tuning. Dazu legt der DJ per Mikrotaster den Fokus auf das zu steuernde Deck, welches durch ein kräftiges Orange hervorgehoben wird. Nun kann er die Loopgröße in einem Bereich von 1/32 bis 32 Beats anpassen. Er kann die gesamte Schleife, oder auch nur ihren Anfangs- oder Endpunkt verschieben, sogar den ganzen Beat versetzen. Da hier mit Deckfokus gearbeitet wird, muss er gerade bei zeitkritischen Loop-Manövern nicht erst zum Kippschalter greifen. Ist zudem Sync-Lock an sämtlichen Decks aktiviert, entfällt auch eine manuelle Synchronisation der Decks, und somit erneutes umschalten. Ich hätte an dieser Stelle lieber vier Encoder pro Seite gesehen, jeweils einen pro Deck für Looplänge und -position, aber das ist natürlich Geschmackssache. Insgesamt gelingt die Schleifenfrickelei auf vier Traktor Decks ziemlich flüssig, aber bei den Kernmanövern eben nicht simultan, so wie in meinem Wunsch-Szenario.

Vestax_TR1_Move__Unit

Das bequeme Browsen in der Playlist übernimmt der Joystick. Je nachdem, ob der DJ den Stick nach rechts oder links zieht, landet der ausgewählte Song im dazugehörigen Player. Preview aktiviert das Vorhör-Deck und gibt das Signal auf dem Kopfhörer aus, außer der DJ routet es auf einen separaten Ausgang. Dies ist nur unter Verwendung eines externen Mischpults möglich und wird in den Preferences aktiviert. Leider ist es mit dem Stick nicht möglich, durch die Verzeichnisstruktur zu navigieren, respektive in eine andere Liste zu wechseln. Auch die Favoriten-Shortcuts sind nicht gemappt. Ein Blick in den Controller-Manager bestätigt meine Vermutung, dass es sich bei der Shift-Taste um eine hardwareseitige Shift-Funktion handelt. Prima! Wird Shift betätigt, lösen die Controller also einen anderen MIDI-Befehl aus. Wer ein wenig mit Traktors Learn-Funktion vertraut ist, kann fehlende Features nachträglich mit einer zusätzlichen Bedingungsabfrage realisieren.

Vielleicht könnten gerade die Hersteller von Traktor- Controllern in Zukunft die eine oder andere vom User frei belegbare Taste für zusätzliche softwareseitige Modifier und freie Drehregler in die Konzeption einbeziehen. Das würde dem Käufer etwas mehr Spielraum in der Anpassung an individuelle Schwerpunkte geben. Dann könnte er sich zum Beispiel eine ALT-Taste programmieren, um die Loops mit den Effektpotis zu steuern, ohne dafür auf eine andere Funktion verzichten zu müssen. Wer dazu keine Lust hat, greift zu Tastatur, Maus oder weiteren MIDI-Controllern.

In seinem angestammten Territorium spielt das Effektwerkzeug seine Stärken aus. Und diese Arbeitsumgebung ist zum heutigen Zeitpunkt (21.01.2010) Traktor Pro, da es als einzige professionelle DJ-Software Vier-Deck-Betrieb an Bord hat und zudem eine stattliche Anzahl gut klingender und hinsichtlich mehrerer Parameter modifizierbarer Effekte mitbringt. Wenn man mit vier Decks simultan auflegt, erfordert manuelles Beatmatching einen höheren Zeitaufwand als mit zwei Decks. Wer Effekt- und Loopgewitter auf den Tanzflur abfeuert, kann diese Zeit gerade mit Traktor Pro verkürzen. Unter der Voraussetzung, dass die interne Tempoanalyse in der oft doch relativ klar strukturierten Dancemusik nicht daneben greift, kann sich der DJ die implementierte Sync Lock-Funktion zunutze machen. Sie synchronisiert alle Player zum Master. Am besten er aktiviert Auto Gain und den Limiter für den Master gleich mit, denn das Entwicklerteam hat die sonst übliche hardwareseitige Gain-Kontrolle abgeschafft. Mixing 2010!

Mixing 2020
Jetzt fehlt eigentlich nur noch eine Option, die trotz eines Trackwechsels zuvor gespeicherte Loops abspielt, wenn der Song an deren Position gelangt oder per Fade-In and Outs automatisch an diese Stelle dirigiert wurde. In diesem Zusammenhang würde sich auch gleich die Implementierung einer Scriptsprache anbieten, die Befehlsverkettungen wie die Nachfolgende unterstützt:

Computer: Lade am Fade-out Punkt von Deck A bitte den Track „MonstaDiscoBeat.mp3“ an seinem Fade-in-Marker (ein Loop-In-Point) bei 10 Prozent Kanal-Lautstärke in Deck B. Aktiviere den Loop automatisch, spiele ihn acht Mal ab und schalte zuvor den Gater ein. Während jedes Schleifenzyklus erhöhst du die Lautstärke, solange sie nicht 100 Prozent erreicht hat, um weitere 10 Prozent. Lass den Audioschnipsel nach der achten Wiederholung dann einfach weiterlaufen aber bleib wachsam. Erreicht das Musikstück dann den benannten Marker „Sweep“, aktiviere das Filter am Kanal zwei und erzeuge einen Filtersweep mit den Werten, die in der Datei „sweep.sfx“ festgelegt sind. Ist dieser Effekt durchgelaufen, aktiviere den zweiten Loop im Musikstück an Marker 5 und blende den Song während der 4-Beat-Zyklen innerhalb von 10 Sekunden bei gleichbleibendem Pegelabfall langsam aus. Parke dann den Song „NochEinTrack.mp3“ am Fade-In, warte auf ein Steuersignal und sende derweil eine SMS an den Barkeeper, dass der musikalische Verantwortliche noch mal die gleiche Runde bestellen möchte.“
In einem solchen Szenario könnten PJ (Programmier-Jay) und Lichtjockey während eines Sets gepflegt einen heben und dabei einen schönen Film auf dem Widescreen Laptop ansehen, dass im Hintergrund die korrekte Arbeit des Mix-Netbooks per Netzwerk Anbindung überwacht.
 
Wer mit all dem gar nichts anfangen kann: Zurück in der handwerklichen Realität ist man spätestens dann wieder, wenn das Wochenende in den Club ruft und vor dem eigenen Gastspiel ein Kollege mit Vinyl oder DVS System aufgelegt hat. Denn dann klappt man ganz manuell den Plattentellerdeckel runter, stellt die Vestaxsche Steuereinheit auf, verkabelt sich mit dem Rest der Hardware und feuert per Hand Loop-Tiraden und Effektgewitter auf den Tanzflur ab. Denn das ist in meinen Augen die wahre Bestimmung des Kaito-Sondermodels. Mit unverkennbarer persönlicher Note. Mit individuellem Spaßfaktor. Gut so!

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Vestax TR-1 ist ein Controller, der speziell zur Steuerung von vier Decks, Effekten und Loops konzipiert ist. In Verbindung mit Traktor Pro kann er in diesen Disziplinen sehr überzeugen. Das klar strukturierte, übersichtliche und ergonomische Layout liefert einen effizienten und gut auf die Berliner Software abgestimmten Workflow. Da er das Standard MIDI-Protokoll unterstützt steuert er aber ebenso bereitwillig andere DJ-Programme. 499 Euro Straßenpreis sind für eine interfacelose Steuer-Konsole nicht gerade ein Sonderangebot. Die Verarbeitung und Qualität der Bedienelemente ist allerdings ausgezeichnet. Die Potis liefern einen angenehmen und natürlichen Widerstand, 60 mm lange Fader ermöglichen sanftes und präzises Steuern der Softwarefunktionen. Fast alle Buttons sind beleuchtet und lassen sich zudem im Kontrast gut an die Arbeitsumgebung anpassen. Ein Wechsel von Deck A zu C oder B zu D wird konstruktiv durch Umlegen eines Kippschalters vollzogen. Reglerwerte und Buttonstatus bleiben für jedes Deck erhalten und es kommt dabei nicht zu Wertesprüngen. Mit 2,6 Kilo Lebendgewicht und kompaktem Metall Design ist der robuste und jogdiallose Effektspezialist der ideale Wegbegleiter für DJs elektronischer Musikrichtungen und macht auch im Studio eine gute Figur. Im Auslieferungszustand müssen sich Traktoristen dabei jedoch auf zwei von neuerdings vier Software-Effekteinheiten beschränken. Vielleicht könnte ein Firmwareupdate eine nachträgliche Shift-Funktion für programmierunwillige Käufer bringen. Hätte Vestax zudem die Master Sektion verlagert und an ihrem Platz stattdessen eine zweite Loop-Sektion zur simultanen Mehrdeck-Schleifen-Steuerung verbaut, vielleicht sogar mit Encodern, wäre ihnen in meinen Augen ein sehr großer Wurf geglückt. Der rundum perfekte DJ-MIDI-Controller ist für mich nach wie vor noch nicht erhältlich. TR1 ist aber verdammt nah dran, macht sehr viel Spaß und fordert nicht nur in qualitativer Hinsicht den Anspruch auf eine Spitzenposition in diesem Preissegment ein.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Sehr gute Verarbeitung
  • Robust und Kompakt
  • Vortreffliche Fader
  • Hochwertige Drehregler
  • Beleuchtete Tasten
  • Regelbarer LED Kontrast
  • Effizienter Kippschalter für 4-Deck-Betrieb
  • Einfache Installation
  • Versorgung über Netzteil oder USB
  • Hohe Betriebssicherheit
  • Spezielles Traktor-Layout mit zwei umfangreichen Effektsektionen
  • Traktor LE im Lieferumfang
Contra
  • Etwas hoher Preis
  • Nur zwei Traktor FX-Units
  • Kein simultaner Loop-Zugriff auf mehrere Decks
  • Volle Features nur mit kostenpflichtigem Traktor Pro-Upgrade
Artikelbild
Vestax TR-1 Kaito Test
Für 275,00€ bei

Herstellerlink Vestax

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