Universal Audio Apollo Quad Test

PRAXIS

Auf meinem Produktionstisch habe ich mir meinen eigenen, kleinen Apollo-Tempel eingerichtet, doch zunächst muss ich mich natürlich dem Rechner widmen, um die dazugehörige Software zu installieren. Ein paar Male klicken und “Agree” drücken, Neustart, los geht´s. Wer Settings- und Cue-Mixing-Software von MotU oder RME kennt, wird sofort mit der gesamten Software klarkommen, das Recall-Plug ist ein Segen, wenn man nicht ständig an gleichartigen Projekten arbeitet – oder sogar auf verschiedenen Workstations! Ein bisschen schade bei umfangreichen Vorhaben ist, dass man sich bei den Insert-Effekten global entscheiden muss, ob man diese nun to-tape mit aufzeichnet  oder nur im Monitoring verwendet. Einen hochwertigen “Kuschelhall” für das Recording-Monitoring und gleichzeitig eine notwendige Bearbeitung des Gitarrensignals mit aufzeichnen? Da fallen mir jetzt nur Workarounds ein, schade! Schon klar: Die Signalinfrastruktur wäre dann etwas komplizierter, aber durchaus machbar gewesen. Ansonsten sind die Routingmöglichkeiten hervorragend und weitaus flexibler, als es die aufgeräumte Frontplatte des Gerätes erwarten lässt. Damit bin ich aber auch gleich an einem Punkt, den ich persönlich eher unpraktisch finde. Von meinem MotU 896mkIII bin ich gewohnt, viele Einstellungen direkt über das kleine Display vornehmen zu können. Nun gut, das Apollo hat auch nur eine halb so große Frontplatte, doch vielleicht wäre auf 2HE alles etwas entspannter gewesen. Ich genieße nämlich die Möglichkeit, mit umfangreichem, einstellbarem Metering direkt am Interface Pegel ablesen zu können und mich eventuell auf die Suche nach technischen Fehlern oder Patzern meines Signalfluss-Verständnisses zu machen. Und mal im Ernst: Zumindest dort, wo das schöne UA-Logo erhaben vor sich hin leuchtet, wäre doch noch ausreichend Platz gewesen.

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Instrument-Ins gehören klar auf die Vorderseite, bei Rackeinbau freut sich aber eigentlich jeder über das Vorhandensein zumindest eines einzelnen Mikrofon-Eingangs, um sich zu ersparen, sich häufiger hinter dem Rack herumwinden zu müssen wie ein Buzz Aldrin beim Einstieg in die Saturn-Rakete. Dennoch ist es erstaunlich, dass es den Amerikanern gelungen ist, derart viele Fähigkeiten in ein so kleines Gerät zu integrieren, ohne dass sich beim Betrieb sofort die Hitzekacheln lösen und es in der Studio-Atmosphäre zu verglühen droht. Durchaus knapp ist die Sache mit der Wärme allerdings dennoch: Die von UA bei der Planung eingesparte Höheneinheit habe ich trotzdem benötigt, denn den bei mir im Rack über dem Apollo angesiedelten Röhren-Preamp wollte ich dann doch nicht zusätzlich mit einer Fußbodenheizung versehen.

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Jetzt aber flugs zum Sound. Und was wird sich wohl besser für ein Signal eignen, um ein UA-Gerät zu testen, als Gesang? Hier zeigen sich übrigens keinerlei Ergonomiemängel, denn selbst mit diesem einzelnen Rädchen – übrigens dem Klassiker 1176 entliehen –gehen die Einstellungen schnell von der Hand. Und es sind auch die beliebten Preamps, die zu rufen scheinen “Apollo, ich bin dein Vater!”. Universal Audio spricht auf der Webseite zwar von Transparenz, geringem THD und schlicht und einfach von “besserem” Klang als bei der (auch viel teureren) Konkurrenz, doch gleichzeitig wird an anderer Stelle von “analogem” Sound gesprochen – was auch immer man darunter jetzt genau verstehen will. Mein Eindruck ist jedenfalls folgender (der sicher auch durch die Audio-Files nachvollzogen werden kann): Die Preamps klingen sehr hochwertig und detailliert, zeigen aber dennoch Farbe. Der dadurch entstehende Charakter kann genau das richtige in Musikproduktionen sein, er klingt hochwertig und ist wohldosiert. Dennoch würde ich mir für manche Anwendungen einen noch verhalteneren Sound wünschen. Mir fällt allerdings spontan kein einziges Gerät von Universal Audio ein, welches diese Kriterien erfüllt: Brav gibt es eben woanders. Somit ist auch das Apollo ein Stück Hardware, das klanglich so viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen versucht wie das Zünden eines Raketentriebwerks. Es klingt auffällig, laut, selbstsicher, vielleicht sogar etwas angeberisch. Bedienen wir ruhig die Klischees: amerikanisch! Und gebt es doch zu: In Verbindung mit dem FET-Kondensatormikrofon klingt das wirklich grandios, oder? Würde ich um das Apollo herum eine Workstation für meine Belange bauen, würde ich sicher noch einen externen Clean-Preamp wie den Schoeps VSR 5U und einen feinsinnigen Wandler nutzen – wenn Geld keine Rolle spielt. UA ist klanglich eben spitze, aber eben immer auch soundprägend!

Audio Samples
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UA Apollo Preamp MotU 896mkIII Preamp DSP-Effekt 1176LN DSP-Effekt LA2A DSP-Effekt CS1 (EQ und Dynamics)

Wirklich gut gefällt mir auch das, was das Apollo an Signalen in die analoge Welt entlässt. Ich vernehme zwar noch einen deutlichen Unterschied zu meinem zweikanaligen Lavry-DA11 (und bin darüber auch froh, schließlich kostet dieser ein Drittel des ganzen Apollo!), doch das analoge Monitoring ist für ein Audio-Interface wirklich absolut hervorragend! Ich halte diese Tatsache für äußerst wichtig, denn letztendlich ist Monitoring genau das, was man am Häufigsten mit Audio-Interfaces tut! Es zeigt sich, dass Universal Audio seine Erkenntnisse aus der früheren Mission mit dem 2196 zu nutzen wusste.

Besonders schön ist übrigens das Handling des Monitorlevels, welches sich mit der Fotostrecke eigentlich selbst erklärt. So schön habe ich noch nie einen Wert abgelesen, der mit Endlosdrehgebern gestellt wird! Dass „Mute“ knallrot dargestellt wird, ist eine schöne Erleichterung. Vergleiche ich das mit dem pröckeligen Winz-Regler und der davon räumlich getrennten Anzeige meines MotU, muss ich sagen, dass Apollo hier den Wettlauf zum Mond klar für sich entschieden hat. Doch nichtsdestotrotz kommen mir immer wieder Kleinigkeiten in den Sinn, die den Produktionsalltag erleichtern würden. Viele User (ich zähle mich dazu) lieben beispielsweise die Dim-Funktion, gerne sogar mit frei wählbarer Dämpfung! Auch ist es nicht falsch, einen frei belegbaren Footswitch-Port zu haben. Sicher, diese Option bieten die meisten Einspielkeyboards, so dass sich ein Switch-Controller zwar nicht dem Mute oder Dim der Audiohardware, doch immerhin verschiedenen anderen Funktionen zuweisen lassen kann (Record, Toggle Play, Toggle Click…). Und ach ja: MIDI-Ports bietet Apollo schließlich auch nicht an! Heute gibt es zwar einige USB-Keyboards, -Synths und -Workstations, aber die ganze Armada von seit den frühen 1980ern hergestellten MIDI-Synths muss mit zusätzlichen Interfaces angebunden werden. MIDI-Daten können im Prinzip bei jeder Datenschnittstelle “mal eben” mit übertragen werden, die Datenmengen sind ja fast so gering wie der Sauerstoffgehalt in der Mondatmosphäre, aber man benötigt für die Buchsen schon einiges an Platz auf der Geräterückseite (oder als Sekundärlösung eine Breakout-Peitsche). Ich bleibe dabei: UA hätten gut daran getan, Apollo um eine Höheneinheit größer, mit umfangreicheren Bedienelementen, Metern, eventuell einem Display und weiteren Anschlüssen wie MIDI, Footswitch, USB und AES/EBU auszustatten. Dann hätte auch die Kühlung der Chips stärker über die Seitenwände und den Geräterücken geführt und vielleicht obendrein das Netzteil eingelagert werden können. Nun ja, vielleicht ist ja momentan schon der Apollo-Nachfolger “Space Shuttle” in den Köpfen der UA-Engineers.

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Ich musste während des Testbetriebs kein einziges Mal ein “Your circuit´s dead!” Richtung “Tin-Can” rufen, denn das Apollo arbeitete auch unter Volllast stabil. Ach ja: Wenn Houston Daten zum Mond schickt und zurückerhält, dauert es insgesamt etwa zwei Sekunden. Bei Audio-Interfaces sind es ist nicht die Entfernungen, sondern die Hard- und Softwarebuffer und die eigentlichen Verarbeitungsprozesse, die bei Audiodaten Verzögerungen hervorrufen. Sowohl was die I/Os angeht als auch das Berechnen der Plug-Ins auf den Sharcs: Das Apollo ist verdammt flott! Selbst Software-Monitoring bei halbwegs umfangreichen Sessions war vertretbar. Ich denke, vor allem mit Thunderbolt-Interfacing wird es möglich, AVID diesbezüglich deutlich Konkurrenz zu machen. Die Auswahl an Plug-Ins ist natürlich nicht ganz so groß wie bei ProTools, doch ist vor allem für Musikproduktionen die Auswahl mehr als reichlich. Eine Reihe genau der Studioklassiker, die ich so gerne im Studio hätte, aber mir nicht leisten kann, finden sich im Angebot von UA. Stichwort “leisten können”: Im Lieferumfang des Apollo findet man den 1176 als LN- und SE-Version, den LA2A, Pultecs EQP-1A, das Realverb Pro und den Channel-Strip CS-1. Alles weitere muss man kaufen. Und ganz im Ernst: Das wird man tun wollen, alleine schon wenn man die Bezeichnungen liest: Studer A800, Lexicon 224, Manley Massive Passive, EMT 250 (übrigens die “Weltraumheizung”!), Neve 33609, Fairchild 670, ELI Fatso, Roland RE-201, SSL G-Compressor… Na, weiche Knie bekommen? Vorsicht also, denn wenn man ein UAD-System kauft, fängt man ganz schnell an zu “sammeln” – und das kann gehörig ins Geld gehen!

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Gregor sagt:

#1 - 08.01.2013 um 23:15 Uhr

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Zwei wirklich blöde Sachen zu dem Teil :a) Die Headphone - bzw. Aux- Wege sind nicht Pre oder Post-Fader schaltbar!
b) Es gibt kein separates FW-Return aus der DAW heraus. Man kann beispielsweise die bereits aufgenommenen Tracks nicht in die Aux-Wege routen!Ich wollte ursprünglich die Aux-Wege für weitere 2 Kopfhörer-Mischungen nutzen. Aber so wirds zusammen mit dem ersten genannten Problem ein schönes Gemurkse... Punch-Ins sind somit nicht möglich!Schade!Aber sonst 1A !

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